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Pool 3: 16 Rassehunde, anonym nummeriert

4.2 Evaluierung der Testverfahren .1 Zuordnung reinrassiger Hunde

4.2.2 Untersuchung der Mischlinge „Nicki“ und „Sammy“

4.2.2.2 Genetische Intermediärstellung

Um die genetische Position dieser beiden 2-Rassen-Mischlinge hinsichtlich ihrer Ausgangs-rassen zu bestimmen, wurde eine Überprüfung sowohl mittels GeneClass (Direktmethode und Simulation) als auch Structure („admixture“ und „no admixture“- Modell) durchlaufen. Ob-wohl bei beiden Tieren deutlich erkennbar war, welches Allel welchem Elternteil entstammt, ordnete GeneClass „Sammy“ keiner der Referenzrassen zu, während „Nicki“ sowohl direkt als auch simuliert als AlM eingestuft wurde. Structure berechnete unter Verwendung des

„admixture“-Modells für „Sammy“ 38% mögliche Genanteile aus der Rasse DSh und 62%

Genanteile vom BC. Angelehnt an „no admixture“, definierte Structure „Nicki“ als SHy, wäh-rend beim „admixture“-Modell immerhin zu 54% „Schäferhundblut“ erkennbar war.

4.2.3 „Momo“ und „Baska“ – Hybride oder reinrassig?

Der Mischlingsrüde „Baska“ wies als Sohn von „Sammy“ ebenfalls den wenig rassespezifi-schen Haplotypen H3 auf. Dieser Hybrid führt Blutanteile von DSh (25%), BC (25%) und LR (50%). Das Programm GeneClass klassifizierte ihn jedoch mit beiden Methoden als BC, wenn auch nur mit 3% Wahrscheinlichkeit. Im Testlauf mit BC, LR und DSh identifizierte ihn Structure allerdings zu 93,8% (admixture) bzw. 99,7% (no admixture) als BC. Stellte man ihn in einem weiteren Testlauf nur den Rassen LR und BC gegenüber, wurde er zu 80% bzw. 99%

den BC zugeordnet. „Baska“, der als 3-Rassen-Hybrid einen ausgesprochen Labrador-ähnlichen Phänotyp aufweist, besitzt somit – ausgehend vom hier eingesetzten Marker-Set – den Genotypen eines BC. Die 25% DSh sind völlig in den anderen beiden Rassen aufgegan-gen.

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Die 4-Rassen-Mix-Hündin „Momo“ zeigte stark Hovawart-ähnliches Aussehen. Von Interes-se war in dieInteres-sem Fall, ob sie mit den hier verwendeten Methoden genetisch noch von „rein-rassigen“ Hov abzugrenzen ist. Haplotyp H1 dominierte beim Hov, jedoch auch bei zahlrei-chen anderen Rassen. GeneClass nahm eine Einordnung als Hov vor, in der Simulation sogar mit 15%iger Wahrscheinlichkeit. Integrierte man „Momo“ in die Hov-Population und defi-nierte bei Structure k=2, so spalteten sich sämtliche Individuen dieser künstlichen Population zu jeweils 50% auf. Eine Abgrenzung gegen diese Rasse ist folglich auf diesem Wege nicht mehr möglich. Stellte man jedoch diesen Mischling den Populationen Hov und DSh gegen-über, wurde er im „no admixture“-Modell zwar zu 98% als Hov klassifiziert, bei erlaubter

„admixture“ erkannte das Programm jedoch auch die der Realität entsprechenden 21% Ge-nanteile des DSh.

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5 Diskussion

5.1 Diversität

Zahlreiche molekulargenetische Studien haben mittlerweile die außerordentliche genetische Diversität einzelner Caniden-Spezies (ROY et al. 1994; FREDHOLM & WINTERO 1995;

KLUKOWSKA et al. 2003; DOLF et al. 2000; RANDI & LUCCHINI 2000) und vor allem von Ca-nis familiaris bestätigt (IRION et al. 2003; VEIT 2000; ALTET et al. 2001; ZAJC & SAMPSON

1999; PIHKANEN et al. 1996; MORERA et al. 1999; KIM et al. 2002). Studien der mito-chondrialen DNA ließen den Schluss zu, dass die ausgeprägte Polymorphie des Haushundes ihren Ursprung im Wolf hat (TSUDA et al. 1997). Auch Ergebnisse aus anderen Forschungs-gebieten (SEDDON & ELLEGREN 2002) lassen vermuten, dass sich die genetische Variations-breite prähistorischer Wolfspopulationen im Haushund widerspiegelt. Die d-loop als hochva-riabler Bereich der mtDNA konnte in diesem Zusammenhang aufgrund ihrer überdurch-schnittlich hohen Mutationsrate in zahlreichen phylogenetischen Studien erfolgreich einge-setzt werden (VILA et al. 1997; VILA et al. 1999a; SAVOLAINEN et al. 2002; LEONARD et al.

2002; SAVOLAINEN et al. 2004).

Obwohl die absoluten Ergebnisse – abhängig von der Stichprobengröße, dem untersuchten Rassespektrum sowie dem amplifizierten d-loop-Bereich – stark variierten, konnten bei allen Autoren ähnliche Tendenzen bezüglich der genetischen Vielfalt von Canis familiaris aufge-zeigt werden. Die 26 verschiedene Haplotypen, die VILA et al. (1997) bei der Analyse der hypervariablen Region (s. Kap. 2.2.2.2) in modernen Hunderassen identifizierten, wurden im Folgenden von LEONARD et al. (2002) durch 17 weitere, aus prähistorischer Hunde-DNA iso-lierte Haplotypen ergänzt. TAKAHASHI et al. (2002) fanden bei der Untersuchung von 365 Tieren 64 mitochondriale Sequenzvarianten, während SAVOLAINEN et al. (2002) und SAVOLAINEN et al. (2004) weltweit aus 676 Individuen insgesamt 114 mtDNA-Haplotypen isolieren konnten.

Übereinstimmend wurde bei allen Untersuchungen eine Aufspaltung von Canis familiaris in mindestens vier große phylogenetische Gruppen (Clades)61 gefunden. Aufgrund der

61 Untergruppe von Arten oder Individuen, die aus einem gemeinsamen Ahnen hervorgegangen sind.

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ten Sequenzdivergenz (pairwise sequence divergence) kann davon ausgegangen werden, dass sich die Sequenzvarianten innerhalb der Clades erst nach der Domestikation entwickelt haben (SAVOLAINEN et al. 1997). Die Divergenz zwischen den Gruppen hat dagegen ihren Ursprung in einer Auftrennung, die schon vor dem ersten Domestikationsereignis stattfand. Daraus re-sultierend läßt sich die Abstammung von Canis familiaris aus mindestens vier maternalen Wolfslinien ableiten.

Sowohl die Ergebnisse von TSUDA et al. (1997) sowie VILA et al. (1997) stützten die Theorie eines polyphyletischen Ursprungs des Haushundes. Ungeklärt blieb jedoch weiterhin, ob Ca-nis familiaris aus mehreren, geographisch unterschiedlichen Wolfspopulationen in verschie-denen Epochen domestiziert wurde oder ob es sich um ein einzelnes Domestikationsereignis handelte, dem eventuell mehrere Phasen der Rückkreuzung mit verschiedenen Wolfs-Subspezies entlang menschlicher Migrationsrouten folgten (VILA et al. 1999a). SAVOLAINEN

et al. (2002) kamen zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der heutigen Hunderassen auf drei (bzw. fünf) verschiedene Wolfspopulationen zurückzuführen ist, deren Domestikation im ost-asiatischen Raum vor 26.000–11.000 Jahren erfolgte. Basierend auf diesen Daten kann davon ausgegangen werden, dass die Domestikation des Hundes kein Einzelfall, sondern gängige Praxis in der damaligen menschlichen Gesellschaft war.

Die Haplotypenvielfalt innerhalb moderner, phänotypisch uniformer Hundepopulationen ist umso erstaunlicher, als bei vielen Rassen von extremer Inzucht auszugehen ist. Zahlreiche Rassen weisen jedoch drei bis sechs Haplotypen auf (VILA et al. 1997; SAVOLAINEN et al.

1997). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die ursprüngliche Anzahl an Haplotypen vermutlich höher war.62 Die Zeitspanne, die zur Fixation mitochondrialer Haplotypen in einer Population nötig ist, beträgt durch den geschlechtlichen Vererbungsmodus nur ¼ der Zeitspanne nukleä-rer DNA (VILA et al. 1999a). Somit ist die mtDNA von genetischer Drift bzw. founder effects besonders betroffen.

Einer der Gründe für dieses breite Spektrum genetischer Variation beim Haushund liegt darin, dass der Grundstock zur Rassenbildung einem bereits in prähistorischer Zeit gut

62 LEONARD et al. (2002) fanden Hinweise auf zahlreiche prähistorische Haplotypen überwiegend aus dem süd-amerikanischen Raum, die im Zuge der spanischen Invasion ausgelöscht wurden.

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ten und ausgewogenen Genpool entnommen wurde. Jahrtausendelang begleitete der Hund den Menschen auf seinen Wanderungen. Daher weist das Gebiet, in dem Genfluss stattfinden konnte, eine beträchtliche Größe auf (VILA et al. 1999a). Deutliche Hinweise auf starke Durchmischung des Ursprungs-Genpools von Canis familiaris fanden LEONARD et al. (2002).

Mindestens fünf unterschiedliche Matrilinien aus zwei Clades begleiteten die Paleo-Indianer, die vor ca. 20.000-25.000 Jahren über die Beringstraße mit der Besiedlung des amerikani-schen Kontinents begannen.63

Anzeichen für eine frühe Vermischung verschiedener Ahnenlinien beim Haushund entdeckten OKUMURA et al. (1996) sowie TSUDA et al. (1997), die beide intensiven Genaustausch zwi-schen Wolf und Hund einerseits sowie zwizwi-schen den einzelnen Rassen andererseits postulier-ten. Die bemerkenswerte genetische Variabilität sowohl zwischen als auch innerhalb der Ras-sen wird auf die Kreuzung verschiedener Ahnenlinien und auf die Entstehung jeder Rasse aus zahlreichen Gründertieren zurückgeführt. Die Untersuchung europäischer und amerikanischer Rassen führte zu ähnlichen Ergebnissen: Die dreizehn mtDNA-Varianten des Maltesers sowie die sieben Haplotypen der hypervariablen Region beim Xoloitzcuintli verteilten sich über drei Clades (TAKAHASHI et al. 2002; VILA et al. 1999a).

Als weiterer Grund für die genetische Diversität ist das von Züchtern gelegentlich betriebene

„outcrossing“64 zu sehen. Dies soll der Vermeidung oder Tilgung schädlicher Inzuchteffekte dienen. Zusätzlich werden auf diese Weise neue Eigenschaften etabliert. Mischlinge und ihre Nachkommen weisen höhere Vitalität auf und wurden von Züchtern daher bevorzugt. Auf diese Weise könnten sich ursprünglich neu eingeführte Haplotypen bzw. Allele schnell ver-mehrt haben (VILA et al. 1999a).

Eine wichtige Voraussetzung für die Abschätzung der Abgrenzbarkeit einzelner Populationen gegeneinander stellen der Grad genetischer Diversität und Divergenz dar. Wichtige Maße für die Beschreibung genetischer Diversität sind die mittlere Allelzahl, der Heterozygotenanteil sowie der PIC-Wert.

63 Darüber hinaus wurden in der ältesten noch existierenden amerikanischen Hunderasse (Mexican hairless) bei einer Untersuchung von 19 Individuen sieben Haplotypen gefunden.

64 D.h. die Anpaarung reinrassiger Tiere an Mischlinge oder Angehörige anderer Rassen, um Heterosiseffekte zu erzielen.

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Die mittlere Allelzahl über alle Loci innerhalb einer Population gilt dabei als ein sensitiveres Maß für den Grad genetischer Variation als die Heterozygotenrate, da erstere proportional zur Polymorphie ansteigt, während die Heterozygotie durch Allele mit niedriger Frequenz kaum beeinflusst wird (NEI 1987). Auch PIC-Werte sind für die Umschreibung genetischer Vielfalt gut geeignet, da sie im Gegensatz zur Heterozygotie zusätzlich die Allelanzahl und -frequenz mitberücksichtigen (ZAJC et al. 1997).

Im Literaturvergleich sind Unterschiede in der Gesamt-Allelzahl bei identischen Markern von der Stichprobengröße sowie dem untersuchten Rassespektrum abhängig. Sie werden jedoch auch maßgeblich durch gravierende Unterschiede in den Auswertungsmethoden beeinflusst (DENISE et al. 2004; EICHMANN et al. 2004).

In der vorliegenden Arbeit wiesen Rht, Shy und LR auf (6,7–6,3) die höchsten mittleren Allel-anzahlen auf, während niedrige Werte bei Dob, Box und WHT zu finden waren (3,6–3,9). Die geringe Allelzahl des Dob könnte zwar auch aus der Stichprobengröße (n=13) resultieren, der BC als zweitkleinste Population (n=18) weist jedoch mit 6,0 Allelen einen überdurchschnittli-chen Wert auf.

Die höchste Heterozygotie lag bei SHy, AlM und BC vor (0,703-0,672), die geringste bei DSh, WHT und Box (0,394–0,411). Bezüglich der PIC-Werte zeigten DSh, WHT und Box sowie Dob die geringste Variabilität (0,368–0,452), während SHy, AlM und YT hohe Werte aufwie-sen (0,679–0,641). In direkter Abhängigkeit von Allelzahl und PIC zeigten SHy, AlM, BC, YT und Rht jeweils eine hohe Ausschlusswahrscheinlichkeit für das verwendete Marker-Set, während bei den Box, WHT und DSh nur moderate PE-Werte erreicht wurden. Die hier ermit-telten Ergebnisse standen im Einklang mit DENISE et al. (2004), auch wenn absolute Verglei-che aufgrund unterschiedliVerglei-cher Markeranzahlen nicht möglich waren.65

Zusammengefasst können die Rassen SHy, AlM, BC, LR, Rht und YT als Rassen mit großer genetischer Bandbreite bezeichnet werden, während Box, DSh, WHT und Dob deutliche Ver-luste an genetischer Variabilität aufweisen. In ihrer Zuchtgeschichte zeigten Box und DSh nicht nur hochgradige Inzucht, sondern auch starke Selektion nach wechselnden Phänotypen (RÄBER 1995). Der WHT dagegen beruht auf einer sehr schmalen Zuchtbasis und weist in

65 DENISE et al. (2004) verwendeten zusätzlich zu den hier untersuchten Markern noch 8 weitere Mikrosatelliten.

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seiner Zuchtgeschichte ein bottleneck auf (s. Kap. 9.1). Obwohl der Dob nur eine geringe An-zahl an Allelen hat, zeigt er dennoch hohe Heterozygotie und befindet sich völlig im HWG (s.

Kap. 4.1.3.6). Die Heterozygotenrate des YT ist unerwartet hoch angesichts des historisch dokumentierten hohen Inzuchtgrades (s. Kap. 9.1). Sie kann jedoch auf eine ausreichende Basis heterogener Gründertiere verschiedener Rassen zurückgeführt werden. Zahlreiche Stu-dien dokumentieren den Verlust genetischer Vielfalt einzelner Rassen im Vergleich zur ge-samten Hundepopulation (ALTET et al. 2001; SUTTON et al. 1998; IRION et al. 2003). Betrach-tet man die Allelfrequenzen aller Loci in der Gesamtpopulation, so fällt auf, dass sämtliche Marker einzelne, hochfrequent vorkommende Hauptallele sowie eine stark variierende Anzahl seltener Varianten besitzen.66 Diese Beobachtung setzt sich auch auf Rasse-Ebene fort und führt dort zu stark differierenden Allelprofilen sowie unterschiedlichen Frequenzverteilungs-mustern (s. Kap. 4.1.3.2).

Die Ergebnisse der Mikrosatellitenanalyse lassen sich vom Grundsatz her auch auf mtDNA-Haplotypen übertragen. Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass keinerlei Korrelationen zwischen Hunderassen und spezifischen mtDNA-Haplotypen bestehen (VILA et al. 1997;

SAVOLAINEN et al. 1997; TAKAHASHI et al. 2002). Von 17 untersuchten Rassen mit einer Stichprobe (n>3) wiesen 15 Populationen mindestens zwei Haplotypen auf. Die hypervariable Region des DSh (n=8) lieferte fünf Haplotypen, während beim GR (n=6) vier Sequenzvarian-ten identifiziert wurden (VILA et al. 1997). Die vier häufigsten Haplotypen waren dabei je-weils in einem Spektrum von 7–14 Rassen gleichzeitig vertreten. Dennoch wurde in der Lite-ratur von einer überdurchschnittlichen Repräsentation bestimmter Allele bei einzelnen Rassen berichtet (SAVOLAINEN et al. 1997). Die Variante D4 tauchte dort bei 60% aller Retriever-Rassen auf, speziell bei den LR zu 83%. D5 wurde bei 57% der untersuchten DSH nachge-wiesen. D8 kam ausschließlich bei Jämthunden und Elchhunden vor. Eine bisher einzigartige Variante wurde beim Chesapeake Bay Retriever entdeckt (D13). SAVOLAINEN et al. (2002) erwähnen darüber hinaus ein regional begrenztes Vorkommen bestimmter Varianten.67 Tabelle 28 vermittelt einen Überblick zu der Haplotypenvielfalt ausgewählter Hunderassen in der Literatur.

66 Auch die Mengenverhältnisse der Hauptallele unterscheiden sich je nach Stichprobe beträchtlich. So wurde in der vorliegenden Arbeit für PEZ6 Allel 180 als häufigstes Allel ermittelt, während in EICHMANN et al. (2004) Allel 184 (bzw. 25.3) als häufigste Variante bestimmt wurde.

67 In der Türkei sowie in Spanien, Skandinavien, Korea, Japan und Sibirien.

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Tabelle 28: Darstellung ausgewählter Rassen-Stichproben und jeweiliger Haplotypenzahl bei Untersu-chungen der hypervariablen Region (VILA et al. 1997; SAVOLAINEN et al. 1997) der caninen mtDNA.

Rasse SAVOLAINEN et al.

(1997)

VILA et al.

(1997) Haplotypenspektrum68

BC 3 (2) 5 (2) D1, D5

Rht 3 (2) 3 (2) D5, D10

DSh 7 (4) 8 (5) D4, D5, D6, D7, D19

SHy 2 (2) 3 (3) D3, D7, D18

GR 5 (3) 6 (4) D4, D6, D15, D24

LR 6 (2) 6 (2) D4, D12

Row 2 (1) 2 (1) D3

IRS 3 (2) 3 (2) D1, D9

WHT 1 (1) 2 (1) D7

In ( ) Anzahl der detektierten Varianten; fett zahlenmäßig bedeutsame Haplotypen

Obwohl in der vorliegenden Arbeit ein anderes Teilstück der mtDNA untersucht wurde, las-sen sich die hier ermittelten Ergebnisse in den Kontext vorheriger Beobachtungen einordnen.

In der Literatur wurde der DSh als sehr variabel beschrieben und wies dort Varianten aus den drei wichtigsten phylogenetischen Clades auf (VILA et al. 1997). Dies deutet auf einen breiten genetischen Ursprungsgenpool dieser Rasse hin. Tatsächlich entwickelten sich die Schäfer-hunde – regional unabhängig – aus riesigen rasselosen Bauernhundpopulationen, die überall in Europa verbreitet waren (RÄBER 1995). Absolut gesehen entfielen auf diese Rasse die meisten detektierten Varianten (n=7). In Relation zur Stichprobengröße zeigten jedoch Dob und BC die höchste Haplotypenvielfalt (n=5). Während diese beim BC, ähnlich wie beim DSh, auf den ursprünglichen Status einer heterogenen „Landrasse“ zurückzuführen sein dürf-te, spiegeln sich beim Dob die unterschiedlichen Nutzungsgruppen der Gründertiere wider:

Viehtreibhunde, Hofhunde, Jagdhunde und Windhunde (Räber 1995). Die in der Literatur erwähnte Überrepräsentation (SAVOLAINEN et al. 1997) spezieller Haplotypen bei den Retrie-vern konnte mittels der gewählten d-loop-Stelle nicht bestätigt werden. Auffallend war die geringe Haplotypenzahl für die SHy, AlM und Rht, die sich in der Mikrosatellitenanalyse als sehr divers herausgestellt hatten. Auf Basis der mtDNA-Analyse ist für alle drei Rassen ihr

68 Gemäß VILA et al. (1997).

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Ursprung jeweils in einem genetisch homogenen Pool zu vermuten. Dies ist – zumindest bei den Schlittenhunden – vermutlich auf eine frühe geographische Isolation nach der Domestika-tion zurückzuführen (PARKER et al. 2004). Obwohl der YT Genbestandteile unterschiedlicher Terrierpopulationen in sich vereinigt (s. Anhang, Kap. 9.1), scheint er aus einer Mischung lokaler, genetisch homogener mtDNA-Varianten entstanden zu sein.

5.2 Divergenz

Wichtige Maße für die genetische Divergenz bzw. genetische Differenzierung stellen FST, GST

sowie private Allele dar (s. Kap. 3.1.3.2.2). In der hier vorliegenden Stichprobe konnte über alle Loci ein FST von 0,227 sowie ein GST von 0,211 ermittelt werden. Dies bedeutet, dass ca.

21% der in der Gesamtpopulation ermittelten genetischen Variation auf die Unterschiede zwi-schen den einzelnen Hunde-Rassen entfallen. Die paarweisen FST-Werte schwankten zwi-schen 0,0745 für LR/BC und 0,3927 für DSh/WHT. LUCCHINI et al. (2004) fand bei der Ana-lyse verschiedener Wolfspopulationen ähnliche Werte. Der prozentuale Anteil genetischer Bandbreite, der die einzelnen Wolfspopulationen voneinander abgrenzte, betrug 23%. Die paarweisen FST-Werte variierten zwischen 0,05 (Bulgarien/Lettland) und 0,35 (Spa-nien/Saudi-Arabien). PIERPAOLI et al. (2003) berechnete dagegen beim Vergleich dreier Feli-den-Familien einen FST-Wert von 0,11. Folglich findet zwischen Feliden noch beträchtlicher Genfluss statt, während Reduktion der Populationsgröße, Habitatfragmentation und Rudel-struktur zwischen Grauwolfpopulationen mittlerweile zu ähnlicher genetischer Differenzie-rung geführt haben wie genetische Drift und künstliche Selektion zwischen den Haushundras-sen. Unterschiedlich stark ausgeprägte genetische Differenzierung kann auch bei landwirt-schaftlichen Nutztieren beobachtet werden. Während extensiv genutzte domestizierte Tierar-ten wie Yaks (XUEBIN et al. 2005), Guanacos (MATÉ et al. 2005) und Kamele (MBURU et al.

2003) genetische Differenzierung in der Größenordnung von 4-5% aufweisen, beträgt der Grad genetischer Divergenz beim Rind ca. 10% bei innerkontinentalen sowie 32% bei inter-kontinentalen Rassenvergleichen (KIM et al. 2002; MACHUGH et al. 1998; HANSLIK et al.

2000). Schweine zeigen Rassendivergenzen von 11% bis 27% (LI et al. 2004; LAVAL et al.

2000). Für das Schaf liegen Werte für FST und GST von ca. 10% vor (SCHWEND 2001).

Das Pferd hat als Nutz- und Luxustier eine ähnliche Geschichte wie Canis familiaris. Die Aufspaltung in Rassen ist hier folglich ebenfalls weit fortgeschritten. ABERLE et al. (2004)

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detektierten bei der Untersuchung verschiedener Kaltblutpopulationen einen 11,6%igen An-teil genetischer Variation, der auf Rasseunterschiede zurückzuführen war, während sich die Divergenz unter Miteinbeziehung anderer Nutzungsgruppen (Ponys, Warmblüter, Araber) auf 21,2% erhöhte. BJORNSTAD & ROED (2002) ermittelten bei der Untersuchung von acht Pfer-derassen paarweise FST-Werte zwischen 0,08 und 0,259 und damit ein ähnliches Spektrum genetischer Differenzierung wie beim Haushund. VEIT (2000) berechnete für die von ihr un-tersuchten Hunderassen einen GST-Wert von 0,226, der sich mit der Ergebnissen der vorlie-genden Arbeit deckt. Bei PARKER et al. (2004), die 96 Marker in die Analyse einbezogen, entfielen hingegen über 30% der genetischen Variation auf Rasseunterschiede.

Die Hauptfaktoren-Analyse vermittelt ein gutes Bild bezüglich der Abgrenzbarkeit einzelner Populationen. Bei vielen bisher analysierten Tierarten erlaubt die Berechnung der ersten bei-den Hauptfaktoren die Darstellung eines hohen Prozentsatzes der Gesamtvarianz (MACHUGH

et al. 1998; MAUDET et al. 2002; XUEBIN et al. 2005) und ermöglicht somit eine gute Auf-trennung. Für die untersuchte Hundepopulation konnte mit 7,68% jedoch nur ein kleiner Teil der Gesamtvarianz dargestellt werden. SCHWEND (2001) gelang bei der Analyse verwandter Schafrassen mit Hilfe der ersten beiden Hauptfaktoren ebenfalls nur die Darstellung von ca.10% der genetischen Vielfalt.

Die Überlappung einzelner Populationen sowie die schwierige Auftrennung und Abgrenzung einiger Rassen gegeneinander wird sowohl durch Abbildung 4 als auch durch die geringen Bootstrap-Werte der Neighbour-Joining-Bäume ersichtlich. VEIT (2000) untersuchte die gene-tische Diversität ausgewählter Hundepopulationen und fand ebenfalls eine teilweise Überlap-pung spezieller Rassen (YT/Row/Berner Sennenhund/Pyrenäenschäferhund). Darüber hinaus konnte nachgewiesen werden, dass eine Auftrennung des dort gewählten Rassespektrums mit-tels Nei’s Distanz DA nicht möglich war. Dies entspricht den Ergebnissen der hier vorliegen-den Arbeit. Der Mangel an Bootstrap-Support lässt die hier dargestellten Bäume (auf Basis des gewählten Markersets) annähernd aussagelos erscheinen. Während die enge Gruppierung von YT mit Box und Dob noch auf gemeinsame Terrier-Genanteile zurückgeführt werden kann (RÄBER 1995), gibt es bis auf zufällig identische genetische Drift keinerlei Erklärung für eine Nähe zwischen WHT und SHy. Die überraschende Verwandtschaft der BC mit den LR könnte dagegen auf zurückliegende Pointereinkreuzungen in beide Rassen zurückzuführen

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sein (s. Anhang, Kap. 9.1). Sie lässt sich aber auch über die Herkunft des Labradors erklären.

Der LR gilt als Nachfahre alter europäischer Rassen. Als mögliche Ahnen kommen sowohl Wikingerhunde, portugiesische Landrassen der frühen Kolonialzeit sowie englische Hunde-rassen des 18. Jahrhunderts in Frage.69

Die unzureichende Differenzierbarkeit der Hunderassen mit klassischen Methoden wird auf den modernen Ursprung vieler Rassen aus polyphyletischen Wurzeln zurückgeführt. Die ge-wünschten Eigenschaften entstanden folglich durch Neukombination bereits vorhandener Merkmalskomplexe (HERRE & RÖHRS 1990; PIKHANEN et al. 1996; FEDDERSEN-PETERSEN

1997). Reproduktive Barrieren, die eine Vermischung einzelner Hunderassen unterbanden, bestehen größtenteils erst seit Ende des 19. Jahrhunderts (s. Kap. 2.1.1). Besonders aus der Anfangszeit der Reinzucht ist bei vielen Rassen jedoch verstärkter Genfluss dokumentiert, um spezifische Eigenschaften zu etablieren (z.B. bei Dob, Hov und YT). Auch in der Gegenwart werden fortgesetzt „neue“ Rassen durch gezielte Mischung bereits existenter geschaffen. Auf diese Weise entstanden in jüngster Zeit der Elo, Eurasier, Kromfohrländer sowie der Saar-loos Wolfshond.

Die Hunderassen in ihrer Gesamtheit weisen folglich ein umfangreiches Spektrum genetischer Variation auf, das die vollständige Bandbreite prähistorischer Wolfspopulationen widerspie-gelt (SEDDON &ELLEGREN 2002). Einzelne Rassen besitzen somit – je nach Anzahl und Her-kunft der Gründertiere – einen unterschiedlich großen Anteil dieser Vielfalt, der sich in der nachfolgenden Phase sexueller oder geographischer Isolation durch genetische Drift weiter auseinander entwickelte. Treibende Kraft für diese Divergenz beim Haushund waren bottle-necks und starke künstliche Selektion bzw. Inzucht. Die je nach Hunderasse differierenden Allel- und Haplotypenprofile sind folglich Ausdruck verschieden starker Drift sowie unter-schiedlich langer Divergenzzeiten. Das Vorkommen privater Allele ist dagegen selten und primär in Bezug auf die jeweiligen Stichproben zu sehen.

Die Zeitdauer, die bei vollständiger Isolation für die Entwicklung diagnostischer Marker

Die Zeitdauer, die bei vollständiger Isolation für die Entwicklung diagnostischer Marker