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3. V ORSTELLUNG DER BEARBEITETEN G RÄBERFELDER

3.1 Gemeinlebarn A

Der für das Gräberfeld namengebende Ort Gemeinlebarn, Gemeinde Traismauer (p.B.

St. Pölten), liegt in Niederösterreich, etwa 42 km nordwestlich von Wien und ca. 19 km in nordöstlicher Richtung von St. Pölten (s. Abb. 12).

Der Ort selbst liegt auf einer Schotterterrasse, die sich im Pleistozän gebildet hat. Diese Schotterterasse nimmt ein Gebiet südlich der Donau ein, welches als das sogenannte

„Tullner Feld“ bezeichnet wird100.

Die folgenden Angaben zur Auffindung und am Gräberfeld Gemeinlebarn A

durchgeführten Grabungen stützen sich vor allem auf die 1929 von Szombathy101 erfolgte Publikation seiner Grabungen und Beobachtungen sowie auf die von Bertemes 1989 im Rahmen seiner Dissertation erfolgte Neubearbeitung des Materials102.

Da die Erschließung des Gräberfeldes Gemeinlebarn A sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte, ist es sinnvoll, zunächst einen Überblick über die einzelnen Phasen der Erschließung zu gewinnen.

Am 21. April 1885 wurde beim Bau der Eisenbahnstrecke, die von Tulln nach St. Pölten führte, eine Bestattung aufgefunden. Die Eisenbahnstrecke verlief parallel zur Landstraße von Tulln nach Traismauer und dieser erste Fund wurde südlich der geplanten Haltestelle von Gemeinlebarn lokalisiert. Die Funde aus dieser ersten Bestattung wurden von den Eisenbahnarbeitern mitgenommen und der Befund undokumentiert zerstört.

100 Bertemes, 1989, 15.

101 Szombathy, 1929.

102 Bertemes, 1989.

Der Oberlehrer von Gemeinlebarn, Ambros Zündel, wurde wenig später von diesem Fund in Kenntnis gesetzt, worauf er begann, die Bauarbeiten zu beobachten. Im Juli 1885 musste Zündel mit ansehen, wie weitere acht Gräber angeschnitten wurden und deren Beigaben unter den Arbeitern aufgeteilt wurden103. Da es ihm offensichtlich nicht gelang, die Funde und Befunde zu sichern, setzte er den zuständigen Konservator Dungel von den Vorgängen in Kenntnis. Dieser stellte einige der Funde sicher und übergab sie der Prähistorischen Abteilung des Kaiserlich-Königlichen Naturhistorischen Hofmuseums, die zu diesem Zeitpunkt unter der Leitung von Szombathy stand. In der Folgezeit wurde Zündel unter der Aufsicht von Dungel mit der Beobachtung und Betreuung der Bauarbeiten in Gemeinlebarn beauftragt.

Im November 1885 deckte Zündel noch zehn weitere Gräber auf, die allerdings ebenfalls undokumentiert blieben104. Ebenso wurde ein weiteres Grab, welches unmittelbar beim Bau der Haltestelle aufgedeckt wurde, nicht dokumentiert105. Zudem wurden alle Funde aus diesen beim Bau der Eisenbahnstrecke aufgedeckten Bestattungen nicht

dokumentiert oder getrennt voneinander aufbewahrt, so dass im Nachgang kein

geschlossener Fund sichergestellt werden konnte. Diese unzulängliche Dokumentation ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Zündel keinerlei archäologische Ausbildung besaß.

In der Zeit vom 01. bis zum 10. August 1889, also etwa vier Jahre nach dem Auffinden der ersten Bestattung, wurde dann durch Zündel – unter Anleitung von Szombathy – eine erste systematische Untersuchung in Gemeinlebarn durchgeführt.

Diese Untersuchung konzentrierte sich auf den nördlichen Teil von Parzelle 397, den nordöstlichen Bereich von Parzelle 394b und eine Fläche nördlich der Bahnlinie im Südosten von Parzelle 394a (s. Abb. 17).

In diesem Abschnitt gelang es Zündel, insgesamt 27 Gräber (Grab 1-27) freizulegen. Um dieses Mal eine Dokumentation und Nachbearbeitung der Funde und Befunde zu

ermöglichen, wurde von Szombathy eine schriftliche Dokumentation der Befunde durch Zündel eingefordert106.

Da eine genaue Darstellung des weiteren Vorgehens im Bezug auf die

Freilegungsarbeiten an diesem Gräberfeld durch Szombathy bereits im Rahmen der Publikation von Bertemes107 erfolgte, soll hier lediglich eine tabellarische

Zusammenfassung der einzelnen Ausgrabungsphasen zur Erläuterung dienen (s. Tab. 1).

Dabei wurden jeweils der Zeitpunkt der Ausgrabung, der Fundort/die Parzelle, der Name

103 Bei Szombathy, 1929, Fundstelle a bis j.

104 Bei Szombathy, 1929, Fundstelle k bis t.

105 Bei Szombathy, 1929, Fundstelle u.

106 Bertemes, 1989, 15.

107 Bertemes, 1989, 15-19.

des Ausgräbers und die Grabnummern angegeben.

Diese Übersicht der Grabungsarbeiten am Gräberfeld Gemeinlebarn A zeigt deutlich, dass keineswegs von einer in sich geschlossenen und gut dokumentierten Freilegung die Rede sein kann. Zwischen dem Erstfund und dem endgültigen Abschluss der

Grabungsarbeiten für das Gräberfeld Gemeinlebarn A vergingen 44 Jahre, in denen es jedoch auch größere Phasen ohne archäologische Tätigkeiten gegeben hat, und die durch die unterschiedliche Art und Qualität der Dokumentation geprägt waren. Während die Dokumentation, die von Szombathy für die von ihm ergrabenen Gräber erstellt wurde, für das erste Drittel des 20. Jahrhunderts sehr fortschrittlich und gewissenhaft

durchgeführt worden ist, ist bei allen anderen „Ausgräbern“ dieses Gräberfeldes die Dokumentation mangelhaft bis schlichtweg nicht vorhanden108. Diese Tatsache erschwert die Bearbeitung der Befunde und Funde aus diesem Gräberfeld in der Gegenwart.

Für die vorliegende Untersuchung stellt sich außerdem das Problem, dass eine

anthropologische Untersuchung des Skelettmaterials gewährleistet sein muss. Da das Knochenmaterial zum größten Teil bis heute im Naturhistorischen Museum Wien aufbewahrt wird und somit im Jahre 1989 von Bertemes für eine erneute Überprüfung unter Anwendung anthropologischer Untersuchungsmethoden zur Verfügung stand, ist eine Auswertung der Bestattungen nach den oben genannten Kriterien (s. Einleitung) möglich.

Für die vorliegende Untersuchung mussten die Gräber von Gemeinlebarn A – inklusive eines Grabes der nur etwa einen Kilometer westlich der Fundstelle A gelegenen

Fundstelle B – folgende Kriterien aufweisen, damit sie in die Auswertung einbezogen werden konnten:

1. sie mussten von Szombathy selbst geborgen und dokumentiert worden sein (da nur so ein geschlossener Fund und eine erste Ansprache der

Geschlechtszugehörigkeit weitgehend sichergestellt werden kann), und

2. sie mussten durch eine erneute anthropologische Untersuchung im Rahmen der Publikation von Bertemes von 1989 als eindeutig weibliche oder eindeutig männliche Bestattung erkannt worden sein.

Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem Ausgräber Szombathy um einen vielseitigen Forscher handelte, der unter anderem auch Anatomie, Paläonthologie, Ethnologie und vor

108 Bertemes, 1989, 18-20.

allem Anthropologie studiert hatte109. Dadurch stellten sich die von ihm durchgeführten Geschlechtsbestimmungen in der Nachuntersuchung in allen Fällen als zutreffend heraus.

Aus den genannten Gründen wurde das Gräberfeld von Gemeinlebarn A in die vorliegenden Untersuchungen zu den Bestattungen der frühen Bronzezeit in Niederösterreich miteinbezogen.

Nach den in der Literatur verfügbaren Angaben und den erfolgten Auswertungen ergab sich eine Anzahl von 45 weiblichen und 33 männlichen Bestattungen aus dem Gräberfeld Gemeinlebarn A, die sich für diese Untersuchung als auswertbar herausstellten.

Chronologisch gesehen gehört die Belegungszeit des Gräberfeldes von Gemeinlebarn A in die Stufen Gemeinlebarn I und II. Im Laufe der Stufe Gemeinlebarn III wurde das Gräberfeld aufgegeben110. Relativchronologisch betrachtet beginnt die Belegung des Gräberfeldes von Gemeinlebarn A somit am Beginn der frühen Bronzezeit und läuft erst gegen Ende der frühen Bronzezeit aus.