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7 Eigenschaften der Regionstypen und Einflussfaktoren

7.1 Kategorisierung der regionalen Eigenschaften

7.1.2 Attraktivität der Region

Die Attraktivität einer Region kann zum einen die Niederlassungsentscheidung von Ärzten beeinflussen, zum anderen aber auch die Bevölkerungszusammen-setzung und -entwicklung. In wirtschaftlich und kulturell attraktiven Regionen

ist der Wettbewerb zwischen Versorgungsanbietern intensiver, werden häufig Sonderbedarfszulassungen beantragt und lassen sich freie Praxissitze schnell wiederbesetzen.

Geht man davon aus, dass niederlassungswillige Vertragsärzte bei der Standort-wahl ihrer Arbeitsstätte ihre finanziellen Ertragsmöglichkeiten berücksichtigen, so erscheint eine Präferenz für Regionen mit einem hohen Anteil PKV-Versicherter plausibel. Sowohl die Möglichkeit bei einem Privatpatienten mehr Leistungen zu erbringen, ohne dass eine Reduzierung des Honorars durch eine Deckelung wie im GKV-System erfolgt, als auch die grundsätzlich höheren Preise für Leistungen bei PKV-Patienten nach GOÄ im Vergleich zum EBM, lassen die Behandlung von Privatversicherten betriebswirtschaftlich attraktiver erscheinen (vgl. Bormann, Engelmann et al. 2013). Dass in Deutschland ein hoher Anteil PKV-Versicherter mit einer hohen Vertragsarztdichte einhergeht bestätigen Sundmacher und Oze-gowski (2013); der Effekt ist bei Fachärzten allerdings deutlich ausgeprägter als bei Hausärzten.

Zum regionalen Anteil PKV-Versicherter existiert in Deutschland keine öf-fentliche Statistik. Da seit 1.1.2009 gemäß § 193 Abs. 3 VVG eine allgemeine Krankenversicherungspflicht besteht, kann der Anteil PKV-Versicherter nähe-rungsweise mit der Differenz zwischen der Einwohnerzahl je Mittelbereich und der geschätzten Anzahl GKV-Versicherter je Mittelbereich ermittelt werden. Die Schätzung der Anzahl GKV-Versicherten erfolgt hier anhand des Alters- und Geschlechtsprofils der gesetzlichen Krankenkassen der KM6-Statistik des Bun-desministeriums für Gesundheit (BMG) nach Bundesland für das Jahr 2011 und der regionalen Bevölkerungsstruktur nach Mittelbereichen. Bei diesem Vorge-hen wird der Anteil PKV-Versicherte leicht überschätzt, da nicht versicherte Personen, im Rahmen der Heilfürsorge Versicherte (bestimmte Beamtengrup-pen bei Polizei, Feuerwehr, Justizvollzug und Strafgefangene, Maßregelvollzugs-patienten) oder Bundeswehrangehörige (truppenärztliche Versorgung) auch in der Differenz enthalten sind, aber nicht gesondert auf kleinräumiger Ebene aus-gewiesen werden können.

Als Indikator für die Standortattraktivität kann der durchschnittliche Bau-landpreis pro Quadratmeter in einer Region verwendet werden. Gemäß den marktwirtschaftlichen Grundsätzen sind die Preise dort besonders hoch, wo eine große Nachfrage besteht, wo also viele Menschen wohnen möchten. Der durchschnittliche Kaufwert für Bauland in Euro je Quadratmeter aus der Statis-tik der Kaufwerte für Bauland des Bundes und der Länder wird in der INKAR Datenbank für das Jahr 2010 auf Kreisebene veröffentlicht. Die durchschnittli-chen Baulandpreise der Kreise werden für die Mittelbereiche in der entspredurchschnittli-chen- entsprechen-den Fläche (mit der größten Überschneidung der Bevölkerung) angenommen.

Als weitere Indikatoren für die Standortattraktivität können die Studentendichte und die Präsenz einer Universität oder Hochschule herangezogen werden. Ärzte lassen sich bevorzugt in Regionen mit gutem Bildungsangebot und in der Nähe zu Universitäten mit medizinischer Fakultät nieder, was mit guten Weiterbil-dungsmöglichkeiten und der Option des professionellen Austauschs verbunden ist. Außerdem verbleiben Ärzte oftmals in der Stadt ihrer Facharztausbildung (vgl. Kistemann & Schröer 2007). Die Anzahl Studenten je 1.000 Einwohner auf Kreisebene beruht auf der Hochschulstatistik des Bundes und kann der INKAR Datenbank für das Jahr 2010 entnommen werden. Diese Studentendichte wird für alle Mittelbereiche eines Kreises angenommen. Die Standorte der Hochschu-len wurden dem Hochschulkompass adressgenau entnommen, geokodiert und den einzelnen Mittelbereichen in Form einer Dummy-Variable zugeordnet.

Auch gute Betreuungsangebote für Kinder können einen Standortvorteil aus-machen (vgl. König, Günther et al. 2011). Die Betreuungsquote wird als Anteil der Kinder unter 6 Jahren in Kindertageseinrichtungen an allen Kindern im glei-chen Alter gemessen. Datengrundlage ist die Statistik für Kindertagesbetreuung in Tageseinrichtungen und öffentlich geförderter Kindertagespflege des Bundes und der Länder, die in der INKAR-Datenbank auf Kreisebene für das Jahr 2010 veröffentlicht wird.

Die Entwicklungsperspektive der Region kann bei der Niederlassungsent-scheidung ebenfalls eine Rolle spielen. Arztpraxen werden typischerweise für einen Zeitraum von 25 Jahren oder länger betrieben und der Arzt hat ein Inter-esse daran, dass für diesen Zeitraum eine wirtschaftlich ausreichende Nachfrage nach ärztlicher Versorgung besteht. Die Bevölkerungsentwicklung der letzten Jahre (2005–2010) kann ebenso wie die prognostizierte Bevölkerungsentwick-lung bis zum Jahr 2030 Aufschluss über die EntwickBevölkerungsentwick-lung der Nachfragemenge geben. Die Bevölkerungsentwicklung zwischen den Jahren 2005 und 2010 auf Ebene der Gemeindeverbände kann der Regionaldatenbank der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder entnommen werden. Die Angaben werden nach Mittelbereichen aggregiert ausgewertet. Die Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2030 nach Mittelbereichen wurde in einer Sonderauswertung durch das BBSR für diese Arbeit zur Verfügung gestellt. Als dritter Indikator für die Entwicklung werden die Anzahl Neubauwohnungen je 1.000 Einwohner analy-siert, um Zuzugsgebiete zu markieren. Diese Angaben können der Statistik der Baufertigstellung entnommen werden, die in der INKAR Datenbank auf Ebene der Gemeindeverbände für das Jahr 2010 veröffentlicht werden. Die Daten wer-den auf Ebene der Mittelbereiche aggregiert ausgewertet.

Um die Einflüsse auf eine Niederlassungsentscheidung von Hausärzten und die Standortattraktivität (und damit auch die potentielle Wettbewerbsintensität

der Versorger) zwischen den Mittelbereichen eines Regionstyps beschreiben und vergleichen zu können, werden diese acht Indikatoren für die Mittelberei-che der Stichprobe auswertet (Tabelle 19).

Tabelle 19: Übersicht Indikatoren Attraktivität der Region

Indikator Regionale Ebene Jahr Quelle

Anteil PKV-Versicherte Mittelbereiche 2011 eigene Berechnung mit KM6 und Bevölkerung nach Alter u. Geschlecht, StBA Baulandpreise je m² in € Kreise 2010 Statistik der Kaufwerte für

Bauland, StBA*

Studierende je 1.000 EW Kreise 2010

Hochschulstatistik des Bundes*

Dummy-Variable:

Universitätsstadt Mittelbereiche 2010

Betreuungsquote Kinder Kreise 2010 Statistik Kindertages-betreuung, StBA*

Bevölkerungsentwicklung

2005–2010 in % Mittelbereiche 2005–2010 Fortschreibund des Bevölkerungsstandes, StBA Bevölkerungsprognose

2030 in % Mittelbereiche 2009–2030 Sonderauswertung des BBSR Neubauwohnungen je

1.000 EW Mittelbereiche 2010 Statistik der

Baufertigstellung, StBA*

Anmerkung: * entnommen aus INKAR-Datenbank 2012