• Keine Ergebnisse gefunden

Schicht 3: Faktoren im Syntagma

Explizite Marker dieser Satzschicht liegen bei Determinatoren des Nomens vor, die den Referenzstatus festlegen und den Denotatsbereich näher bestimmen. Deiktika wie die Demonstrativa этот, тот und Possessiva legen Nomen für gewöhnlich auf einen spezifischen Status fest.1 Das gleiche gilt für die Indefinitpronomen mit -то, кое-, не- und один. Andere Determinatoren wie die Indefinitpronomen -либо, -нибудь und любой und Quantoren des Typs каждый, всякий bewirken allgemeine Referenz.2 An dieser Stelle greift die Q u alifik atio n in die Festlegung des Lokalisationstatus ein.

Zu den Ausnahmen siehe Padučeva (1985), 16 lf.

Genaueres siehe a.a.O., 158-221 sowie Birkenmaier (1979).

77 FAKTORISIERUNG DER LOKALISATION

При этой встрече она нервно курила сигареты. (Stufe 0 )

"Während dieses Treffens rauchte sie nervös."

При каждой встрече она нервно курила сигареты. (Stufe 3)

"Während jedes Treffens rauchte sie nervös."

Handlung

Handlung

Wie wir in diesem Beispiel sehen, können die Faktoren dieser Schicht auch eine mittelbare Wirkung auf die Episodizität des Verbs entfalten. Dies kann der Fall sein bei dekursiven Verben im imperfektiven Aspekt Präteritum. Ein anderer Verbtyp, wie er in dem Lexem рассказывать "erzählen" vorliegt, kann hingegen die Femwirkung dieser nomengerichteten Faktoren blockieren und damit deren Auftreten ganz unterbinden. Vgl.:

*При этой встрече она рассказывала К лим у новости.

"*Bei diesem Treffen erzählte sie Klim Neuheiten."

При каждой встрече она рассказывала Климу новости.

"Bei jedem Treffen erzählte sie Klim Neuheiten."

Neben den expliziten Determinatoren der genannten Art wirken auch implizite Faktoren, wie sie in adjektivischen Attributen enthalten sind; z.B. м олодой

человек "junger Mann". Wie die Pronomen wirken sie auf den möglichen Referenzbereich des Nomens ein. Die Funktionsweise ist dabei als noch ungeklärt anzusehen.

Eine etwas andere Wirkungsweise liegt in Genitivattributen vor, die nach Ermakova (1976) dem determinierenden Nomen eine allgemeine Lesart auferlegen; vgl.:

Я вас лю блю любовью брата /*любовью вашего брата.

"Ich liebe Sie mit der Liebe eines Bruders/*Ihres Bruders."

Schicht 4: explizite und implizite F aktoren im Satz a. Explizite F ak to ren

In der Schicht des Satzes sind für die Lokalisation vor allem Frequenz- adverbien wie иногда "manchmal", часто "oft" wichtig.

Он так говорил, как будто в нем черт прятался. (Stufe 0 )

Da s p r o z e s s o r i e n t i e r t e Lo k a l i s a t i o n s m o d e l l

7 8

"Er sprach, als ob der Teufel in ihm steckte."

Он иногда так говорил, как будто в нем черт прятался. (Stufe 1 )

"Manchmal sprach er, als ob der Teufel in ihm steckte."

Handlung

Handlung

Adverbien dieses Typs beziehen sich jedoch nicht nur auf das Prädikat, sondern, wie Mehlig (1983) zeigt, unter bestimmten Bedingungen auch auf den Referenzstatus der Nomen. Haben wir es mit einem Prädikat zu tun, das dem Subjekt eine als variabel aufgefaßte Eigenschaft zuschreibt, wirken Frequenzadverbien wie in dem hier aufgeführten Beispiel auf das Prädikat ein. Liegt hingegen eine invariable Eigenschaft vor, kann diese nicht iteriert werden, wie es die Semantik der Frequenzadverbien vorgibt. In diesem Falle

״muß ein Satz, der ein invariables Prädikat enthält, notwendig den Referenten des Nominalausdrucks, von dem es prädiziert wird, quantifizieren. Da aber Referenten einer geschlossenen Klasse nicht durch Frequenzadverbien quantifiziert werden können, muß sich ein Satz, der ein Frequenzadverb und ein invariables Prädikat enthält, immer auf eine offene Klasse beziehen.“

(a.a.O., 66)

Он иногда так говорил, как будто в нем черт прятался.

"Manchmal sprach er, als ob der Teufel in ihm steckte."

Фосфор часто ядовит. "Phosphor ist oft giftig."

Bei der Giftigkeit handelt es sich um eine invariable Eigenschaft von Phosphor. Das Frequenzadverb часто schränkt nun diese Generalisierung ein, indem es aus der gesamten Klasse eine Teilklasse aussondert, auf die diese Aussage zutrifft (ebd.).

b. Implizite Faktoren

Neben den eben genannten Lexemen, die sich direkt auf die Lokalisation auswirken, sind auch echte satzsemantische Faktoren wie die funktionale Satzperspektive aktiv.1 Es stellt sich heraus, daß sich der Lokalisationsstatus

In seiner Arbeit über Determination im Deutschen und Russischen behandelt auch Gladrow (1979) die funktionale Satzperspektive. Anhand der Beispielsätze Поезд

00056433

eines Satzes ändern kann, wenn die Thema- und Rhemagliederung anders gesetzt wird. Dazu folgendes Beispiel:

Горит бензин. "Es brennt Benzin." (Stufe 0 ) Бензин горйт. "Benzin brennt." (Stufe 5)

Gt=

Handlung

Uti M

Ѳ=

Handlung

= 0 כ

Während der erste Satz ohne Vorgabe eines speziellen Kontextes eine episodisch-spezifische Lesart aufweist, wird der zweite bei neutraler Satzbetonung als generische Aussage im Sinne "Benzin hat die chemische Eigenschaft zu brennen" verstanden. Daß es sich hierbei um einen schwachen Faktor handelt, erkennt man daran, daß die genannten Lesarten durch den Faktor Kontext (s.u. Schicht 5) ohne weiteres revidiert werden können. Wird der Satz Горит бензин z.B. von einem Schüler auf die Frage К а к и е

вещества горят? "Welche Stoffe brennen?" geäußert, so erhält er den Status einer generischen Aussage (Stufe 5).1 Bei der funktionalen Satzperspektive handelt es sich nach unserer Terminologie um einen ungerichteten Faktor, da er sich auf die ganze Satzebene bezieht.

In ähnlicher Weise kann der Satzmodus fungieren: unter bestimmten Bedingungen kann sich der Referenzstatus eines Nomens bei den Satzmodi Aussage vs. Frage unterscheiden. Vgl.;

Сигареты у вас есть. "Sie haben die Zigaretten." (Stufe 1) Сигареты у вас есть? "Haben Sie Zigaretten?" (Stufe 3)

Fa k t o r i s i e r u n g d e r Lo k a l i s a t i o n 7 9

пришел "Der Zug kam." vs. Пришел поезд "Es kam ein Zug." illustriert er das Funktionieren der Definitheit. Er zeigt, daß das Subjekt des ersten Satzes im Deutschen mit dem bestimmten Artikel und dasjenige des zweiten Satzes mit dem unbestimmten Artikel wiedergegeben wird; d.h. die funktionale Satzperspektive wirkt sich auf die Definitheit aus. Der Autor nennt als Beschränkung dieser Regularitäten: ״ Der seman- tische Rahmen wird noch durch den konkreten Konsituationsbezug der Äußerung, durch ihren referentiellen Gebrauch, abgesteckt.“ (109). Somit beziehen sich seine Ausführungen, wie er mehrfach erwähnt, nur auf den spezifischen Gebrauch von Substantiven. Daß sich die funktionale Satzperspektive auch auf die Lokalisation auswirkt, wird von Gladrow nicht untersucht. Das gleiche gilt für Padučeva (1985), die - auf sehr detaillierte Weise - die Interaktion zwischen funktionaler Satzperspektive, Definitheit und dem Gebrauch einiger Pronomen untersucht (107-136).

Diese Beobachtung verdanke ich H.R. Mehlig.

Da s p r o z e s s o r i e n t i e r t e Lo k a l i s a t i o n s m o d e l l

8 0

Handlung

Handlung

Weiterhin kann die Analyse der semantischen Konzepte, die hinter dem Subjekt und Prädikat stehen, die Zuweisung des Lokalisationstatus bedingen.

Generische Aussagen zeichnen sich in vielen Fällen durch einen hohen Grad an Analytismus im Kantschen Sinne aus. Oomen (1977) schreibt dazu:

,A nalytische Sätze sind nach Kant Urteile a priori, Erläuterungsurteile, bei denen das Prädikat В schon im Subjekt A (versteckterweise) enthalten ist: Der Igel ist ein Stachel- tier. Synthetische Sätze sind nach Kant Urteile a posteriori, Erweiterungsurteile, bei denen das Prädikat В nicht schon im Subjekt A enthalten, sondern nur mit ihm verknüpft ist: Der Igel ist ein drolliger Kauz.“ (23)

Die Sprachphilosophen Quine (1953, 38) und Savigny (1970, 103-120) versuchen, diese Unterscheidung zur Klassifikation generischer Aussagen zu verwenden, was nach Oomen (ebd.) nicht allgemein durchgehalten werden kann und aus diesem Grunde von ihr verworfen wird. Dementgegen möchte ich ausgehend von der Annahme, daß der Analytismus einer Aussage gradiert werden kann, folgende These aufstellen: je größer der Analytismus einer Aussage, desto eher wird eine nichtlokalisierte Lesart angenommen. Auch diese Erscheinung läßt sich im Rahmen des prozeßorientierten Lokalisa- tionsmodells erklären. Stellt der Hörer beim prozessualen Abgleichen von Subjekt und Prädikationsausdruck fest, daß das Konzept des zweiten in demjenigen des ersten enthalten ist, weist er eine nichtlokalisierte Lesart zu.

Aus diesem Grund läßt sich der von Oomen genannte Satz Der Igel ist ein drolliger Kauz u.U. auch mit spezifischer Referenz des Subjektnomens verstehen. Hier ist nämlich der Grad des Analytismus denkbar klein; d.h. das Bedeutungskonzept "Igel” enthält kaum etwas von drolliger Kauz. Anders dagegen bei Der Igel ist ein Stacheltier: Hier könnte das Konzept des Prädikatsnomens im Konzept "Igel" enthalten sein. Die hier vorgestellte These basiert auf der Erscheinung, daß Aussagen mit vollständigem Analytismus, die nur unter bestimmten kommunikativen Bedingungen Vorkommen können, als generisch verstanden werden; z.B. Д ет и есть дети "Kinder sind Kinder"

oder Собака есть собака "Ein Hund ist ein Hund". Die These könnte anhand des Lokalisationsverhaltens der einzelnen Typen von Existenzsätzen aus Arutjunova & Širjaev (1983) überprüft werden. Diese unterscheiden

Existenz-Fa k t o r i s i e r u n g d e r Lo k a l i s a t i o n 81

a. identifizierenden; z.B.: Дам а в берете была Татьяна Ларина.

"Die Dame mit dem Barett war Tat'jana Larina."

b. taxonomischen; z.B.: K um - млекопитающее. "Der Wal ist ein Säu- getier."

c. charakterisierenden; z.B.: Ольга - красавица. "Ol'ga ist eine Schön- heit."

d. relationierenden; z.B.: Петр - отец Маши. "Petr ist der Vater von Masa."

e. lokalen Prädikaten; z.B.: В зоопарке есть слон. "Im Zoo gibt es einen Elefanten." (a.a.O., 10-13)

Eine Analyse des Lokalisationsverhaltens, die anhand konstanten Sprach- materials durchgeführt werden müßte, kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht vorgenommen werden.

In den Bereich der auf der Satzebene operierenden Faktoren gehört auch die in einigen Fällen wirksame Opposition von prädikativer Kurz- vs.

Langform des Adjektivs. Es lassen sich Minimalpaare finden, in denen die beiden Adjektivformen nicht nur zeitliche Dauer der zugeschriebenen Eigenschaft zum Ausdruck bringen, sondern auch den Referenzstatus des Subjektnomens beeinflussen.1

Баклаж ан очень вкусен. "Die Auberginen sind sehr lecker." (spezifisch) Б аклаж ан очень вкусный. "[Die] Auberginen sind sehr lecker."

(spezifisch oder allgemein)

Schließlich sei auf die Alternation zwischen Akkusativ und Genitiv hingewiesen, die im Kontext der Negation auftreten kann. Padučeva (1985,

106f.) führt folgendes Beispiel an:

Д окум ент ы не обнаружены. "Die Dokumente sind nicht gefunden worden." (spezifisch)

Д окум ент ов не обнаружено. "Es sind keine Dokumente gefunden worden." (allgemein)

ln dieser Hinsicht interessant wäre sicherlich auch ein Vergleich mit dem Spanischen, das zwei Copulae (ser und estar) aufweist, die sich nach der Zuschreibung essentieller vs. akzidentieller Prädikate unterscheiden und wie die russischen Adjektivendungen fungieren können; vgl.: Las berenjenas sort ricas "Auberginen sind lecker" vs. Las berenjenas estan ricas "Die Auberginen sind lecker".

Da s p r o z e s s o r i e n t i e r t e Lo k a l i s a t i o n s m o d e l l

8 2

Schicht 5: Vorherige Kenntnis des Lokalisationsstatus (Kotext und