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Finanzierungsmodalitäten – Festlegung der Beitragssätze und der Zuzahlungen

4 Einbindungs- und Beteiligungsformen in Deutschland, Finnland und Polen

4.3 Entscheidungsstrukturen und Einbindungs- und Beteiligungsformen in Polen

4.3.5 Finanzierungsmodalitäten – Festlegung der Beitragssätze und der Zuzahlungen

Zertifizierung ist auch das Polnische Forschungs- und Zertifikationszentrum (PCBC) zuständig.360

Einflussnahme von Patienten und Bürgern

An Entscheidungen zur Auswahl und Normierung sowie der Qualitätssicherung von Gesundheitsleistungen und Methoden können Patienten und Bürger kollektiv nur begrenzt mitwirken. Sie sind weder an der Entwicklung von Leitlinien durch medizinische Fachgesellschaften beteiligt, noch im CMJ vertreten. Allerdings sitzt der Verbraucherbund als Interessenvertreter von Patienten und Bürgern im Beirat des Polnischen Akkredierungszentrums. Darüber hinaus können Patienten und Bürger per Umfragebeteiligung auf die Qualität von Gesundheitseinrichtungen Einfluss nehmen.

Individuelle Einflussmöglichkeiten bestehen für Patienten in der Auswahl unter Gesundheitseinrichtungen (Krankenhäusern, Gesundheitszentren und Praxen) und Ärzten.

Über tatsächlich im Einzelfall angewandte Behandlungsmethoden kann der Patient schließlich im Arzt-Patienten-Gespräch nach Darlegung der Möglichkeiten durch den behandelnden Arzt entscheiden bzw. er kann Methoden ablehnen und anderen, bevorzugten zustimmen.361

Zugunsten der Patienten, der Einhaltung von Patientenrechten und der Sicherung der Qualität der Versorgung wirkt seit Anfang 2002 außerdem ein beim Gesundheitsministerium eingerichtetes Patientenrechtsbüro, an das sich Patienten mit Beschwerden und Klagen wenden können. Seine Aufgabe besteht unter anderem in einer mittelbaren Kontrolle der Behandlungspraxis und ihrer Qualität. Außerdem geht es Patientenbeschwerden über den Gesundheitsfonds und die Leistungserbringer nach.362

4.3.5 Finanzierungsmodalitäten – Festlegung der Beitragssätze und der Zuzahlungen

Die meisten Finanzierungsparameter werden auf nationaler Ebene per Gesetz oder per Verordnung des Gesundheitsministeriums festgelegt. Über die Vergütung der Leistungen wird in Verträgen zwischen den Abteilungen des Gesundheitsfonds und den einzelnen Versorgungseinrichtungen und Leistungserbringern entschieden.

Das Parlament entscheidet zum einen über die Höhe der Steuersätze und zusammen mit dem Staatshaushalt auch über die Höhe des Budgets für Gesundheit und Soziales. Zum anderen

360 Informationen dazu im Internet unter http://pcbc.gov.pl.

361 „Pacjent ma prawo do … wyrażenia zgody na udzielenie określonych świadczeń zdrowotnych lub ich odmowy, po uzyskaniu odpowiedniej informacji.“ – Gesetz über die Gesundheitseinrichtungen Art. 19 Abs. 1;

Gesetz über den Arztberuf Art. 31 u. 32.

362 Verordnung des Gesundheitsministeriums vom 8.3.2002.

definiert es die Höhe der Versicherungsbeiträge363 und die Regeln zur Bestimmung von Zuzahlungen für Arzneimittel, Heilmittel und Hilfsmittel, die dann ebenso wie die Höchstpreise für Arzneimittel und Hilfsmittel vom Gesundheitsministerium konkret bestimmt werden364.

Bezüglich der Tages- und Monatssätze für die Unterkunft und Verpflegung im Krankenhaus werden im Gesetz nur maximale Belastungsgrenzen und minimale Altersgrenzen festgelegt, wobei das Gesundheitsministerium die genauen Kriterien zur Erhebung von Zuzahlungen definiert365, in deren Rahmen sich die Festsetzung der Zuzahlungen durch die Gesundheitseinrichtungen selbst bewegen muss.

Für bestimmte Gesundheitsleistungen können die Gesundheitseinrichtungen Zuzahlungen gemäß einer amtlichen Gebührenliste verlangen.366

Einflussnahme von Bürgern und Patienten

Bürger und Patienten können Entscheidungen über Beitrags- und Steuersätze, Zuzahlungen und Gebühren mittelbar beeinflussen über die Wahl von Abgeordneten ins Parlament, über Lobbying und direkter über nicht-verfasste Verfahrensbeteiligung (Stellungnahmen und Anhörungen) im Policy-Prozess. Da die meisten Entscheidungen zur Finanzierung durch Parlament und Regierung bzw. das Gesundheitsministerium getroffen werden, wirken hier wieder dieselben Mechanismen, aber auch Hindernisse in der Einbindung von Patienten- und Bürgerorganisationen, auf die bezüglich des Leistungskatalogs und Versorgungsumfangs schon eingegangen wurde.

Durch die freie (Aus-)Wahl unter verschiedenen Gesundheitseinrichtungen und Ärzten können Patienten und Bürger individuell einige Zuzahlungsleistungen, die durch die Anbieter bestimmt werden, für sich selbst variieren.

4.3.6 Resümee und Analyse

Im polnischen Gesundheitswesen können Patienten und Bürger kollektiv meist nur indirekt über Abgeordnete (im weiteren Sinne) auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene auf Entscheidungen im Parlament, in den Räten des Gesundheitsfonds und den Sozialbeiräten der Versorgungseinrichtungen über den Umfang und über Finanzierungsparameter der Gesundheitsversorgung einwirken. Patienten- und Bürgerorganisationen werden auf Initiative des Gesundheitsministeriums oder des Parlaments direkt, aber nicht regulär, und mit unklarem Einfluss in die politische Entscheidungsfindung eingebunden und zwar in Form

363 Gesundheitsleistungsgesetz Art. 79.

364 Gesundheitsleistungsgesetz Art. 36, 40, 38, 39.

365 Gesundheitsleistungsgesetz Art. 18, Gesetz über die Gesundheitseinrichtungen Art. 34a.

einer Verfahrensbeteiligung, d.h. in Form von Konsultationen bzw. öffentlichen Anhörungen zu bestimmten Projekten und Fragen.

Patienten- und Bürgerorganisationen sind im Polen noch in einer Entwicklungsphase. Erst seit wenigen Jahren finden Bürgerorganisationen mehr politische und staatliche Unterstützung infolge der Einberufung eines Rates aus NGOs im Jahr 2003 und im Zuge der Konzipierung eines Nationalen Entwicklungsplanes.

Individuelle Einflussmöglichkeiten von Patienten und Bürgern auf Entscheidungen zu Umfang, Ausgestaltung und Finanzierung der polnischen Gesundheitsversorgung sind vielfältig. Sie bestehen in der Auswahl zwischen öffentlichen und privaten Gesundheitseinrichtungen und Ärzten sowie in einer Art Entscheidungsbeteiligung im Arzt-Patienten-Gespräch (Zustimmung zu oder Ablehnung von Therapievorschlägen).

Schlaglicht

Der einzelne Patient und Bürger kann in Polen seinen Hausarzt oder Facharzt begrenzt wählen. Eine ärztliche Überweisung ist notwendig für den Besuch bestimmter Fachärzte oder die Behandlung in einem – frei wählbaren – Krankenhaus. Dort ist keine freie Arztwahl möglich. In der Regel gibt es Wartefristen und regulierte Warteschlangen für Behandlungstermine bei Spezialisten und in Krankenhäusern. Der einzelne Patient kann über Diagnosen und Therapien in begrenzten Maße durch Auswahl beziehungsweise Ablehnung bestimmter Verfahren mitentscheiden. Das Leistungsangebot wird bestimmt durch Gesetze, ministerielle Verordnungen, Verträge zwischen Nationalem Gesundheitsfonds und Leistungserbringer, durch Budgets und Entscheidungen des behandelnden Arztes, der sich auch an medizinischen Leitlinien orientiert.

Als Wähler, als Versicherter und als Mitglied einer Gemeinde kann ein Bürger in Polen in sehr begrenztem Maße Einfluss nehmen auf die Bestimmung des Leistungspakets und auf Budgets.

Als Mitglied einer Patientenorganisation stehen einem Patienten weitere ungesicherte Einflusskanäle in der Politik und noch begrenzter bei der Qualitätsbewertung offen.

Beteiligung konzentriert sich – entsprechend der Verteilung von Entscheidungskompetenzen – im polnischen Gesundheitssystem auf die Makro-I-Ebene und wird ergänzt durch Einflussmöglichkeiten auf Makro-II bw. Meso-I-Ebenen. Es herrscht eine universalistische Rollenperspektive vor. Diese Perspektive wird wohl noch durch neue staatliche Konzepte zur

366 Gesetz über die Gesundheitseinrichtungen Art. 33 Abs. 1, Art. 34 Abs. 1.

Entwicklung einer Bürgergesellschaft und der Stärkung von Bürgerorganisationen in der Politik befördert werden.

Patienten und Bürger als kollektive Akteure werden in Polen gerade erst „entdeckt“. Noch stehen ihre Organisationen und Aktivitäten unter der Obhut (oder Vormundschaft?) und Förderung von Staat und Politik. Staatliche, öffentliche und private Akteure des Gesundheitswesens lernen noch in einem fortlaufenden Prozess, Betroffene und ihre Anliegen wahrzunehmen und Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten. Und auch Patienten- und Bürgerorganisationen durchlaufen noch eine Entwicklungsphase. Ärzte sind diesem neuen Akteur gegenüber noch skeptisch. In privaten Gesundheitseinrichtungen werden Patienten als zahlungskräftige Kunden umworben, in öffentlichen Einrichtungen setzt sich dagegen eine Patientenorientierung nur langsam durch. Ärztliche Fachgesellschaften und Qualitätsgremien arbeiten noch zum größten Teil „unter sich“.

Fazit: Bürgerbeteiligung oder Patientenbeteiligung in Polen? Beides ist möglich und im Werden begriffen, aber noch marginal realisiert. Versichertenbeteiligung ist ohne Bedeutung.

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