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„Die Entstehung und vor allem auch die Aufrechterhaltung süchtigen Verhaltens ist ein komplexer und oft jahrelanger Prozess. Dabei kann die Suchtentwicklung nicht an einem Faktor festgemacht werden.“ (Grüsser/Albrecht 2007, S. 21)

Nach dieser Aussage von Sabine Grüsser und Ulrike Albrecht lässt sich sagen, dass man die Suchtentwicklung mit mehreren Faktoren verbinden muss, welche den/die Betroffene/n beeinflussen. Einer dieser Faktoren sind etwa die „sozialen Gegebenheiten“.

Dazu zählt der Umgang in der Familie, im Freundeskreis oder in der Partnerschaft.

Außerdem darf man hierbei nicht das Vorleben eines bestimmten Verhaltens durch die Bezugspersonen vergessen. So hat z.B. das Kind eines nikotinsüchtigen Mannes von klein auf Kontakt zu Zigaretten und wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch selbst einmal Zigaretten konsumieren. Ein weiterer Faktor, der die Suchtentwicklung vorantreibt, liegt in der Person selbst. Hierzu zählen Befähigungen, um mit Menschen in Verbindung zu kommen bzw. Freundschaften herzustellen. Außerdem können auch das fehlende Selbstbewusstsein oder Stress Bedingungsfaktoren für Suchtentstehung sein (vgl.

Grüsser/Albrecht 2007, S. 21).

Die Autorin Izabela Horodecki äußert die Ansicht, dass das Glücksspiel immer zufällig und harmlos beginnt. Beim ersten Mal ist es Nervenkitzel mit ein klein wenig Hoffnung auf einen Gewinn. Warum es aber so ist, dass es nach dem ersten Ausprobieren bei einigen Menschen beim Gelegenheitsspielen bleibt und andere bis in die Abhängigkeit schlittern, ist bis jetzt nicht erforscht. Ähnlich wie bei allen anderen stoff(un)gebundenen Suchtmitteln ist auch der Erstkontakt mit dem Glücksspiel nicht der Start des süchtigen Verhaltens. In vielen Fällen haben pathologische GlücksspielerInnen schon vor Beginn des Einstiegs verschiedene psychische und/oder soziale Probleme (vgl. Horodecki 2012, S. 41).

Um die Entstehungsbedingungen etwas genauer zu beleuchten, wird im nächsten Unterkapitel das Drei-Faktoren-Modell der Suchtentwicklung vorgestellt.

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3.1 Das Drei-Faktoren-Modell der Suchtentwicklung

Abbildung 1: Modell der Entstehung süchtigen Verhaltens (Meyer/Bachmann 2005, S. 60)

Das Spielverhalten und vor allem dessen süchtige Erscheinungs- und Entstehungsform kann mit Hilfe des Drei-Faktoren-Modells der Suchtentwicklung erleichternd dargestellt werden. Basis dieses Modells ist die Annahme, dass Wechselwirkungen zwischen Merkmalen des Glücksspiels, des Spielers/der Spielerin und des sozialen Umfelds für die Entwicklung und Aufrechterhaltung pathologischen Glücksspielverhaltens verantwortlich sind. Diese drei Komponenten, welche nun vorgestellt werden, sollen helfen, eine glücksspielbezogene Suchterkrankung zu erklären.

3.1.1 Das Glücksspiel

Egal welchen Ausgang das Spiel hat, ob Gewinn oder Verlust, wirkt das Glücksspiel von Beginn an auf die Psyche des/der Betroffenen, denn durch die Vorfreude und die Anspannung besteht schon vor einem Gewinn oder Verlust ein positiver Effekt, welcher dann kurz vor Spielende seinen Höhepunkt erreicht. Vor allem in Casinos, Spielbanken und Spielhallen kann man die Menschen beobachten, welche während des Spiels

23 Symptome von Nervosität bis Anspannung vorweisen und am Ende entweder bei Gewinn gepackt von Euphorie sind oder bei Verlust überwiegend Niedergeschlagenheit und Enttäuschung empfinden (vgl. Meyer/Bachmann 2000, S. 61).

Egal ob Gewinn oder Verlust – der Spielausgang ist für die weitere Zukunft eines pathologischen Spielers/einer pathologischen Spielerin verheerend. Denn im Falle eines Gewinns scheint dem/der SpielerIn alles möglich und dieser positive Zustand lässt die Betroffenen von ihrer Zukunft träumen. Gewinne werden als selbstverständlich verstanden bzw. glauben die SpielerInnen den Gewinn selbst herbeigeführt zu haben.

Noch hinzu kommt, dass die SpielerInnen aufgrund der elegant und luxuriös gestalteten Spielbanken während des Spielereignisses Entspannung finden und vom Alltag und dessen Problemen für diese Zeit entfliehen können. Die Geräusche, die Lichtsignale und vor allem die „Beinahe-Gewinne“ verleiten pathologische SpielerInnen regelrecht dazu, weiter zu spielen. Denkt man nun, dass ein Verlust den/die SpielerIn zum Aufhören animiert, so liegt man mit dieser Annahme in den meisten Fällen falsch. Gleich nach dem Verlust sind die Betroffenen sehr wohl enttäuscht, doch kurz darauf wollen sie mit neuer Begeisterung das Glück erzwingen und spielen weiter. Dieser Vorgang läuft so lange ab, bis die finanziellen Mittel knapp werden und der/die pathologische SpielerIn (vorerst) zum Aufhören gezwungen ist. Glücksgefühle, Euphorie, Freude sind zu diesem Zeitpunkt kaum noch vorhanden. Niedergeschlagenheit, Panik und Ratlosigkeit stehen im Mittelpunkt (vgl. ebd. 2000, S. 62ff.).

3.1.2 Das Individuum

Die nächste „Säule“ des Drei-Faktoren-Modells ist der/die Glücksspielsüchtige selbst.

Sind sich alle pathologischen SpielerInnen ähnlich oder gibt es sehr wohl Unterschiede?

Um eine Person zu charakterisieren, die ein pathologisches Glücksspielverhalten aufweist, muss man einige individuelle Eigenschaften berücksichtigen. Es können mehrere Merkmale genannt werden, welche die Basis für ein süchtiges Spielverhalten sein können. Zu diesen Merkmalen gehören die Persönlichkeitsstruktur, affektive Störungen und Angststörungen, genetische Bedingungen, das Geschlecht und die soziodemographischen Merkmale.

24 Das Individuum bzw. der/ die SpielerIn an sich wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit (Kapitel Spielerprofil) noch näher beschrieben.

Dementsprechend komme ich nun zum dritten Faktor des Drei-Säulen-Modells. Dies beinhaltet die Rolle des sozialen Umfelds bei der Entstehung und Aufrechterhaltung des pathologischen Glücksspielverhaltens.

3.1.3 Das soziale Umfeld

Das Glücksspiel ist kaum noch aus dem Alltag der heutigen Zeit wegzudenken. Auch die Gesellschaft trägt durch ihre positive Einstellung und die Unterschätzung der Gefahren viel zum Image und zur Entwicklung des Glücksspiels bei. Das Glücksspielangebot und dessen Verfügbarkeit werden immer größer. Diese Tatsache ist ein Grund dafür, dass sich die Anzahl an pathologischen GlücksspielerInnen von Jahr zu Jahr erhöht und auch in naher Zukunft immer weiter anwachsen wird. Dies wiederum verschafft der Glücksspielbranche immer steigenden Umsatz. Gepaart mit steigenden Werbebudgets sind diese Aspekte Grund dafür, dass das Glücksspiel immer mehr als ein Freizeitangebot angesehen wird, zu welchem viele Personen nicht „Nein“ sagen können.

Neben diesen gesellschaftlichen Problemen können aber auch die Familienstruktur und der Freundeskreis vor allem bei Jugendlichen bei der Entstehung und Entwicklung des pathologischen Glücksspielverhaltens eine immense Rolle spielen.

3.1.3.1 Das Elternhaus

Mehrere Studien machen deutlich, dass bestimmte familiäre Gegebenheiten die Wahrscheinlichkeit auf ein Fehlverhalten in Bezug auf das Glücksspiel erhöhen.

Betroffene Jugendliche stammen meist aus Familien mit geringem sozioökonomischem Status und niedrigem Einkommen. Des Weiteren lässt sich sagen, dass die Eltern jugendlicher ProblemspielerInnen meist selbst eine „Spielerlaufbahn“ hinter sich haben, noch immer ein problematisches Glücksspielverhalten aufweisen oder eine andere Suchtproblematik zeigen. Aber auch die Bindung zwischen Eltern und Kind ist hier hervorzuheben. Denn je schlechter die Bindung, desto später wissen die Eltern über das Spielverhalten ihrer Kinder Bescheid (vgl. Hayer 2012, S. 194ff.).

25 Primär gilt es für die Eltern keine Duldsamkeit für das Glücksspiel ihrer Kinder zu zeigen und, wenn nötig, dieses Problemverhalten zu sanktionieren. Auf keinen Fall darf es von Seiten der Eltern zum Schönreden dieses Verhaltens kommen, bei dem vor allem am Anfang das gelegentliche Spielen toleriert wird.

3.1.3.2 Peergroups

Die Peers und die Zugehörigkeit zu einer Peergroup nehmen für die heutige Jugend eine immer wichtigere Rolle ein. Hauptverantwortlich für den Erstkontakt zum Glücksspiel bei Jugendlichen sind die Peers. Durch Nutzen des Glücksspielangebots hoffen viele Jugendliche auf soziale Interaktion und Anerkennung. Fest steht, dass jugendliche ProblemspielerInnen eine Vielzahl an FreundInnen haben, welche selbst glücksspielbedingte Probleme aufweisen oder anderen Suchtmitteln nicht abgeneigt sind.

Betroffene Jugendliche schildern oftmals, dass sie wenig Akzeptanz durch ihre Peers erfahren, kaum enge Freundschaften aufbauen können und die soziale Unterstützung zu wünschen übrig lässt. In Bezug auf die Schule sehen jugendliche ProblemspielerInnen diesen Ort als unsicher und oftmals durch Konflikte mit anderen SchülerInnen geprägt.

Des Weiteren ist auch das Schwänzen der Schule zu erwähnen, was für betroffene Jugendliche typisch ist, um in dieser Zeit ihrem „Hobby“ nachzugehen (vgl. Hayer 2012, S. 197ff.).

Die Entstehungsbedingungen für ein pathologisches Glücksspielverhalten wurden soeben erläutert. Doch wie entwickelt sich eine Spielsucht weiter? Welche Phasen durchläuft der oder die Betroffene? Diese Fragen werden nun mit Hilfe des nächsten Kapitels geklärt.

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