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Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

Im Dokument 53/2014 (Seite 162-167)

8 Rechtlich geschützte Belange, die von der Veröffentlichung tangiert werden können

8.3 Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

Schließlich schützt § 9 Abs. 1 Nr. 3 UIG Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Der Schutz dieser Geheimnisse wird durch die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und durch die von Art. 14 GG geschützte Eigentumsfreiheit geboten94. In der Rechtsprechung werden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse als „alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und

91 Vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1985, VI ZR 244/84; vgl. VG Schleswig, Urteil vom 03.09.2009, 12 A 131/07; vgl. VG Braunschweig, 14.01.2009, 2 A 121/08; vgl. VG Köln, 25.11.2008, 13 K 4705/06.

92 Vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Kommentar zum Umweltrecht, UIG, 58. Ergänzungslieferung, § 9, Rn.

16.

93 Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.11.2008, 10 S 2702/06; vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Kommentar zum Umweltrecht, UIG, 58. Ergänzungslieferung, § 9, Rn. 16.

94 Vgl. Bundestags-Drucksache 12/7138, S. 14.

Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.

Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse be-treffen vornehmlich kaufmännisches Wissen“95. Ein berechtigtes Interesse an der Nichtverbrei-tung liegt vor, „wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbe-werbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen“96.

Beim Fracking wird für die Erschließung der Gasquellen ein Frac-Fluid in den Untergrund ge-presst, das aus einem Trägerfluid, Stützmitteln und verschiedenen Chemikalien besteht97. Dabei ist zu beachten, dass nach unserem Kenntnisstand die Chemikalien zumindest teilweise in Form von speziellen Gemischen, den sog. Produkten oder auch Frack-Zubereitungen, dem Fluid zugegeben werden98. Diese Produkte werden von dem Frac-Fluidhersteller eigens für die an der Lagerstätte vorgefundenen Gegebenheiten entwickelt99. Sie erfüllen jeweils bestimmte Funktio-nen und sind unter bestimmten Handelsnamen bekannt.

Fraglich ist, ob danach die Zusammensetzung des eingesetzten Frac-Fluids technisches Wissen in Form eines Betriebsgeheimnisses darstellt. Die genaue Zusammensetzung des Frac-Fluids ist nur einem begrenzten Personenbereich, nämlich den am Fracking beteiligten Unternehmen und ggf. der Genehmigungsbehörde bekannt. Nach Angaben der bei der Gasexploration täti-gen Unternehmen Chevron, ConocoPhillips, Wintershall, Exxon und Halliburton ist jedoch nur die Offenlegung der Informationen hinsichtlich der einzelnen chemischen Produkte geeignet, die Wettbewerbsposition des das chemische Produkt herstellenden Unternehmens nachteilig zu beeinflussen100. Die chemischen Produkte sind das Ergebnis von intensiver Forschung und sol-len der bestmöglichen Ausnutzung der jeweiligen Gasquelle dienen. Durch die Darstellung der genauen Zusammensetzung der Produkte würde exklusives Wissen zugänglich gemacht und andere in dem Bereich tätige Unternehmen könnten von diesem Wissen ohne eigenen Kosten-aufwand profitieren. Dadurch wiederum würde die Wettbewerbsposition des Unternehmens, welches das Produkt durch zeit- und kostenintensive Forschung entwickelt hat, nachteilig be-einflusst. Die Mitteilung der genauen Zusammensetzung der verwendeten chemischen Produk-te könnProduk-te somit Betriebsgeheimnisse verletzen. Nicht vom Betriebsgeheimnis umfasst ist da-nach jedoch die Zusammensetzung der Frac-Fluide. Die Information über die Zusammenset-zung des eingesetzten Frac-Fluids lasse nach Angaben von Halliburton nämlich keinen Rück-schluss auf die verwendeten Produkte und deren genaue Zusammensetzung zu, da bei den bis-lang veröffentlichten Daten über Frac-Fluide die Menge der verwendeten chemischen Stoffe

95 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.2006, 1 BvR 2087/03; vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2009, 7 C 18.08.

96 Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.2009, 7 C 18.08.

97 Vgl. SRU Stellungnahme „Fracking zur Schiefergasgewinnung“, Mai 2013, Ziff. 2.3.

98 Vgl. Meiners et al., a.a.O., August 2012, S. A61.

99 Vgl. Ewers/Frimmel/Gordalla, a.a.O., Mai 2012, Kapitel 13.

100 Telefonat am 02.05.2013 im Rahmen einer Anfrage bei OGP.

aufaddiert werden101. Damit können die eingesetzten chemischen Stoffe und ihre jeweilige Menge nicht den einzelnen Produkten zugeordnet werden. Dies würde bedeuten, dass eine Veröffentlichung der in Abschnitt 6 genannten Daten möglich wäre, ohne die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen zu verletzen.

Sollte entgegen der oben genannten Angaben von Halliburton doch ein Rückschluss von den Daten über die eingesetzten Chemikalien auf die einzelnen Produkte möglich sein, oder sollte die Nennung der in Abschnitt 6 vorgeschlagenen Daten zu den eingesetzten Stoffen Rück-schlüsse auf neue, noch nicht allgemein bekannte Anwendungsbereiche des Stoffes ermögli-chen, wodurch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse betroffen sein könnten, so stellt sich hilfs-weise die Frage, ob eine Veröffentlichung der in Abschnitt 6 vorgeschlagenen Daten im

Frackingchemikalienkataster trotzdem zulässig ist. Hierbei kann auf die in § 9 Abs. 1 S.1, 2 UIG geregelten Rückausnahmen zurückgegriffen werden. Danach darf ein Antrag auf Umweltin-formationen selbst bei einer Verletzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nicht abge-lehnt werden, wenn der Betroffene der Weitergabe der Daten zustimmt, das öffentliche Inte-resse an der Bekanntgabe überwiegt oder die Umweltinformationen Daten über Emissionen enthalten. Dies wird nachfolgend geprüft:

8.3.1 Zustimmung der betroffenen Unternehmen

Die deutschen Erdgasproduzenten veröffentlichen seit einiger Zeit auf der Informationsplatt-form des Wirtschaftsverbandes Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG) InInformationsplatt-formationen über durchgeführte Frac-Maßnahmen in Deutschland. Die Datensammlung umfasst alle hydrauli-schen Bohrlochbehandlungen, die seit dem Jahr 2010 durchgeführt wurden. Dieser Datenpool ist zum einen nicht identisch mit den in Abschnitt 6 aufgeführten und für ein

Frackingchemikalienkataster erforderlichen Daten. Zum anderen kann aus der Tatsache, dass die Unternehmen in der Vergangenheit ihre Daten freiwillig veröffentlicht haben, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sie damit auch in Zukunft der Veröffentlichung der Daten in einem Kataster zustimmen. Von einer konkludenten Zustimmung der Erdgasproduzenten für die Zukunft kann nicht ausgegangen werden. Insoweit liegt derzeit kein Fall der Rückausnah-me nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG vor.

8.3.2 Überwiegendes öffentliches Interesse, § 9 Abs. 1 Satz 1 UIG

Das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen überwiegt dann das Interesse an der Geheimhaltung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, „wenn … ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit hinausgeht, Zugang zu Informatio-nen über die Umwelt zu erhalten.“102 Bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen ist

grundsätzlich zu beachten, dass der Umweltinformationsanspruch des UIG darauf abzielt, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an der Entschei-dungsfindung in Umweltsachen zu ermöglichen sowie das allgemeine Umweltbewusstsein zu schärfen. Der Anspruch nach UIG dient damit nicht primär dem individuellen

Informationsin-101 Telefonat am 03.06.2013.

102 Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.2009, 7 C 2.09, NVwZ 2010, S. 189 (189).

teresse des einzelnen Antragsstellers. Vielmehr wird der Antragssteller vorrangig als Sachwalter der Allgemeinheit tätig103.

Im vorliegenden Fall sprechen für ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Bekannt-gabe von Daten über Frac-Maßnahmen folgende Gesichtspunkte:

• Grundsätzlich sollte die Öffentlichkeit durch angemessene Information beteiligt werden und ein besserer Informationsaustausch zwischen der Industrie, den Behör-den und der Öffentlichkeit stattfinBehör-den. Außerdem sollte eine hohe Transparenz in Bezug auf die Auswirkungen und die verwendeten Chemikalien geschaffen wer-den104.

• Fracking wird in der Öffentlichkeit auch deshalb kritisch bis ablehnend bewertet, weil zahlreiche Wissenslücken unter anderem hinsichtlich der an einem bestimm-ten Ort eingesetzbestimm-ten Stoffe bestehen.

• Die noch nicht ausreichend beurteilten Umweltauswirkungen beziehen sich auf für den Menschen besonders bedeutsame Schutzgüter wie das Grundwasser, die Trink-wasserversorgung und den Boden.

• Bei den Frac-Maßnahmen wird mit teilweise gefährlichen Stoffen umgegangen, wel-che in den Untergrund eingebracht werden.

• Die Offenlegung der Daten ermöglicht eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Materie. Dies kann zu einem größeren Interesse bei den Explorationsunternehmen führen, Ersatzstoffe für die teilweise gefährlichen Stoffe zu finden und damit um-weltverträgliches Fracking zu betreiben.

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe von Daten über Frackchemikalien ein Interesse der Unternehmen an etwaigen Betriebs- Geschäfts-geheimnissen überwiegt.

8.3.3 Umweltinformationen über Emissionen, § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG kann der Zugang zu Umweltinformationen nicht abgelehnt wer-den, wenn die Informationen Emissionen beinhalten. Dies gilt selbst dann, wenn durch die Bekanntgabe personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbart werden. Was genau unter den Begriff der Emissionen zu verstehen ist, definiert das UIG nicht.

Im Zusammenhang mit § 8 Abs. 1 Satz 2 UIG, der ebenfalls von „Umweltinformationen über Emissionen“ spricht, nimmt die Gesetzesbegründung ausdrücklich Bezug auf Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 96/61/EG vom 24.09.1996105. Danach sind Emissionen unter anderem die von Punkt-quellen oder diffusen Quellen einer Anlage ausgehende direkte oder indirekte Freisetzung von Stoffen in das Wasser oder den Boden. Dieser Definition folgt auch die Rechtsprechung des

103 Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.02.2008, 20 F 2/07.

104 So auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 21.11.2012 zu den Umweltauswirkungen von Tätig-keiten zur Gewinnung von Schiefergas und Schieferöl, Bundesrats-Drucksache 827/12, S. 10 ff.

105 Vgl. Bundestags-Drucksache 15/3406, S. 19.

obersten deutschen Verwaltungsgerichts106. Stoffe sind wiederum in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 96/61/EG als chemische Elemente und ihre Verbindungen mit Ausnahme bestimmter radioak-tiver Stoffe und genetisch modifizierter Organismen definiert. Zu den Stoffen in diesem Sinne gehören somit auch Frackchemikalien. Diese werden durch Verpressen in den Untergrund freigesetzt. Demnach sind Informationen über die beim Fracking eingesetzten Chemikalien Umweltinformationen über Emissionen im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 2 UIG. Demzufolge wäre es zulässig, Informationen über die beim Fracking eingesetzten Stoffe und deren Mengen in Form eines Frackingchemikalienkatasters zu veröffentlichen, und zwar selbst dann, wenn die veröf-fentlichten Daten personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten sollten. Diese Auffassung wird von einer aktuellen, zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Gutach-tens noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union (EuG – frü-her Europäisches Gericht der ersten Instanz genannt) vom 08.10.2013,Az. T-545/11, gestützt. In seiner Entscheidung stellt das EuG klar, dass der Begriff der Emissionen weit auszulegen ist und dass die Zusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels aufgrund eines unmittelbaren Bezugs zu Emissionen in die Umwelt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 UIG zu veröffentlichen ist.

106 Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.09.2009, 7 C 2.09, NVwZ 2010, S. 189 [191 f].

9 Institutionelle Zuständigkeit und Zugang zum Frackingchemikalienkatasters

In diesem Abschnitt wird dargestellt, welche Institutionen mit der Errichtung und der Führung eines rechtlich verbindlichen Frackingchemikalienkatasters betraut werden könnten. Während ein freiwilliges Kataster sowohl von einer privaten als auch von einer öffentlichen Institution geführt werden könnte, käme für ein rechtlich bindendes Kataster nur eine öffentliche Institu-tion in Betracht, da nur dieser durch und aufgrund eines Gesetzes bestimmte gesetzliche Auf-gaben zugewiesen werden können.

Als Bewertungskriterien für die Auswahl einer geeigneten Institution bieten sich die Sachnähe und Erfahrungen beim Führen von öffentlich zugänglichen Katastern an. Nachfolgend wird darauf eingegangen, wie sich der Zugang zu einem Frackingchemikalienkataster gestalten könnte und zu welchem Zeitpunkt die Informationen zu Frac-Maßnahmen in das Kataster auf-genommen werden sollten.

Im Dokument 53/2014 (Seite 162-167)