• Keine Ergebnisse gefunden

Die Herausbildung der Kirgisen als Stamm, Ethnie und Volk erfolgte in den Ländern der weitläufigen Region Mittelasiens, wo schon seit alten Zeiten wichtige Handelsrouten zwischen Europa und Asien, zum Atlantik und Pazifik verliefen. Im Laufe der jahrhundertealten Geschichte erlebten die Kirgisen sowohl glückliche Ereignisse als auch schwierige Zeiten. Sie wurden erobert und besiegt, machten ihre Feinde zu Steppenstaub und erhoben sich mehrmals erneut aus Schutt und Asche.

Die auf historische Tatsachen gestützten Untersuchungen zeigen auf, dass die Entwicklung der kirgisischen Ethnie ein permanenter und vielseitiger Vorgang war, der mit der Herausbildung vieler anderer Völkerschaften und Stämme zusammenhängt: Dazu gehören die Skythen (Saken), Kimmerer, Sarmaten, Usunjen, Iraner, Hellenen, Sogdiener, Hunnen, Chinesen, und Mongolen, mit denen sich unsere Vorfahren im Laufe der Entwicklung in großen und kleinen Nomadenhorden, für Koalitionen und Staatsbündnisse zusammenschlossen.

Die Wurzeln des kirgisischen Volkes liegen in grauer Vorzeit, und ethnographisch gesehen sind die Kirgisen eines der ältesten Völker in Mittelasien. Davon zeugen die zahlreichen archäologischen Funde und uralte chinesische, griechische, persische, türkische, uigurische und arabische Überlieferungen.

Die ältesten Spuren menschlichen Lebens im Gebiet des heutigen Kirgisistan stammen aus der frühen Steinzeit. Vor 40.000 Jahren war dieses Territorium schon besiedelt. Hier wurden Stein- und Knochenwerkzeuge gefertigt, Metallerz abgebaut, Bronze gegossen. Es gibt einige archäologische Fundstätten, wo petrographische Zeichen, Ockerfelszeichnungen mit der Darstellung von Menschen, Tieren und Episoden aus dem Alltagsleben zu finden sind. Weitverbreitet war die Viehhaltung, die Rinder- und Pferdezucht.

Das weit bekannte Nationalgetränk des kirgisischen Volkes – «Kumys», gegorene Stutenmilch wurde vor dreitausend Jahren hier erfunden.

In der Stein- und Bronzezeit lebten die Stämme in diesen Gegenden in blutsverwandtschaftlichen Sippengemeinschaften. Durch anthropologische Forschungen wurde festgestellt, dass die ersten Menschen in Kirgisistan Europoiden waren und eine indoeuropäische Mundart sprachen.

Zu Beginn der menschlichen Zivilisation im 1. Jahrtausend v. Ch. lebten die Saken auf dem Territorium Kirgisistans – ein großer Stammesverband der mittelasiatischen Szythen. Sie werden auch als Hethiter bezeichnet. Die Reste der Sakenkultur sind in Form von großen Grabhügeln und Siedlungsruinen erhalten. Die meisten von ihnen befinden sich im Tal des Issyk-Kul-Seed und in Ketmen-Tübe.

DIE GESCHICHTE KIRGISISTANS

Die Saken waren auch Europoide und sprachen eine der iranischen Mundarten. Die Kultur der Saken ist durch starke Matriarchatstraditionen gekennzeichnet. Im 5. Jh. v. Chr. besiegte das Heer der Sakenkönigin Tomiris die 200.000 Mann starke Armee von Kyros des Grossen mit einem vernichtenden Schlag. Und der Begründer des mächtigen Achämenidenreiches, Kyros der Grosse, der als unbesiegbarer Heeresführer galt, fiel in diesem Kampf durch den Hieb eines Sakenkriegers.

Im 3. Jh. v. Ch. widerstanden die Saken den Angriffen von Alexander dem Großen am Syrdarja. Historischen Überlieferungen zufolge war diese Schlacht gegen die Saken weder politisch noch militärisch zweckmäßig.

Sinnlos waren auch die Feldzüge von Alexander dem Grossen in die kahlen und dünnbesiedelten Steppen. Alexander der Grosse war ein ausgezeichneter Kenner der Kriegsgeschichte und ein Schüler von Aristoteles und wusste, dass sein Held Kyros der Grosse von den Saken getötet wurde. Deshalb wollte er sich selbst auf die Probe stellen. Doch nach der tollkühnen und vernichtenden Schlacht gegen die Kavallerie der Saken entschied Alexander der Große, der damals bereits fast das ganze Asien erobert hatte, sein Schicksal nicht weiter herauszufordern und leitete seine Armee nach Indien um.

Während der vier Kriege zwischen den Griechen und Persern, die von den Achämeniden entfesselt wurden, erlitten die Perser eine Niederlage.

Doch während der zwei entscheidenden Schlachten bei Marathon und Plathenen wurde die berühmte griechische Phalanx von der persischen Armee zerschlagen. Nur wegen der Massenflucht der persischen Hauptarmee mussten die Saken abziehen und den Sieg den Griechen überlassen.

Zum kirgisischen Volk gehört auch der vielköpfige Stamm der Sajaken.

Ethnografen stellten fest, dass die Kirgisen ethnisch unmittelbar mit dem Stamm der Saken verwandt sind. Die These scheint noch überzeugender, wenn man in Betracht zieht, dass verschiedene Stämme zu den Kirgisen gehören, deren Name alleine schon den Beweis dafür liefert, z.B.,

«Kalmaken» (Kalmyken), «Kitaier» (Chinesen), «Mogoldoren» (Mongolen),

«Kyptschaken» (Kipschaken, Polowzer) und andere.

Die Eroberungen Alexanders des Großen hinterließen bemerkenswerte Spuren in der Geschichte des Orients. Nach dem Zerfall seines großen Reiches entstanden in den Gebieten, wo traditionelle orientalische Despotien dominierten, die hellenischen Staaten, die zu den Vorposten einer neuen antiken Zivilisation und Kultur wurden. Verwirklicht wurde der Traum Alexanders des Großen, Europa und Asien mit unzähligen Fäden der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit zu verbinden.

Diese Zivilisation hatte jedoch nur formell Einfluss auf die Kultur und den Lebenswandel der nomadisch lebenden Saken aus.

Im 2. Jh. v. Ch. wurden die Sakenstämme durch einen mächtigen Stammesverband farsisprachiger Nomaden, die Usunen, besiegt. Der Usunen-Staat existierte bis zum 4. Jh. v. Ch. und war ein früher Klassenstaat mit starken Sippentraditionen. Die Usunen betrieben vorwiegend Rinderzucht und

ZENTRALASIEN: EINE INNENANSICHT

etwas Ackerbau. Sie hatten eigene sesshafte Ansiedlungen. Die Lebensweise und die Kultur der Usunen war größtenteils der Kultur und der Lebensweise der Saken und der der Hunnen, dem ältesten der turkischen Stämme, ähnlich.

Der Staat der Usunen wurde vom Kunbag (Herrscher) und dem Rat der Ältesten regiert. Die Staatsmacht wurde vererbt. Die von Saken gegründete Stadt Tschigu am Issyk-Kul-See war der Sitz des Kunbag. Im Lande praktizierte man die Sklaverei, die Polygamie und das Levirat.

Die Usunen waren ein kriegerisches Volk und verfügten über ein Heer aus 100 bis 180.000 Reitern. Anfang des 1. Jh. n. Ch. vereinigten sich die Usunen mit dem Xiang-Reich gegen die Hunnen und besiegten sie. Allerdings bedeutete dieser Sieg für die Usunen den eigenen Untergang. Doch nach dem Sieg über den gemeinsamen Gegner mischten sich die Chinesen latent in innere Angelegenheiten des Usunenreiches ein, um dynastische Fehden innerhalb der Usunen-Aristokratie zu entfachen. Schließlich erlangte der chinesische Kaiser das Recht, die Kunbagen zu ernennen und zu entlassen, der heimischen Elite Adelstitel zu verleihen sowie innen- und außenpolitische Entscheidungen alleine zu treffen. All das führte zuerst zu einer Krise und danach zum Zusammenbruch des Usunenreiches.

Seit dem 2. Jh. v. Ch. existierte im Ferganatal, wo sich der südliche Teil des heutigen Kirgisistan befindet, der antike Sklavenhalterstaat Davan mir etwa 70 kleinen und großen Städten. Die Hauptstadt Erschu zählte um die 300.000 Einwohner.

Bewässerungs-Ackerbau, Handwerk, Handel und Pferdezucht schufen die Hauptvoraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region.

Das Land wurde durch seine «Himmelreiter» im ganzen Asien berühmt.

An der Spitze des Staates standen die Königsdynastie und der Rat der Ältesten. Die Davaner sprachen eine der östlichen Mundarten der iranischen Sprache.

Im Jahre 101 v. Ch. wurde Davan von den Chinesen erobert, die die Große Seidenstraße kontrollieren wollten. Bald darauf gewann das Land seine Unabhängigkeit wieder. Im 5. Jh. n. Ch. wurde Fergana zum Bestandteil des Reiches von Ephtalieten, und Mitte des 6. Jh. eroberten die Türken dieses Reich.

Doch die Völker, die ihren Staat Kirgisistan nannten, lebten damals weit von ihren heutigen Siedlungsgebieten entfernt. Erstmals wurde dieses Volk ethnographisch als «Kirgise» um 201 v. u. Z. in chinesischen Chroniken als

«He-Hun» oder «Han-Hun» (in der chinesischen Transkription) erwähnt.

Dieses uralte Volk hatte seinen Staat nach Auffassung von Archäologen in der Westmongolei, vermutlich in der Nähe des Kirgis-Nur-Sees. Auf Grund dieser historischen Erkenntnisse zählt der Orientalist W. Bartolt die Kirgisen zu den ältesten Völkern Mittelasiens.

Die Kirgisen gehörten dem Hunnenimperium an. Sie beteiligten sich sehr aktiv an den dynastischen Fehden der Hunnen. Dennoch waren sie relativ

DIE GESCHICHTE KIRGISISTANS

selbständig, spielten eine bedeutende Rolle in der Politik und stellten eigenen Kandidaten als Thronnachfolge auf.

Mitte des 1. Jh. v. Ch. besiedelte ein Teil der Kirgisen zusammen mit den Hunnen den Talkessel Minussin im Altaigebiet. So ist anzunehmen, dass das erste Kirgisenreich gleichzeitig mit dem Reich der turksprachigen Hunnen entstand. Somit stellten sie Ursprung und Quelle des gemeinsamen turkischen Staatswesens dar und waren die Träger der Staatsidee unter den heute lebenden turkstämmigen Völkern.

Eine bedeutende Rolle in der Geschichte Südsibiriens spielte die Abwanderung der Kirgisen ins Einzugsgebiet des Jenissei. Am Ufer dieses Flusses wurde von den Vorfahren der heutigen Kirgisen ein frühfeudaler Staat gegründet. Die anderen Stämme in diesem Gebiet wurden von den Kirgisen kontrolliert.

Für die Zeit zwischen dem 1. und dem 5. Jh. gibt es nur wenige schriftliche Überlieferungen zur Geschichte der Kirgisen. Doch mit archäologischen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die einzigartige taschtykische Kultur im Gebiet des Jenissei entstand, die heute mit der uralten Kultur der Kirgisen identifiziert wird. An zahlreichen historischen Denkmälern, in Begräbnishügeln und Schriften wurden die Darstellungen von Menschen mit unterschiedlichen ethnischen Gesichtszügen und kulturellen Merkmalen entdeckt, die mit komplexen ethnischen Entwicklungen in diesem Gebietsraum zu erklären sind.

Mitte des 4. Jh. entstand in Mittelasien ein mächtiges Reich – das turkische Khaganat, dass eine große Bedeutung in der Weltgeschichte und auch in der Geschichte der Kirgisen und Kirgisistans besitzt.

Die Turkvölker bildeten sich zwischen dem 3. und dem 4. Jh. innerhalb der zentralasiatischen Hunnen heraus. Im Kampf um die Kontrolle über die Große Seidenstraße leisteten sie im Bündnis mit Byzanz erfolgreichen Widerstand gegenüber dem von den Sassaniden regierten Iran.

In den Zeiten des Khaganats begann die Massenübersiedlung der turkischen Stämme aus der Mongolei in die Gegenden am Schwarzen Meer.

Dies führte zur Assimilation und Turkisierung der einheimischen, vorwiegend iranischsprachigen Bevölkerung.

Im 7. Jh. wurde das Imperium in den West- und den Ostteil zersplittert.

Die Hauptstadt des westturkischen Khaganats befand sich in der Stadt Sujab, die neben der heutigen Stadt Tokmok im Gebietszentrum des Tschui-Gebietes in Kirgisistan lag.

Ganz Mittelasien und Ostturkestan waren von den Westturken politisch abhängig. Durch die vernichtenden Angriffe der chinesischen Dynastie Tjin wurden zuerst die Ostturken und danach die Westturken zerschlagen und entmachtet. Die Vasallenwirtschaft wurde eingeführt.

Im 7. Jh. übernahm im türkischen Reich die Dynastie von Türgesch-Khan die Macht. Die Türgeschen gehörten dem «Zehnstämmigen Bündnis»

ZENTRALASIEN: EINE INNENANSICHT

des Turkvolkes an und betrieben eine wirksame Außenpolitik. Sie führten erfolgreiche Kriege gegen chinesische Truppen im Osten und gegen die Araber im Westen. Sie besiegten die Araber und befreiten den größten Teil Mittelasiens (Sogd, Choresm, Tucharistan) von der arabischen Herrschaft.

Hauptstadt wurde zuerst die Stadt Sujab, später Newaket, dessen Ruinen nahe der heutigen Stadt Bischkek am Krasnaja-Fluß ausgegraben wurden.

Doch der Staat zerfiel wegen innerer Fehden. Mitte des 8. Jh. wurde der Türgesch-Staat von den Karlukenstämmen erobert und wurde zum Karluken-Khaganat.

Ausführlichere Erwähnungen der Kirgisen gab es erstmals im frühen Mittelalter, im 7. und 8. Jh.

Die frühmittelalterliche Bevölkerung im Jenissei-Gebiet wurde in den griechischen Chroniken als «Herkis», in den arabischen als Hirkis, in den persischen als Sjazsasy, in den urturkischen und uigurischen als Zsilisisy und als Kirgis in den sogdischen Schriften bezeichnet. Der letzte Begriff verlieh dem Volk den heutigen Namen, die Kirgisen. Die Kirgisen aus dem Jenisseigebiet, waren nach chinesischen Überlieferungen Europoide «mit roten Haaren, rotwangig und mit blauen Augen».

Sie lebten in großen patriarchalischen Familien, die Polygamie war weit verbreitet. Die uralte ethnografische Besonderheit der Kopfbedeckung, der weiße Filzhut mit nach oben gekrempelten Rändern, ist bis heute erhalten. Die Verstorbenen wurden verbrannt. Die Kirgisen konnten lesen und schreiben, das ist durch eine große Anzahl von ausgegrabenen Schriften nachgewiesen.

Das kirgisische Heer hatte bis zu 80.000 Soldaten, der größte Teil war Kavallerie. Kirgisische Krieger waren gut ausgebildet und ausgerüstet.

Sie verfügten sogar über schweres Geschütz. Die Kunst der kirgisischen Waffenschmieden war weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Die nomadisierenden Kirgisen, denen die Kultur der Nachbargemeinden unbekannt war, hielten Versuche der Errichtung eines zentralisierten Staates für suspekt, denn sie glaubten, dass dadurch eine Sippe oder ein Stamm mehr Vorteile als der andere bekommen würde. Der festen Staatsordnung zogen die Kirgisen deshalb eine flexible Gesellschaftsstruktur in Gestalt von Stammesverbänden vor, die auf Gleichberechtigungsprinzipien mit unbegrenzter Innenautonomie basierte. Die Staatlichkeit an sich war in der kirgisischen Gesellschaft ständig präsent, dennoch verwandelte sie sich je nach politischer Situation und Kriegsgefahr in unterschiedliche flexible Systeme. Bemerkenswert ist der von den Jenisseikirgisen erfundene Begriff des «regierenden Volkes», und die Kirgisen waren wirklich ein Volk, das regierte.

Infolge des ununterbrochnen Kampfes gegen türkische und uigirische Khaganate bildete sich eine militär-administrative Staatsstruktur unter der Führung des Hauptherrschers, des «Adsho» heraus. Der Staat entwickelte sich rapide, wuchs territorial und erreichte eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Die Kirgisen betrieben Ackerbau und Viehzucht, waren geschickte Handwerker und bauten Stadtsiedlungen. Sie hatten ihre eigene Runenschrift.

DIE GESCHICHTE KIRGISISTANS

Ende des 7., Anfang des 8. Jh. wurde das Jenisseireich vom begabten Feldherrn, weitsichtigen Diplomaten und Herrscher Bars-Beg regiert. Unter seiner Führung begann der Befreiungskampf der Kirgisen gegen das mächtige türkische Khaganat mit dem Ziel, eine kirgisische Herrschaft in Mittelasien zu erreichen.

Bars-Beg, der auf zahlreiche Verbündete hoffte, schlug erfolgreich zurück und griff selbst an. Er wurde Opfer einer Intrige und ist in das Gedächtnis des Volkes als nationaler Held eingegangen, der für die Freiheit des kirgisischen Volkes sein Leben geopfert hatte.

Im Jahre 820 erklärte sich der kirgisische «Ascho» erneut zum Khagan und begann den Befreiungskampf gegen die Turken. Nach der Zerschlagung des mächtigen uigurischen Khagans gelang es ihm, ein mächtiges Nomadenreich zu errichten, das sich vom Baikalsee bis zum Semieretschje, von Tomsk und Krasnojarsk bis zur Großen Chinesischen Mauer und bis Ostturkestan erstreckte. Dieser Zeitraum zwischen dem 9. und dem 10. Jahrhundert ist in die Weltgeschichte als «Epoche der kirgisischen Großmacht» eingegangen. «Das war die Zeit, als jeder von uns an vielen Orten der Erde herrschte», sagte der Vater des legendären kirgisischen Kriegers Manas. Doch innerhalb kurzer Zeit brach diese Steppenmacht zusammen. Während eines erbitterten und blutigen Krieges wurde das Reich zuerst verdrängt und danach durch die erstarkten mongolischen Stämme erobert. Im Jahre 1273 wurden die Jenisseikirgisen zu Vasallen des mongolischen Herrschers Dschingis Khan, doch gelang es ihnen, sich etwas Autonomie zu bewahren.

1273 erlangten die Kirgisen für kurze Zeit ihre Unabhängigkeit wieder, während fast der ganze durch mongolische Überfälle zerstörte und erniedrigte Kontinent den Mongolen zu Füßen lag. Erst nach 20 Jahren konnte Khan Hubilai mit zahlreichen Opfern und Verlusten die mongolische Herrschaft über die ungehorsamen Kirgisen erlangen. Auf seinen Befehl hin wurde die kirgisische Elite vernichtet, damit die Kirgisen nie mehr als Volk wiederauferstehen konnten. Dadurch brach das kirgisische Reich endgültig zusammen, und die Kirgisen verschmolzen mit den türkischen Stämmen.

Das kirgisische Volk verlor seine ursprüngliche Erscheinung, die Sprache und die Schrift, die Lebensordnung und die Kultur. Seit dieser Zeit steckten die Kirgisen viel Kraft und Mühe in die Wiederauferstehung ihrer Herrschaftskultur, deren Rolle im Leben einer traditionellen Gesellschaft bedeutend war. Im Vergleich zu den anderen Völkern Mittelasiens (Usbeken, Kasachen und anderen), deren Aristokratie Herrscher durch enge blutverwandtschaftliche Fesseln mit der Dynastie von Dschingis Khan verflochten war, hatte die kirgisische Aristokratie solche Blutverwandtschaftsbeziehungen einfach nicht.

In der Zeit des mittel- und spätfeudalen Reiches lebten die Kirgisen wie früher weit voneinander getrennt. Das autonome Leben der Sippen und Stämme und eine patriarchalische Wirtschaftsführung ermöglichten es, zeitweilige, oder aber nachhaltige politische, ökonomische und kulturelle Beziehungen

ZENTRALASIEN: EINE INNENANSICHT

herzustellen. Infolge dessen waren die Kirgisen direkt oder indirekt bald von dem einem, bald von einem anderen Nachbarstaat abhängig. Nach dem Zusammenbruch des mongolischen Großreiches wurden die Kirgisen zu einem Bestandteil Mogulistans und des gewaltigen Imperiums der Dynastie von Timuriden.

Im 15. Jahrhundert zog ein Teil der Kirgisen aus dem Altaigebiet in das von Tamerlans Heeren verwüstete Gebiet des Tienschan und besiedelte dieses Territorium auf lange Zeit. Die Kirgisen assimilierten die hier lebenden Stämme und wurden zum Kern der neuen ethnischen Gemeinschaft.

Das Leben des kirgisischen Volkes war weiter schwierig. Die Nachbarstaaten – starke feudale Nomaden- und Ackerbaustaaten wie Mogulistan, die Khanate Dschungar und Kasach – versuchten im Kampfe um die Vorherrschaft in dieser Region die Kirgisen auf ihre Seite zuziehen.

Anfang des 16. Jh. initiierte Muchamed-Kirgis, der Anführer der issykulischen Kirgisen, einen Befreiungskampf gegen die Mogulen und Schaibaniden. Von seinen Feinden wurde er als Padischah bezeichnet.

Obwohl sein Kampf um die Vereinigung kirgisischer Stämme mit dem Ziel der Errichtung eines einheitlichen Nomadenreiches erfolglos war, wurde er sowohl von den Kirgisen, als auch von seinen Gegnern akzeptiert.

Im Befreiungskampf gegen die dschungarischen und kokandischen Eroberer wurde im 18. Jh. noch ein anderer kirgisischer Stammesvater, Kabat-Biy, berühmt. Seine aktive Tätigkeit als Politiker, Diplomat und Krieger in Fergana, Tienschan und Ostturkestan wird von den Historikern als ein weiterer Versuch betrachtet, ein einheitliches zentralisiertes Reich zu errichten, in dem sich alle Kirgisen zusammenschließen konnten. Dieser Versuch scheiterte allerdings auch diesmal.

Die Aufnahme erster diplomatischer Beziehungen zu Russland geht auf das Ende des 18. Jh. und die sogenannte Epoche von Attak-Biy zurück, der ein hochgeschätzter kirgisischer Stammesvater war. Er initiierte den Annäherungsprozess an diese mächtige euroasiatische Supermacht.

Probleme im In- und Ausland, zahlreiche militante Nachbarstaaten, Fehden zwischen den kirgisischen Sippen und Stämmen, und die Unfähigkeit fremder «Gönner», dem kirgisischen Volk Frieden- und Wohlstand zu sichern, zwangen die Kirgisen, nach einem zuverlässigen, starken und gutmütigen Beschützer zu suchen. Die offizielle sowjetische Propaganda versuchte ständig und hartnäckig, alle davon zu überzeugen, dass die Kirgisen ein schwaches, hilfloses, zum Aussterben verurteiltes Volk ohne jede Zukunftsaussichten waren. Zugleich wurde verschwiegen, dass die Kirgisen ein stolzes und tapferes Volk waren, dessen Geschichte über mehrere Jahrhunderte aus Kriegen und Feldzügen bestand. Doch größere Völker und mächtigere Imperien verschwanden spurlos vom Planeten. Die Reiche der alten Perser, Assyrier, Seldschukentürken, Ägypter, Mazedonier, Römer, Hunnen, Mongolen u. a. löste sich auf. Durch die von diesen Völkern geführten endlosen Kriege ging wertvolles kulturelles Erbe unwiederbringlich verloren.

DIE GESCHICHTE KIRGISISTANS

Durch Kriege werden immer die Besten und die Stärksten genommen.

Das kirgisische Volk befand sich in dieser Zeit auch in einem zeitweiligen Niedergang, denn es wurde gezwungen, vom 2. Jh. v. Ch. unermüdlich um seine Selbsterhaltung und sein Überleben zu kämpfen.

Die Gefahr der totalen Vernichtung zwang die weitsichtigsten kirgisischen Herrscher, über das historische Schicksal ihres Volkes nachzudenken und für dessen Überleben zu kämpfen.

Doch auch in diesem Sinne sind die diplomatischen Initiativen von Atacke-Biy, eine Schutzherrschaft Russlands anzustreben, für die Kirgisen als eher ungewöhnliche geopolitische Lösung einzustufen, denn Kirgisistan hat keine Grenze mit Russland. Auch gab es nichts Gemeinsames, weder in der Volksgeschichte noch in der Mentalität, Kultur, Sprache und Religion.

Über mehrere Generationen war es bei den kirgisischen Führern üblich, nach Protektoren bei ihren nächsten Nachbarn zu suchen. Doch durch diese Bündnisse kam es nicht zum langersehnten Frieden, zur erhofften Ruhe und

Über mehrere Generationen war es bei den kirgisischen Führern üblich, nach Protektoren bei ihren nächsten Nachbarn zu suchen. Doch durch diese Bündnisse kam es nicht zum langersehnten Frieden, zur erhofften Ruhe und