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4. Empirischer Kontext der Arbeit

4.2. Konzeption der zugrundeliegenden Untersuchung

4.2.2. Forschungsdisposition

4.2.2.1. Zielsetzung und Fragestellung

In den vorangegangenen Erläuterungen (vgl. Kap. 3.3ff) zu Aspekten der Le-bensqualität von Menschen mit (geistiger) Behinderung wird deutlich, dass die Zufriedenheit bzw. die Lebensqualität dieses Personenkreises verschiedenen Einflussfaktoren unterliegt. Menschen mit geistiger Behinderung, die in einer Institution wie bspw. einem Wohn- oder Altenheim leben, bedürfen einer sonderen Berücksichtigung im Hinblick auf die Lebensphase Alter. Die be-troffenen Menschen sind aufgrund der Schwere und/oder Komplexität ihrer Beeinträchtigungen auf unterstützende Dienste von Institutionen angewiesen.

Dabei fehlen in den sonderpädagogischen Unterstützungsleistungen oftmals Aussagen über Qualitätsvorgaben, die an lebensqualitätsrelevanten Aspekten der Bewohner ausgerichtet sind (vgl. OBERHOLZER 2013, 2f). Das birgt die Ge-fahr, dass die individuell eingeschätzte Lebensqualität bzw. das subjektive

Wohlbefinden keine Berücksichtigung findet. Zwar wurden bereits einige Stu-dien veröffentlicht, die die Lebensqualität von Menschen mit geistiger und auch komplexer Behinderung fokussieren (vgl. u.a. SEIFERT 1997; HAGEN

2001; SEIFERT/FORNEFELD &KOENIG 2001; DWORSCHAK 2004; SCHÄFERS 2008) aber gerade im Spannungsfeld Behinderung und Alter ergeben sich aktuell Fragestellungen in der empirischen Erforschung, die sowohl die Lebenssitua-tionen der Menschen in dieser Lebensphase als auch ihre Lebensqualität (im Besonderen das subjektive Wohlbefinden) betreffen (vgl. JELTSCH-SCHUDEL

2011, 51).

Dieses Forschungsdesiderat aufgreifend, zielt die vorliegende Studie auf die Erfassung und aussagefähige Darstellung der subjektiven Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung in der Lebensphase Alter ab. Im Zentrum steht dabei, betroffenen Menschen selbst die Möglichkeit zu geben, ihre sub-jektiv empfundene Lebensqualität einzuschätzen und sich darüber zu äußern.

Folgende Forschungsfragen stehen im Fokus:

 Können Menschen mit geistiger Behinderung im Alter individuelle, le-bensqualitätsrelevante Bedürfnisse erkennen und mithilfe einer ange-messenen Systematik ihre eigene, subjektive Lebensqualität einschät-zen?

 Wenn ja, wie schätzen sie ihre subjektive Lebensqualität selbst ein?

Gibt es dabei einzelne Lebensbereiche, in denen besondere Unterstüt-zungsleistungen notwendig sind?

 Lassen sich übergreifende, altersphasenspezifische Prioritäten/Bedürf-nisse hinsichtlich lebensqualitätsrelevanter Kriterien formulieren?

4.2.2.2. Personenkreis

Unter Berücksichtigung der angegebenen Zielsetzung, und aufgrund der He-terogenität des Personenkreises in dieser Lebensphase (vgl. HAVEMAN &

STÖPPLER 2010, 19ff) gelten als empirische Einschlusskriterien für teilneh-mende Personen folgende Aspekte:

 Die Personen sollten eine lebenslange, kognitive Behinderungserfah-rung aufweisen, d.h. eine geistige BehindeBehinderungserfah-rung muss genetisch bedingt

sein oder einer prä-, peri- oder postnatalen Ursache26 zugrunde liegen (respektive in früher Kindheit aufgetreten sein). Damit soll eine klare Abgrenzung zu alterstypischen Demenzerkrankungen sichergestellt werden (vgl. Kap. 2.3.).

 Die Personen sollten mindestens das 60. Lebensjahr vollendet haben und sich bereits im Ruhestand oder sich am Übergang in diesen befin-den (Altersteilzeit).

 Die Personen sollten sich in institutioneller Betreuung befinden, d.h. sie leben in einer stationären Wohneinrichtung oder in stationär betreuten Wohnformen und sollten an einer institutionellen (internen) Tagestruk-tur teilnehmen.

 Aufgrund der Fokussierung auf die subjektive Lebensqualität, die an-hand von Interviews erfasst wird, können nur Menschen teilnehmen, die in der Lage sind, verbal zu kommunizieren, da die Form des Interviews entsprechende Sprachgebundenheit voraussetzt (vgl. SCHÄFERS 2008, 189).

4.2.2.3. Methodisches Vorgehen

Die Besonderheiten einer Erhebung der Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung und entsprechender Erhebungsinstrumente wurden be-reits im Verlauf des vierten Kapitels diskutiert. Für das weitere methodische Vorgehen der Arbeit wurde bewusst darauf verzichtet, erneut die vielfach dis-kutierten und analysierten Aspekte der Erhebungsinstrumente von Lebens-qualität und subjektivem Wohlbefinden wiederzugeben und aufzugreifen. Im Zentrum dieser Arbeit steht das subjektive Wohlbefinden (die subjektive Le-bensqualität) von Menschen mit geistiger Behinderung im Alter, deren indivi-duelle Einschätzung mit einem standardisierten und bereits empirisch über-prüften Analyseinstrument erfasst werden soll, um fundierte Ergebnisse sub-jektiver, lebensqualitätsrelevanter Kriterien gewinnen zu können.

Es wird nicht die Entwicklung eines weiteren Instrumentes fokussiert, sondern die Darstellung und Diskussion der subjektiven Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung im Alter. Der Vorteil eines im praktischen Umfeld bereits erprobten Analyseinstruments ist seine vorauszusetzende Reliabilität und Validität. Das lässt differenzierte und zuverlässige Ergebnisse zu ohne vorausgehende empirische Erprobung und Überprüfung. Die Notwendigkeit der Durchführung üblicher Pretests zur Überprüfung empirischer Gütekriterien

26 Eine detaillierte Darstellung der Ätiologie einer geistigen Behinderung findet sich in S TÖPP-LER (2014a).

ist damit nicht erforderlich (vgl. RAITHEL 2008, 63). Im beschriebenen Kontext soll das Analyseinstrument die Lebensqualität von Menschen mit (geistiger) Behinderung in besonderen Abhängigkeitsverhältnissen, bzw. die subjektive Lebensqualität von alten Menschen mit geistiger Behinderung erfassen (vgl.

STALDER &FRÜH 2012, 40). Auf methodologischer Analyseebene der Lebens-qualitätsforschung (vgl. Tab. 8, Kap. 4.) erfolgt somit der Fokus auf die Mikro-ebene (subjektive Lebenszufriedenheit). Die individuellen Einschätzungen sol-len durch Interviews mit den entsprechenden Personen selbst gewonnen wer-den (vgl. SCHÄFERS 2008, 82f).

Nach umfassender Recherche bestehender Konzepte und Instrumente wer-den die genannten Anforderungen durch das in Kapitel 4.3. differenziert dar-gestellte Interventionsframework sensiQoL© erfüllt (vgl. hierzu u.a. O

BERHOL-ZER 2013; STALDER &FRÜH 2012).

4.2.2.4. Rahmenbedingungen der Befragung und Ethische Verantwortung

Durch persönliche Gespräche mit den betroffenen Personen wird sicherge-stellt, dass die subjektive Sichtweise und individuelle Einschätzung der befrag-ten Menschen im elementaren Zentrum der Untersuchung stehen. Die zum Teil sehr persönlichen Fragen zu den lebensqualitätsrelevanten Kriterien setzt das Einverständnis der befragten Personen zu jedem Zeitpunkt der Untersu-chung voraus (vgl. BUCHNER 2008, 517). Die Beantwortung der Fragen und die Teilnahme am Interview beruht auf Freiwilligkeit; die Entscheidung zur Teil-nahme liegt bei den Personen selbst. Zusätzlich zum Einverständnis der inter-viewten Personen wurde im Vorhinein eine schriftliche Einverständniserklä-rung der gesetzlichen Betreuer eingeholt. Da die Interviews mit einem Ton-bandgerät aufgezeichnet werden sollten, sind die Teilnehmer auch hier nach ihrem Einverständnis befragt worden. Die Wahrung der Identität durch abso-lute Anonymisierung der Daten wurde zugesichert. Dazu wurde der Einrich-tung eine Datenschutzerklärung übergeben.

Die Interviews selbst wurden in – für die befragten Personen – vertrauter Um-gebung durchgeführt. Dabei wurde darauf geachtet, die Gespräche an einem ruhigen Ort zu führen, an dem keine Störungen auftreten und die Personen sich sicher und wohl fühlen.

„Die Interviews sollten in der alltäglichen Umgebung der Betroffenen stattfin-den. Um sicher zu stellen, dass die Gesprächspartner(innen) nicht aus Angst vor Sanktionen oder aus Opportunismus gegenüber Institutionsangehörigen kritische Äußerungen vermeiden, ist es sinnvoll, einen separaten Raum für die Befragung zu wählen“ (HAGEN 2002, 299).

Darüber hinaus wurden die Interviews ausschließlich im Vier-Augen-Prinzip geführt; an der Interviewsituation waren demnach nur die befragte Person und der Interviewer beteiligt. Eine negative Beeinflussung des Antwortverhaltens durch die Anwesenheit einer Betreuungsperson oder der Heimleitung wurde so weitestgehend ausgeschlossen (vgl. KELLE &NIGGEMANN 2003, 14). Es ist anzumerken, dass die Entscheidung an welchem Ort das Interview geführt wird und wer dazu anwesend sein soll, von der interviewten Person mitent-schieden werden konnte.