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3.3.1 Erklärungen für den Simon Effekt

3.3.1.2 Die Hypothesen der referenziellen Kodierung und der

3.3.1.2 Die Hypothesen der referenziellen Kodierung und der

Dasco-la & Umiltà, 1987) stellt die verdeckte Aufmerksamkeitsverschiebung eine Vorbereitungsstu-fe für eine Sakkade dar und ist somit stark mit der ofVorbereitungsstu-fenen Orientierung verknüpft (Müller &

Krummenacher, 2008; Rubichi, Nicoletti, Iani & Umiltà, 1997). In dieser Vorbereitungsstufe findet laut der PMTA die Programmierung einer Sakkade in Richtung der Aufmerksamkeits-verschiebung statt. Der Richtungskode der Sakkade stellt dabei den räumlichen Kode des Stimulus dar. Die PMTA wird von einigen Autoren als Grundlage der ASH angesehen (Rubichi et al., 1997; Stoffer & Umiltà, 1997) und als Erklärung dafür, wie eine Aufmerksamkeitsver-schiebung zur Generierung eines räumlichen Kodes führt15. Es gibt zahlreiche Studien, die eine entscheidende Rolle der Aufmerksamkeit bei der Generierung eines Simon Effekts bele-gen (Abrahamse & van der Lubbe, 2008; Nicoletti & Umiltà, 1994; Proctor & Lu, 1994; Stof-fer, 1991; Stoffer & Yakin, 1994; Umiltà & Liotti, 1987). Es existieren aber auch Befunde, die gegen die ASH sprechen (Hommel, 1993c; Lamberts, Tavernier & d'Ydewalle, 1992; Proctor, Lu & Van Zandt, 1992; Valle-Incán, Hackley & Labra, 2003; Weeks, Chua & Hamblin, 1996).

Ein sehr starker Gegenbeweis stammt von Valle-Incán et al. (2003): Sie führten eine Simon Aufgabe durch, bei der den Probanden ein visueller Stimulus monokular präsentiert wurde.

Die Autoren nutzten dazu ein Stereoskop, welches über ein Spiegelsystem jedem Auge ge-trennt voneinander die Betrachtung auf zwei zunächst gleiche Reize (zwei rechteckige Rah-men) ermöglicht. Die beiden rechteckigen Rahmen werden dabei als ein einziger Rahmen wahrgenommen. Es erschien entweder im rechten oder linken Rahmen ein Farbreiz, auf welchen mit einem rechten oder linken Tastendruck reagiert werden sollte. Da der Farbreiz nur in einem der beiden Rahmen erschien, gelangten die sensorischen Informationen nur über ein Auge in den visuellen Kortex, wurden aber als zentral auf dem Monitor präsentiert wahrgenommen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass die Reaktionszeiten signi-fikant kürzer sind, wenn das stimulierte Auge (z.B. linkes Auge) mit der Reaktionsposition kompatibel ist (z.B. linke Reaktionstaste), als wenn keine Kompatibilität mit der Reaktions-position vorliegt (z.B. rechte Reaktionstaste) (455ms vs. 472ms). Dieses Ergebnis kommt un-abhängig davon zustande, ob den Probanden bewusst war, welches Auge stimuliert wurde (bei etwas mehr als 50% der Probanden, n = 13) oder nicht. Unter diesen experimentellen Bedingungen findet keine Verschiebung der Aufmerksamkeit, wie in der ASH beschrieben,

15 Es gibt aber auch Einwände dazu, da ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der PMTA und der ASH im Hinblick auf die Generierung des räumlichen Kodes bestehen würde: während die PMTA annimmt, dass der räumliche Kode durch Programmierung der Richtung der Aufmerksamkeitsverschiebung in Referenz zur aktuell fokussierten Position generiert wird, ist bei der ASH die aktuelle örtliche Aufmerksamkeit in Referenz zur vor-herigen Aufmerksamkeitsposition von entscheidender Bedeutung (Hommel, 2011a).

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statt. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass eine Verschiebung der Aufmerksamkeit keine notwendige Bedingung für die Generierung eines Simon Effekts darstellt.

Die ASH ist weiterhin nicht in der Lage zu erklären, wie es zu „joint S-R compatibility effects“

(Lamberts et al., 1992, S. 122) kommen kann. Lamberts et al. konnten in ihrer Studie drei Simon Effekte in einem Experiment (Experiment 2) ermitteln. Hier bestand die relevante Reizinformation aus einer nicht-räumlichen Eigenschaft (Form), während drei verschiedene räumliche Positionsinformationen als irrelevante Informationen fungierten. Der relevante Reiz konnte an acht verschiedenen Positionen auf dem Monitor (horizontal arrangiert) er-scheinen (s. Abb. 13). Ein Reiz, welcher an einer dieser acht Positionen erscheint, beinhaltet nun drei Positionsinformationen: er befindet sich in dem rechten/linken Rahmen (relative position) von zwei Rahmen, die sich wiederum entweder rechts oder links von einem

Fixati-onspunkt (hemifield) befinden, welche sich wiederum mittig auf der rechten oder linken Sei-te des Monitors (hemispace) befinden. All diese Positionsinformationen beeinflussen die Reaktionsgeschwindigkeit der Probanden. Die Kodierungen der verschiedenen räumlichen Positionsinformationen weisen dabei einen additiven Charakter auf die SRC auf: je mehr räumliche Kodes des Reizes mit dem räumlichen Kode der Reaktion übereinstimmen, desto größer stellt sich der Simon Effekt dar. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass mehrere räumliche Kodes simultan verarbeitet werden können, welche alle zusammen mit einer intendierten Handlung interferieren, und nicht allein die Verschiebung der Aufmerksamkeit

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Abb. 13 Skizze der irrelevanten räumlichen Informationen der Reize bei Lamberts et. al (1992) (modifiziert nach Lamberts et. al, 1992, S. 118).

hin zur aktuellen Stimulusposition mit Referenz zur zuvor beachteteten Position für die Generierung des räumlichen Reizkodes verantwortlich ist (Hommel, 2011b).

Ein Simon Effekt lässt sich auch in Simon Aufgaben mit sogenannten akzessorischen (engl.:

accessory) Reizen beobachten. Hier werden den Probanden bspw. zentrale visuelle Farbreize präsentiert, die von einem zufällig rechts oder links erscheinendem Ton begleitet werden.

Die Reaktion auf die Farbreize mit einem rechten oder linken Tastendruck wird hierbei von der Präsentationsseite des Tons beeinflusst: Probanden reagieren schneller, wenn die Präsentationsseite des Tons mit der Reaktionsseite übereinstimmt (Mewaldt, Connelly &

Simon, 1980). Nach der ASH müsste hierbei eine visuelle Aufmerksamkeitsverschiebung in Richtung der Tonseite stattfinden. Diese Annahme scheint in diesem Experiment eher unwahrscheinlich zu zutreffen, da sie dadurch ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf den visuell zentral präsentierten (relevanten) Reiz richten würden (Hommel, 2011b). Ein Simon Effekt mit akzessorischen Reizen lässt sich - nebenbei bemerkt - auch ermitteln, wenn diese dem Probanden unbewusst präsentiert werden (Treccani, Umiltà & Tagliabue, 2006).

Weitere Befunde, die gegen die ASH sprechen, stammen aus einer dieser Arbeit zu Grunde liegenden Studie zum richtungsbasierten Simon Effekt (s. Kapitel 3.3.3). Bosbach (2004) prä-sentierte Probanden zentral auf einem Monitor einen Lichtpunktläufer, welcher stationär nach rechts oder links zu laufen schien. Nach unterschiedlichen Zeitintervallen färbten sich die Punkte des Lichtpunktläufers in Rot bzw. Blau, worauf die Probanden mit einem rechten bzw. linken Tastendruck reagieren sollten. Hier konnte ein richtungsbasierter Simon Effekt ermittelt werden, d.h. die Probanden reagierten schneller, wenn die Bewegungsrichtung des Lichtpunktläufers (z.B. nach rechts) mit der Reaktionsposition übereinstimmt (z.B. rechte Taste), als wenn dies nicht zutrifft. Auch hier ist keine Verschiebung der Aufmerksamkeit nötig und dennoch lässt sich eine Induktion der räumlichen Reaktion durch die irrelevante räumliche Information des Reizes feststellen.

Die Hypothese der referentiellen Kodierung

Einen alternativen Erklärungsversuch, wie räumliche Kodes generiert werden, bietet Hom-mel (1993) mit der RCH. Diese Hypothese schließt Aufmerksamkeitsverschiebung als notwe-nige Bedingung zur perzeptuellen Informationsverarbeitung nicht aus, misst dieser aber kei-ne zentrale Rolle bei der Gekei-nerierung räumlicher Kodes bei. Die RCH nimmt an, dass die räumliche Position eines Objekts „in reference to an intentionally defined object or frame of

reference (or several of them)” (Hommel, 1993c, S. 209) kodiert wird. Das kann z.B. ein Fixa-tionspunkt (rechts- oder links-von-etwas) sein oder in Referenz zu einem Rahmen (z.B. des Computermonitors) bzw. in Referenz zu einem zweiten Objekt oder Distraktor geschehen.

Der aktuell betrachtete Stimulus und/oder Ort dient als ursprünglicher Bezugsrahmen. Ein Reiz wird nun als links/rechts kodiert, wenn er eine linksseitige oder rechtseitige Aufmerk-samkeitsverschiebung auslöst, wobei hier die aktuelle (relative) Position des Reizes ent-scheidend ist,„just like color coding relates to the actual color and shape coding to the actu-al shape of a stimulus“ (Hommel, 2011a, S. 266). Für jedes seiner Experimente, die entweder eine zooming-in-Prozedur (Experiment 1-3) oder eine zooming-out-Prozedur (Experiment 1-6) der Probanden verlangten, von denen man annimmt, dass sie keine lateralen Aufmerk-samkeitsverschiebungen beinhalten16 (Stoffer, 1991), konnte Hommel (1993e) zeigen, dass ein Simon Effekt auftritt, der sich nicht mit der ASH, aber sehr wohl mit der RCH erklären lässt. In Experiment 4 nutzte Hommel in einer Simon Aufgabe einen lateral vom Fixations-punkt erscheinenden Hinweisreiz. Dieser Hinweisreiz bestand aus einer deutlich kleineren Version des relevanten Reizes (rechteckige Form), jedoch ohne Farbinformation (relevanter Reiz). In 50% der Fälle erschien auch der relevante Reiz an der Position des Hinweisreizes und in den übrigen Fällen auf der anderen Seite des Fixationspunktes. Da der Hinweisreiz bereits die visuelle Aufmerksamkeit vom Fixationspunkt lateral nach rechts/links verschiebt, findet in der Bedingung, dass auch der relevante Reiz an der Position des Hinweisreizes er-scheint, keine Verschiebung der Aufmerksamkeit mehr statt, sondern lediglich eine zoom-out-Prozedur. Diese Prozedur enthält keine direktionale Parametrisierung, so dass keine rechts-/links-Kodierung zu erwarten ist (vgl. Hommel, 1993c, S. 214). Nach der ASH dürfte in dieser Situation kein Simon Effekt auftreten, jedoch schon nach der RCH, da hier eine räum-liche Kodierung des Reizes in Referenz zum Fixationspunkt erfolgen kann. In der Bedingung, in der der Hinweisreiz nicht die korrekte Reizposition voraussagt, sagen beide Hypothesen das Auftreten eines Simon Effekts voraus. Die Ergebnisse von Hommel zeigen einen Simon Effekt für beide Hinweisreizbedingungen, was sich gut mit der RCH, aber nicht mit der ASH vereinbaren lässt.

16 Die Metapher eines Zoom-Objektivs zur Beschreibung der visuellen Aufmerksamkeit stammt von Eriksen und St. James (1986). Sie nehmen in ihrem zoom lens model an, dass visuelle Aufmerksamkeit in einer zoom-out-Situation einen großen Teil des visuellen Feldes mit gleichverteilter Verarbeitungskapazität für die darin enthal-tenen Reize abdeckt. In einer zoom-in-Situation können die attentionalen Kapazitäten auf einen kleinen räumli-chen Bereich konzentriert werden, so dass sehr viele und detaillierte Informationen über einen bestimmten Reiz verarbeitet werden können, während die den Reiz umgebenden Informationen sehr wenig detailliert und verschwommen wahrgenommen werden.

Doch auch für die RCH gibt es empirische Befunde, die sich nicht mit deren Annahmen ver-einbaren lassen. Proctor und Lu (1994) konnten z.B. zeigen, dass der Simon Effekt von deut-lich geringerer Größe ist, wenn während der Stimulus-Präsentation auch ein zentrales Fixati-onskreuz dargeboten wurde, als wenn kein FixatiFixati-onskreuz gezeigt wurde17 (s.a. Proctor et al., 1992). Da die RCH annimmt, dass räumliche Kodes eines Reizes in Referenz zu einem Ob-jekt generiert werden – was durch ein Fixationskreuz besser gelingen sollte, als ohne – sind diese empirischen Befunde nicht mit dieser Hypothese vereinbar.

Zusammenfasend lassen sich sowohl für die attentional-shift hypothesis auch für die referen-tial coding hypothesis stützende als auch nicht-stützende empirische Befunde in der Litera-tur finden. Beide Hypothesen scheinen die Mechanismen zur Generierung räumlicher Kodes nicht umfassend zu beschreiben. Während die RCH, genauso wie das Modell dimensionaler Überlappung (Kornblum et al., 1990), die räumliche Position eines Reizes als eine Eigenschaft des Reizes (genauso wie z.B. seine Form und Farbe) betrachten, geht die ASH davon aus, dass die Verschiebung der Aufmerksamkeit von einem beachteten Ort hin zur Position des Reizes für die Generierung des räumlichen Kodes verantwortlich ist.

Neben der ASH und der RCH findet sich in der Fachliteratur noch ein umfassendes Modell, das den Simon Effekt erklären könnte, indem es die Folge der Verarbeitung räumlicher In-formationen eines Reizes als eines seiner Merkmale beschreibt: die Theorie der Ereignisko-dierung (Hommel et al., 2001). Dieses Modell beschreibt dabei nicht nur den Simon Effekt, sondern versucht darüber hinaus ein allgemeingültiges Konzept menschlicher Handlungs-kontrolle darzustellen. Im nachfolgenden Kapitel wird diese Theorie erläutert.