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Funktionsweise der multiplen Korrespondenzanalyse

Im Dokument ÜBER DIE PRODUKTION VON TÖNEN (Seite 88-91)

4. Die multiple Korrespondenzanalyse als Technik

4.1 Funktionsweise der multiplen Korrespondenzanalyse

Die Korrespondenzanalyse ist eine Technik zur grafischen Darstellung von Ähn-lichkeit und UnähnÄhn-lichkeit zwischen einer Vielzahl von Variablen. Als French Data Analysis wurde sie 1963 von Jean- Paul Benzécri begründet. Nach Brigitte Le Roux und Henry Rouanet folgte in der Geschichte der Korrespondenzanalyse auf deren anfängliche Verbreitung innerhalb Frankreichs bis etwa 1973 eine Periode der „splen-did isolation“, in der sie innerhalb Frankreichs zur wichtigsten Methode der Daten-analyse wurde, während sie außerhalb Frankreichs beinahe gar nicht wahrgenommen wurde. In einer dritten Periode ab 1981 fand die Korrespondenzanalyse auch Eingang in statistische Lehrbücher und in das Repertoire von SozialwissenschaftlerInnen außerhalb Frankreichs.1 Dennoch konstatieren Brigitte Le Roux und Henry Rouanet, dass zwar die einfache Korrespondenzanalyse heutzutage in gewissem Rahmen ver-wendet und anerkannt wird, jedoch das Programm der geometrischen Datenanalyse (GDA) an sich sowie die multiple Korrespondenzanalyse noch immer nur von einem eingeschränkten Kreis von BenutzerInnen angewandt werden.2

Die Korrespondenzanalyse übersetzt Datensätze, die die Form von Kreuztabellen haben, in eine grafische Darstellung der Beziehungen zwischen den darin enthaltenen Daten. Die Beziehungen zwischen den Daten werden in Form von Punktwolken dar-gestellt. Je ähnlicher sich zwei Daten sind, desto näher liegen die sie repräsentierenden Punkte beieinander, je unähnlicher, desto weiter auseinander.3 Die Korrespondenzana-lyse ist eine Technik zur Darstellung der in Datensätzen enthaltenen Strukturen. Als solche steht sie in einem sowohl historischen als auch forschungslogischen Gegensatz zu Techniken der statistischen Inferenz wie etwa jenen der logistischen Regression. Der Unterschied kann vereinfacht dargestellt werden auf der einen Seite durch den Anspruch der Inferenztechniken, ein allgemeines Modell in Datensätzen wiederzufinden, auf der anderen Seite durch ein bekanntes Zitat von Jean- Paul Benzécri: „the model should follow the data, not the reverse.“ 4 Karl M. Meter et. al. beschreiben die Korrespondenzanalyse dementsprechend als besonders geeignet für die Analyse sozialwissenschaftlicher Daten:

1 Le Roux/Rouanet, Correspondence Analysis, 3; van Meter u. a., Correspondence Analysis, 129 ff.

2 Le Roux/Rouanet, Correspondence Analysis, 3 f.

3 Mejstrik, Felder, 185.

4 Le Roux/Rouanet, Correspondence Analysis, 2.

nik des systematischen Vergleichs

Die multiple Korrespondenzanalyse als Technik des systematischen Vergleichs

Funktionsweise der multiplen Korrespondenzan-alyse

Classical statistical tools offer little help in analyzing the ‘messy’ data often obtained in the context of nascent sociological theories. These tools were developed for the deductive or causal approaches of the natural sciences […] Their purpose is largely to test hypothe-ses and statistical inference, and little attention is given to complementary problems such as the overall structure of a data set, the description of the data, and new ways of looking at the data set 5

Die Forschungsfrage meiner Untersuchung ist nicht durch eine Überprüfung von Hypothesen anhand von Inferenzbeziehungen zwischen Daten zu beantworten.

Eine derartige Vorgangsweise würde die apriorische Definition dessen voraussetzen, welches Musizieren Arbeit (bzw. Berufsarbeit, Erwerbsarbeit etc.) war und welches nicht. Hingegen sollen gerade diese Kategorisierungen durch verschiedene Akteure und die Konflikte um die Durchsetzung dieser Kategorisierungen Gegenstand der Untersuchung sein. Damit tritt eine Beschreibung der zugrunde liegenden Struk-turen der Aushandlungen von Arbeit, Beruf oder Nicht- Arbeit gegenüber einer Überprüfung vorgegebener Hypothesen über diese Phänomene in den Vordergrund.

Wie weiter oben skizziert,6 baut meine Untersuchung maßgeblich auf den Kon-zepten Pierre Bourdieus zur Relationalität sozialer Strukturen sowie zu den Zusam-menhängen von Positionen und Praktiken auf. Die hierarchischen Beziehungen zwischen Formen des Musizierens werden als Raum des Musizierens dargestellt. Die Korrespondenzanalyse eignet sich sehr gut für eine derartig angelegte Untersuchung.

Werden die Praktiken des Erzählens über Musizieren als Variablen eines Daten-satzes konstruiert (siehe Abbildung 12), so produziert die Anwendung der Korres-pondenzanalyse auf entsprechend kategorisierte lebensgeschichtliche Erzählungen einen Raum, in dem diese Praktiken in Beziehung zueinander dargestellt werden.

Damit werden die jeweiligen Orientierungen des Musizierens als ein Ensemble jener Praktiken sichtbar, die sich in räumlicher Nähe zueinander befinden.

Beobachtungseinheiten (Erzählungen)

Variablen (Praktiken)

Artur Schnabel Franz Gierer

Konservatorium nein nein

Länge der Erzählung mehr als 80 Seiten 15 – 80 Seiten

Geburtsdatum 1880 – 1899 1900 – 1910

Abbildung 12: Exemplarische Darstellung eines Datensatzes zur Verwendung der multiplen Korrespondenzanalyse

5 Van Meter u. a., Correspondence Analysis, 132.

6 Kapitel 1 (Einleitung).

Darüber hinaus erlaubt die (multiple) Korrespondenzanalyse einen explorativen Zugang zum Untersuchungsgegenstand durch den Verzicht auf a- priori- Annahmen über die Beziehungen zwischen den Variablen (wie Abhängigkeit oder Unabhän-gigkeit oder die Einteilung in erklärende und erklärte Variablen) ebenso wie die Bearbeitung kleinerer Samples.7

Ausgangspunkt der multiplen Korrespondenzanalyse ist eine Kreuztabelle, in der die Häufigkeit des Auftretens einer Variable (Modalität) in einer Beobach-tungseinheit wie auch die Häufigkeit des Auftretens einer BeobachBeobach-tungseinheit in einer Variable (Modalität) dargestellt werden. Die multiple Korrespondenzanalyse übersetzt die in dieser Tabelle enthaltenen Informationen in zwei homologe Punkt-wolken: eine Punktwolke der Beobachtungseinheiten sowie eine Punktwolke der Variablen. Die Anordnung der Punkte, d. h. ihre jeweilige Nähe und Distanz zuei-nander, beruht auf der Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der abgebildeten Variablen und Beobachtungseinheiten. Beobachtungseinheiten mit ähnlichen Variablen-ausprägungen bzw. Variablen, die in ähnlichen Beobachtungseinheiten auftreten, befinden sich in räumlicher Nähe.8 Das Kriterium für Nähe oder Distanz ist daher die Varianz der Daten. Jede dieser beiden Punktwolken wird in eine Anzahl von Achsen (Dimensionen) zerlegt, die als jeweils unterschiedlicher Bedeutungszusam-menhang bzw. unterschiedliche zentrale Referenz des Untersuchungsgegenstandes verstanden werden können. Wie in den nächsten Kapiteln beschrieben wird, sind etwa die beiden ersten Dimensionen des Musizierens die Kunst und der Beruf. Die Wichtigkeit sowohl einer Achse in Relation zu allen Achsen wie auch eines Punk-tes in Relation zu allen Punkten wird durch ihren Anteil an der Gesamt varianz dargestellt. Die Achsen sind hierarchisch geordnet: Die erste Achse bildet den größten Anteil an der Gesamtvarianz ab, die zweite Achse den zweitgrößten usw.

Daher stellen Kunst und Beruf die beiden wichtigsten zentralen Referenzen des Musizierens dar. Die Interpretation der Analyseergebnisse beschränkt sich meist auf die ersten beiden oder die ersten drei Dimensionen der Punktwolke und deren Relationen in der primären Fläche.9

7 Mejstrik, Kunstmarkt, 135.

8 Le Roux/Rouanet, Correspondence Analysis, 34 ff.

9 Zu detaillierten Kriterien, wie viele Dimensionen einer Punktwolke jeweils interpretiert wer-den sollten, vgl. Le Roux/Rouanet, Corresponwer-dence Analysis, 51 f sowie die Informationen im Anhang.

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