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3.3.2 Analyse experimenteller Bedingungen in Simon Aufgaben

3.3.2.1 Bedingungen für das Auftreten eines Simon Effekts

Zweifachwahlreak-tionsaufgaben, in Bezug auf dessen horizontal vom Zentrum (rechts bzw. links) versetzten Darbietungsort ermitteln. Die Reaktionstasten waren dabei so angeordnet, dass sie ebenfalls einer horizontal-räumlichen Bezug zueinander hatten, der dem der Reize entsprach. Guiard (1983) konnte zeigen, dass ein Simon Effekt ebenfalls auftritt, wenn man statt eines rechten bzw. linken Tastendrucks eine Lenkradbewegung im bzw. gegen den Uhrzeigersinn (oder anders ausgedrückt: nach rechts bzw. nach links) ausführt. Ähnliches konnte Bosbach (2004) zeigen: In ihrem Experiment 1a reagierten die Probanden in einer statischen Reaktions-bedingung auf klassische Art mit einem rechten oder linken Tastendruck und in der dynami-schen Reaktionsbedingung mit der horizontalen Bewegung eines Stiftes auf einem

Graphik-tablett nach rechts oder links. Für beide Reaktionsbedingungen konnte Bosbach einen Simon Effekt feststellen, wobei die Reaktionsmodalität („statisch vs. dynamisch“) keinen Einfluss auf die Größe des Effekts hatte21. Die Ergebnisse dieser beiden Studien sind ein Beleg dafür, dass der Simon Effekt einen Konflikt bei der Reaktionsauswahl repräsentiert und unabhängig von der Reaktionsausführung ist. Allerdings konnten Buetti und Kerzel (2009) in ihrer Unter-suchung zeigen, dass ein Simon Effekt auch in der Bewegungsausführungszeit sichtbar wer-den kann. Sie führten ein Experiment mittels Simon Paradigma durch, in dem Probanwer-den auf

21 An dieser Stelle muss zusätzlich erwähnt werden, dass auch das Stimulusdisplay aus dynamischen Reizen bestand (Kreise, die sich von links nach rechts oder rechts nach links bewegen). Diesen für die vorliegende Arbeit höchst zentralen Aspekt wird in einem eigenen Kapitel (s. Kapitel 3.3.3) intensiv eingegangen und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden.

Abb. 17 Skizze des Versuchsaufbaus bei Buetti und Kerzel (2009, S. 819). A = kompatible Bedingung, B = inkompatible Bedingung. Siehe Text für nähere Erläuterungen (IMA=initial movement angle).

einen visuellen Farbreiz hin auf eine rechte oder linke Box (dargestellt auf einem in einen Tisch integrierten Flachbildschirm, s. Abb. 17) zeigen sollten. Der Farbreiz erschien in einer der beiden Boxen und gab an, auf welche Box gezeigt werden sollte. Somit konnte der Er-scheinungsort des Farbreizes mit dem Zeigeort übereinstimmen (kompatible Bedingung) oder der Farbreiz erschien in der Box, auf die nicht gezeigt werden sollte (inkompatible Be-dingung). Der rechte Zeigefinger ruhte dabei vor jedem Versuchsdurchgang auf einem mittig zwischen den beiden Boxen positioniertem Fixationskreuz.

Zunächst konnten die Autoren einen zuverlässigen Simon Effekt für die Reaktionszeiten (Zeit zwischen dem Onset des Farbreizes und dem Bewegungs-Onset, definiert als Bewegung mit einer Geschwindigkeit von 50mm/s für mind. 100ms) der Zeigebewegung feststellen. Dar-über hinaus war auch die Bewegungszeit (Zeit zwischen Bewegungs-Onset und Berührung der Bildschirmoberfläche) in kompatiblen Bedingungen kürzer, als in inkompatiblen Bedin-gungen. Diese Differenz tritt vor allem in den inkompatiblen Durchgängen zum Vorschein, in denen die Reaktionszeit kurz war, da hier die Bewegungszeit entsprechend länger war (Aus-tausch von Reaktionszeit gegen Bewegungszeit). In diesen Durchgängen wird die Entschei-dung über die Zeigerichtung erst nach der Bewegungsinitiierung getroffen. Das lässt sich daran erkennen, dass der initiale Bewegungswinkel in inkompatiblen Durchgängen in Rich-tung des Ortes, an dem der Reiz präsentiert wurde statt zur korrekten Zeigeposition ausge-führt wurde (s. Abb. 17B). Unzureichend vorbereitete Bewegungen wurden zunächst in Rich-tung des relevanten Reizes ausgeführt und mussten dann korrigiert werden, was zu längeren Bewegungszeiten führte. Die Reaktionsauswahl findet dabei erst während der Bewegungs-ausführung (online22 Korrektur) statt (vgl. lift and decide strategy bei Rubichi, Nicoletti, Um-iltà & Zorzi, 2000).

In den bisher vorgestellten Reaktionsmodalitäten ist die Dimension räumliche Position mit den Attributen rechts und links eine inhärente Eigenschaft: Sei es ein Tastendruck auf einer rechten und linken Position oder eine Lenkradbewegung, die Bewegung eines Stiftes oder eine Zeigebewegung nach rechts oder nach links. Die räumliche Position einer Handlung o-der die Richtung, in die sie verläuft scheinen in ähnlicher Weise kodiert zu werden und somit

22 Die offline und online Kontrolle stellen zwei miteinander interagierende Komponenten menschlicher Hand-lungskontrolle dar (Hommel, 2006; Hommel, Müsseler, Aschersleben und Prinz, 2001). Die offline Kontrolle bezieht sich dabei auf Prozesse, die in die Vorbereitung einer Handlung involviert sind. Sie arbeitet „antizipativ und unabhängig von den momentanen Reizbedingungen“ (Hommel, 2006, S. 26). Die online Kontrolle übersetzt die aktuellen Umweltbedingungen in den, von der offline Kontrolle vorbereiteten, Handlungsplan. Bei der onli-ne Kontrolle geht man davon aus, dass diese nicht bewusst abläuft, während die die offlionli-ne Kontrolle durchaus von bewusster Vermittlung abhängig ist.

eine Überlappung mit der Ereigniskodierung, welche die gleichen räumlichen Attribute auf-weist, erzeugen zu können.

Induktionen einer intendierten Handlung durch die Wahrnehmung räumlicher Positionsin-formationen sind nicht auf eine horizontale Anordnung der Reize und Reaktionen be-schränkt. Auch mit einer vertikalen Anordnung der Reize und Reaktionstasten lässt sich ein Simon Effekt ermitteln (Hedge & Marsh, 1975; Hommel & Lippa, 1995). Hedge und Marsh (1975) variierten die Anordnungen der Reize und Reaktionstasten derart, dass sie entweder beide sowohl horizontal oder vertikal oder jeweils unterschiedlich angeordnet waren (Reize:

horizontal, Reaktionen: vertikal und vice versa). In den beiden Experimenten, in denen die Anordnung der Reize äquivalent zur Anordnung der Reaktionstasten war, trat ein Simon Ef-fekt auf. Wenn die Anordnungen verschieden waren, trat kein InduktionsefEf-fekt auf. Im Ge-gensatz zu diesem Ergebnis konnten Hommel und Lippa (1995) sehr wohl einen Simon Effekt für orthogonal angeordnete Reize und Reaktionstasten ermitteln, wenn eine der Reaktions-anordnung entsprechende Beziehung zwischen den Reizen besteht. Sie ließen Probanden mit einem rechten oder linken Tastendruck auf das Erscheinen eines schwarzen Kreises in entweder dem rechten oder linken Auge eines Bildes von Marilyn Monroe reagieren. Das Bild war dabei um 90° nach rechts oder links gedreht, so dass die Reize oberhalb und unter-halb des Fixationskreuzes im Zentrum erschienen. Die Hälfte der Probanden wurden instru-iert auf den oben bzw. unten erscheinenden Reiz mit einem rechten bzw. linken Tastendruck zu reagieren. Die andere Hälfte erhielt das umgekehrte Mapping. Somit bestand S-R Kompa-tibilität für jeden Probanden lediglich in einer der beiden Bildorientierungen. Aus dieser Ver-suchsanordnung resultierten signifikant schnellere Reaktionen, wenn die Reaktionstaste mit der Augenorientierung kompatibel war, als wenn diese nicht übereinstimmten. Das bedeu-tet, dass vertikal angeordnete Reize als rechts oder links kodiert werden, wenn sie in einer solchen kontextuellen Beziehung zueinander stehen.

Der Simon Effekt stellt ein sehr stabiles Phänomen dar, welches auch dann noch auftritt, wenn man einen Probanden eine Simon Aufgabe sehr häufig durchführen lässt. Hommel, Prinz, Aschersleben und Vogt (1995) ließen einen Probanden in 30 Sitzungen eine Simon-Aufgabe mit jeweils 210 Versuchen durchführen und konnten für jede Sitzung einen Simon Effekt feststellen. Auch Simon selbst interessierte sich für den Einfluss von Übung auf den Simon Effekt (Simon, Craft & Webster, 1973): In seinem Experiment führten acht Probanden an fünf aufeinanderfolgenden Tagen eine klassische Simon-Aufgabe (mit jeweils 216

Versu-chen) aus. Einen Übungseffekt konnten die Autoren bezüglich des abnehmenden Reaktions-zeitniveaus feststellen, aber der Simon Effekt wurde nicht eliminiert. Diese Ergebnisse deu-ten an, dass der Simon Effekt eine fundamentale Eigenschaft menschlicher Informationsver-arbeitung reflektiert (vgl. Lu & Proctor, 1995, S. 176). Diese Annahme stützend kann ein Si-mon Effekt auch bei Kindern im Vor- bzw. Grundschulalter ermittelt werden (Tagliabue, Zor-zi, Umiltà & Bassignani, 2000).

Die Kodierung räumlicher Informationen geht über den Handlungsspielraum einer einzelnen Person hinaus. So können auch die Handlungen anderer Personen die eigene Handlungs-steuerung beeinflussen. Beim sogenannten social Simon effect (SSE) (Sebanz, Knoblich &

Prinz, 2003) führen zwei Personen gemeinsam eine Simon Aufgabe aus, wobei jeder Proband für eine von zwei möglichen Reaktionen verantwortlich ist. Sitzen zwei Personen nebenei-nander und bedienen jeweils eine Reaktionstaste in einer klassischen visuellen Simon-Aufgabe, dann lässt sich auch hierbei ein Reaktionszeitvorteil der kompatiblen gegenüber der inkompatiblen Durchgänge ermitteln. Dieser Effekt bleibt aus, wenn der Stuhl des Part-ners leer bleibt oder der Partner nur dort sitzt, aber nicht agiert (Sebanz et al., 2003). Der SSE wir als Indiz für Handlungs-Co-Repräsentationen gewertet, d.h. nicht nur die eigenen Handlungsdispositionen, sondern auch diejenigen anderer werden bei gemeinsamen Hand-lungen repräsentiert (Dolk et al., 2011). Diese Annahme impliziert, dass der SSE soziale und automatische Merkmale aufweist. Gegen die soziale Komponente spricht jedoch die Tatsa-che, dass ein SSE auch bei autistischen Probanden ermittelt werden konnte (Sebanz, Knob-lich, Stumpf & Prinz, 2005), deren Behinderung durch eine Beeinträchtigung des Sozialver-haltens charakterisiert ist. Für eine rein räumliche Erklärung, d.h. die eigene Handlung wird relativ zur anderen Person als rechts oder links kodiert, spricht demgegenüber der Befund, dass der SSE verschwindet, wenn der Co-Agierende sich weiter als eine Armlänge entfernt befindet (Guagnano, Rusconi & Umilta, 2010). Allerdings reicht diese Annahme nicht aus, um zu erläutern, warum auch eine Abneigung gegenüber dem Co-Agierenden (Hommel, Colzato

& van den Wildenberg, 2009) oder Akteure in schlechter Stimmung (Kuhbandner, Pekrun &

Maier, 2010) den SSE verschwinden lassen.

Aktuelle Befunde sprechen eher gegen das Konzept der Handlungs-Co-Repräsentationen:

Dolk et al. (2011) testeten in drei Experimenten, ob man bei der gemeinsamen Durchführung einer Simon Aufgabe die Handlungen des Co-Agierenden in das eigene Körperschema inte-griert. Dazu wurde eine auditive soziale Simon Aufgabe mit einer rubber hand illusion

(Bot-vinick & Cohen, 1998) kombiniert. Mit letztgenanntem Paradigma lässt sich eine fremde Hand (von einer anderen Person oder aus künstlichem Material) überzeugend als eigene Hand fühlen, wenn diese gleichzeitig mit der nicht-sichtbaren eigenen Hand eine mechani-sche Reizung erfährt (z.B. Streicheln durch einen Pinsel). Das Empfinden der Hand des Co-Akteurs als eigene Hand hatte keinen Einfluss auf den Simon Effekt, was gegen eine Hand-lungs-Co-Repräsentation spricht. Noch stärker dagegen spricht aber das Ergebnis, dass nicht einmal ein Co-Akteur anwesend sein muss, um einen Simon Effekt in einem social Simon task auszulösen. Die Anwesenheit des Streichelapparats zur linken des Probanden war ein ausrei-chendes Ereignis, um die eigene Handlung in einer räumlichen Referenz zu kodieren. Somit konnte hier ein SSE unter nicht-sozialen Bedingungen ermittelt werden. Die Handlungs-Co-Repräsentation ist also kein notwendiges Konzept, um einen SSE zu erzielen. Ein salientes Ereignis, welches eine Alternative zur eigenen Reaktion bietet, reicht aus, um eine perzeptu-elle Diskriminierung z.B. im Sinne von rechts und links vorzunehmen. Damit ist die Überlap-pung von Eigenschaften im Sinne des DO-Models (Kornblum et al., 1990) möglich und ein Simon Effekt kann auftreten (Dolk et al., 2011).