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9 Z USAMMENFASSENDE D ISKUSSION

9.3 F AZIT UND A USBLICK

…preparing for a task is associated with specific processes that are configuring the cognitive sys-tem and the available representations of stimuli and responses in such a way that online control operations can run off more or less automatically (S. 1-2).

Die Vorbereitung eines rechten oder linken bzw. proximal oder distal positionierten Tasten-drucks erhöht somit die intentionale Gewichtung für die räumliche Dimension, also für die Bewegungsrichtungsinformationen und die Position der dynamischen Reize, was in einer automatische Voraktivierung der kompatiblen Handlung mündet. Aus diesem Grund war es zu erwarten, dass auch in komplexen Reizdisplays die räumlichen Informationen eine derart starke Gewichtung erhalten, dass eine Induktion der räumlich kompatiblen Handlung statt-findet. Genau das konnte in den Experimenten 2, 4, 5 und 6 gezeigt werden.

Der Mechanismus der intentionalen Gewichtung sorgt für eine flexible Anpassung des kogni-tiven Systems an situative Bedingungen (Memelink & Hommel, 2012). Eine flexible Kodie-rung visueller EreigniskodieKodie-rung konnte in dieser Arbeit in Experiment 1 beobachtet werden.

Dort trat der größte richtungsbasierte Simon Effekt für die Objektbedingung und einen zeitli-chen Abstand von 400ms zwiszeitli-chen der Präsentation des irrelevanten und des relevanten Reizes auf. Nach einer SOA von 600ms kehrte sich der Effekt tendenziell um. Zwischen einer 400ms und 600ms andauernden Betrachtung der Drehbewegung der acht Kreise scheint also eine Überschreibung des Ereigniskodes von der relativen Bewegungsrichtung oberhalb der Drehachse zur gegenteiligen Bewegungsrichtung unterhalb der Drehachse aufgetreten zu sein. Auch wenn diese direkte Anpassung der online Kontrolle (s. Fußnote 22) lediglich eine Vermutung auf Basis starker Indizien darstellt und durch die Daten von Experiment 1 und 1a nicht hinreichend bewiesen werden kann, so ist diese Beobachtung eine interessante De-monstration flexibler Anpassung der Handlungssteuerung an sich ändernde situative Um-weltbedingungen.

sich lateral bewegenden Reizen (Bosbach, 2004; Michaels, 1988; Proctor et al., 1993; Witt-foth et al., 2006). In sportlichen Handlungssituationen bestehen die handlungsrelevanten visuellen Ereignisse aus deutlich komplexeren Szenerien und unterschiedlichen Bewegungs-formen (z.B. Drehbewegungen, Tiefenbewegungen, etc.). Diese Arbeit verfolgte das Ziel, solche sportlichen Handlungssituationen experimentell abzubilden und deren Einflüsse auf die Handlungssteuerung aufzudecken. Es konnte gezeigt werden, dass die Bewegungsrich-tungsinformationen aller untersuchten Bewegungsformen eine intendierte Handlung mit ähnlichen räumlichen Merkmalen induzieren können. Diese Erkenntnisse bleiben dabei auf der Ebene der Grundlagenforschung angesiedelt und sind nicht direkt auf reale sportliche Handlungssituationen übertragbar. Jedoch bieten sich vor dem Erkenntnisstand dieser Ar-beit verschiedene weitere Forschungsrichtungen, um direkte Einflüsse visuell wahrgenom-mener Ereignisse auf die Handlungssteuerung zu untersuchen.

Wie im vorherigen Kapitel aufgezeigt, besteht Forschungsbedarf bei der Determinierung der Eigenschaften eines Ereignis- bzw. Handlungskodes. Welche Voraussetzungen muss eine Eigenschaftsdimension erfüllen, damit deren Merkmale in einem Ereignis- bzw. Handlungs-kode repräsentiert sind? Spezialisierte neuronale Verarbeitungsbereiche stellen keine Ant-wort auf diese Frage dar, da diese Voraussetzung für alle in dieser Arbeit untersuchten Ei-genschaftsdimensionen gegeben war und für Geschwindigkeitsinformationen dennoch keine Merkmalsüberlappung ermittelt werden konnte.

Weiterhin stellt sich die Frage, welche Rolle automatisch induzierte Handlungstendenzen in sportlichen Umweltsituationen spielen. Die hier ermittelten Simon Effekte, aufgrund einer online Übersetzung der räumlichen Informationen einer Bewegung in den Handlungsplan eines Akteurs, machen mit 10-20ms nur eine kleine Reaktionslatenz aus. Allerdings wurde bei allen Experimenten mit einem Tastendruck eine sehr feinmotorische Bewegung ausge-führt. Wenn eine großmotorische Fertigkeit ausgeführt werden soll, ist bekannt, dass die Reaktionszeit mit der Komplexität der auszuführenden Handlung steigt (Henry & Rogers, 1960). Des Weiteren konnte von Buetti und Kerzel (2009) gezeigt werden, dass in einer Si-mon Aufgabe, in der Probanden eine Zeigebewegung zu einem rechts oder links positionier-tem Zielfeld ausführen sollten, Reaktionszeit gegen Bewegungszeit ausgetauscht wird.

Schnelle Reaktionen in inkompatiblen Bedingungen, die initial in die falsche Richtung ausge-führt werden, müssen während der Bewegungsausführung korrigiert werden, was in einer längeren Bewegungszeit resultiert. Das bedeutet, dass automatisch generierte

Handlungs-tendenzen bei komplexeren Fertigkeiten durchaus einen deutlich stärkeren Einfluss auf die zeitliche Komponente der Bewegung ausüben können, als hier in dieser Arbeit ermittelt, und möglicherweis auch die Performanz in sportlichen Handlungssituationen beeinträchtigen könnten. Somit sollte der nächste wichtige Schritt für die Aufklärung, welche Rolle automati-sche generierte Handlungstendenzen auf Basis visueller Umweltereignisse im Sport spielen, die Konzipierung deutlich ökologischerer Experimentsettings mit komplexeren Handlungsal-ternativen sein.

In diesem Zusammenhang ist die Rolle sportlicher Expertise ein interessanter Aspekt. Durch Merkmale eines Reizes induzierte Handlungstendenzen können auch gehemmt werden. Dies ist in Simon Aufgaben vor allem für Versuchsdurchgänge beobachtet worden, die einem in-kompatiblen Versuchsdurchgang folgen (z.B. Stürmer et al., 2002). Man vermutet, dass das kognitive System mit dieser Hemmung versucht, eine Fehlreaktion zu vermeiden (Stoffels, 1996; Stürmer et al., 2002). Können solche Hemmprozesse auch langfristig gelernt werden?

Können Experten einer bestimmten Sportart durch Lernen eine automatische Reaktionsten-denz unterdrücken, um eine unerwünschte Fehlreaktion oder Reaktionsverzögerung zu ver-meiden?

Weiterhin ergibt sich aus den Erkenntnissen dieser Arbeit die interessante Fragestellung, wie visuelle Gewohnheiten oder Expertise die Kodierung von Ereigniseigenschaften beeinflussen.

In den Ergebnissen der Experimente 1 und 1a fiel auf, dass die Hintergrundbedingung sich individuell sehr unterschiedlich auf die Kodierung der Bewegungsrichtungsinformationen auswirkte. Sind z.B. Spielsportler, die es gewohnt sind, einen großen visuellen Ereignisbe-reich zu erfassen, in der Lage, sich weniger von dem großflächig erscheinenden Farbreiz ab-lenken zu lassen, dessen Informationen peripher aufzunehmen und dem irrelevanten Reiz weiter ihre ortsbasierte Aufmerksamkeit zu widmen? Wohingegen z.B. ein Sprinter, der nicht über eine solche visuelle Expertise verfügt, sich eher von dem Farbreiz ablenken lässt und somit die Aufmerksamkeit von dem irrelevanten Reiz entfernt?

Ein weiteres interessantes Forschungsfeld zur Untersuchung automatischer Reaktionsten-denzen durch visuelle Bewegungswahrnehmung bieten bildgebende Verfahren. Es existiert nur eine Studie zum richtungsbasierten Simon Effekt (Wittfoth et al., 2006), in der während der Ausführung einer Simon Aufgabe mit dynamischen Reizen die Verarbeitungsbereiche des Gehirns mittels funktioneller Magnetresonanztomographie untersucht wurden (s. Kapitel 3.3.3). Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, um die eigenständige Induktion einer