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Expertentagung „Arbeit, Kreativität und Gesundheit“

Ziel der Expertentagung „Arbeit, Kreativität und Gesundheit“, die am 16. Februar 2007 an der Technischen Universität München mit Vertretern aus Wissenschaft und Unternehmenspraxis stattfand, war die Diskussion der Projektergebnisse sowie die Identifikation weiterer Forschungsbedarfe. Die gemeinsame Diskussion der Ergeb-nisse mit Vertretern der Wissenschaft und der Praxis sollte die Entwicklung neuer Perspektiven der Arbeitsgestaltung ermöglichen, die sowohl die Kreativität und Inno-vativität von Mitarbeitern erhalten und fördern als auch gleichzeitig die Gesundheit des Einzelnen nicht beeinträchtigen. Neben der Identifikation weiterer Forschungs-bedarfe sollten auch konkrete gesundheits- und kreativitätsfördernde Maßnahmen der Arbeitsgestaltung erarbeitet werden, die wissenschaftlich fundiert und praxistaug-lich sind. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein Tagungsprogramm entwickelt, in dem – ausgehend von dem Befund, dass es zur Zeit nur wenig integrative Ansätze gibt – zunächst generelle Konzepte gesundheitsförderlicher Arbeit und Kreativität dargestellt sowie einzelne empirische Befunde präsentiert werden sollten. Abgerun-det werden sollte diese Bestandsaufnahme durch Stellungnahmen von Unterneh-mensvertretern über den Stellenwert von Innovation und kreativitätsförderlichen Maßnahmen in der betrieblichen Praxis. Für alle Beiträge wurde ausreichend Dis-kussionszeit vorgesehen, um einen intensiven Austausch zwischen den Teilnehmern zu ermöglichen.

Für die Tagung konnten als Referenten Wissenschaftler gewonnen werden, die sich in ihrer Arbeit dezidiert mit den Themen Kreativität und/oder Gesundheit im Arbeits-kontext auseinandersetzen, sowie betriebliche Experten, die in ihren Unternehmen kreative Anforderungen umsetzen und kreative Arbeit gestalten müssen. Die Ta-gungsteilnehmer wurden über verschiedene wissenschaftliche Netzwerke, gezielte Ansprache sowie wissenschaftliche und betriebliche Kooperationspartner der Orga-nisatoren mit einem Tagungsflyer eingeladen. Sechsundsechzig Personen nahmen die Gelegenheit zum Austausch mit anderen Interessierten wahr.

Die Tagung gliederte sich in vier verschiedene Blöcke: einen Einführungsteil mit Grußworten der Gastgeber und des Projektträgers sowie einem Leitvortrag, einem Block mit theoretischen Grundlagen zu den interessierenden Konzepten, einem em-pirischen Block mit neuesten Forschungsergebnissen zu Kreativität und Arbeitsbe-dingungen sowie einem Block mit Perspektiven der Praxis. Im Folgenden werden die Inhalte der einzelnen Vorträge und der anschließenden Diskussionen kurz zusam-mengefasst. Eine vollständige elektronische Tagungsdokumentation wurde den Teil-nehmern etwa einen Monat nach der Tagung als CD-Rom zur Verfügung gestellt und sehr positiv aufgenommen.

Privatdozent Dr. Jürgen Glaser eröffnete die Tagung mit einer Begrüßung der Teil-nehmer und Referenten im Namen des create!health-Projektteams. Frau Dr. Gisa Junghanns erläuterte danach aufbauend auf verschiedenen Definitionen von Kreati-vität die Ziele, die die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) mit dem Projekt „Kreativität und Gesundheit im Arbeitsprozess – Bedingungen für eine kreativitätsförderliche Arbeitsgestaltung im Wirtschaftsleben“ (create!health) verfolgt und gab einen kurzen Überblick über die Arbeit der BAuA. Im Anschluss folgte der

Leitvortrag „Denkarbeit und Innovation“ von Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Winfried Hacker von der Technischen Universität Dresden, der im Rahmen einer Integration der grundlegenden Konzepte zu dem Schluss kommt, dass „krankmachende Wirkungen geistig-schöpferischer Erwerbsarbeit [...] kaum beforscht und nicht belegt [sind]. Be-einträchtigen und zu Erkrankungen führen könnten vermeidbare Ausführungsbedin-gungen, insbesondere Zeitdruck, Schlafdefizit, Erholungsbeeinträchtigungen bei Überstunden oder Genussmittelmissbrauch, aber kaum die schöpferische Arbeitstä-tigkeit selbst.“

Im Themenblock „Theoretische Grundlagen“ stellte Dr. Britta Herbig in ihrem Vortrag

„Kreativität in der psychologischen Forschung“ zunächst die historischen Wurzeln der Kreativitätsforschung und die aus der Intelligenztheorie stammende Konzeptualisie-rung von Kreativität als die Fähigkeit zum divergenten Denken vor. Aufbauend auf neueren Modellen zur Kreativität in der Arbeit und den Ergebnissen der Metaanalyse von Harrison et al. (2006) kommt sie zu dem Schluss, dass vor allem die Gestaltung der Arbeitstätigkeit Einfluss auf die Kreativität der Mitarbeiter hat, aber nach wie vor Interaktions- oder Mehrebenenanalysen sowie ein reliables und valides Maß zur Er-fassung von Kreativität fehlen, um dieses komplexe Feld besser zu verstehen und gestalten zu können. Im zweiten Vortrag des Themenblocks zur „Gesundheitsförder-lichen Arbeitsgestaltung“ präsentierte PD Dr. Jürgen Glaser die Entwicklung des Ar-beitsschutzes von den grundlegenden Kriterien Ausführbarkeit und Schädigungsfrei-heit hin zu den Forderungen nach Beeinträchtigungslosigkeit und GesundSchädigungsfrei-heits- und Persönlichkeitsförderlichkeit, deren Notwendigkeit sich in den Erfolgen des traditio-nellen Arbeitsschutzes einerseits, aber der Zunahme von Arbeitsunfähigkeiten infol-ge psychischer Erkrankuninfol-gen im Arbeitskontext andererseits widerspieinfol-gelt. Unter Berücksichtigung verschiedener arbeitspsychologischer Modelle zu Belastungen und Beanspruchungen in der Arbeit zieht er das Fazit, dass gesundheitsförderliche Ar-beitsgestaltung bedeutet, endliche, regenerierbare und generierbare Ressourcen der Mitarbeiter nicht zu vernutzen, sondern sie zu erhalten und zu fördern. Der dritte Vor-trag im Bereich der theoretischen Grundlagen wurde von Prof. Dr. Sabine Sonnentag zum Thema „Arbeit, Erholung und Kreativität“ gehalten. Die zentrale Problemstellung ihres Vortrages war die Frage, welche Rolle Erholung für die Kreativität bei der Arbeit und die Gesundheit der Mitarbeiter spielt. Vor der Prämisse, dass Erholung sowohl zeitliche Phasen voraussetzt, die frei von Arbeitsanforderungen sind, als auch ein spezifisches Erleben der arbeitsfreien Zeit, stellt die Referentin ein Modell vor, nach dem der Effekt von Erholung auf Kreativität durch positiven Affekt (d. h. aktiv, inte-ressiert, freudig erregt sein) vermittelt wird. Dieser Zusammenhang konnte durch empirische Studien untermauert werden, so dass Prof. Sonnentag abschließend fol-gende Empfehlungen zur praktischen Umsetzung gibt: Auf der individuellen Ebene sollten guter und ausreichender Schlaf, Abschalten und Mastery-Erlebnisse in der Freizeit angestrebt werden; auf betrieblicher Ebene sollten die Mitarbeiter dadurch unterstützt werden, dass Pausen ermöglicht werden, die einen positiven Affekt schaf-fen, extrem hohe Arbeitsbelastungen vermieden werden, Zeitmanagement und Ziel-setzung so gestaltet werden, dass Arbeitsaufgaben in der Arbeitszeit bewältigt wer-den können und die Notwendigkeit der Erreichbarkeit von Mitarbeitern in der Freizeit hinterfragt wird. Die lebhafte Diskussion am Ende des Themenblocks beschäftigte sich vor allem mit der Generalisierbarkeit der Befunde zur Erholung, wobei als Fazit zwar von einer Übertragbarkeit auf viele verschiedene Berufe ausgegangen werden kann, aber nach wie vor unklar und bisher nicht untersucht ist, wie die Zusammen-hänge bei Berufen sein könnten, die per se keine geregelten Arbeitszeiten haben

bzw. bei denen Beruf und Hobby ineinander übergehen (z. B. Künstler, Wissen-schaftler). Kontrovers und aufbauend auf anekdotischen und Medienberichten wurde über die Auswirkungen der Schlafmenge auf die kreative Leistungsfähigkeit disku-tiert. Trotz des empirischen Befundes, dass ausreichend Schlaf notwendig ist, konnte hier kein Konsens in der Diskussion erreicht werden.

Im Themenblock „Empirische Befunde“ präsentierten Prof. Dr. Jürgen Wegge und M. A. Carla Roth in ihrem Vortrag „Teamarbeit und Kreativität“ erste Ergebnisse des Projektes ADIGU – Altersheterogenität als Determinante von Innovation, Gruppen-leistung und Gesundheit. Aufbauend auf sozialpsychologischen Theorien zur Wahr-nehmung von Gruppenzugehörigkeit sowie Konzepten des Einflusses der Gruppen-zusammensetzung auf kreative Leistung (Diversity-Forschung) entwickelten sie ein differenziertes Modell zu Auswirkungen altersheterogener Gruppenzusammenset-zung auf Effektivität in Abhängigkeit von der Salienz dieses Konzeptes in der Grup-pe. Die Referenten konnten anhand erster korrelativer Analysen an einer Stichprobe von 590 Mitarbeitern aus Versorgungsämtern unter anderem zeigen, dass je älter der Älteste in der Gruppe war, desto mehr innovatives Verhalten von der Gruppe berich-tet wurde, und dass insbesondere die Wertschätzung von Altersheterogenität positiv mit Innovationen aus Sicht der Vorgesetzten korrelierte. Im Anschluss an den Vortrag wurden neben methodisch-konzeptionellen Fragen (z. B. Erfassung von Innovation, Definition von Gruppen) vor allem Aspekte diskutiert, die sich mit der Übertragbarkeit einer „Beamtenstichprobe“ auf den Wirtschaftskontext beschäftigten. Prof. Wegge geht prinzipiell von ähnlichen Effekten aus, die aber möglicherweise durch unter-schiedliche Aufgabenanforderungen moderiert sein könnten.

Der zweite Vortrag zu empirischen Befunden von Dr. Sandra Ohly beschäftigte sich mit dem Thema „Zeitdruck und Kreativität“. Die Referentin konzeptualisiert Zeitdruck als Ausmaß, in dem schneller als gewöhnlich gearbeitet werden muss, um Ar-beitsaufgaben zu erledigen. Vor dem Hintergrund, dass bisherige Studien zu Zeit-druck sowohl förderliche als auch hinderliche und kurvilineare Effekte von ZeitZeit-druck auf Kreativität gefunden haben, berichtete Frau Ohly zwei eigene Studien zu dem Thema. Die erste – querschnittliche – Studie zeigte einen kurvilinearen Zusammen-hang zwischen Zeitdruck und selbstberichteter Kreativität, während die zweite Studie in einem dreitägigen Längsschnitt positiv lineare Zusammenhänge erbrachte. Als Erklärung für diesen überraschenden Befund vermutet die Referentin, dass ein Her-ausforderungsgefühl den Zusammenhang zwischen Zeitdruck und Kreativität vermit-telt. Die an den Vortrag anschließende Diskussion warf – vor allem vor dem Hinter-grund gesundheitsförderlicher Arbeitsgestaltung – eine Reihe von weiteren Fragen im Zusammenhang mit Zeitdruck auf. So wurde u. a. auf die Notwendigkeit einer dif-ferenzierten Betrachtung von punktuellem und chronischem Zeitdruck verwiesen, die Möglichkeit dargestellt, dass ein hoher Zeitdruck zu geringem Handlungsspielraum mit entsprechenden Konsequenzen führe, und dass die individuelle Wahrnehmung von Zeitdruck (etwa als Beeinträchtigung) in Betracht gezogen werden müsse.

Als dritte Referentin stellte in diesem Themenblock Dipl.-Psych. Jennifer Gunkel das Projekt create!health vor. Neben dem Projektstrukturplan, den Ergebnissen der Lite-raturrecherche und den im Zwischenbericht an die BAuA bereits dokumentierten Fallbeispielen, konnte sie erste Ergebnisse von Fragebogenstudien in zwei Unter-nehmen berichten (vgl. ausführlicher Kapitel 4). Mit diesen Ergebnissen konnte vor allem der Eindruck aus Literatur und anderen Studien bestätigt werden, dass kreativi-täts- und gesundheitsförderliche Arbeitsplatzmerkmale vor allem eine hohe

Autono-mie und vielfältige Anforderungen in der Arbeit sind. Nachfragen zu diesem Vortrag bezogen sich vor allem auf weitere Variablen wie Unterstützung durch das Unter-nehmen und UnterUnter-nehmenskultur, die größtenteils mit in die Untersuchung aufge-nommen, aber nicht berichtet wurden. Da auch in der create!health Untersuchung in einem Unternehmen Zeitdruck positiv mit Kreativität korrelierte, wurde als weitere Anregung zu diesem Thema darauf aufmerksam gemacht, dass möglicherweise

„mittlerweile nur jeder angibt, dass er Zeitdruck hat und kreativ ist, weil man das eben haben bzw. sein muss und nicht weil es wirklich so ist“, dass also die Befunde zum Zeitdruck aufgrund sozialer Erwünschtheits-Tendenzen mit Vorsicht zu betrachten sind. Vor allem eine objektivere Erfassung von Zeitdruck könnte hier Abhilfe schaf-fen.

Im letzten Themenblock zu Perspektiven der Praxis berichtete zunächst Sylvia Hlad-ky unter dem ironischen Titel „‚Fehlendes Budget kann durch Kreativität ersetzt wer-den!’ aus: ‚Hilfreiche Tipps für Ausstellungsmacher’“ über das Projekt Verkehrszent-rum des Deutschen Museums München, dessen Leiterin sie ist. Bei dem Projekt ging es um die Sanierung und den denkmalgerechten Ausbau von drei historischen Mes-sehallen sowie der Konzeption und Umsetzung des Themas „Verkehr und Mobilität“

in Ausstellungen. Mit einem Budget von 50 Millionen Euro und einer Laufzeit von neun Jahren (1997 bis zur Eröffnung 2006) war dies ein Projekt in einer Größenord-nung, das ein Ausstellungsmacher nach Aussage der Referentin nur einmal in sei-nem Leben macht. Anhand einer Zeitlinie des Projektverlaufs stellte Frau Hladky dar, dass sich zeitlicher und geistiger Freiraum sowie Diskussionen mit internen und ex-ternen Partnern und das Wissen darum, dass Ideen auch (vor allem finanziell) um-gesetzt werden können, positiv auf die Kreativität im Projektverlauf auswirken, wäh-rend extremer Zeitdruck genauso wie Leerlaufzeiten (z. B. durch unvorhersehbare Verzögerungen), ein zu geringes Budget und die „Schere im Kopf“ durch zu viele Vorgaben sich negativ auf die Kreativität der Ausstellungsmacher auswirken. Ebenso wie ihre Vorredner betonte Frau Hladky das Thema Zeit als wesentlichen Faktor ne-ben dem Budget, das jedoch differenziert in unterschiedlichen Projektphasen be-trachtet werden muss. Zum Beispiel hemme Zeitdruck Kreativitätsprozesse in der Anfangsphase eines Projektes, während er in der Entwurfsphase beispielsweise Ent-scheidungsprozesse beschleunige und damit schneller zu Ergebnissen und Erfolgs-erlebnissen führt. In der Umsetzungsphase könne Zeitdruck die „ad hoc Kreativität“

fördern, dafür aber auch zu Stress führen. Abschließend betont Frau Hladky, dass also die effektive Zeitplanung einen großen Einfluss auf die Kreativität im Team hat.

Gleichzeitig fördere das Gefühl „kreativ sein zu können“ den Spaß an der Arbeit, steigere die Arbeitsleistung und wirke sich letztendlich positiv auf die Gesundheit aus. In der Diskussion zu diesem Beitrag ging es neben Detailfragen zu dem kreati-ven Ausstellungskonzept vor allem um zwei Aspekte. Zum einen berichtete die Refe-rentin, dass sie in der langen Projektzeit als gesundheitsschädliche Konsequenz ei-nen zu hohen Blutdruck entwickelt habe, was sie vor allem auf den Stress zurück-führt, der durch unkontrollierbare Situationen und Rahmenbedingungen hervorgeru-fen wird. Zum anderen wurde über die Frage des Feedbacks bei so einem Projekt diskutiert. Am Deutschen Museum gab es keine Instanz, die Rückmeldungen an das Projektteam gegeben hat und erst im Nachhinein müssen jetzt die Besucher beurtei-len, wie gut das Projekt gelungen ist. Frau Hladky sieht diesen Aspekt als eine sehr kritische Voraussetzung, betont aber, dass es letztendlich eine gute Erfahrung war, dass dann doch alle Ideen umgesetzt werden konnten.

Lutz Klimek von Innovation Marketing & Sales Power, Düsseldorf, präsentierte in seinem Vortrag „Menschen sind kreativ... bis sie im Unternehmen sind“ die „Todfein-de „Todfein-der Innovation“ in Unternehmen. Ausgehend von „Todfein-der Annahme, dass je„Todfein-der Mensch kreativ ist, und basierend auf seinen Erfahrungen als Berater, identifizierte er Angst, Erfolgs-, Arbeits- und Zeitdruck, Bürokratie, Ignoranz, Leidenschaftslosigkeit und Respektlosigkeit als die wesentlichen Hinderungsgründe dafür, warum Mitarbei-ter in UnMitarbei-ternehmen nicht kreativ sind. Seines Erachtens müssen Betriebe unMitarbei-terneh- unterneh-mensweit diese Todfeinde der Innovation bekämpfen, kreativitätsförderliche Organi-sationsformen finden, kreative Herausforderungen schaffen und professionelle Krea-tivitätsmethoden und -techniken etablieren, um Kreativität und Innovation von Mitar-beitern zu fördern. Als zukünftige Aufgaben der Wissenschaft zur Erforschung der Zusammenhänge von Kreativität und Gesundheit sieht Herr Klimek vor allem die As-pekte von Angst und Druck am Arbeitsplatz mit ihren Konsequenzen für Kreativität und Gesundheit der Mitarbeiter. In der Diskussion zu dem Beitrag wurde noch einmal klargestellt, dass der „Todfeind Leidenschaftslosigkeit“ sich aus zwei Quellen speisen kann: Zum einen können Mitarbeiter oft nicht die Projekte machen, die sie wirklich wollen, und zum anderen findet sich aufgrund der Rahmenbedingungen auch bei sehr engagierten Mitarbeitern oft eine resignative Haltung, wenn sie gegen zu viele Widerstände arbeiten müssen. Darüber hinaus wurde Herr Klimek gebeten, seine Definition von Kreativität noch einmal klarzustellen, was er anhand der Analogie des Spielens eines Musikinstrumentes tat: Jeder kann lernen, ein Instrument zu spielen, aber nicht jeder ist ein Virtuose, d. h. eine bestimmte Kreativität hat jeder Mensch, aber nicht jeder hat ein sehr hohes Maß an Kreativität. Als Konsequenz sollten Un-ternehmen eine hohe Diversität an Talenten in ihren Arbeitsgruppen zusammenstel-len und diese mit den entsprechenden Kreativitätsmethoden ausstatten. Notwendig sei aber auch immer, dass es für die Projekte „Machtpromotoren“ gäbe, die dafür sorgen, dass die Teams von der Geschäftsleitung gehört werden.

Eine weitere Praxisperspektive lieferte Siegfried Hippe von der GKM Gesellschaft für Therapieforschung mbH (vgl. Abschnitt 5.1) mit seinem Vortrag „Mobilisierung sys-tematischer Kreativität im Arbeitsprozess“. Vor dem Hintergrund einer Differenzie-rung von intuitiver Kreativität, etwa in Kunst und Werbung, und einer systematischen Kreativität, die vor allem in Arbeitsprozessen eine Rolle spielt, stellte Herr Hippe das dezidierte Führungskonzept seiner Firma vor, das die systematische Kreativität sei-ner Mitarbeiter steigern und erhalten soll. Drei Leitlinien sollen einen Regelkreis der Mobilisierung systematischer Kreativität in Gang setzen: Erstens, ein „menschliches Führungskonzept“, d. h. die Geschäftsleitung sieht als ihre Aufgabe neben den öko-nomischen Zielen auch sinnvolles und soziales Tun. Dazu gehört z. B. die perma-nente Bereitschaft zu Gesprächen, Unterstützungsangebote bei persönlichen oder gesundheitlichen Problemen, oder das Vermeiden von dauerhaften Arbeitsüberforde-rungen und Arbeitszeitüberschreitungen. Zweitens, die permanente Fortbildung als Leitlinie, also das Angebot gezielter interner und externer fachspezifischer und per-sönlichkeitsfördernder Fortbildungen. Und drittens, eine positive Arbeitsraumgestal-tung mit großzügigen Raumgrößen, Spielräumen zur eigenen GestalArbeitsraumgestal-tung und einer Cafeteria für gemeinsame Pausengestaltung. Der damit angestoßene Regelkreis solle über eine menschliche Atmosphäre und Vertrauen zu Geborgenheit und Ar-beitsmotivation führen, die wiederum positive Kräfte freisetzt und damit Raum für Ideenfindung schafft. Diese positive Arbeitsatmosphäre sei auch gesundheitsför-dernd. Als Beleg für die Wirksamkeit dieses Konzeptes kann Herr Hippe unterdurch-schnittliche Fehlzeiten, minimale Fluktuationsraten, eine kontinuierliche

Aufwärtsent-wicklung, sichere Arbeitsplätze und eine stabile Auftragslage seines Unternehmens berichten. Im Anschluss an den Vortrag wurde noch einmal die Frage unterschiedlich kreativer Mitarbeiter diskutiert, wobei Herr Hippe seine Position klarstellte, dass für nicht so kreative Mitarbeiter Positionen gefunden werden müssten, in denen sie ihre Fähigkeiten einsetzen können, denn von weniger kreativen Mitarbeitern Kreativität zu fordern, setze sie unter Druck und mache krank. Wesentlich sei im Grunde, gesunde Arbeitsplätze zu schaffen und an das zu glauben, was man tut.

Im letzten Vortrag der Praxisperspektiven stellte Horst Ried als Ingenieur und Unter-nehmensberater die Problemlösungsmethodik TRIZ vor, die 1946 von Genrich Sau-lowitsch Altschuller entwickelt wurde und relativ weite Verbreitung in kreativen Pro-duktentwicklungsprozessen gefunden hat. TRIZ ist das russische Akronym für „Theo-rie des erfinderischen Problemlösens“. Herr Ried berichtete anschaulich, wie sich die Methode aus der Entdeckung Altschullers entwickelt hat, dass Patente ihren Ur-sprung immer in technischen oder physikalischen Widersprüchen haben, die durch 39 technische Parameter beschrieben werden können. Aus den Lösungen in den Patenten entwickelte Altschuller 40 innovative Lösungsprinzipien, welche die Wider-sprüche in den Patenten gelöst haben. Zusammengefasst ergibt sich daraus eine Konfliktmatrix, die ausgehend von den Widersprüchen Vorschläge zu den Lösungs-prinzipien anbietet. Allerdings betonte der Referent, dass eine sture Anwendung die-ser Matrix nichts bringt, sondern sie eher als Kreativitätstechnik zu verstehen ist. Ne-ben der auch als Altschuller-Matrix bekannten Methode bietet TRIZ aber auch weite-re Unterstützung für die verschiedenen Phasen der Entwicklung an. Für die Phase Analyse sind dies etwa Objektmodellierung und Ressourcenchecklisten. Für die Abs-traktion sind dies zum Beispiel die Bionik oder die Vorstellung eines idealen Endre-sultats. In den Phasen der geführten Lösungsfindung finden sich beispielweise die innovativen Lösungsprinzipien und Separationskriterien wieder, und in der Priorisie-rung, d. h. der systematischen Bewertung der gefundenen Lösungsideen, kommen sogenannte Evolutionsprinzipien zum Einsatz. Als Fazit des Vortrags wurde bestä-tigt, dass es geeignete und genutzte Methoden zur gezielten Kreativitätsförderung gibt, die es erlauben, aufbauend auf vorhandenem Wissen und Erfahrungen neue und kreative Lösungen zu entwickeln.

Nach einer kurzen Abschlussdiskussion der wesentlichen Punkte der Tagung wurden die Teilnehmer und Referenten verabschiedet. In informellen Gesprächen und Rückmeldungen während und nach der Tagung wurde dem Projektteam bestätigt, dass die Tagung auf großes Interesse gestoßen ist und es im Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis gelungen war, arbeitsgestalterische Ansätze zur Förderung von Kreativität und Gesundheit zu identifizieren, aber auch noch genauer zu betrach-tende Problemfelder (wie etwa die Frage des Zeitdrucks) zu ermitteln.