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A NTEIL DER E RWACHSENEN , DENEN DIE P ARTEIEN IN K IRGISISTAN VÖLLIG UNBEKANNT SIND

DIE POLITIK KIRGISISTANS

A NTEIL DER E RWACHSENEN , DENEN DIE P ARTEIEN IN K IRGISISTAN VÖLLIG UNBEKANNT SIND

Die Parteienlandschaft Kirgisistans spiegelt nur bedingt die Ziele und Erwartungen der Bevölkerung wieder. Die linken Parteien vertreten die Interessen der Bevölkerungsgruppen, die währen des Überganges zur freien Marktwirtschaft die meisten Nachteile erlitten haben. Das sind Rentner, Jugendliche, Arme und Sozialschwache sowie die Verfechter sozialistischer und kommunistischer Wertvorstellungen. Die politisch weiter rechts stehenden Parteien vertreten die Interessen der Unternehmer, Großbesitzer und Verfechter nationaler Ideen. Führend sind jedoch die Parteien des Zentrums, die 62 Prozent der Wählerschaft hinter sich wissen. Ihre Ideen stehen für die, die in der staatlichen Verwaltung, den Staatsbetrieben und in haushaltsfinanzierten Institutionen beschäftigt sind.

Die Ereignisse des Frühjahr 2005 zeigten, dass sich die politischen Parteien Kirgisistans in einer ausgeprägten Transformationsphase befinden.

Die für das vergangene Jahrhundert traditionellen Organisationsformen werden von neu gegründeten politischen Bürgerbewegungen, Blockvereinigungen, Verbänden und anderem abgelöst.

Politische Bewegungen und Vereinigungen arbeiten auf ein klares und relativ nahes Ziel hin. Als Beispiel wäre die Bewegung «Für Akajews Entlassung und die Volksreform», die Volksbewegung Kirgisistans und der Volkskongress zu nennen. Meist sind unterschiedliche politische Organisationen in solchen Vereinigungen vertreten. Im Gegensatz zu Parteien sind sie ideologisch unterschiedlich gefärbt und besitzen ein weiteres kennzeichnendes Merkmal: ihre Kurzlebigkeit. Mit dem Erreichen ihres Gründungsziels fallen politische Bewegungen meist auseinander oder sie verwandeln sich in nachhaltiger und besser organisierte Strukturen, manchmal auch in politische Parteien. Die Lebenserwartung von Parteien hängt eher von der politischen Lebensdauer ihrer Führung als von der Umsetzung der jeweiligen Ideen ab.

ZENTRALASIEN: EINE INNENANSICHT

Die Zivilgesellschaft Kirgisistans entwickelt sich langsam und in mehreren Phasen:12

1992–1993:

In Phase I der Entwicklung der Zivilgesellschaft nimmt die Bedeutung ehemaliger Akteure der Gesellschaft langsam ab. Zu dieser Zeit entstanden erstmals in Kirgisistan politische Bewegungen, die sowohl demokratisch bzw.

antikommunistisch als auch nationalistisch waren.

1993–1995:

In Phase II der zivilgesellschaftlichen Entwicklung nehmen einige internationale nichtstaatliche Stiftungen und Organisationen ihre Arbeit auf und unterstützen zahlreiche lokale Nichtregierungsorganisationen.

1996–1998:

Phase III beginnt mit der Verabschiedung wichtiger Gesetze, auf denen die Zivilgesellschaft beruht, zum Beispiel das Zivilgesetzbuch der Kirgisischen Republik vom 8. Mai 1996 (Teil I), das Gesetz über die amtliche Eintragung juristischer Personen vom 12. Juli 1996 und das Gesetz über Genossenschaften und Gesellschaften vom 15. November 1996. Bedeutend war auch die Gründung von Vertretungen mehrerer internationaler Organisationen und Stiftungen in Kirgisistan.

1998–2000:

Während der Phase IV starteten Reformprogramme, die der Unterstützung der Zivilgesellschaft bedurften. Aus der Umsetzung dieser Programme ergab sich das Mitbestimmungsrecht für alle innerhalb der Gesellschaft. Außerdem wurde begonnen, Institutionen zu fördern, die Selbsthilfe, gegenseitige Unterstützung, Kleinkreditfinanzierung und anderes unterstützen. Dieser Schritt führte zur Gründung vieler politisch neutraler Ni chtregierungsorganisationen. Die Gesamtzahl der Nichtregierungsorganisati onen versechsfachte sich damals und lag bei mehr als 1.800. In dieser Zeit schärften viele Nichtregierungsorganisationen ihr Profil und dehnten ihren Aktionsradius in die Regionen, also von der Hauptstadt in den Süden nach Osch und Dschalalabad, aus.

Die Geberinstitutionen arbeiteten dabei eng mit den Nichtregierungsorga nisationen zusammen.

Nach 2000 stieg die Zahl der Nichtregierungsorganisationen schlagartig an. Gerade in dieser Zeit widerstand die Zivilgesellschaft Versuchen der Staatsmacht, die demokratischen Neuerungen zu unterbinden. Gleichzeitig wurden erste Stimmen laut, die zum Kampf gegen die Korruption aufriefen.

12 Periodisierung lt. UNDP Human Development Report, Bischkek 2005.

DIE POLITIK KIRGISISTANS

DIE ENTWICKLUNGDER NICHTREGIERUNGSORGANISATIONENIN KIRGISISTANLÄSSTSICHMIT

FOLGENDEN ZAHLENDARSTELLEN13:

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 Gesamt 340 561 658 767 938 1487 1841 2325 3146 3850 4828 6120 7462 9076 Öffentliche

Verei-nigungen*

34 70 95 119 142 516 543 604 690 767 890 987 1102 1187

Berufs-verbände 38 70 84 100 119 158 252 333 393 469 534 592 627 664

Gewerk-schaften 125 164 168 168 173 185 193 195 227 286 355 438 488 512 Religiöse

Einrichtun-gen 10 29 33 50 74 91 131 177 189 205 235 265 371 399 Politische

Einrichtun-gen 15 25 33 40 53 64 72 76 88 91 94 102 107 113

Sonstige öffentliche Vereini-gungen

118 203 245 10 377 473 650 940 1559 2032 2720 3736 4767 6201

*Als öffentlichen Vereinigungen werden hier Firmen- und Unternehmensverbände verstanden 14

Der zivilgesellschaftliche Bereich wurde weitgehend von internationalen Organisationen finanziert. Der UNDP Human Development Report zeigt, dass zwischen 2001 und 2005 allein zwei dieser Organisationen – die Soros Foundation und USAID – diverse, von kirgisischen Nichtregierungsorganisa tionen betriebene Projekte und Programme im Wert von über 106 Millionen US-Dollar finanzierten15. Seit der Unabhängigkeit stellten die USA insgesamt rund 600 Millionen US-Dollar zur Unterstützung demokratischer Ziele bereit.

Dieser Betrag übersteigt die in die militärische Zusammenarbeit geflossene Geldsumme um das Zwanzigfache. 16

Nach den Ereignissen vom März 2005 begann für die Nichtregierungsorg anisationen eine neue Ära. Fast zeitgleich organisierten die politisch aktivsten unter ihnen ein Bürgerforum, das innerhalb der Zivilgesellschaft vermitteln

13 Angaben des Justizministeriums vom 1.1. 2005 14 In: UNDP Human Development Report – Bischkek 2005.

15 In: UNDP Human Development Report – Bischkek 2005.

16 W. Bogatirew: Ergebnisse der Zusammenarbeit mit den USA im Bereich der Sicherheitspolitik in Zentralasien: Wurde die Region tatsächlich sicherer? In: Zusammenarbeit zwischen den zentralasiatischen Staaten und den USA im Bereich der Sicherheitspolitik in der Region. Materialien der internationalen Konferenz (Almaty, 17. März 2005). Almaty 2005.

ZENTRALASIEN: EINE INNENANSICHT

sollte. Am 20. April 2005 trat das neue Staatsoberhaupt Kurmanbek Bakijew öffentlich vor das Bürgerforum und ließ die neue Politik der Staatsmacht im Hinblick auf die Zivilgesellschaft verlauten: «Es gilt, den Umgang mit dem Nichtregierungssektor an sich zu verändern. Die vorherige Macht rief zur Partnerschaft mit der Zivilgesellschaft auf, betrachtete es aber als ihr eigenes Recht zu bestimmen, was die Zivilgesellschaft bekommt und was ihr verweigert wird. Manche wollen nach dieser Logik weiterverfahren. Ich denke aber, dass die Rolle des Präsidenten, der Regierung und des Parlaments woanders liegt. Wir müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine vollwertige und gleichberechtigte Mitbestimmung und Mitsprache aller in der Zivilgesellschaft schaffen. Das ist das Wichtigste. Und zum zweiten müssen wir gemeinsam konkrete Verfahren, Instrumente und Formen solcher Mitbestimmung erarbeiten».17

Dennoch gewann die Zivilgesellschaft im Land kaum an Bedeutung und Einfluss, auch wenn es keine Beschränkungen und Hindernisse gab. Die Gesellschaft vermochte es nicht, ihre gemeinsamen Interessen zu erkennen und gemeinsames Handeln zu beschließen. Die Führungsspitzen der bürgerlichen Gesellschaft standen nach wie vor im Konkurrenzkampf um die Ressourcen. Sie waren es gewohnt, nur als Opposition zu agieren, mussten sich erst an die nun möglichen gesellschaftlichen Wechselwirkungen mit der Staatsmacht gewöhnen und wurden vorerst nur dann aktiv, wenn es darum ging, die Regierung zu kritisieren.

Zum anderen Extremfall gehören die Organisationen, die die Staatsmacht fast ausschließlich tolerieren. Das sind vor allem Berufs- und ethnische Vereinigungen.18

Um dieses Problem zu lösen, kann das gemeinsam ausgearbeitete Programm beitragen, das per Präsidentenerlass im Oktober 2005 in Kraft trat. Mit ihm soll die fehlende Erfahrung ausgeglichen und Fähigkeiten konstruktiver Interaktion zwischen der Staatsmacht und der Zivilgesellschaft erworben werden.

Mit der Unabhängigkeit hielt auch die Meinungsfreiheit in Usbekistan Einzug. Zwar gibt es mehr als 300 offiziell registrierte Massenmedien, dennoch ist ein bescheidener Teil von ihnen tatsächlich geschäftlich aktiv, die anderen verfügen schlichtweg nicht über die finanziellen Mittel. Über 90 Prozent aller Zeitungen und rund die Hälfte aller Zeitschriften und Informationsblätter widmen sich politischen Themen. Bei den Rundfunk- und Fernsehanstalten gibt es wesentlich weniger Politik, sie macht durchschnittlich 25 Prozent des Sendeplans aus.

17 K. Bakijew: Öffentlicher Auftritt im Bürgerforum am 20. April 2005 (http://www.sk.kg/2005/n41/1.

html)

18 U. Tschinalijew: Besonderheiten bei der Entwicklung der Zivilgesellschaft in der Kirgisischen Republik.

DIE POLITIK KIRGISISTANS

AUFLAGENSTÄRKEPOLITISCHER MEDIENIN KIRGISISTAN (ZU BEGINN 2005)

Medium Auflage Medium Auflage

Vetscherni Bischkek 400.000 Aalam 80.000

МСН 240.000 –260.000 RIF Stolitsa 40.000.

Komsomolskaja Pravda

w Kirgisistane 176.000 Respublika 28.000–

32.000 Slowo Kirgisistana (das

Wort Kirgisistans) 144,000 Moskowskij

Komsomolets v

Kirgisistane 28.000 Agym 72,000 –128,000 Argumenty i Fakty v

Kirgisistane 24.000 Kirgis Tuusu 120.000 Obschtestvennij Rating 12.000

Delo-Nr. (Akte-Nr.) 100.000 Tribuna 10.000–

12.000 Litsa (Gesichter) 10.000

Die Massenmedien geben die Meinung bestimmter politischer Gruppen wieder oder arbeiten im Auftrag diverser Gruppen oder einzelner Politiker. So existiert in Kirgisistan keine unabhängige und freie Presse.

Eine Mitwirkung der Presse an der Bildung öffentlicher Meinung wird durch eine fehlende politische Kultur, mangelnde Berufserfahrung der Journalisten und Druck auf die Massenmedien, der mit juristischen und anderen Mitteln ausgeübt wird, erschwert. Zwei Zeitungsverlage lösten sich innerhalb der letzten fünf Jahre wegen vermögensrechtlicher Verfolgung auf.

Intensive demokratische Reformen und die rasante Zunahme neugegründeter Parteien, Nichtregierungsorganisationen und privater Massenmedien verliehen Kirgisistan die Bezeichnung einer Insel der Demokratie in Zentralasien. Dennoch änderte sich diese Situation mit der Zeit.

Der erste Präsident Askar Akajew gestand öffentlich: «Vorbei sind die Zeiten, als man alles in rosarotem Licht sah. Die Realität erwies sich als härter.»19

Letztlich häuften sich die negativen Begebenheiten, spitzten sich in drei Stufen zu und mündeten letztlich in die Ereignisse des 24. März 2005, als das Regierungsgebäude von Demonstranten besetzt wurde und Akajew aus dem Land flüchtete.

Stufe I – Innenpolitik zwischen 1996 und 1999 und Akajews