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3.3.2 Analyse experimenteller Bedingungen in Simon Aufgaben

3.3.2.2 Bedingungen zur Modulierung des Simon Effekts

(Bot-vinick & Cohen, 1998) kombiniert. Mit letztgenanntem Paradigma lässt sich eine fremde Hand (von einer anderen Person oder aus künstlichem Material) überzeugend als eigene Hand fühlen, wenn diese gleichzeitig mit der nicht-sichtbaren eigenen Hand eine mechani-sche Reizung erfährt (z.B. Streicheln durch einen Pinsel). Das Empfinden der Hand des Co-Akteurs als eigene Hand hatte keinen Einfluss auf den Simon Effekt, was gegen eine Hand-lungs-Co-Repräsentation spricht. Noch stärker dagegen spricht aber das Ergebnis, dass nicht einmal ein Co-Akteur anwesend sein muss, um einen Simon Effekt in einem social Simon task auszulösen. Die Anwesenheit des Streichelapparats zur linken des Probanden war ein ausrei-chendes Ereignis, um die eigene Handlung in einer räumlichen Referenz zu kodieren. Somit konnte hier ein SSE unter nicht-sozialen Bedingungen ermittelt werden. Die Handlungs-Co-Repräsentation ist also kein notwendiges Konzept, um einen SSE zu erzielen. Ein salientes Ereignis, welches eine Alternative zur eigenen Reaktion bietet, reicht aus, um eine perzeptu-elle Diskriminierung z.B. im Sinne von rechts und links vorzunehmen. Damit ist die Überlap-pung von Eigenschaften im Sinne des DO-Models (Kornblum et al., 1990) möglich und ein Simon Effekt kann auftreten (Dolk et al., 2011).

nicht-dominante Hand. Außerdem sei eine Aufmerksamkeits-Neigung für das visuelle Halbfeld, in dem die dominante Hand agiert, für diesen Effekt verantwortlich.

In dem ursprünglichen Experiment zum Simon Effekt von Simon und Small (1969) bestand kein Zeitversatz in der Präsentation des relevanten und irrelevanten Reizes. Beide Informati-onen waren den Probanden zeitgleich zugänglich und eine Handlungsinduktion durch Wahr-nehmung trat auf. Bei der Untersuchung dieses Phänomens wurde der Fokus u.a. auf die zeitliche Beziehung zwischen der Präsentation der aufgabenirrelevanten und der aufgaben-relevanten Informationen gelegt. Dazu führte Hommel (1993b) eine Reihe von Experimenten durch, in denen er das zeitliche Auftreten der beiden Reizinformationen dahingehend vari-ierte, dass der irrelevante Anteil vor dem relevanten Anteil auftrat. Dabei stellte sich heraus, dass der Simon Effekt mit zunehmendem zeitlichem Abstand zwischen diesen beiden Infor-mationen abnahm. Er formulierte aus diesen Ergebnissen heraus die temporal delay hypo-thesis,

which assumes that every experimental manipulation that markedly increases the temporal dis-tance between the formation of the relevant stimulus code and the irrelevant spatial code leads to a decreased Simon effect - that is, to a smaller effect of irrelevant spatial correspondence be-tween stimulus and response (Hommel, 1993b, S. 289).

In jüngerer Vergangenheit mehrten sich experimentelle Befunde zur „Effektfunktion“ (Wie-gand & Wascher, 2005, S. 454) des Simon Effekts, die gegen die pauschale Hypothese von Hommel (1993b) sprechen und einen differenzierteren Blick über den zeitlichen Abstand zwischen der Formierung der räumlichen Kodes durch die relevante und irrelevante Reizin-formation hinaus erfordern. Durch Einteilung der Reaktionszeitverteilung eines Probanden aus kompatiblen und inkompatiblen Durchgängen in aufsteigender Reihenfolge, anschlie-ßender Einteilung in z.B. Dezile (s. Abb. 18) und Bildung eines Mittelwerts pro Dezil, lässt sich durch Subtraktion der kompatiblen von den inkompatiblen Dezil-Mittelwerten die Effekt-funktion des Simon Effekts ermitteln (vgl. Ratcliff, 1979). Die EffektEffekt-funktion des Simon Ef-fekts für horizontal arrangierte Reize und Reaktions-Sets stellt sich so dar, dass mit zuneh-mender Reaktionszeit die Größe des Simon Effekts im Sinne der temporal delay hypothesis (Hommel, 1993b) abnimmt (Buhlmann et al., 2007; Wascher et al., 2001). Allerdings stellt sich der Verlauf der Funktion gegenteilig dar, wenn man eine klassische visuelle Simon Auf-gabe mit überkreuzten Effektoren (z.B. linker Zeigefinger drückt eine rechtsseitig positionier-te Taspositionier-te und vice versa, so dass sich die Unpositionier-terarme überkreuzen) ausführt: der Simon Effekt

Abb. 18 Effektfunktion für die horizontale und vertikale Dimension des Experiments 1 bei Wiegand und Wascher (2005, S. 456). Die Größe des Simon Effekts ist gegen die mittleren Reaktionszeiten der gruppierten Dezile aufgetragen. Die schwarze Linie stellt einen abnehmenden Effekt in einem horizontalen S-R-Arrangement dar und die unterbrochene Linie stellt einen stabilen bis nicht-abnehmenden Effekt in einem vertikalen S-R-Arrangement dar.

nimmt von den kürzesten bis zu den längsten Reaktionszeiten kontinuierlich zu23 (Wascher et al., 2001). Dieser Verlauf lässt sich auch beobachten, wenn Probanden mit je einem Holz-stift die kontralaterale Reaktionstaste betätigten (Buhlmann et al., 2007) und in Simon Auf-gaben mit vertikal arrangierten Reiz- und Reaktionssets (Wiegand & Wascher, 2005) (s. Abb.

18). Wiegand und Wascher (2007) gehen von zwei unterschiedlichen Mechanismen bei der Generierung eines Simon Effekts aus, die auf unterschiedlichen räumlichen Reaktionskodie-rungen basieren: „a visuomotor facilitation of same sided responses, which leads to a tran-sient Simon effect (only observed for horizontal S-R relations) and a cognitive interference of codes leading to a sustained Simon effect” (S. 463).

Wiegand und Wascher (2007) gehen davon aus, dass eine direkte Aktivierung der kompatib-len Reaktion auf einer Überlappung des räumlichen Reizmerkmals mit den Parametern des motorischen Kodes basiert. Die Parameter des motorischen Kodes sind dabei

23 Das Verfahren zur Bildung einer Effektfunktion des Simon Effekts wird von einigen Autoren (Roswarski &

Proctor, 2003; Zhang & Kornblum, 1997) kritisiert. Zhang und Kornblum (1997) führen an, dass unterschiedliche Effektverläufe auf unterschiedliche Varianzen der zugrundeliegenden Verteilungen zurück zu führen sind. Einen ansteigenden Verlauf erhält man, wenn die Varianz der Reaktionszeitverteilung der kompatiblen Durchgänge kleiner ist als die Varianz der Reaktionszeitverteilung der inkompatiblen Durchgänge, dagegen erhält man einen absteigenden Verlauf bei größerer Varianz in der kompatiblen Reaktionszeitverteilung (Zhang & Kornblum, 1997).

hängig. Die Autoren gehen davon aus, dass der motorische Kode solche Parameter enthält, die eine klare Unterscheidung zwischen den Handlungsalternativen erlauben. Für die Ver-wendung von z.B. beiden Händen, wird eine räumlich-anatomische Unterscheidung in rechts und links vorgenommen. Werden zwei unterschiedliche Effektoren eingesetzt (z.B. Hand und Fuß oder Zeige- und Mittelfinger derselben Hand), dann erfolgt eine Unterscheidung hin-sichtlich des anatomischen Status des Effektors (in z.B. Hand und Fuß) und keine räumlichen Merkmale sind in der motorischen Repräsentation enthalten. Somit ist keine direkte Aktivie-rung des motorischen Kodes aufgrund visuomotorischer Informationen und somit eine ver-einfachte Ausführung in kompatiblen Aufgabensettings möglich, sondern der Simon Effekt entsteht aufgrund kognitiver Mechanismen, die auf einer Kodierung der relativen räumli-chen Position an der die Handlung stattfindet basieren. Mit diesem Vorschlag erweitern Wascher et al. (2001) das DO-Model (s. Kapitel 3.3.1.1) von Kornblum et al. (1990), in wel-chem nur ein Reaktionsmechanismus mit zwei Verarbeitungspfaden postuliert wird.

Es gibt Hinweise aus LRP-Studien, die den Vorschlag von zwei unterschiedlichen Mechanis-men bei der Generierung des Simon Effekts untermauern. Bei der Durchführung einer Simon Aufgabe mit horizontal oder vertikal angeordneten Reizen, konnten Wiegand und Wascher (2005) für ersteres S-R Arrangement ein frühes LRP ermitteln, was Befunde früherer Studien replizierte und für eine automatische Reaktionsaktivierung gewertet wird (s. Kapitel 3.3.1.1).

Für vertikale S-R Arrangements blieb das frühe LRP aus und der Simon Effekt manifestierte sich im Beginn des späteren LRPs, was ein Ausdruck verlängerter Reaktionsauswahl in nicht-kompatiblen Versuchsdurchgängen wiederspiegeln könnte und damit die Annahme unter-stützt, dass dem Simon Effekt zwei unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen. Diese Ergebnisse sind jedoch mit zwei Problemen behaftet: Zum einen gibt es Studien, die auch in vertikalen S-R-Arrangement ein frühes LRP ermitteln konnten (De Jong et al., 1994; Stürmer, Leuthold, Soetens, Schröter & Sommer, 2002; Valle-Inclán, 1996). Zum anderen, konnten Valle-Inclán (1996) zeigen, dass ein frühes LRP in einem horizontalen S-R-Arrangement nicht frei von sensorischer Aktivität durch die Stimulation des lateralen visuellen Halbfeldes sind.

Somit bleibt die Validierung des Zwei-Mechanismen-Ansatzes durch neurophysiologische Daten noch offen24 (Leuthold, 2011).

Eine Modulierung des Simon Effekts kann auch durch die Wahl des Effektors auftreten.

Buckolz et al. (1996) ließen Probanden eine klassische visuelle Simon Aufgabe mit horizontal

24 Für eine mögliche Erklärung der Elimination eines initialen LRPs in einigen EEG-Studien zum Simon Effekt siehe Leuthold (2011).

arrangiertem Reiz- und Reaktionsset sowohl bimanuell (rechter und linker Zeigefinger) als auch unimanuell (Zeige- und Mittelfinger einer Hand) ausführen. Die Ergebnisse zeigen einen mehr als viermal größeren Simon Effekt für die unimanuelle Bedingung (51ms) im Vergleich zur bimanuellen Bedingung (12ms).

Es gibt zahlreiche empirische Nachweise für eine Modulierung des Simon Effekts, wenn vor dem Erscheinen des relevanten Reizes ein Hinweisreiz (engl.: precue) über dessen Erschei-nungsort (attentional precue) oder über die korrekte Reaktion (intentional precue) gegeben wird (Proctor et al., 1992; Proctor & Wang, 1997; Verfaellie et al., 1988; Wascher & Wolber, 2004). Dabei bewirkt ein intentionaler Hinweisreiz eine Zunahme des Simon Effekts gegen-über Durchgängen ohne Hinweisreiz (Klassisches Design), während ein attentionaler Hin-weisreiz weder eine Zu- noch eine Abnahme des Simon Effekts bewirkt (Proctor et al., 1992;

Verfaellie et al., 1988). Diese Befunde sprechen sowohl gegen die ASH, als auch gegen die Annahme, dass der Simon Effekt einen Konflikt bei der Handlungsauswahl reflektiert (Wascher & Wolber, 2004). Wenn ein attentionaler Hinweisreiz die Aufmerksamkeit des Probanden auf den Ort lenkt, an dem der relevante Reiz erscheint, hat eine Aufmerksam-keitsverschiebung zum Zeitpunkt der Stimulus-Präsentation bereits stattgefunden und ein Simon Effekt sollte ausbleiben. Ein Simon Effekt vergleichbarer Größe konnte jedoch sowohl für Versuchsdurchgänge mit als auch ohne Hinweisreiz ermittelt werden (Proctor et al., 1992; Wascher & Wolber, 2004). Bei Simon Aufgaben mit intentionalem Hinweisreiz kann bereits anhand des Hinweisreizes die korrekte Handlung vorbereitet werden, so dass ein Konflikt auf der Ebene der Handlungsauswahl ausbleiben sollte (Wascher & Wolber, 2004), was jedoch nicht zutrifft. Hasbroucq und Possamaï (1994) gehen nach einer Analyse der Stu-die von Proctor et al. (1992) davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen der Validität des intentionalen Hinweisreizes und der Reiz-Reaktionskompatibilität gäbe. Dieser Zusam-menhang könne dazu führen, dass der verstärkte Simon Effekt durch valide Hinweisreize aufgrund von schnellerer bzw. verzögerter perzeptueller Verarbeitung generiert würde und nicht auf einer Vorbereitung der korrekten Reaktion basiere. In der validen Hinweissituation eines kompatiblen Durchgangs zeige der Richtungspfeil nicht nur auf die Seite der korrekten Antwortposition, sondern auch auf den Ort, an dem der Reiz erscheine. Somit könne hier von einer schnellen perzeptuellen Verarbeitung ausgegangen werden. In der validen Hin-weissituation eines inkompatiblen Durchgangs zeige der Pfeil auf den Ort, an dem der Reiz nicht erscheine. Eine Aufmerksamkeitsverschiebung finde statt, was zu verzögerter

perzep-tueller Verarbeitung führe (diese Annahmen wird durch EEG-Daten von Hasbroucq und Pos-samaï (1994) und Wascher und Wolber (2004) unterstützt). In invaliden Hinweissituationen stelle sich der Fall gegenteilig dar, so dass kompatible Durchgänge perzeptuell langsamer verarbeitet würden als inkompatible Durchgänge, was zu einer Reduzierung bis Umkehrung des Simon Effekts (Proctor et al., 1992) führen könnte. Buhlmann und Wascher (2006) nah-men an, dass dieser Umstand vor allem auch auf die Art des intentionalen Hinweisreizes (richtungsweisende Symbole) zurückzuführen sei und führten Simon Aufgaben mit intentio-nalem Hinweisreiz durch, die keinen expliziten richtungsweisenden Charakter (zentral prä-sentierter roter oder grüner Kreis) besitzen. Hierbei konnte kein Einfluss auf den Simon Ef-fekt ermittelt werden. Auch die Präsentation eines taktilen intentionalen Hinweisreizes (Vib-ration der Handinnenflächen) hatte keinen Einfluss auf die Größe des Simon Effekts, so dass die Autoren die Annahme von Hasbroucq und Possamaï (1994) unterstützen, dass der modu-lierende Einfluss von visuell intentionalen Hinweisreizen auf eine visuell räumliche Verschie-bung der Aufmerksamkeit zurückzuführen ist.

Einen weiteren modulierenden Einfluss übt die Anzahl inkompatibler Durchgänge innerhalb einer Simon Aufgabe auf den Simon Effekt aus. Hommel (1994b) konfrontierte Probanden mit Simon Aufgaben, in denen die Anzahl der inkompatiblen Durchgänge 20%, 50%, 75%

oder 80% betrug. Hier zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Größe des Simon Effekts und der Quote inkompatibler Durchgänge: Der Effekt nimmt mit steigender Anzahl inkompatibler Durchgänge ab. Eine Analyse des Effekts von Versuchsdurchgang zu Versuchs-durchgang zeigt, dass der vorangegangene Versuch einen entscheidenden Einfluss auf den aktuellen Versuch ausübt. Stürmer et al. (2002) konnten zeigen, dass der Simon Effekt ver-ringert wird oder sogar ausbleibt, wenn der vorangegangene Versuch inkompatibel war.

Hommel (2011b) bietet für diesen Sequenzeffekt folgende Erklärung: Er vermutet, dass asso-ziatives Lernen zwischen der kontralateral dargebotenen Reizposition und der ipsilateralen Reaktionsposition (im Hinblick auf ein klassisch horizontal arrangiertes Reiz-Reaktionsset) stattfindet. Ist die Anzahl inkompatibler Durchgänge hoch, lernt der Proband nach einigen Durchgängen, dass z.B. auf einen links präsentierten Reiz in den meisten Fällen eine rechts-seitige Reaktion erfolgt. Diese assoziative Verknüpfung äußert sich in verkürzten Reaktions-zeiten in inkompatiblen Durchgängen und führt somit zu einem reduzierten bis umgekehrten Simon Effekt. Eine Alternativerklärung nimmt eine Interferenz zwischen dem vorangegange-nen Reizcode und dem aktuellen Reizcode an (Hommel, Proctor & Vu, 2004). Wenn auf

ei-nen inkompatiblen Durchgang ein kompatibler Durchgang folgt, dann kommt es zu einer partiellen Wiederholung von Merkmalen des Reizes oder der Reaktion (z.B. linker Reiz/rechte Reaktion  linker Reiz/linke Reaktion).

The likely reason is the spontaneous integration of stimulus and response codes into episodic, content-retrievable event files (as assumed by TEC) on a trial-by-trial basis. Any feature repetition would thus retrieve the previous event file, which would induce code conflict if the repetition is only partial (Hommel, 2011b, S. 199).

Eine neurophysiologische Erklärung des reduzierten Simon Effekts nach inkompatiblen Durchgängen besagt, dass hier eine Hemmung der automatischen Reaktionstendenz statt-findet, um eine inkorrekte Reaktion zu vermeiden (Stoffels, 1996; Stürmer et al., 2002).

Praamstra, Kleine und Schnitzler (1999) untersuchten den Sequenzeffekt in einer Simon Auf-gabe mittels transkranialer Magnetstimulation (TMS). Bei der TMS werden schnell veränder-bare magnetische Felder erzeugt, die einen elektrischen Fluss im Cortex erzeugen, was neu-ronale Aktivität hervorruft. Die magnetischen Felder können aktivierend oder hemmend wirken. Die Autoren nahmen an, dass eine aktivierende Stimulation des prämotorischen Kor-tex die Reduzierung des Simon Effekts nach inkompatiblen Durchgängen aufheben sollte. Die Ergebnisse ihres Experiments bestätigen diese Annahme.