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1 Einleitung und Fragestellung

1.4 Fragestellung

Im Zuge des beschriebenen Kontextes einer zunehmend regionalen Betrachtung des Gesundheitssystems, seiner Kapazitäten und Inanspruchnahme stellen sich grundlegende methodische und konzeptionelle Fragen zur Operationalisierung von Bedarfsgerechtigkeit auf regionaler Ebene und dem Zusammenhang mit dem bestehenden und zukünftigen regionalen Versorgungsangebot. Es ist bis-lang unklar, welchem Versorgungsbedarf mit welchem Angebot begegnet wer-den kann und wie sich die Inanspruchnahme des Angebotes regional verhält.

Aufgrund des heute bestehenden Gefälles von Angebotsstrukturen lässt sich vermuten, dass sich die Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme regional unterscheiden können. Im Zusammenhang mit der vermeintlich chronischen Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen und mit Blick auf die künftigen Kostensteigerungspotentiale „demographische Entwicklung“ und „medizi-nisch-technischer Fortschritt“, kann eine Analyse des regionalen Zusammen-hangs zwischen Bedarf, Angebot und Inanspruchnahme aufzeigen, in welchen Regionen Unter-, Über- und Fehlversorgung vermutet werden kann (wo ein

vergleichsweise hoher Bedarf eine vergleichsweise niedrige Inanspruchnah-me hervorruft bzw. wo vergleichsweise geringer Bedarf besteht aber die Inan-spruchnahme überdurchschnittlich hoch ist) und in welchen Regionen bzw.

Regionstypen Effizienzpotentiale bestehen, die bei Bedarfsplanungs- bzw. gütungsreformen verringert werden können, ohne eine bedarfsgerechte Ver-sorgung zu gefährden.

In Abbildung 1 wird das Grundmodell der Zusammenhänge zwischen Bedarf, Inanspruchnahme und Versorgungsangebot dargestellt, wobei die Differenzie-rung der Zusammenhänge nach Regionen und das Einräumen von regionalen Unterschieden bei dem Zusammenhang der drei Faktoren das Kernelement dieser Arbeit darstellt. Bedarf kann dabei Inanspruchnahme auf zwei Arten beeinflus-sen: einmal direkt, wenn gleichzeitig Nachfrage und Zugang gegeben sind, und einmal durch das verfügbare Angebot, weil Entscheidungen über die Verteilung von Ressourcen vom Bedarf beeinflusst werden sollten (vgl. Carr-Hill, Sheldon et al. 1994). Das Versorgungsangebot wiederum hängt auch von der (geschätz-ten) Inanspruchnahme ab, da seine Höhe, Art und Zusammensetzung Kriterien für die Standortwahl von Ärzten bilden können, und beeinflusst diese nicht nur indirekt über Zugangsmöglichkeiten, sondern auch direkt über angebotsinduzier-te Nachfrage. Im Idealfall führt die zeitgerechangebotsinduzier-te Inanspruchnahme eines sowohl quantitativ, als auch qualitativ angemessenen Versorgungsangebots dann zur Ver-ringerung des individuellen Versorgungsbedarfs.6 Die bedarfsgerechte Verfügbar-keit des Versorgungsangebotes fördert dabei die Chancengleichheit auf eine gute Gesundheit in den Teilräumen.

Es besteht also eine wechselseitige Abhängigkeit aller Faktoren voneinander.

Das Ziel des Versorgungsplaners ist es, das Versorgungssystem so auszugestal-ten, dass Bedarf, Angebot und Inanspruchnahme der ärztlichen Leistungen in einer Region möglichst deckungsgleich sind.

6 Insbesondere bei chronischen Erkrankungen kann durch Behandlungsleistungen der individuelle Versorgungsbedarf nicht immer vermindert werden – Ziel ist in diesen Fällen oft die Vermeidung einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation, die einen weiteren Versorgungsbedarf nach sich ziehen würde.

Abbildung 1: Grundmodell Bedarf – Inanspruchnahme – Versorgungsangebot

regionaler

Versorgungsbedarf

Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen

Versorgungsregion

Mittelbereiche

ärztliches

Versorgungsangebot

• Zugang

• angebotsinduzierte Nachfrage

Entscheidung zur Niederlassung

Gesundheits-chancen bedarfsgerechtes

Angebot Bedarfsverminderung

Nachfrage + Zugang

Quelle: eigene Darstellung

Das Aufzeigen von Steuerungsansätzen bei beeinflussbaren Faktoren und die Iden-tifikation von nicht beeinflussbaren Regionalfaktoren mit dem Ziel der Planung einer gerechten, flächendeckenden und effizienten Versorgungsstruktur sollen ein Ergebnis dieser Arbeit sein. Dafür sollen die Zusammenhänge zwischen Versor-gungsbedarf, Inanspruchnahme und ärztlichem Angebot auf kleinräumiger Ebe-ne systematisch untersucht, regionale Muster analysiert und Erklärungsfaktoren für diese Muster identifiziert werden. Entsprechend werden die folgenden Frage-stellungen untersucht:

1) Wie gestaltet sich der Zusammenhang zwischen Versorgungsbedarf, Ver-sorgungsangebot und Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen auf klein-räumiger Ebene und in wieweit unterscheiden sich dabei kleinräumige Versorgungsregionen?

2) Welche Gemeinsamkeiten weisen Regionen mit vergleichbaren Zusammen-hängen zwischen den drei Versorgungsindikatoren auf und welche Einfluss-faktoren beeinflussen diese Zusammenhänge?

Geleitet von den beiden Hauptfragestellungen werden vier Unterfragestellungen bearbeitet:

a) Wie lässt sich der kleinräumige, ambulante Versorgungsbedarf mit Fakto-ren, die unabhängig von der Inanspruchnahme bzw. im Gesundheitssystem durch Inanspruchnahme generierten Daten (z. B. Diagnosedaten) gemessen werden, abbilden?

b) Wie stellen sich die ambulante Angebotsstruktur und deren Inanspruchnah-me auf der kleinräumigen Ebene dar?

c) Wie unterscheiden sich Regionen in ihrem Zusammenhang zwischen Bedarf, Angebot und Inanspruchnahme und lassen sich daraus Regionstypen ableiten?

d) Welche Schlüsse lassen sich aus der Kenntnis der Einflussfaktoren für die aktu-ellen Herausforderungen Regionalisierung, Versorgungsungerechtigkeit und Notwendigkeit zur Kostenkontrolle im deutschen Gesundheitswesen ziehen?

Im folgenden Kapitel 2 wird zunächst die Auswahl der regionalen Analyse-ebene und der hausärztlichen Versorgungsstruktur dargestellt und begründet.

In Kapitel 3 werden verschiedene Definitionen von Versorgungsbedarf vorge-stellt, eine Abgrenzung des Bedarfsbegriffs für diese Arbeit vorgenommen und die Möglichkeiten zur Operationalisierung des Begriffs erläutert. Anschließend wird mit den verfügbaren Daten ein Bedarfsindex berechnet. In den Kapiteln 4 und 5 werden entsprechend der Unterfragestellung b die Angebotsstruktur und Inanspruchnahme von ärztlicher Versorgung und beeinflussenden Faktoren dar-gestellt, eine Analyse der Versorgungsindikatoren auf kleinräumiger regionaler Ebene vorgenommen und mit der Verteilung des zuvor ermittelten Versorgungs-bedarfs ins Verhältnis gesetzt. Die Zusammenhänge der drei Versorgungsindi-katoren Bedarf, Angebot und Inanspruchnahme hausärztlicher Versorgung werden in Kapitel 6 untersucht. Mithilfe einer Verteilungs- und Clusteranalyse werden Regionstypen gebildet. Die Eigenschaften dieser Regionstypen werden in Kapitel 7 analysiert, wobei insbesondere Drittfaktoren, die unabhängig vom Versorgungsbedarf regionale Unterschiede erklären können, im Fokus stehen.

Abschließend werden in Kapitel 8 die Ergebnisse mit Bezug auf die Forschungs-fragen zusammenfassend diskutiert und Schlüsse für die drei beschriebenen Herausforderungen Regionalisierung, Versorgungsungerechtigkeit und Notwen-digkeit zur Kostenkontrolle der gegenwärtigen Gesundheitspolitik gezogen. Eine Beschreibung der Limitationen und des weiteren Forschungsbedarfs sowie das Fazit bilden das Kapitel 9.