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6 Finanzmarktrecht

6.5 Finanzinstitutsgesetz (FINIG)

Das neue Finanzinstitutsgesetz (FINIG; SR 954.1) regelt die Anforderungen an die Tätigkeit als Finanzinstitut, also als Vermögensverwalter, Verwalter von Kollektivvermögen, Fondslei-tungen und Wertpapierhäuser. Es stellt sich die Frage, inwiefern Blockchain- bzw. DLT-ba-sierte Geschäftsmodelle vom FINIG erfasst werden und ob dies sachgerecht ist. Zu klären ist dabei in erster Linie, ob die Herausgabe von Token oder der Handel mit solchen eine Bewilli-gung als Wertpapierhaus voraussetzt. Denkbar sind schliesslich Dienstleistungen, welche die

611 Vgl. Ziff. 6.4.7.2.

612 Vgl. Ziff. 6.4.4.2.

613 Vgl. Ziff. 6.4.3.

614 Vgl. Ziff. 6.4.8.

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Verwaltung von Token zum Gegenstand haben, womit sich die Frage nach einer Bewilligungs-pflicht als Vermögensverwalter stellt.615

6.5.2 Rechtslage nach FINIG 6.5.2.1 Rechtliche Grundlagen Allgemeines

Am 15. Juni 2018 hat das Parlament zusammen mit dem Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) das FINIG verabschiedet. Mit diesem wird eine kohärente Aufsichtsregelung für Fi-nanzinstitute (Vermögensverwalter, Verwalter von Kollektivvermögen, Fondsleitungen und Wertpapierhäuser) eingeführt. Als wesentliche Neuerung werden auch Vermögensverwalter von individuellen Kundenvermögen, Verwalter von Vermögenswerten von Vorsorgeeinrichtun-gen und Trustees einer prudenziellen Aufsicht unterstellt. Das FINIG soll zusammen mit dem FIDLEG voraussichtlich am 1. Januar 2020 in Kraft treten.

Vermögensverwalter

Wer gestützt auf einen Auftrag gewerbsmässig im Namen und für Rechnung der Kundinnen und Kunden über deren Vermögenswerte im Sinne von Artikel 3 Buchstabe c Ziffern 1–4 FIDLEG verfügen kann, gilt als Vermögensverwalter616 und bedarf einer Bewilligung der FINMA617 und eines Anschlusses an eine Aufsichtsorganisation.

Gewerbsmässigkeit ist gegeben, wenn eine selbstständige, auf dauernden Erwerb ausgerich-tete wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt.618 In der sich derzeit in Vernehmlassung befindenden Verordnung zum Finanzinstitutsgesetz (E-FINIV) soll der Begriff konkretisiert werden. Demge-mäss üben Vermögensverwalter (und Trustees) ihre Tätigkeit gewerbsDemge-mässig aus, wenn sie:619

– damit pro Kalenderjahr einen Bruttoerlös von mehr als 50‘000 Franken erzielen, – pro Kalenderjahr mit mehr als 20 Vertragsparteien Geschäftsbeziehungen aufnehmen,

die sich nicht auf eine einmalige Tätigkeit beschränken, oder pro Kalenderjahr mindes-tens 20 solche Beziehungen unterhalten,

– unbefristete Verfügungsmacht über fremde Vermögenswerte haben, die zu einem be-liebigen Zeitpunkt 5 Millionen Franken überschreiten, oder

– Transaktionen durchführen, deren Gesamtvolumen 2 Millionen Franken pro Kalender-jahr überschreitet.

Der Begriff des Vermögenswerts wird im FINIG nicht ausdrücklich definiert. In Anlehnung an den Botschaftstext620dürfte davon ausgegangen werden, dass darunter nebst den im FIDLEG definierten Finanzinstrumenten – als solche gelten insbesondere Beteiligungspapiere, Forde-rungspapiere, Anteile an kollektiven Kapitalanlagen, strukturierte Produkte und Derivate621 – sämtliche anderen Finanzanlagen, wie etwa Bankguthaben auf Sicht oder Zeit oder Forde-rungspapiere ohne Effektencharakter, fallen. Darunter können auch Token fallen, sofern sie als Effekte qualifizieren oder eine andere Finanzanlage darstellen.

615 Vgl. Ziff. 6.7. bzgl. einer Qualifizierung als Vermögensverwalter von kollektiven Kapitalanlagen.

616 Art. 17 Abs. 1 FINIG.

617 Art. 5 Abs. 1 FINIG.

618 Art. 3 FINIG.

619 Art. 11 E-FINIV.

620 Botschaft FIDLEG/FINIG, 8943.

621 Vgl. Art. 3 Bst. a FIDLEG.

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Der Vermögensverwalter steht in der neu mit dem FINIG eingeführten Bewilligungskaskade für die Vermögensverwaltung – zusammen mit dem Trustee – an unterster Stelle. Dies bedeu-tet, dass die Bewilligung als Vermögensverwalter nicht dazu ermächtigt, eine andere bewilli-gungsbedürftige Tätigkeit auszuüben.622 Entsprechend sind auch die gesetzlichen Anforde-rungen an die Tätigkeit als Vermögensverwalter tiefer ausgestaltet als bei den übrigen Finan-zinstituten mit höheren Formen einer Bewilligung (Verwalter von Kollektivvermögen, Fondslei-tungen, Wertpapierhäuser).

Wertpapierhaus

In vorliegendem Zusammenhang interessieren nebst den Regeln für die Tätigkeit als Vermö-gensverwalter vorab die im FINIG enthaltenen Bestimmungen zur Tätigkeit als Wertpapier-haus. Diese entsprechen grundsätzlich den zurzeit im BEHG enthaltenen Bestimmungen über Effektenhändler.623 Demnach gilt insbesondere als Wertpapierhaus und benötigt eine Bewilli-gung der FINMA, wer gewerbsmässig in eigenem Namen für Rechnung der Kundinnen und Kunden mit Effekten handelt.624 Ebenfalls als Wertpapierhäuser gelten Eigenhändler und Mar-ket Maker.625

Der Begriff der Effekte wird in Artikel 3 Buchstabe b FIDLEG definiert. Für weitergehende Aus-führungen hierzu vgl. Ziffer 6.4.2. Gewerbsmässigkeit ist wie bereits erwähnt dann gegeben, wenn eine selbstständige, auf dauernden Erwerb ausgerichtete wirtschaftliche Tätigkeit vor-liegt.626 In der E-FINIV soll der Begriff konkretisiert werden. Gemäss der entsprechenden Be-stimmung627 liegt eine solche vor, wenn für mehr als 20 Kundinnen und Kunden Konten geführt oder Effekten aufbewahrt werden.628 Damit soll die geltende Rechtslage fortgeführt werden.629 Zu beachten ist ferner Artikel 12 FINIG. Dieser bestimmt, dass einer Bewilligung als Wertpa-pierhaus oder als Bank bedarf, wer gewerbsmässig Effekten, die von Drittpersonen ausgege-ben werden, übernimmt und auf dem Primärmarkt öffentlich anbietet (sog. Emissionshaus) oder gewerbsmässig Derivate in Form von Effekten schafft und auf dem Primärmarkt öffentlich anbietet (sog. Derivathaus).

In der neu mit dem FINIG eingeführten Bewilligungskaskade steht das Wertpapierhaus zwi-schen der Bank und dem Verwalter von Kollektivvermögen.630 Entsprechend sind auch die gesetzlichen Anforderungen an die Tätigkeiten als Wertpapierhaus – etwa was das verlangte Mindestkapital betrifft – niedriger als diejenigen an eine Bank, aber höher als jene an einen Verwalter von Kollektivvermögen.

6.5.2.2 Verwaltung von Token

Ob es sich bei der Verwaltung von Token um eine bewilligungspflichtige Tätigkeit im Sinne des FINIG handelt, hängt vom Einzelfall ab. Sollte überhaupt eine Vermögensverwaltung im Sinne des Gesetzes vorliegen,631ist zu klären, ob die Tätigkeit gewerbsmässig ausgeübt wird.

Die entsprechenden Vorgaben sind relativ niedrig, so dass dieses Kriterium regelmässig erfüllt sein dürfte. Wird eine Vermögensverwaltung im Sinne des FINIG bejaht, so müssen die Be-troffenen eine entsprechende Bewilligung der FINMA einholen und sich einer Aufsichtsorgani-sation anschliessen.

622 Vgl. Art. 6 FINIG.

623 Vgl. Art. 41 ff. FINIG.

624 Vgl. Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 41 Bst. a FINIG.

625 Vgl. für Einzelheiten Art. 41 Bst. b und c FINIG.

626 Art. 3 FINIG.

627 Art. 57 Abs. 1 E-FINIV.

628 Vgl. Art. 57 Abs. 1 E-FINIV.

629 Vgl. EFD Erläuterungen FIDLEV/FINIV 2018: 97.

630 Vgl. Art. 6 FINIG.

631 Vgl. zur Definition Art. 17 Abs. 1 FINIG und Ziff. 6.5.2.1.

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6.5.2.3 Emission von Token

Die Schaffung von Token im Sinne einer Eigenemission hat nach FINIG grundsätzlich keine Unterstellungspflicht (als Wertpapierhaus) zur Folge, auch wenn diese Effektenqualität auf-weisen. Dasselbe gilt für das öffentliche Angebot von Effekten. Einer Bewilligung als Wertpa-pierhaus – oder als Bank – bedarf jedoch, wer gewerbsmässig Token in Form von als Effekten ausgestaltete Derivaten schafft und auf dem Primärmarkt öffentlich anbietet (sog. Derivat-haus). Ob Token als Derivate in Form von Effekten qualifizieren, muss im Einzelfall beurteilt werden. Im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Derivatehauses ist bei der Ausarbeitung der FINIV noch zu klären, ob der Begriff der Gewerbsmässigkeit analog wie in Artikel 57 E-FINIV definiert wird.

Wie dargelegt, benötigt auch eine Person, welche gewerbsmässig Effekten, die von Drittper-sonen ausgegeben werden, übernimmt und auf dem Primärmarkt öffentlich anbietet eine Be-willigung als Bank oder Wertpapierhaus. Dies gilt auch bei der Emission von Token, welche als Effekten qualifizieren.

6.5.2.4 Gewerbsmässiger Handel mit Token

Wer gewerbsmässig in eigenem Namen für Rechnung der Kundinnen und Kunden mit Token handelt, die Effekten darstellen, bedarf ebenfalls einer Bewilligung als Wertpapierhaus. Kein Handel stellt dabei die reine Verwahrung solcher Token dar, die Rücküberweisung durch den Verwahrer an die Kundin oder den Kunden oder im Grundsatz auch die Weiterleitung durch den Verwahrer an einen Dritten im Namen der Kundin oder des Kunden. Gewerbsmässigkeit liegt dabei wie erwähnt vor, wenn für mehr als 20 Kundinnen und Kunden Konten geführt oder Effekten aufbewahrt werden.632

6.5.3 Fazit

In Bezug auf die Einholung einer Bewilligung als Vermögensverwalter bestehen aus heutiger Sicht mit Blick auf Blockchain- bzw. DLT-basierte Geschäftsmodelle weder spezifische Markteintrittshürden noch Regulierungslücken und demnach auch kein regulatorischer Hand-lungsbedarf. Die entsprechenden Bewilligungs- und Betriebsvoraussetzungen sind relativ niedrig und sofern die betroffenen Akteure auch herkömmliche Vermögenswerte verwalten, benötigen sie ohnehin eine Bewilligung als Vermögensverwalter.

Was die für das Wertpapierhaus geltenden Aufzeichnungs- und Meldepflichten betrifft, so wird auf die Ausführungen in Ziffer 6.4.4 verwiesen. Auch für den Vorschlag, dass eine Bewilligung alleinig zum Zweck des Betriebs eines OHS beantragt werden kann, wird auf die entsprechen-den Ausführungen zum FinfraG verwiesen.633

6.6 Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG)