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Abwägung: freiwilliges oder rechtlich verbindliches Kataster .1 Freiwilliges Kataster

Im Dokument 53/2014 (Seite 156-161)

Für das Einrichten eines freiwilligen bundesweiten Katasters spricht, dass ein solches schneller, unkomplizierter und unter Umständen kostengünstiger umgesetzt werden könnte als ein recht-lich verbindrecht-liches Kataster. Für die Schaffung eines freiwilligen Katasters bedürfte es keines förmlichen Gesetzes. Die im Zusammenhang des Einrichtens und Führens des Katasters entste-henden Aufgaben könnten durch Verwaltungsvorschrift auf die Verwaltung übertragen wer-den, sofern die öffentliche Hand das Kataster errichtet und führt. Daneben gäbe es auch die Möglichkeit, dass anstelle des Staates die Gasförderunternehmen das

Frackingchemikalienkataster in eigener Regie und auf eigene Kosten einrichten und betreiben.

Dabei könnte gegebenenfalls auch auf die bereits bestehende Datenbank des Wirtschaftsver-bands Erdöl- und Erdgasgewinnung e.V. (WEG)85 zurückgegriffen werden. Nach Vereinbarung mit dem WEG könnte die Datenbank ggf. auch weiterhin von ihm betrieben werden. Ein Rück-griff auf die bestehende Datenbank des WEG oder auf ein anderes von den Gasförderunter-nehmen geführtes Kataster hätte insbesondere den Vorteil, dass kaum Kosten für die Einrich-tung und Pflege eines Frackingchemikalienkatasters für die öffentliche Hand anfallen würden.

Im ersten Fall müsste jedoch beachtet werden, dass die Datenbank des WEG in ihrer derzeiti-gen Form nicht alle in Abschnitt 6 dieses Gutachtens empfohlenen Daten enthält und damit noch Änderungen vereinbart werden müssten. Bei einem Rückgriff auf die bereits existierende Datenbank des WEG könnte ein bundesweites Kataster jedoch in kürzester Zeit aufgebaut wer-den.

Nach Angaben der Energiekonzerne Chevron, Conoco Phillips und Wintershall und nach einer Auswertung der bereits bestehenden nationalen Informationsplattform des WEG, scheinen die Gasförderunternehmen grundsätzlich bereit zu sein, Informationen über die bei

Frac-Maßnahmen eingesetzten Stoffe in einem öffentlich zugänglichen Kataster zur Verfügung zu stellen. Hiergegen könnten aber die Interessen der Hersteller der Frac-Fluide stehen, die mögli-cherweise aus Konkurrenzgründen die Rezepte nicht veröffentlicht wissen wollen.

Gegen die Einrichtung eines freiwilligen bundesweiten Katasters spricht des Weiteren, dass eine freiwillige Weitergabe von Daten nie den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann und damit der in Abschnitt 5 dargelegte Sinn und Zweck auf Dauer nur eingeschränkt erfüllt wer-den könnte. Ein Erzwingen der Veröffentlichung der (vollständigen) Daten in einem

Frackingchemikalienkataster würde dem Charakter eines freiwilligen Katasters widersprechen.

Zwar scheinen die Unternehmen derzeit grundsätzlich gewillt zu sein, Informationen über die Frackchemikalien freiwillig zu veröffentlichen. Eine Garantie dafür, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird, gibt es jedoch nicht. Zudem ist aus der Datenbank des WEG ersichtlich, dass bislang nicht alle Unternehmen bei der Meldung ihrer Daten den gleichen Maßstab anlegen.

Wie oben in Abschnitt 2 bereits dargelegt, unterscheiden sich die freiwillig veröffentlichten Informationen über die eingesetzten Frackchemikalien deutlich in ihrem Umfang bzw. ihrer Informationstiefe. Es stellt sich damit die Frage, welche Daten die Unternehmen tatsächlich

85 Siehe Kapitel 2.1.4 dieses Arbeitspaketes.

bereit sind, freiwillig zur Aufnahme in ein Kataster zu melden. Überdies besteht die Gefahr, dass nur wegen der derzeitigen öffentlichen Diskussion ein Interesse der Unternehmen an der Weitergabe der Informationen gegeben ist, damit sie ihre Projekte überhaupt bzw. reibungslo-ser und zeitnah durchführen können. Sollte aber in Zukunft das öffentliche Interesse am Fracking nachlassen, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Bereitschaft der Gas-förderunternehmen, Daten freiwillig in einem Frackingchemikalienkataster zu veröffentlichen, nachlassen wird.

Gegen die Lösung, der Wirtschaft das Einrichten und Führen eines

Frackingchemikalienkatasters zu überlassen, könnte schließlich sprechen, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Informationspolitik der Wirtschaft möglicherweise nicht so hoch ist, wie das Vertrauen in ein von der öffentlichen Hand geführtes Kataster. Folge eines solchen Misstrauens könnte sein, dass trotz eines öffentlich zugänglichen Frackingchemikalienkatasters Anträge auf Umweltinformationen bei den auskunftspflichtigen Stellen beantragt werden und damit der Sinn und Zweck der Verwaltungsvereinfachung nur begrenzt erfüllt würde.

7.2 Freiwilliges Kataster auf Probe

Eine andere Möglichkeit wäre, das Kataster zunächst auf freiwilliger Basis einzuführen und nach einer „Probezeit“ von einigen Jahren darauf zu überprüfen, inwieweit die Unternehmen der freiwilligen Übermittlung der Daten an die katasterführende Stelle nachgekommen sind.

Sollte sich herausstellen, dass die Unternehmen Informationen nur lückenhaft weitergeben, könnte ein rechtlich bindendes Kataster eingeführt werden. Der Vorteil dieser Lösung wäre, dass der mit der Schaffung eines rechtlich verbindlichen Katasters zusammenhängende Auf-wand nur dann betrieben werden müsste, wenn es aufgrund mangelnder Mitwirkung der Un-ternehmen tatsächlich notwendig werden sollte. Dagegen sprechen jedoch die bereits unter 6.1 dargestellten Gründe. Da nach Ablauf der Probezeit nicht sicher ist, dass die Gasförderunter-nehmen auch in Zukunft ihre Daten vollständig an die katasterführende Stelle melden, müss-ten Überprüfungen der freiwilligen Damüss-tenweitergabe in regelmäßigen Abständen erfolgen.

Solche Überprüfungen würden das Vertrauen in die Vollständigkeit und Seriosität des Katasters nicht fördern, sondern das Misstrauen in Teilen der kritischen Öffentlichkeit eher verstärken.

7.3 Kataster auf Basis einer Selbstverpflichtung

Eine weitere Möglichkeit wäre ein Kataster auf Basis einer Selbstverpflichtung der Unterneh-men einzuführen. Selbstverpflichtungen sind rechtlich unverbindliche Erklärungen mit denen man sich zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichtet. Die Unternehmen müssten sich vorliegend verpflichten, die in Abschnitt 6 genannten Daten über Frackchemikalien der katas-terführenden Stelle vollständig zur Verfügung zu stellen. Die Selbstverpflichtung könnte in Form einer einseitigen Willenserklärung oder in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen dem Staat und dem Gasförderunternehmen erfolgen.

Beispiele für einseitige Verpflichtungserklärungen sind: Verpflichtung der chemischen Indust-rie, die für die chemische Industrie relevanten Treibhausgase von 1990 bis zum Jahr 2012 um 45-50 % zu senken und den spezifische Energieverbrauch im gleichen Zeitraum um 35-40 % zu

reduzieren86 und Verpflichtung der deutschen Mineralölwirtschaft zur Verringerung der Treib-hausgasemissionen im Wärmemarkt und zur Minderung der TreibTreib-hausgasemissionen in den Raffinerien von 1990 bis 2012 um 10 %87. Im Hinblick auf das Thema Fracking, hat das Gasför-derunternehmen Wintershall auf seiner Homepage bereits eine einseitige Selbstverpflichtung für heimische Förderung erklärt. Darin heißt es unter anderem: “Wir veröffentlichen, mit wel-chen Additiven wir bei einem Einsatz von Frac-Technik arbeiten, …“88.

Ein Beispiel für eine Selbstverpflichtung in Form einer öffentlich rechtlichen Vereinbarung ist bspw. die Kooperationsvereinbarung der sogenannten Altlastensanierungsallianz NRW zur Fi-nanzierung von Maßnahmen der Altlastensanierung und des Flächenrecyclings. Kooperations-partner dieser Vereinbarung im Jahr 2008 waren die Landesregierung NRW, der Förderverein der chemischen Industrie und zahlreiche Großunternehmen aus den Bereichen Stahl und Ener-gie. Die beteiligten Wirtschaftsunternehmen verpflichteten sich hierbei, dem Verband für Flä-chenrecycling und Altlastensanierung (AAV) finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.

Ob bei einer freiwilligen Selbstverpflichtung Zuwiderhandlungen der Unternehmen geahndet und gegebenenfalls mit Sanktionen belegt werden könnten, erscheint höchst zweifelhaft, weil dies dem Charakter der Freiwilligkeit widerspricht. Die Erfahrungen mit dem oben dargestell-ten AAV-Kooperationsmodell zeigen, dass das Interesse der Unternehmen, ihren freiwillig übernommenen Verpflichtungen nachzukommen, im Laufe der Jahre stark nachlassen kann und dass die öffentliche Hand dann keine Handhabe hat, die Selbstverpflichtung durchzuset-zen. Eine Garantie dafür, dass die Selbstverpflichtung eingehalten wird, gibt es jedenfalls nicht.

Zudem ist auch bei einer Selbstverpflichtung nicht gewährleistet, dass die Datenübermittlun-gen vollständig erfolDatenübermittlun-gen. Schließlich können SelbstverpflichtunDatenübermittlun-gen grundsätzlich jederzeit ein-seitig durch einzelne Unternehmen widerrufen werden, sofern sich die Unternehmen nicht durch öffentlich-rechtliche Vereinbarungen rechtlich gebunden haben. In diesem Fall ist keine Verlässlichkeit der Datenerhebung für die Zukunft gegeben.

7.4 Rechtlich verbindliches Kataster

Bei einem rechtlich verbindlichen Kataster wären die oben genannten Nachteile freiwilliger Kataster nicht zu besorgen.

Dem Staat stehen die Möglichkeiten offen, die Daten für das Frackingchemikalienkataster ent-weder direkt von den Gasförderunternehmen oder von den nach Landesrecht zuständigen Ge-nehmigungsbehörden zu verlangen. Der Vorteil der erstgenannten Variante ist, dass die In-formationsbeschaffung auf einem direkten Weg Unternehmen – katasterführende Stelle erfolgt und damit ein Fehler bei der Übermittlung der Daten unwahrscheinlich ist. Der Staat hätte es

86 Vgl. Weiterentwickelte Selbstverpflichtungserklärung der Chemischen Industrie im Rahmen der Klimaschutzver-einbarung der deutschen Wirtschaft aus Nov. 2000.

87 Vgl.

http://www.bmu.de/service/publikationen/downloads/details/artikel/selbstverpflichtung-klimaschutzerklaerung-der-deutschen-mineraloelwirtschaft-fuer-die-raffinerien/?tx_ttnews[backPid]=1705.

88 http://www.wintershall.com/uploads/user_pxbxconnector/pxbxrawdata/148/wintershall-selbstverpflichtung-heimischef--rderung-0413.pdf.

in der Hand durch klare und verbindliche Regelungen, die mit Sanktionen (Verwaltungszwang, Ordnungswidrigkeitenverfahren) begleitet werden könnten, dafür zu sorgen, dass die Daten-übermittlung an die katasterführende Stelle zeitnah und vollständig erfolgt. Für die erste Vari-ante spricht zudem, dass nach hiesigem Kenntnisstand die Informationslage der Genehmi-gungsbehörden bezüglich des Flowback sehr uneinheitlich ist und den Behörden die in Ab-schnitt 6 genannten Daten nur teilweise vorliegen.

Für die Schaffung eines rechtlich verbindlichen Katasters spricht dessen zuverlässige und voll-ständige Datengrundlage. Der in Abschnitt 5 dargestellte Sinn und Zweck könnte mit einem solchen Kataster uneingeschränkt erfüllt werden.

Gegen die Schaffung eines rechtlich verbindlichen Katasters könnte aus Sicht der öffentlichen Hand sprechen, dass in diesem Fall die öffentliche Hand die Kosten für das

Frackingchemikalienkataster tragen müsste. Den Gasförderunternehmen können die Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung des Katasters nicht oder nur sehr eingeschränkt auferlegt werden. Gebühren zu Lasten der Unternehmen scheiden aus, weil die im Kataster veröffentlich-ten Informationen keine den Gasförderunternehmen individuell zurechenbaren Leistungen des Staates i.S.d. § 1 Bundesgebührengesetz (BGebG) darstellen, sondern vorrangig dem Informati-onsbedürfnis der Öffentlichkeit dienen, und weil die Eintragungen in das Kataster nicht zu den Voraussetzungen zur bergrechtlichen Zulassung von Frac-Maßnahmen gemäß § 55 Bundes-berggesetz (BbergG) zählen.

Durch die Pflege der Daten und die Führung des Katasters entsteht personeller und sachlicher Verwaltungsaufwand für die öffentliche Hand. Schließlich muss die Verwaltung für das Einrich-ten eines rechtlich verbindlichen Katasters und dessen Führung finanzielle Mittel aufwenden, deren Höhe hier jedoch nicht beziffert werden kann. Zur Orientierung kann jedoch der Auf-wand für die Errichtung und die Unterhaltung des Schadstofffreisetzungs- und –

verbringungsregisters herangezogen werden. Gemäß § 3 SchadRegProtAG sollen die Betreiber der Anlagen die vorgeschriebenen Daten an die nach Landesrecht zuständige Behörde über-mitteln. Diese wiederum leitet die von ihr überprüften Daten gemäß § 5 Abs. 1

SchadRegProtAG an die katasterführende Stelle, das Umweltbundesamt weiter, welches die Da-ten nach nochmaliger Überprüfung in das Register einstellt. Die DaDa-tenerfassung und –

übermittlung erfolgt dabei auf elektronischem Weg über das Datenerfassungssystem BUBE (Be-triebliche Umweltdatenberichterstattung). Die erforderliche Qualitätssicherung wird zu einem großen Teil durch BUBE und andere elektronische Programme vorgenommen. Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird das „Schadstofffreisetzungs- und –verbringungsregister“ beim Umweltbundesamt von einem Team mit vier Mitarbeitern betreut. Auf Landesebene wurden nach unserem Kenntnisstand keine zusätzlichen Stellen für die Bearbeitung der eingehenden Daten nach dem SchadRegProtAG geschaffen. Das System BUBE wird neben der Berichtspflicht nach dem SchadRegProtAG auch für die Berichtspflichten nach der 11. BImSchV (Verordnung über Emissionserklärungen) und der 13. BImSchV (Verordnung über Großfeuerungs- und Gas-turbinenanlagen) verwendet. Ggf. könnte auch ein Modul im Rahmen des Datenerfassungssys-tems BUBE für die Datenübermittlung und –überprüfung von Daten zu Frac-Maßnahmen ent-wickelt werden.

7.5 Ergebnis

Nach Ansicht der Verfasser sprechen überwiegende Gründe für ein rechtlich verbindliches Frackingchemikalienkataster. Ein freiwilliges Kataster auf Probe ist dann eine erwägungswerte

Alternative, wenn die Unternehmen dauerhaft dazu bereit sind, die in Abschnitt 6 genannten Daten freiwillig und vollständig zu veröffentlichen. Darüber hinaus ist aus Gründen der Glaub-würdigkeit des Katasters bei einem freiwilligen Kataster eine inhaltliche Kontrolle der Daten durch die öffentliche Hand erforderlich. Schließlich müsste dauerhaft beobachtet werden, ob die Bereitschaft der Unternehmen zur Meldung der Daten nicht nachlässt und die Daten auch weiterhin vollständig eingestellt werden.

Im Dokument 53/2014 (Seite 156-161)