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„Health Literacy basiert auf allgemeiner Literacy und umfasst das Wissen, die Motivation und die Kompetenzen von Menschen, relevante Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag in den Domänen der Krankheitsbewältigung, der Krankheitsprävention und der Gesundheitsförderung, Urteile fällen und Entscheidungen treffen zu können, die ihre Lebensqualität während des gesamten Lebensverlaufs erhalten oder verbessern“

(Schäfer / Pelikan 2017, S. 12 zit. n. Sorensen et al.2012, p. 3, Übersetzung durch die Autoren).

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Abbildung 1: Konzeptuelles Modell von Gesundheitskompetenz (Pelikan et al.2013, S. 24).

Die Abbildung gibt die Definition von Gesundheitskompetenz, basierend auf einem konzeptuellen und logischen Modell wider Die Logik ergibt sich, da GK mit wichtigen Ursachen und Wirkungen in Zusammenhang gebracht werden kann. Konzeptuell, weil das Zentrum des Modells Kompetenzen einer Person aufzeigt, die für den Informationsprozess bei der Entwicklung von Gesundheitskompetenz erforderlich sind.

Dazu zählen:

Finden bezieht sich auf die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu suchen und zu finden.

Verstehen heißt, die erhaltenen Informationen inhaltlich zu erfassen.

Beurteilen beschreibt die Fähigkeit, die gefundenen Gesundheitsinformationen zu interpretieren, zu filtern, einzuschätzen und zu prüfen.

Umsetzen beinhaltet die Fähigkeit, zu kommunizieren und die Informationen zu nutzen, sowie Entscheidungen im Hinblick auf das Erhalten und die Verbesserung der Gesundheit zu treffen (vgl. Pelikan et al. 2013, S. 94).

Jede dieser Kompetenzen zeigt, dass die Mitwirkung der einzelnen Person mit den spezifischen, kognitiven Fähigkeiten und auch die Qualität der

9 bereitgestellten Gesundheitsinformationen Grundlage für gesundheitskompetentes Verhalten ist (vgl. Pelikan et al. 2013, S. 95).

Kritisch merkt Pelikan an, dass das logische Modell der umfassenden GK wichtige Ursachen mit Wirkungen verbindet, die in der internationalen Literatur auch diskutiert werden und obwohl sich „Allgemeine Literacy“, auf der die GK basiert, in der Definition wiederfindet, sind spezifische Determinanten und spezifische Konsequenzen nicht beinhaltet. Es wird allerdings formuliert, wozu GK im Alltag benötigt wird, nämlich Urteile zu fällen und Entscheidungen zu treffen, die einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität haben. Unklar bleibt, in welchen Rollen oder Settings GK im Alltag benötigt wird. Kickbusch& Maag (2008) hingegen führen in ihrer Definition unterschiedliche Rollen, wie die von Bürgern, Konsumenten und Patienten, an und unterscheiden unterschiedliche Settings, in denen GK benötigt wird (vgl. Pelikan 2013, S. 95).

Es gibt unterschiedliche Begriffsdefinitionen für Gesundheitskompetenz. Dazu wurden unterschiedliche Modelle vorgeschlagen, die einzelne Komponenten und ihre Verknüpfungen abbilden oder Handlungsbereiche beschreiben, in denen gesundheitskompetentes Handeln dargestellt wird.

Das Stufenmodell der Gesundheitskompetenz nach Nutbeam 2.1.1

Obwohl die Entwicklung des Modells bereits achtzehn Jahre zurückliegt, hat es keineswegs an Aktualität verloren. Nutbeam integriert in diesem Modell die Public Health Sichtweise ebenso, wie die damals vorherrschende funktionale Sichtweise und beschreibt die Gesundheitskompetenz als ein Schlüsselergebnis von Gesundheitsbildung und Gesundheitsentwicklung (vgl. Nutbeam 2000, S. 259). Mit einzelnen Bestandteilen des komplexen Systems von Gesundheitskompetenz beschäftigt sich Nutbeam (2000), indem er ein Stufenmodell konstruiert. Dieses Modell stellt Fertigkeiten und Fähigkeiten dar, die es Menschen erlaubt, in einem Gesundheitssystem erfolgreich zu navigieren (vgl. Soellner 2009, S. 107).

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Abbildung 2: Drei Stufen der Gesundheitskompetenz nach Don Nutbeam (2000, o. S.).

Die erste Stufe, die funktionale Form von Gesundheitskompetenz bezieht sich auf basale kognitive Fähigkeiten eines Menschen, vor allem lesen und schreiben. Diese Fähigkeit erlaubt der Person das Verstehen von gesundheitsrelevanten Informationen und zielt vor allem auf den individuellen Nutzen des Menschen ab, beispielsweise Hinweise, die über Broschüren oder ähnliches aufgenommen werden, lesen zu können.

Die zweite Stufe, die kommunikative, interaktive Form umfasst fortgeschrittene kognitive und soziale Fertigkeiten, die einen kommunikativen Austausch mit der sozialen Umwelt und auch eine Interpretation und Anwendung von gesundheitsrelevanten Informationen erlaubt.

Wesentlich ist in der zweiten Stufe, dass sich die Entwicklung der Fähigkeit sich Wissen selbstverantwortlich und aktiv zu holen, um es selbstbestimmt für seine Gesundheit einzusetzen.

Die dritte Stufe, die kritische Form fordert die kritische Auseinandersetzung mit gesundheitsspezifischen Informationen, sowie auch des Gesundheitssystems. Es handelt sich um die Erweiterung der kognitiven Fähigkeiten der Einzelperson unter Miteinbeziehung der sozialen sowie politischen Umfelder, die effektive Unterstützung liefern sollen, es werden in der dritten Stufe anhand der erworbenen kommunikativen und sozialen Fähigkeiten die Gesundheitsinformationen kritisch ausgewählt und auch hinterfragt (vgl. Rödinger & Stutz Steiger 2009, S. 28; Nutbeam 2000, S.

263ff).

Aus der Sicht von Public Health wird der Begriff als Potential verstanden, wie bereits erwähnt gestaltet sich das Konzept der GK als umfassend und

11 vielschichtig. Es variiert je nach Perspektive. So beschreibt Nutbeam (2000) einerseits das Potential und andererseits das Risiko der GK. Das Gesundheitswesen sieht GK mit dem Begriff Risiko (risk) verknüpft, weil sich mangelnde GK in schlechteren Behandlungsergebnissen und höheren Gesundheitskosten niederschlägt. Das Potential in GK zielt auf bessere Resultate auf individueller Ebene ab, die durch mehr Effizienz und optimierten Prozessen innerhalb der Gesundheitsversorgung erreicht werden können (vgl. Rödiger & Stutz Steiger 2009, S. 33f).

Gesundheitskompetenz nach der Definition von Kickbusch 2.1.2

Kickbusch & Maag (2009) beschreiben GK als Potential, sie hat aus dieser Perspektive eine Bedeutung für die öffentliche Gesundheit und soll nicht nur Lesen, Schreiben, Verstehen, Adaptieren und kritisch handeln können beinhalten, sondern wird als Lebenskompetenz in Bezug auf Gesundheit verstanden. Diese Kompetenz bietet unter anderem die Fähigkeit, sich in der Gesellschaft zu orientieren, am Gesellschaftsleben zu partizipieren und auch die Kontrolle am Alltagsleben wahrzunehmen (vgl. Maag 2009, S.88).

Maag (2009) beschreibt die Gesundheitskompetenz nach Kickbusch als

„(…) die Fähigkeit des Einzelnen, im täglichen Leben Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken – zu Hause, in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem, im Markt und auf politischer Ebene.

Gesundheitskompetenz ermächtigt Personen zur Selbstbestimmung und zur Übernahme von Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit bezüglich ihrer Gesundheit.

Sie verbessert die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen und Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen“ (ebd. 2009, S. 88).

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Abbildung 3: Domänen von Gesundheitskompetenz nach Kickbusch & Maag (Kickbusch &

Maag 2009, S.89 zit. n. Kickbusch & Maag 2006, S.70).

Die Definition nach Kickbusch (2006) umfasst fünf wichtige Bereiche:

persönliche Gesundheit: individuelle Gestaltung der Gesundheit; Wissen und Anwendung von entsprechendem Verhalten in der Selbstpflege und der Betreuung der Familie

Systemorientierung: Zurechtfinden im Gesundheitssystem und gegenüber dem Gesundheitspersonal als kompetenter Partner auftreten

Konsumverhalten: Fähigkeit unter gesundheitlichen Gesichtspunkten, Konsum- und Dienstleistungsentscheidungen zu treffen.

Arbeitswelt: Vermeidung von Unfällen und Berufskrankheiten, das Einfordern und Aufrechterhalten gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen sowie eine Balance zwischen Beruf und Privatleben.

Gesundheitspolitik: informiertes gesundheitspolitisches Handeln (vgl.

Steinbach 2015, S. 54 zit. n. Kickbusch et al. 2006, S. 70).

Ein höheres „Gesundheitskompetenzlevel“ hat nach Kickbusch (2008) nicht nur Einfluss auf die einzelnen Individuen, sondern hat auch wirtschaftliche Auswirkungen. Es bewirkt bessere gesundheitsspezifische Entscheidungen

13 und bessere Zusammenarbeit mit Gesundheitsdienstleistern. So kann die Anzahl der Lebensjahre erhöht und die Bewältigung, sowie der Umgang mit Krankheit verbessert werden (vgl. Kickbusch 2008, S. 101f).

Kickbusch (2008) begründet geringe Gesundheitskompetenz von Menschen vor allem mit sozialen Determinanten, wie zum Beispiel geringes Einkommen oder problematische Wohnverhältnisse. Sie betont, dass Betroffene über einen schlechteren Gesundheitszustand verfügen; ebenso sind sie schlechter über Gesundheitsförderung beziehungsweise Vorsorgeprogramme informiert. Diese Menschen zeigen auch eine geringere Compliance zu Therapieprogrammen oder halten Therapieprogramme nicht ein und haben somit weniger Chancen auf (vollständige) Heilung. Personen mit geringerer Gesundheitskompetenz verfügen grundsätzlich über weniger Kontrolle über ihre Gesundheit. Aufgrund von Informations-Asymmetrien liegen Gesundheitsentscheidungen oftmals auf der behandelnden ärztlichen Seite, anstatt gemeinsam mit den Patienten getroffen zu werden (vgl.

Kickbusch 2008, S. 102f).

Das derzeit niedrige Niveau von GK, welches auch das Ergebnis der Health Literacy Survey- EU (HLS-EU) bestätigt und die negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung bedürfen entsprechender Maßnahmen. Kickbusch (2008) fordert Interventionen auf drei Handlungsebenen:

Das Bildungssystem hat die Entwicklung und Festigung von Lese- und Schreibfähigkeit sicher zu stellen, so dass Menschen in der Lage sind, Entscheidungen zu treffen, die ihre Gesundheit positiv beeinflussen.

Die Kultur- und Gesellschaft kann den Mitgliedern Werte vermitteln, die ihre GK stärken.

Das Gesundheitssystem hat für eine bestmögliche Informationsweitergabe an Patientinnen und Patienten zu sorgen und die vorhandenen Ressourcen effektiv und effizient zu nützen. Dabei wird der Fokus auf die Stärkung der GK von Personen, auf die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit von Gesundheitsdienstanbietern, sowie eine verbesserte Lesbarkeit der Systeme gelegt.

14 Auf diesen Handlungsebenen ist eine optimale Zusammenarbeit zwischen Public Health und Konsumentenschutz erforderlich, zusätzlich müssen Leitlinien geschaffen und Ressourcen bereitgestellt werden.

Gesundheitskompetenzstärkung kann ähnlich der Gesundheitsförderung in verschiedenen Bereichen erfolgen, zum Beispiel in der Schule. Nach Kickbusch (2008) ist eine aktive Teilnahme der Bevölkerung am Gesundheitswesen nur dann möglich, wenn sie GK aufweist. Die Menschen sollen in allen Lebenslagen „gesunde Entscheidungen“ treffen können, ob im Supermarkt, im Restaurant oder im Gespräch mit einem Arzt (vgl. Kickbusch 2008, S. 103f).

Werden die in der vorliegenden Arbeit angeführten Modelle der Gesundheitskompetenz verglichen, lässt sich erkennen, dass die Kernelemente des Findens, Verstehens, Adaptierens und des Treffens von gesundheitsrelevanten Informationen Ähnlichkeiten und auch Gleichheiten aufweisen. Nutbeam weist in seiner zweiten Stufe explizit auf die Fähigkeit der Interaktion hin, wobei in den Modellen von Sørensen und Kickbusch diese Fähigkeit impliziert sein kann. Die Forderung von Kickbusch (2008), das Bildungssystem als erste Handlungsebene zu nennen, bezieht sich aus der Sicht der Autorin nicht nur auf das „Regelschulsystem“, sondern muss auch im berufsbildenden Bereichen Platz finden. Im Rahmen der Ausbildung zur GuK – Pflegeperson bieten sich alle drei Handlungsebenen nach Kickbusch an, um eine positive Entwicklung für persönliche und professionelle Gesundheitskompetenz sicher zu stellen. Genauere Ausführungen dazu sind in der vorliegenden Arbeit an späterer Stelle zu lesen.

Um Gesundheitskompetenz zu entwickeln und zu stabilisieren, wird vorerst eine Klärung des Begriffes „Gesundheit“ vorgenommen.

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3 Gesundheit

Gesundheitskompetenz ist erforderlich, um so lange wie möglich gesund zu bleiben. Der Begriff „Gesundheit“ bietet eine vielschichtige und umfangreiche Thematik, welche in unterschiedlichen Bereichen des Lebens eines Menschen verschiedene Auslegungen bekommt. Jede Person, die sich mit der eigenen Gesundheit auseinandersetzt, hat eine bestimmte Sichtweise von Gesundheit, es existieren daher viele Sichtweisen oder Konzepte dazu.

Das medizinische Modell von Gesundheit ist zwar noch die dominierende Sichtweise, diese Perspektive wird allerdings von gesundheitswissenschaftlichen und ganzheitlichen Modellen abgelöst (vgl.

Naidoo& Wills 2010, S. 4). Es gibt eine Vielzahl von Definitionen des Gesundheitsbegriffes, die wohl bekannteste lautet:

„Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen“ (WHO 1946 zit.

n. Franke 2010, S. 33; Steinbach 2015, S. 29).

Die Definition der WHO wurde in vielerlei Hinsicht kritisiert. Steinbach (2015) spricht in diesem Zusammenhang von einer Definition, die einem positiven Konzept folgt, aber einen Idealzustand anstrebt (vgl. Steinbach 2015. S.29).

Von Hurrelmann & Franzkowiak (2011) wird die Konzentration auf die subjektive Perspektive, die kaum zu operationalisierende Mehrdimensionalität und das Denken in Extremen beanstandet (vgl.

Hurrelmann & Franzkowiak 2011, S. 101). Im Laufe der Jahre wurde die Definition weiterentwickelt; Hurrelmann bietet folgenden Vorschlag:

„Gesundheit bezeichnet den Zustand des Wohlbefindens einer Person, der gegeben ist, wenn diese Person sich körperlich, psychisch und sozial in Einklang mit den jeweils gegebenen inneren und äußeren Lebensbedingungen befindet. Gesundheit ist nach diesem Verständnis ein angenehmes und durchaus nicht selbstverständliches Gleichgewichtsstadium von Risiko – und Schutzfaktoren, das zu jedem lebensgeschichtlichen Zeitpunkt immer erneut hergestellt werden muss. Gelingt das Gleichgewicht, dann kann dem Leben Freude und Sinn abgewonnen werden, ist eine produktive Entfaltung der eigenen Kompetenzen und Leistungspotentiale möglich und

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steigt die Bereitschaft, sich gesellschaftlich zu integrieren und zu engagieren“ (Schober 2009, S. 5f zit. n. Hurrelmann 2006, S. 7).

Diese umfassende Erklärung beinhaltet einige Faktoren, wie zum Beispiel Einfluss- und Bedingungsfaktoren der Gesundheit, die in den folgenden Ausführungen noch näher beleuchtet werden. Aus der Definition wird abgeleitet, dass Gesundheit einerseits vom individuellen Gesundheitsverhalten, andererseits von Einflüssen, wie personale Bedingungen, sowie von Lebens – und Gesundheitsverhältnissen abhängig ist. Des Weiteren geht es nach Hurrelmann um Gesundheit, „wenn sich eine Person körperlich, psychisch und sozial im Einklang befindet“, sowie einem „nicht selbstverständlichen Gleichgewichtsstadium von Risiko - und Schutzfaktoren“. Diese Dimensionen von Gesundheit werden im Folgenden näher betrachtet.