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Finanzierungsmodalitäten – Festlegung der Steuersätze, des Staatszuschusses, der

4 Einbindungs- und Beteiligungsformen in Deutschland, Finnland und Polen

4.2 Entscheidungsstrukturen und Einbindungs- und Beteiligungsformen in Finnland - 122

4.2.5 Finanzierungsmodalitäten – Festlegung der Steuersätze, des Staatszuschusses, der

Bürger und Patienten haben kollektiv nur begrenzte Möglichkeiten, an der Qualitätsentwicklung der Versorgung mitzuwirken. Leitlinien für die ärztliche Behandlung werden in der Regel von Medizinern entwickelt, auch wenn der Vierjahresplan (TATO) von 2000-2003 vorsah, dass Qualitätsempfehlungen in Zusammenarbeit auch mit den Nutzern der Gesundheitsdienste erarbeitet werden sollten.317 Dafür gibt es Beispiele in der Entwicklung von Leitlinien für Arzneimittelverordnungen, bei der der Vorsitzende der Finnischen Patientenliga im Beratungsausschuss des ROHTO mitwirkt, sowie beim HTA-Institut FinOHTA, in dessen Beirat die Interessen von Patienten von einer Abgeordneten des Finnischen Verbraucherverbandes vertreten werden. Eine kollektive Mitarbeit von Patienten an der Normierung von Gesundheitsleistungen ist daher in Finnland nur in Ansätzen institutionalisiert.

Bedeutung hat Patientenbeteiligung allerdings als Umfragebeteiligung in Krankenhäusern und Gesundheitszentren erlangt, in denen nach der Meinung von Patienten gefragt wird und deren Vorschläge für die Weiterentwicklung der Versorgungsqualität im Hause genutzt werden (Qualitätsmanangement). Auch Beschwerden von Patienten bei Ombudsleuten, beim Rechtsbeauftragten des Parlaments und der Provinzverwaltung werden zum Teil für die Verbesserung der Versorgungsqualität ausgewertet und genutzt.

4.2.5 Finanzierungsmodalitäten Festlegung der Steuersätze, des Staatszuschusses, der Behandlungsgebühren und von Zuzahlungen für Medikamente

Finanzierungsmodalitäten werden sowohl auf nationaler als auch auf kommunaler Ebene geregelt. Parlament und Gemeinderäte entscheiden über die Höhe der jeweiligen nationalen und kommunalen Steuersätze und den jeweiligen Haushaltsplan und insofern über die Ausgaben für Gesundheit und Soziales auf nationaler und kommunaler Ebene. Gesetzlich sind auch die Planung und Kriterien zur Verteilung des Staatszuschusses für die Gesundheitsversorgung an die Gemeinden, die maximale Höhe der Behandlungsgebühren (asiakasmaksut) für Patienten, die Höhe der Beiträge zur Sozialversicherung sowie die von der Krankenversicherung abgedeckten Kosten für Medikamente und für die (zahn)medizinische Behandlung durch private Ärzte bestimmt. Die staatlichen Zuschüsse für die kommunalen Sozial- und Gesundheitsdienste werden dagegen auf Vorschlag des Gesundheitsministeriums von der Regierung festgelegt. In den Kommunen entscheiden

317 TATO 2000-2003, S.22.

meistens die Gesundheitsausschüsse über die im Rahmen der zentralstaatlichen Vorgaben zu leistenden Behandlungsgebühren.

Die von den Patienten letztlich zu tragende Zuzahlung für Medikamente ergibt sich aus der nicht von der Krankenversicherung abgedeckten Erstattungsleistung. Die Versicherung erstattet die Kosten für Medikamente ab einer bestimmten Höhe, bis zu der sie von den Patienten selbst zu tragen sind, und in Abhängigkeit vom Höchstpreis und von der Schwere und der Dauer (chronische Krankheiten) der Erkrankung. Höchstpreise für Medikamente setzt dafür eine Arzneimittelpreiskommission fest, die dem Gesundheitsministerium unterstellt ist.

Sie setzt sich zusammen aus Vertretern des Gesundheitsministeriums, des Finanzministeriums, des Sozialversicherungsinstituts, des Arzneimittelinstituts und von STAKES. In einem zugehörigen Sachverständigenrat beraten Experten der Medizin, der Pharmakologie, der Gesundheitswirtschaft und der Krankenversicherung.318 Weitere Einzelheiten werden in einer Regierungsverordnung geregelt.319

Für die private medizinische Behandlung werden laut Krankenversicherungsgesetz Kosten bis zu 75% erstattet320, den Rest zahlen folglich die Patienten aus eigener Tasche.

Einflussnahme von Bürgern und Patienten

Sowohl auf nationaler als auch auf kommunaler Ebene können die Bürger vor allem über die Wahl von Abgeordneten ins Parlament und in den Gemeinderat und über Lobbytätigkeiten von Interessenverbänden Entscheidungen über die Höhe der Steuersätze und des Sozialversicherungsbeitrags über maximale und auf kommunaler Ebene tatsächlich realisierte Behandlungsgebühren sowie über die Höhe der Erstattung für Medikamente beeinflussen. Da die Regierung auf Vorschlag des Gesundheitsministeriums die Höhe des Staatszuschusses für kommunale Gesundheitsdienste bestimmt, haben Bürger hier nur indirekte Mitwirkungsmöglichkeiten – etwa über ihre Gemeindevorstände und den Gemeindeverband.

Wenn auf kommunaler Ebene direkte Beteiligungsmöglichkeiten wie etwa die Vertretung im Gesundheits- und Sozialausschuss realisiert würden, könnten Bürgergruppen oder Patientenvertreter auch direkt über die Höhe der Behandlungsgebühren mitentscheiden.

4.2.6 Resümee und Analyse

In Finnland können Patienten und Bürger kollektiv zunächst nur indirekt über Wahlen und Interessengruppenlobbying auf Entscheidungen über den Leistungsumfang und die Finanzierung der Gesundheitsversorgung einwirken. Direkte Beteiligungsmöglichkeiten

318 Krankenversicherungsgesetz § 5a

319 Krankenversicherungsgesetz § 9.

bestehen auf kommunaler Ebene (Umfrage-, Verfahrens-, Beratungs- und Entscheidungsbeteiligung) und auf nationaler Ebene in Form einer nicht-verfassten Verfahrensbeteiligung. Insbesondere in den Gemeinden sind seit 1995 gesetzliche Möglichkeiten geschaffen und öffentliche Initiativen zur stärken direkten Einbindung von Bürgern in gesundheitspolitische Entscheidungen gestartet worden. Die praktische Umsetzung dieser Vorgaben bleibt jedoch weitgehend dem Willen der Entscheider in der Kommunalpolitik und -verwaltung überlassen. So ist realiter eine direkte Beratungs- oder Entscheidungsbeteiligung von Bürgern in kommunalen Gremien nicht oder kaum anzutreffenden. Häufiger sind dagegen Stellungnahmen von Bürger- und Patientenorganisationen bei der Vorbereitung von Entscheidungen durch die lokale Sozial- und Gesundheitsverwaltung sowie öffentliche Anhörungen in so genannten Diskussionsrunden (keskustelutilaisuudet).

Auch von Seiten des Gesundheitsministeriums werden Patienten- und Bürgerorganisationen regelmäßig zu Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfen im Vorfeld von Entscheidungen gebeten; das Parlament bestellt Patienten- und Bürgerorganisationen zu Anhörungen im Sozialausschuss.

Politisch erwünscht ist auch, dass Patientenorganisationen an der Normierung und Sicherung der Qualität von Gesundheitsleistungen beteiligt werden, doch bleiben medizinische Expertenkreise bei der Entwicklung nationaler Leitlinien weitgehend unter sich.

Eine freie Wahl des Arztes oder der Versorgungseinrichtung ist in Finnland rechtlich zwar nicht verankert, doch wurden seit Ende der 1980er Jahre, lokal und situativ bedingt, begrenzte Wahlmöglichkeiten geschaffen.

Individuell können Patienten im Arzt-Patienten-Gespräch über Therapien und den Behandlungsumfang mitentscheiden. Seit 1993 haben Patienten und Bürger bessere Möglichkeiten, um gegen die Verletzung oder Vernachlässigung der Pflicht von Gemeinden und Ärzten, eine ausreichende, qualitativ hochwertige und humane medizinische Versorgung und Behandlung zu gewähren, vorzugehen.

Schlaglicht

Der einzelne Patient und Bürger kann in Finnland seinen Hausarzt im örtlichen Gesundheitszentrum wählen, der dann wiederum über die Überweisung zu einem Facharzt oder in das zuständige Krankenhaus entscheidet. Im Krankenhaus gibt es keine freie Arztwahl. Der Besuch eines Gesundheitszentrums oder Krankenhauses ist zuzahlungspflichtig (Behandlungsgebühr). In der Regel gibt es Wartefristen für

320 Krankenversicherungsgesetz §§ 7 u. 8.

Behandlungstermine, die nicht mehr als drei Monate (für Behandlungen im Gesundheitszentrum) beziehungsweise sechs Monate (etwa für Operationen im Krankenhaus) dauern sollen. Der einzelne Patient kann über Diagnosen und Therapien mit entscheiden, indem er unter den ihm durch den Arzt, das Gesundheitszentrum oder das Krankenhaus im Rahmen des jeweiligen Budgets und medizinischer Leitlinien angebotenen Optionen auswählt.

Als Wähler und als Mitglied einer Gemeinde kann ein Bürger in Finnland in begrenztem Maße Einfluss nehmen auf die Festlegung von Budgets und die Behandlungsgebühren.

Als Mitglied einer Patientenorganisation kann ein Patient versuchen, auf die Bewertung von Diagnose- und Behandlungsverfahren durch ROHTA und FinOHTA Einfluss zu nehmen.

Im finnischen Gesundheitswesen dominiert nach wie vor eine universalistische Rollenperspektive – der Bürger steht im Vordergrund; gleiche Zugänglichkeit und gleiche Gesundheitschancen für alle heißt die Devise. Kollektive Patienten- und Bürgerbeteiligung ist von besonderer Bedeutung – auch hinsichtlich ihres weiteren Ausbaus – auf der Makro-II-Ebene (Gemeinden). Mit der Thematisierung von Patientenrechten in den 1980er Jahren und dem Patientenrechtsgesetz von 1992, hat indessen auch eine spezifisch patientenorientierte, auf den einzelnen Patienten und Kunden gerichtete Perspektive an Einfluss gewonnen.

Eine erste Beurteilung der Auswirkung von Patienten- und Bürgerbeteiligung im finnischen Gesundheitssystem zeigt folgendes Bild:

In den Gemeinden (Makro-Ebene II) nutzen die Gemeinderäte und Ausschüsse vor allem öffentliche Anhörungen, um Bürgern Gelegenheit zur Diskussion zu geben und späteren Protestaktionen zuvorzukommen. Hierbei zeigt sich eine erste Öffnung bisher geschlossener lokaler Akteurskreise für Bürgerinteressen. Solange die Veranstaltung von Anhörungen zu bestimmten Themen und die Berücksichtigung von Bürgermeinungen jedoch im Ermessen der Gemeinderäte liegt, sind die Positionen kommunaler politischer und administrativer Akteure nicht gefährdet.

Patientenbeteiligung auf der Mikro-Ebene und Patientenorientierung in den Gesundheitseinrichtungen hat wohl die greifbarsten Auswirkungen im Gesundheitswesen gehabt: Ärzte und andere Professionen in den öffentlichen Einrichtungen müssen sich stärker auf die einzelnen Patienten und ihre Bedürfnisse einstellen; Versorgungseinrichtungen haben Patientenberater (Ombudsleute) eingesetzt, verpflichten sich den Patienten gegenüber in besonderen monierbaren Serviceverträgen und erfassen Patientenmeinungen zu ihren Leistungen. Patienten werden zu Kunden, deren Zufriedenheit zählt.

Vor allem bei der Normierung und Qualitätssicherung von Gesundheitsleistungen wird deutlich, dass Patientenbeteiligung an Entscheidungsprozessen in der Regel auf Initiative und im Rahmen staatlichen Einflusses institutionalisiert und realisiert wird – im Institut für Arzneimittel-Richtlinien ebenso wie im HTA-Büro, jedoch nicht bei Käypä Hoito.

Der Staat bleibt letztlich der wichtigste und entscheidende Kooperationspartner für kollektive Patienten- und Bürgerbeteiligung in Finnland.

Fazit: In Finnland wird auf Bürgerbeteiligung gesetzt, doch Bürger werden tatsächlich nur ad hoc an Verfahren (direkt) beteiligt und nicht an Entscheidungen.

4.3 Entscheidungsstrukturen und Einbindungs- und Beteiligungsformen in

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