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Arbeitsplatzbedingungen und Kreativität

2 Theorie

2.3 Förderliche Bedingungen für Kreativität

2.3.2 Arbeitsplatzbedingungen und Kreativität

Zeitdruck. Nach dem Komponentenmodell von Amabile (1996) steht Zeitdruck im negativen Zusammenhang mit Kreativität. Zeitdruck enge die Breite der Denkprozes-se ein, man Denkprozes-sei so weniger offen für alternative Lösungswege. Möglich ist aber auch ein kurvilinearer Zusammenhang zwischen Zeitdruck und Kreativität. Dieser ist zu erklären mit der Aktivationstheorie (Gardner, 1986). Demnach beeinflusst Aktivation allgemeine kognitive Prozesse in der Form, dass ein mittleres Maß an Aktivation sich am günstigsten auf kognitive Prozesse auswirkt. Zeitdruck sollte die allgemeine Akti-vation und somit kognitive Prozesse wie Kreativität beeinflussen. Bei mittlerem Zeit-druck sollte eine Person in mittlerem Ausmaß aktiviert sein, wodurch optimale Bedin-gungen für kognitive Prozesse gegeben sind. Bei zu niedrigem oder zu hohem Zeit-druck weisen Personen ein niedriges bzw. hohes Aktivationsniveau auf mit entspre-chend suboptimalen Bedingungen für kognitive Prozesse. Demnach sollte bei mittle-rem Zeitdruck die Kreativität am höchsten sein, während bei niedrigem oder hohem Zeitdruck Personen weniger kreativ sein sollten (Baer & Oldham, 2006; Ohly, Son-nentag & Plunkte, 2006). Schließlich ist auch ein positiver Zusammenhang zwischen Zeitdruck und Kreativität denkbar, nämlich dann wenn kreative Ideen als Problemlö-sung genutzt werden, um Zeitdruck abzubauen (Unsworth, Wall & Carter, 2005). Ei-ne wichtige Rolle bei der Testung von Hypothesen bezüglich Zeitdruck und Kreativi-tät spielen scheinbar Messzeitpunkte und die Form, in der KreativiKreativi-tät und Zeitdruck operationalisiert werden. So muss unterschieden werden, ob Kreativität und Zeit-druck zum selben Zeitpunkt gemessen werden oder ob ein oder mehrere Tage da-zwischen liegen. Außerdem sollte bei der Interpretation von Zusammenhängen zwi-schen Zeitdruck und Kreativität berücksichtigt werden, ob die Konstrukte als Selbst-bericht, Fremdbericht oder objektives Datum erhoben wurden.

Tätigkeitsspielraum. Personen haben bei ihrer Arbeit im unterschiedlichen Ausmaß Möglichkeiten, selbstständige Entscheidungen zu treffen, Dinge selbst festzulegen oder Arbeitsabläufe eigenständig zu gestalten. In der Literatur gibt es hierfür ver-schiedene Bezeichnungen. Ein differenziertes Konzept hierzu ist bei Ulich (1994) zu finden. Hier ist der Tätigkeitsspielraum ein mehrdimensionales Konstrukt mit den Komponenten Handlungsspielraum, Entscheidungsspielraum und Gestaltungsspiel-raum. Handlungsspielraum meint dabei die Möglichkeit, bei der Arbeit selbständige Entscheidungen bezüglich der Verfahrenswahl, des Mitteleinsatzes oder der zeitli-chen Organisation der Arbeit zu treffen. Der Gestaltungsspielraum bestimmt das Ausmaß, in dem eine Person die Art und Weise, in der eine Arbeit ausgeführt oder ausgestaltet wird, selbst bestimmen kann. Entscheidungsspielraum schließlich kenn-zeichnet das Ausmaß an Autonomie, die eine Person bei der Auswahl und Festle-gung der eigenen Aufgaben hat. Weitere Konstrukte, die Möglichkeiten beschreiben, auf die eigene Arbeit Einfluss zu nehmen, sind Autonomie (Hackman & Oldham, 1975), Handlungsspielraum (Semmer, 1984) und Job Decision Latitude (Karasek, 1979). Gemeinsam ist allen Konstrukten, dass sie das Ausmaß der Einflussnahme der Person auf die eigene Arbeit bezeichnen. Betrachtet man Ulichs Konzeption von Tätigkeitsspielräumen (Ulich, 1994), so dürfte eine hohe Ausprägung aller drei Arten des Tätigkeitsspielraumes für Kreativität förderlich sein. Hat man bei der Verfahrens-wahl oder zeitlichen Organisation eigene Entscheidungsmöglichkeiten, d. h. Hand-lungsspielraum, so hat man auch die Möglichkeit, neue Verfahren und neue Organi-sationsmöglichkeiten auszuprobieren. Ist hingegen kein Handlungsspielraum gege-ben, erscheinen Änderungsmöglichkeiten unter Umständen überflüssig, da sie nicht verwirklicht werden können. Ist die Möglichkeit gegeben, eine Aufgabe selbst zu

ge-stalten, d. h. die Art und Weise zu bestimmen, in der eine Tätigkeit ausgeführt wird, so ist auch die Gelegenheit für neue Gestaltungsweisen der Arbeit gegeben. Perso-nen mit hohem Gestaltungsspielraum könPerso-nen sich neue, nützliche Wege ausdenken, um ans Ziel zu gelangen, während Personen mit niedrigem Gestaltungsspielraum sich an Vorschriften halten müssen, wie eine Arbeit auszuführen ist. Hat eine Person einen großen Entscheidungsspielraum, also die Möglichkeit, die eigenen Aufgaben auszuwählen und festzulegen, kann sie solche Aufgaben auswählen, bei denen sie eine gewisse Expertise vorzuweisen hat. Nach Amabile (1996) ist Expertise eine wichtige Voraussetzung für Kreativität.

Generell ist bei dem Aspekt der Tätigkeitsspielräume zu beachten, dass sie ein „An-gebot“ an den Arbeitnehmer darstellen, das aber nicht notwendigerweise genutzt werden muss. Das heißt, es ist denkbar, dass eine Verwendung von Spielräumen zur Generierung von kreativen Leistungen von weiteren, „moderierenden“ Variablen wie etwa Persönlichkeitsmerkmalen oder auch Zeitdruck abhängig ist. Dabei ist nach Hacker (2005) zwischen objektiven und subjektiven „Freiheitsgraden“ zu unterschei-den, d. h. es können sowohl existierende Spielräume verkannt werunterschei-den, wie auch nicht existierende Spielräume illusionär als gegeben wahrgenommen werden. Opti-mal wäre, wenn existierende und wahrgenommene Spielräume deckungsgleich sind.

Arbeitskomplexität. Das Konzept Arbeitskomplexität kann unterschiedlich definiert werden. Erstens kann Arbeitskomplexität gesehen werden als das Ausmaß an kom-plexen Problemlösungsanforderungen, die einer Arbeit innewohnen. Zur möglichst objektiven Operationalisierung von Arbeitskomplexität in diesem Sinne kann z. B.

das „Dictionary of Occupational Titles“ (Roos & Treiman, 1980) zu Rate gezogen werden, in dem verschiedene Berufe anhand ihrer Komplexität differenzierbar sind (Tierney & Farmer, 2004). Ebenso ist eine Einschätzung durch Vorgesetzte möglich, welche die Anforderungen der einzuschätzenden Arbeitsplätze gut kennen (Baer &

Oldham, 2006). Arbeitsplätze, bei denen komplexe Probleme zu lösen sind, sind ab-wechslungsreich und herausfordernd. Nach Amabile et al. (1996) sind solche Ar-beitsplätze kreativitätsfördernd, da Herausforderung bedeutet, dass alternative Mög-lichkeiten gegeneinander getestet werden können (oder sogar müssen). Allerdings wird eingeräumt, dass in Kombination mit einer hohen Herausforderung der Zeitdruck bei der Arbeit nicht zu hoch sein sollte, da dann verschiedene Vorgehensweisen nicht mehr gegeneinander abgewogen werden können (Amabile et al., 1996).

Zweitens definieren Hackman und Oldham (Hackman, 1977; Hackman & Oldham, 1976) Arbeitskomplexität als ein umfassenderes Konzept, welches aus den Unterdi-mensionen Anforderungsvielfalt, Ganzheitlichkeit, Bedeutsamkeit, Autonomie und Feedback besteht. Anforderungsvielfalt bedeutet, dass ein hohes Ausmaß unter-schiedlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten bei einer bestimmten Arbeit vorausgesetzt wird. Ganzheitlichkeit heißt, dass eine Person ein Produkt oder einen Prozess von Anfang bis Ende bearbeitet, d. h. jede einzelne Arbeitsaufgabe kann in einen größe-ren Sinnzusammenhang gebracht werden. Die Bedeutsamkeit einer Aufgabe be-zeichnet das Ausmaß, in dem die Ausführung einer Aufgabe Einfluss auf andere Personen oder die Organisation als Ganzes hat. Autonomie hat eine Person bei ihrer Arbeit, wenn sie Freiheiten hat, Arbeitspläne oder Prozeduren selbst zu bestimmen.

Ein hohes Ausmaß an Feedback besteht, wenn die Person nach der Ausführung ei-ner Aufgabe eine Rückmeldung über das Ergebnis bzw. den Erfolg ihrer Arbeit er-hält. Ursprünglich haben Hackman und Oldham (1976) eine multiplikative Formel entwickelt, in der die genannten Dimensionen zusammenwirken und das Konstrukt

„Arbeitskomplexität“ bilden. Diese Formel wird in neueren Untersuchungen nicht mehr verwendet, da sie sich empirisch als weniger brauchbar erwiesen hat als eine rein additive Formel (Baer, Oldham & Cummings, 2003).

Sowohl Arbeitskomplexität als komplexe Problemlösungsanforderungen als auch die Dimensionen der breiteren Konzeption nach Hackman und Oldham (Hackman, 1977;

Hackman & Oldham, 1976) sollten für Kreativität förderlich sein. Verlangt eine Arbeit, dass schwierige Probleme gelöst werden, ist Kreativität bereits in der Arbeitsanforde-rung enthalten. Kreativität ist nötig, um neu auftretende Probleme bewältigen zu kön-nen. Bei diesem Zusammenhang sind allerdings persönliche Voraussetzungen zu berücksichtigen, die eine Person mit in die Situation bringt. Besitzt eine Person nur wenig fachbezogenes Wissen, so kann sie nicht kreativ sein (Amabile, 1996), auch nicht bei einer komplexen Aufgabe. Aber auch eine Arbeit, bei der die Arbeitskom-plexität im Sinne von Hackman und Oldham (1976) hoch ist, sollte eine förderliche Bedingung für Kreativität darstellen. Bei einem hohen Ausmaß verschiedener Anfor-derungen können verschiedene Fähigkeiten und Fertigkeiten eingesetzt werden, die auch neu kombiniert werden und somit zu kreativen Lösungen führen können. Ganz-heitliche Aufgaben geben der arbeitenden Person einen Überblick über den gesam-ten Arbeitsauftrag. Diese Ganzheitlichkeit sollte kreativitätsförderlich sein, da hier Zusammenhänge zwischen einzelnen Arbeitsabläufen erkannt werden und auf neue und nützliche Art und Weise verändert werden können. Die Bedeutsamkeit der eige-nen Arbeitsaufgabe für andere Persoeige-nen führt, zusammen mit den beiden bereits genannten Dimensionen der Arbeitskomplexität, zu einer Erfahrung von Sinnhaftig-keit der eigenen Arbeit. Diese erlebte SinnhaftigSinnhaftig-keit stärkt die intrinsische Motivation und kann damit auch die Kreativität fördern (Amabile, 1996). Hat eine Person bei ih-rer Arbeit viel Autonomie, kann sie selbst entscheiden, wie Aufgaben erledigt werden und somit auch, ob Neuerungen eingeführt werden (wie bereits im Abschnitt über Tätigkeitsspielräume erwähnt). Wenn eine Person Feedback über den aktuellen Stand ihrer Arbeit bekommt, kann sie eventuellen Veränderungsbedarf besser er-kennen und dementsprechend sinnvolle Neuerungen einführen. Alle Dimensionen des Konzeptes Arbeitskomplexität nach Hackman und Oldham (1976) sollten sich somit förderlich auf Kreativität auswirken.

Zusammenfassend muss bei der Untersuchung der Literatur über Zusammenhänge von Arbeitskomplexität und Kreativität also differenziert werden, ob es sich um eine Konzeption der Arbeitskomplexität als komplexe Problemlösungsanforderungen oder um die umfassendere Konzeption von Hackman und Oldham (1976) handelt, da die Konzepte jeweils unterschiedliche Arbeitsplatzmerkmale und damit verschiedene Ansatzpunkte zur Förderung von Kreativität betrachten. Unabhängig von der Opera-tionalisierung ist jedoch davon auszugehen, dass Arbeitskomplexität im positiven Zusammenhang mit Kreativität steht.

Kreativitäts-Anforderungen. Kreativitäts-Anforderungen bezeichnen ein relativ neues Konstrukt, welches die Notwendigkeit für Kreativität in einer bestimmten Tätigkeit ausdrücken soll (Scott & Bruce, 1994; Unsworth et al., 2005). Kreativitäts-Anforderungen (creative requirement) werden definiert als die von der Person emp-fundene Erwartung, dass sie arbeitsrelevante Ideen hervorbringen soll. Sie werden abgegrenzt von einer im Beruf oder durch den Arbeitsvertrag vorgeschriebenen Kre-ativität (role requirement), der Fokus liegt eher auf dem spezifischen Job und auf dem persönlichen Empfinden, dass Kreativität erwartet wird. Kreativitäts-Anforderungen für eine Tätigkeit können z. B. von Vorgesetzten eingeschätzt

wer-den, welche die entsprechenden Arbeitsplätze gut kennen (Scott & Bruce, 1994).

Ebenso ist es möglich, Personen selbst zu befragen, ob bei ihrer Arbeit von ihnen verlangt wird, immer wieder neue Ideen zu haben (Unsworth et al., 2005). Hat eine Tätigkeit hohe Kreativitäts-Anforderungen, so bedeutet dies, dass Kreativität für die betreffende Person zur Arbeitsrolle gehört. Kreativitäts-Anforderungen sollten mit Kreativität zusammenhängen, da die Person weiß, dass kreative Lösungen von ihr verlangt werden.

Unsworth et al. (2005) postulieren, dass Kreativitäts-Anforderungen zwischen Ar-beitsplatzmerkmalen (Autonomie, Unterstützung durch den Vorgesetzten, Unterstüt-zung von Innovation durch die Organisation und Zeitdruck) und Kreativität mediieren.

Dies wird damit begründet, dass die Arbeitsplatzbedingungen ausschlaggebend da-für sind, ob sich bei der Person das Gefühl ausprägt, dass Kreativität von ihr erwartet wird oder nicht. Wenn sich dieses Gefühl entwickelt, hänge dies wiederum positiv mit Kreativität zusammen. Empirisch finden Unsworth et al. (2005) eine volle Vermittlung zwischen der Unterstützung durch den Vorgesetzten bzw. der durch den Arbeitsver-trag vorgeschriebenen Kreativität und der Mitarbeiterkreativität durch Kreativitäts-Anforderungen. Gleichzeitig vermitteln diese Anforderungen aber nur teilweise den Zusammenhang zwischen Autonomie bzw. Zeitdruck und Kreativität, da es auch di-rekte Zusammenhänge zwischen diesen Arbeitsplatzmerkmalen und Kreativität gibt.

Interessanterweise finden sich in der Studie keine Zusammenhänge zwischen Krea-tivitäts-Anforderungen oder Kreativität und organisationaler Unterstützung für Innova-tion, von der ein Einfluss – zumindest vor dem Hintergrund des Konstruktes (vgl.

nächsten Absatz) – eigentlich anzunehmen wäre.

Organisationale Bedingungen. Organisationale Unterstützung für Kreativität oder In-novation stellt einen wichtigen Faktor im Zusammenhang mit Kreativität dar. Erken-nen Mitarbeiter, dass ihre Organisation Kreativität befürwortet und fördert, so ist es wahrscheinlicher, dass sie auch kreativ sind. Bei der Interpretation von Studien zu Zusammenhängen zwischen organisationaler Unterstützung und Kreativität muss beachtet werden, ob organisationale Unterstützung allgemein (Zhou & George, 2001) oder organisationale Unterstützung für Kreativität oder Innovation (Unsworth et al., 2005) untersucht wird. Organisationale Unterstützung spezifisch für Kreativität sollte eher mit kreativem Verhalten im Zusammenhang stehen als generelle organisationa-le Unterstützung, da möglicherweise das Gefühl, dass die Organisation zur Kreativi-tät ermuntert, anregend für kreatives Verhalten ist. Allgemeine Unterstützung durch die Organisation muss nicht automatisch bedeuten, dass die Organisation auch Kre-ativität fördert. Zu kreKre-ativitätsförderlichen organisationalen Bedingungen lassen sich auch extrinsische Anreize für Kreativität zählen. Hierzu sind z. B. Belohnungen oder finanzielle Anreize für besonders kreative Lösungen zu zählen (Baer et al., 2003).

Gleichzeitig kann organisationale Unterstützung für Kreativität dem Mitarbeiter auch über die Umsetzung kreativer Ideen in Innovationen ein positives Feedback über sei-ne Arbeit geben und entsprechend kreatives Verhalten verstärken. Im Zusammen-hang zwischen extrinsischen Anreizen und Kreativität sind Moderatoren wie Arbeits-komplexität zu beachten. Baer et al. (2003) haben gefunden, dass eine Interaktion zwischen extrinsischen Anreizen und Arbeitskomplexität besteht. Bei mehr extrinsi-schen Anreizen waren Personen auf Arbeitsstellen mit höherer Komplexität weniger kreativ und Personen auf Arbeitsstellen mit geringer Komplexität kreativer.

Führungsverhalten. Auch bei der Betrachtung von Zusammenhängen zwischen Füh-rungsverhalten und Kreativität gibt es Untersuchungen, die

kreativitäts-unterstützendes Verhalten von Führungspersonen und Untersuchungen, die allge-mein unterstützendes Verhalten von Führungspersonen als unabhängige Variable betrachten. Spezifisch kreativitäts-unterstützende Führung sollte eher mit Kreativität zusammenhängen als allgemeine Unterstützung durch den Vorgesetzten. Wenn sich Mitarbeiter durch ihren Vorgesetzten allgemein unterstützt fühlen, heißt dies noch nicht, dass sie sich automatisch auch in ihrer Kreativität unterstützt fühlen. So argu-mentieren Oldham und Cummings (1996) zwar, dass Unterstützung durch den Vor-gesetzten das Interesse an der Arbeit und somit die intrinsische Motivation und die Kreativität positiv beeinflussen sollte, jedoch finden sie in einer Untersuchung mit drei Kreativitätsmaßen bei keinem der Maße einen signifikanten Zusammenhang zwi-schen allgemeiner Unterstützung durch den Vorgesetzten und Mitarbeiterkreativität.

Tierney und Farmer (2004) hingegen finden, dass Unterstützung des Vorgesetzten für Kreativität (erhoben über die Mitarbeiter) mit Mitarbeiterkreativität (erhoben durch die Vorgesetzten) zusammenhängen. Als spezifischere Führungsvariablen, die mit Kreativität im Zusammenhang stehen könnten, sind die Dimensionen Mitarbeiterori-entierung, Aufgabenorientierung und Toleranz von Unsicherheit des LBDQ ("Leader behavior description questionnaire – Form XII", 1962) zu nennen. Mitarbeiterorientie-rung bezieht sich auf ein FühMitarbeiterorientie-rungsverhalten, welches das Wohlergehen und die Mit-wirkung der Mitarbeiter besonders berücksichtigt. Aufgabenorientierung bezeichnet ein Führungsverhalten, welches Arbeitsrollen von Führenden und Geführten klar fest-legt. Ein hohes Ausmaß an Aufgabenorientierung bei einer Führungsperson bedeu-tet, dass die Führungsperson Ziele genau festlegt und entscheidet, wie etwas getan werden soll. Toleranz von Unsicherheit bezeichnet das Ausmaß, in dem eine Füh-rungsperson Unsicherheiten und Aufschiebungen akzeptieren kann. Mitarbeiterorien-tierung könnte sich, als eine Art soziale Unterstützung, positiv auf kreatives Verhalten auswirken, indem der Mitarbeiter sich durch sozialen Rückhalt in seinem Tun bestä-tigt fühlt. Möglich ist aber auch, dass kein Zusammenhang zwischen Mitarbeiterorien-tierung und Kreativität feststellbar ist, da MitarbeiterorienMitarbeiterorien-tierung kein kreativitätsspe-zifisches Verhalten ist und sich vielleicht nur indirekt (z. B. durch erhöhte intrinsische Motivation) auswirkt. Aufgabenorientierung steht möglicherweise im negativen Zu-sammenhang mit Kreativität. Durch die Vorstrukturierung der Arbeit können Tätig-keitsspielräume der Mitarbeiter verkleinert werden, was zu weniger neuen Ideen füh-ren kann. Toleranz von Unsicherheit hingegen sollte positiv mit Kreativität im Zu-sammenhang stehen, da mit dieser Dimension Führungspersonen beschrieben wer-den, die Unsicherheiten tolerieren und somit Risiken eingehen. Bei kreativem Verhal-ten ist immer auch Risikobereitschaft notwendig, da bei neuen Ideen das Ergebnis zunächst unklar bleibt. Die Dimensionen Mitarbeiterorientierung, Aufgabenorientie-rung und Toleranz von Unsicherheit wurden im Zusammenhang mit Kreativität bisher noch nicht empirisch untersucht.

Auch Variablen wie die Qualität der Beziehung zwischen Führungspersonen und Mitarbeitern (Scott & Bruce, 1994) oder das Ausmaß, in dem eine Führungsperson ihre Mitarbeiter durch ihre Persönlichkeit mitreißen kann (Tierney & Farmer, 2002) wurden als förderliche Bedingungen für Kreativität identifiziert. Diese Variablen sollen hier nur genannt und nicht näher ausgeführt werden, da sie weniger als „Arbeits-platzmerkmale“ zu verstehen sind und die oben genannten Arten des Führungsver-haltens (unterstützendes Verhalten, kreativitäts-unterstützendes Verhalten, Mitarbei-terorientierung, Aufgabenorientierung und Toleranz von Unsicherheit) in der Praxis leichter veränderbar sind als Persönlichkeitsmerkmale einer Führungsperson oder

die Qualität von interindividuellen Beziehungen, welche von vielen untereinander ab-hängigen Faktoren beeinflusst wird.

Teamvariablen. Da Kreativität und Innovation in der Arbeitswelt meistens Aufgaben von Gruppen sind, stellen Teamvariablen einen wichtigen Bereich von Arbeitsbedin-gungen dar. Wie bereits beschrieben, nennt West (2002 b) die Variablen Vollständig-keit, Anforderungsvielfalt, Möglichkeiten für soziale Interaktion, Autonomie, Lerngele-genheiten und Entwicklungsmöglichkeiten für die Aufgabe als bedeutsame Faktoren der Arbeitsumgebung, welche die Innovativität von Gruppen beeinflussen. Anderson und West (1998) (deutsche Übersetzung: Brodbeck, Anderson & West, 2000) haben das Teamklimainventar entwickelt, welches eine innovationsförderliche Atmosphäre in Teams messen soll. Das Inventar ist ein Fragebogen, der vier Dimensionen er-fasst: Vision, Aufgabenorientierung, partizipative Sicherheit und Unterstützung für Innovation. Teams werden definiert als Gruppen von Personen, die zusammenarbei-ten, um gemeinsame Ziele zu erreichen (Brodbeck et al., 2000). Wenn ein Team eine Vision hat, so hat es klare, ausgehandelte und erreichbare Ziele. Eine Vision kann dadurch, dass sie ein Aushandlungsprozess zwischen den Teammitgliedern ist, neue Ideen hervorbringen. Aufgabenorientierung bedeutet hier, dass eine Arbeitsgruppe sich hohe Leistungsstandards setzt und Kontroversen konstruktiv nutzt, um diese hohen Leistungsstandards zu erreichen. Auch Kontroversen können neue, nützliche Lösungsmöglichkeiten hervorbringen. So können durch ein hohes Maß an Aufga-benorientierung neue Ideen entstehen. Partizipative Sicherheit bezeichnet ein Team-klima, bei dem die einzelnen Teammitglieder Einfluss auf Entscheidungen haben, Information umfassend verteilt wird, Kontakte gepflegt werden und das Gefühl be-steht, dass jeder neue Ideen vortragen kann, ohne attackiert oder belächelt zu wer-den. Dadurch ist es für den Einzelnen in einem solchen Team einfacher, kreativ zu sein. Unterstützung für Innovation bedeutet, dass in einem Team neue Vorschläge befürwortet werden, nicht nur als generelle Bereitschaft, neue Ideen umzusetzen, sondern auch im praktischen Handeln. Das heißt, dass Teammitglieder nicht „ausge-bremst“ werden, wenn sie neue Ideen vortragen. So besteht die Chance, dass auch immer wieder neue Ideen hervorgebracht werden. Brodbeck et al. (2000) fanden in Studien zur Kriteriumsvalidierung ihres Fragebogens, dass alle vier Dimensionen mittlere bis stark positive Zusammenhänge mit Innovation in Teams aufweisen. Da Innovation die Umsetzung von kreativen Ideen bedeutet, ist anzunehmen, dass die Dimensionen des Teamklima-Inventars auch mit Kreativität selbst im Zusammen-hang stehen, da vor jeder Innovation neue Ideen generiert werden müssen.