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Bundesgesetzliche Regelung als Grundlage für ein Frackingchemikalienkataster

Im Dokument 53/2014 (Seite 176-180)

10 Rechtliche Verankerung eines bundesweiten Katasters

10.2 Bundesgesetzliche Regelung als Grundlage für ein Frackingchemikalienkataster

Da bislang keine gesetzliche Grundlage für ein rechtlich verbindliches bundesweites

Frackingchemikalienkataster existiert, ist zunächst zu prüfen, ob der Bund ermächtigt ist, ein solches Kataster zu errichten und bei einer Bundesbehörde anzusiedeln. Dies setzt voraus, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz und außerdem die Verwaltungskompetenz zustehen.

10.2.1 Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Sofern ein Frackingchemikalienkataster gesetzlich durch den Bund geregelt werden soll, muss der Bund hierfür die Gesetzgebungskompetenz haben. Gemäß Art. 70 Abs. 1 GG hat der Bund das Recht zur Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz ihm die Gesetzgebungsbefugnis verleiht.

135 Siehe Abschnitt 4 dieses Arbeitspaktes.

Eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 73 GG ist vorliegend nicht gegeben, da keiner der dort in Absatz 2 enumerativ aufgezählten Fälle einschlägig ist.

Die Bundeskompetenz könnte aber auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art.

74 Abs. 2 GG gestützt werden.

Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG

Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen des Bundes auf das „Recht der Wirtschaft“. Der Begriff „Recht der Wirtschaft“ ist weit zu ver-stehen und umfasst neben der Organisation der Wirtschaft, bestimmten Wirtschaftszweigen und wirtschaftenden Personen auch die Steuerung und Lenkung des Wirtschaftslebens insge-samt136. Ausdrücklich bestimmt Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, dass unter anderem der Bergbau zu den von dieser Bestimmung erfassten Wirtschaftsbereichen gehört. Zum Bergbau gehört das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen137. Hierzu zählt auch die Erdgasge-winnung aus Schiefergaslagerstätten. Die Einrichtung und das Betreiben eines bundesweites Frackingchemikalienkatasters sowie die Regelung von Mitteilungspflichten der Gasförderunter-nehmen und die Veröffentlichung der entsprechenden Daten unterfallen somit der konkurrie-renden Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG.

Auf den Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG hat der Bund gemäß Art. 72 Abs. 2 GG allerdings nur dann das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit eine bundesgesetzliche Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bun-desgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interes-se erforderlich ist.

Das erste Erforderlichkeitskriterium, d.h. die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ist nachder bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dann gegeben,

„wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bun-desstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet“138. Ein bundesweites

Frackingchemikalienkataster berührt die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepub-lik nur mittelbar. Jedenfalls wird durch das Fehlen eines bundesweiten Katasters das bundes-staatliche Sozialgefüge nicht beeinträchtigt, so dass dieses Erforderlichkeitskriterium hier nicht erfüllt ist.

Das zweite Erforderlichkeitskriterium, nämlich die Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaat-lichen Interesse ist dann gegeben, wenn eine Gesetzesvielfalt auf Länderebene zu einer Rechts-zersplitterung mit problematischen Folgen führen kann, die im Interesse sowohl des Bundes als

136 Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.2011, Az.: 6 C 28.10; vgl. Pieroth, in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, Art. 74 Rn. 21.

137 Vgl. Pieroth, in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, Art. 74 Rn. 25 m.w.Nw.

138 BVerfG, Urteil vom 24.10.2002, Az.: 2 BvF 1/01.

auch der Länder nicht hinnehmbar ist139. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber bei der Prüfung, ob eines der Erforderlichkeitskriterien erfüllt ist, ein gewisser Prognosespielraum bzw. eine Einschätzungsprärogative zukommt, soweit der Sach-verhalt sorgfältig ermittelt wird, die Prognose methodisch auf einem angemessenen

Prognoseverfahren beruht und in die Prognose keine sachfremden Erwägungen einfließen140. In dem in Abschnitt 5.1 bereits genannten Urteil aus dem Jahre 2010 unter anderem zum GVO-Standortregister hat das Bundesverfassungsgericht - allerdings ohne eingehende Prüfung und Begründung - entschieden, dass eine Zersplitterung des Gentechnikrechts nicht hinnehmbar und deshalb unter Beachtung der dem Gesetzgeber zukommenden Einschätzungsprärogative eine bundeseinheitliche Regelung im gesamtstaatlichen Interesse jedenfalls zur Wahrung der Rechtseinheit in Deutschland erforderlich ist141.

Dies lässt sich auf die Notwendigkeit eines bundesgesetzlichen Frackingchemikalienkatasters übertragen. Würde der Bund nicht von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz Ge-brauch machen, könnte es in naher Zukunft zu sehr unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern kommen. In einigen Bundesländern könnte es Kataster geben, in anderen Bun-desländern nicht. Die in den Katastern enthaltenen Informationen, der Zugang der Öffentlich-keit zu den Katastern, die Informationspflichten der Gasförderunternehmen, der Umgang mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen etc. könnten in den Ländern sehr unterschiedlich geregelt werden, obwohl der gleiche Sachverhalt betroffen wäre und obwohl Frac-Maßnahmen mögli-cherweise Landesgrenzen überschreitende Auswirkungen haben können. Dass das Thema Fracking auf politischer und administrativer Ebene in den Bundesländern derzeit sehr unter-schiedlich behandelt wird, zeigt beispielsweise die Einführung eines faktischen Moratoriums für Frac-Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen oder die Initiative Nordrhein-Westfalens im Bun-desrat, jedes Aufsuchen und Gewinnen von Erdgas aus Schiefergaslagerstätten einer obligatori-schen Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterwerfen. Die uneinheitliche Einführung gegebe-nenfalls unterschiedlicher Frackingchemikalienkataster in den Bundesländern würde zu einer Rechtszersplitterung in Deutschland führen, die für die politische Meinungsbildung und für die Transparenz von Umweltinformationen sehr nachteilige Folgen haben könnte. Daher vertreten die Autoren dieses Gutachtens die Ansicht, dass eine bundesweite gesetzliche Regelung zu Frackingchemikalienkatastern im gesamtstaatlichen Interesse liegt und zur Wahrung der Rechtseinheit in Deutschland erforderlich ist. Das zweite Erforderlichkeitskriterium des Art. 72 Abs. 2 GG ist somit erfüllt. Demzufolge steht dem Bund das Gesetzgebungsrecht zur Regelung eines bundesweiten Frackingchemikalienkatasters gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG i.V.m. Art.

72 Abs. 2 GG zu.

Recht des Wasserhaushalts gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG

Für den Fall, dass das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) als Rechtsgrundlage für die Einführung eines Frackingchemikalienkatasters dienen soll (sieh hierzu unten Abschnitt 10.4.1.2), kommt

139 Vgl. BVerfG, Urteil vom 27.07.2004, Az.: 2 BvF 2/02.

140 Vgl. Pieroth, in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, Art. 72 Rn. 23 m.w.Nw.

141 BVerfG, Urteil vom 24.11.2010, Az.: 1 BvF 2/05, Rn. 127 f.

als Gesetzgebungskompetenz des Bundes Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG in Betracht, wonach sich die konkurrierende Gesetzgebung auf den Wasserhaushalt erstreckt. Die oben in Abschnitt 10.3.1.1 genannten Erforderlichkeitskriterien gelten gemäß Art. 72 Abs. 2 GG nicht für das Gebiet des Wasserhaushaltes, so dass der Bund das Frackingchemikalienkataster auch im WHG verankern könnte, ohne den Nachweis erbringen zu müssen, dass eine bundesgesetzliche Regelung zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist.

10.2.2 Katasterführung durch eine Bundesbehörde

Es liegt nahe, die Einrichtung und die Führung eines bundesweiten

Frackingchemikalienkatasters nicht den Bundesländern zu überlassen, sondern in die Obhut einer Bundesbehörde zu geben. In Abschnitt 9.1 wurde dargelegt, dass als katasterführende Behörde grundsätzlich das Umweltbundesamt, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe sowie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Betracht kommen.

Eine Katasterführung durch eine dieser Bundesbehörden setzt nach den kompetenzrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes voraus, dass dem Bund die Verwaltungskompetenz zur Über-tragung der Aufgaben zur Katasterführung auf eine Bundesbehörde auch zusteht. Die Verwal-tungskompetenz bezeichnet die Kompetenz des Bundes oder der Länder, die Gesetze auszufüh-ren. Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ist in den Art. 83 ff. GG geregelt.

Grundsätzlich obliegt gemäß Art. 83 GG die Ausführung der Bundesgesetze den Ländern. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält u.a. Art. 87 Abs. 1 GG, der die Fälle der bundeseige-nen Verwaltung aufführt. Darunter fällt bspw. der auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwal-tung und nach Maßgabe des Art. 89 GG auch die VerwalBundesfinanzverwal-tung der Bundeswasserstraßen und der Schifffahrt. Das Einrichten und Führen eines Frackingchemikalienkatasters wird in dem ab-schließenden Katalog des Art. 87 Abs. 1 GG nicht genannt.

Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG regelt darüber hinaus die sogenannte obligatorische mittelbare Bun-desverwaltung. Hiernach können für solche Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzge-bungsbefugnis zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Kör-perschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden. Von dieser Regelung mitumfasst ist auch die Übertragung neuer Aufgaben auf bestehende Bundes-oberbehörden und bundesunmittelbare Rechtsträger142. Wie oben in Abschnitt 10.3.1 näher ausgeführt, steht dem Bund gemäß Art. 74 Abs.1 Nr. 11 i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG die Gesetzge-bungskompetenz zur Schaffung eines bundesweiten Frackingchemikalienkatasters zu. Demzu-folge ist der Bund gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG auch befugt, entweder eine neue, selbständi-ge Bundesbehörde als katasterführende Stelle zu errichten oder die Aufgabe der Katasterfüh-rung einer bestehenden Bundesbehörde zu übertragen.

142 Vgl. Pieroth, in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 12. Auflage, Art. 87, Rn. 14.

Im Dokument 53/2014 (Seite 176-180)