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Diskussion und Ausblick

Das Projekt create!health

Kreativität und Gesundheit im Arbeitsprozess – welches Unternehmen, welcher Ar-beitgeber oder Arbeitnehmer würde diese Zielgrößen nicht als besonders wichtig und förderungswürdig erachten? Kreativität als die Produktion neuartiger und angemes-sener Ideen ist eine notwendige Voraussetzung für Innovationen, derer es heute im globalen Wettbewerb und am Standort Deutschland in besonderem Maße bedarf.

Kreative Ideen entstehen in den Köpfen der Mitarbeiter, und wer würde bestreiten, dass gerade gesunde, d. h. körperlich und psychisch unbeeinträchtigte Mitarbeiter, die motiviert und engagiert mit Freude ihrer Arbeit nachgehen, die mit- und voraus-denken, am ehesten solche Ideen produzieren und umzusetzen versuchen?

Befasst man sich jenseits solcher Alltagsvermutungen und -annahmen näher mit wissenschaftlichen Studien zu kreativitäts- und gesundheitsfördernden Bedingungen von Arbeit, so lassen sich rasch zwei grundlegende Erkenntnisse gewinnen. Erstens, es existiert eine Fülle an Literatur zu kreativitätsförderlichen Bedingungen, die sich vereinfacht auf drei unterschiedlichen Ebenen verorten lassen. Auf der individuellen Ebene haben sich übereinstimmend Aspekte des kreativen/divergenten Denkens und der Problemlösefähigkeit, der Motivation, Fähigkeiten und Expertise sowie bestimmte Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Offenheit) als förderlich für Kreativität erwiesen. Auf der Ebene der Arbeitsaufgabe zeigen sich Formen von Arbeitsanforderungen (z. B.

Anforderungsvielfalt und -komplexität), arbeitsbezogenen Ressourcen (v. a. Autono-mie, soziale Unterstützung) und angemessene zeitliche Bedingungen als begünsti-gend für Kreativität. Und nicht zuletzt haben organisationale Bedingungen wie Teamaspekte (v. a. Teamzusammensetzung und -klima) und Führung (unterstützen-des, mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten) direkte oder über Aufgabenbedin-gungen vermittelte positive Effekte auf die Kreativität der Mitarbeiter.

Zweitens, zu Arbeit und Gesundheit existiert ebenfalls eine schier unüberschaubare Fülle an empirischen Studien, die positive Zusammenhänge zwischen bestimmten Arbeitsbedingungen und der Gesundheit der Mitarbeiter nachweisen (einen Überblick geben z. B. Mohr & Semmer, 2002; Semmer & Mohr, 2001). Einige dieser Arbeitsbe-dingungen stimmen mit den als kreativitätsförderlich identifizierten Merkmalen (z. B.

Anforderungsvielfalt, Autonomie, Unterstützung) überein, und unterstreichen somit den Bedarf, gerade solche Arbeitsmerkmale zum Nutzen beider Zielgrößen – Kreati-vität und Gesundheit – zu verbessern.

Auf den ersten Blick scheint demnach eine gewisse Widerspruchsfreiheit zwischen einer kreativitätsförderlichen und einer gesundheitsförderlichen Arbeitsgestaltung zu bestehen. Versucht man diese Vermutung mit Recherchen in wissenschaftlichen Studien zu erhärten, die sich sowohl mit Arbeitsbedingungen, Kreativität und Ge-sundheit befassen, so stellt sich jedoch rasch Ernüchterung ein. Bislang gibt es kaum empirische Studien, welche die beiden Themenbereiche miteinander verknüpfen. Es scheint fast, als würden Bemühungen um eine Förderung von Kreativität durch beitsgestaltung einerseits und um eine Verbesserung der Gesundheit mittels Ar-beitsgestaltung andererseits nebeneinander koexistieren, ohne aufeinander Bezug zu nehmen oder sich gar um die Bestimmung einer Schnittmenge sowohl kreativi-täts- als auch gesundheitsförderlicher Bedingungen zu bemühen. Ist dies auf

unter-schiedliche Interessengruppen oder auf eine divergente Verwertungslogik zurückzu-führen? Spiegelt sich hierin womöglich der klassische Interessenkonflikt zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbelangen wider?

Auf einen zweiten Blick ist eine Widerspruchsfreiheit zwischen Kreativitäts- und Ge-sundheitsförderung keinesfalls immer gegeben. Wer kennt nicht auch Fälle, in denen Mitarbeiter über längere Zeit sehr hohen Anforderungen in ihrer Arbeit ausgesetzt und dabei ungemein kreativ sind, bis sie eines Tages demotiviert, erschöpft, ausge-brannt oder körperlich krank aus Unternehmen oder Arbeitsstellen ausscheiden (müssen)? Es scheint also durchaus konfliktäre Interessen und Bedingungen zu ge-ben, die möglicherweise gerade im Zeithorizont (kurz- vs. langfristig) markant zu Ta-ge treten. Nicht selten werden Mitarbeiterpotenziale von Unternehmen übermäßig genutzt und dabei vernutzt, und die betriebswirtschaftlichen Verwertungsinteressen führen letztlich zu einem langfristigen ‚Outsourcing’ von gesundheitlichen Folgekos-ten an die Volkswirtschaft (ausführlicher Glaser, Hornung & Labes, 2007). Aktuelle Fehlzeitenstatistiken können belegen (Vetter, Küskens & Dold, 2004), dass gerade Arbeitsunfähigkeiten in Folge psychischer Erkrankungen im Vormarsch sind, und dass diese Entwicklung ganz maßgeblich auch auf eine Intensivierung und Verdich-tung von Arbeit zurückzuführen ist (Eurofound, 2003; ILO, 2000).

Vor diesem Hintergrund ist das im vorliegenden Abschlussbericht beschriebene Pro-jekt „Kreativität und Gesundheit im Arbeitsprozess (create!health)“ zu sehen, das von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) im Zeitraum von Ok-tober 2005 bis Mai 2007 gefördert, und vom Lehrstuhl für Psychologie der Techni-schen Universität München durchgeführt wurde. Hauptziele des Projekts bestanden in der Aufbereitung des derzeitigen internationalen Forschungsstands zum Themen-bereich, in der Identifizierung förderlicher und hemmender Faktoren für Kreativität und Gesundheit im Arbeitskontext sowie in der Ableitung von praxisorientierten Schlussfolgerungen für eine kreativitäts- und gesundheitsförderliche Arbeitsgestal-tung.

Literaturkompendium

In dem vorliegenden Abschlussbericht wurde zunächst ein Überblick über Theorien der Kreativität und damit verbundene Bedingungen einer kreativitätsförderlichen Ar-beitsgestaltung gegeben. Mit einer breit angelegten Recherche von internationalen empirischen Studien wurde die Grundlage für ein Kompendium geschaffen, in dem nach strikten wissenschaftlichen Kriterien ausgewählte Studien – insgesamt konnten 40 hochkarätige empirische Studien identifiziert werden – dokumentiert und systema-tisiert wurden. Bei dieser Literaturrecherche konnten lediglich vier Studien identifiziert werden, die sowohl Bedingungen von Kreativität als auch von Gesundheit bzw.

Wohlbefinden in der Arbeit empirisch untersucht haben (Janssen, 2004; van Dyne et al., 2002; West & Anderson, 1996; Wright & Walton, 2003). Das ursprüngliche Ziel, eine Metaanalyse für solche Zusammenhänge durchzuführen, stellte sich angesichts des rudimentären Forschungsstandes zu Kreativität und Gesundheit als nicht er-reichbar heraus. Erfreulich war hingegen der Umstand, dass für den generellen Zu-sammenhang von Kreativität und Arbeitsbedingungen im Projektverlauf eine Meta-analyse veröffentlicht wurde (Harrison et al., 2006), auf die Bezug genommen wer-den konnte, und die hier ausführlich beschrieben ist.

Diese Metaanalyse zu Arbeit und Kreativität wurde als Anhaltspunkt für eine weitere Literaturrecherche verwendet und es wurde mit den Autoren Kontakt aufgenommen, um weitere Hinweise über die in der Metaanalyse untersuchten Studien zu erhalten.

Ein wichtiges Ergebnis der Metaanalyse ist, dass Moderatoren wie die Art der Studie (Experimentalstudie, Feldstudie), die Art der Erhebung (Selbstauskunft, objektive Erhebung, Vorgesetztenrating, Rating durch trainierte Personen, Unterstelltenrating, Kollegenrating) und die Art der Kriteriumsvariable (verschiedene Stufen im Kreativi-tätsprozess, Kreativität oder Innovation) einen entscheidenden Einfluss auf den Zu-sammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Kreativität haben (Harrison et al., 2006). Vor diesem Hintergrund erschien es sinnvoll, eine Studienübersicht zu erstel-len, aus der erkennbar ist, wie sich mögliche (methodische) Moderatoren in den Er-gebnissen der einzelnen Studien niederschlagen. Ziel des Kompendiums war also, im Gegensatz zu der bereits existierenden Metaanalyse, Studien nicht aufgrund von Gemeinsamkeiten darzustellen, sondern vielmehr aufzuzeigen, dass Studien zu Ar-beitsplatzmerkmalen, Kreativität und Gesundheit mit Hilfe unterschiedlichster Metho-den durchgeführt wurMetho-den und sich daher auch unterschiedliche Ergebnisse iMetho-dentifi- identifi-zieren lassen, die kaum gemeinsam „in einen Topf geworfen“ werden können.

Die erarbeitete Systematisierung der Studien im Kompendium lässt zusammenfas-send folgende Aussagen zu: Erstens existieren wie bereits erwähnt kaum Studien, welche die Zielgrößen Kreativität und Gesundheit zugleich berücksichtigen. Zweitens zeigt sich, dass ein Großteil der Forschung in den USA durchgeführt wurde, während für Deutschland (mit lediglich drei Studien) ein deutlicher Nachholbedarf besteht.

Drittens handelt es sich fast ausschließlich um Querschnittsstudien, die keine Aus-sagen über kausale Zusammenhänge erlauben, und in Anbetracht eines vierten As-pekts – Kreativität wird meist als Selbstbericht und nur in zwei Studien anhand har-ter, objektiver Daten untersucht – Probleme einer möglichen Methodenvarianz mit sich führen. Und schließlich lässt sich fünftens konstatieren, dass die meisten Stu-dien ausschließlich auf einer individuellen Ebene ansetzen und potenziell moderie-rende Faktoren auf Team- oder Organisationsebene vernachlässigen.

Empirische Fallstudien

Mit Blick auf den Bedarf, empirische Untersuchungen im Zusammenhang von Kreati-vität und Gesundheit durchzuführen, wurden Fallstudien in unterschiedlichen Bran-chen durchgeführt. Insgesamt wurden 11 Unternehmen für eine Teilnahme an diesen Fallstudien gewonnen. Neben der Pharma- und Biotechnologiebranche sowie der Medienbranche, die sich hierfür besonders auszeichnen, da kreative Arbeit und Ent-wicklung bzw. Umsetzung von Innovationen immanente Bestandteile der Aufgaben-stellung in diesen Branchen sind, konnten weitere einschlägige Unternehmen der Ausstellungsbranche und der Baubranche rekrutiert werden. Ganz im Sinne einer Exploration von branchenspezifischen Bedingungen zur Kreativitäts- und Gesund-heitsförderung wurden vor allem qualitative Untersuchungen auf unterschiedlichen Ebenen der Unternehmen durchgeführt. Neben einem Organisationsscreening zur Charakterisierung der Branche und der Unternehmen wurden Interviews mit Perso-nalverantwortlichen und kreativ arbeitenden Teams, mit Teamleitern und Mitarbeitern geführt. Die reichhaltigen Ergebnisse und Zitate aus diesen Interviews unterstreichen die Bedeutung der Förderung von Kreativität und Gesundheit der Mitarbeiter über Maßnahmen der Arbeitsgestaltung. Weitestgehend decken sich die Aussagen der Leitungskräfte und der Teammitarbeiter mit wesentlichen Erkenntnissen der interna-tionalen Forschung. Neben Arbeitsplatzmerkmalen wie Anforderungsvielfalt und

Au-tonomie werden viele Beispiele für unterstützende oder behindernde Faktoren auf Ebene von Teams und der Gesamtorganisation inklusive dem Führungssystem be-richtet, die Hinweise für eine entsprechende, branchenspezifische Arbeitsgestaltung geben.

Ergänzt wurden die qualitativen Analysen durch quantitative Fragebogenstudien in drei der beteiligten Unternehmen. Der Fragebogen, der in diesen weiterführenden empirischen Studien zum Einsatz kam, wurde auf Basis der Theorien und Befunde des Kompendiums zusammengestellt. Neben einschlägigen kreativitätsförderlichen und -hinderlichen Arbeitsbedingungen kamen hierbei auch Instrumente zur Diagnose der psychophysischen Gesundheit der Mitarbeiter zum Einsatz. Damit sollte – erst-malig im deutschsprachigen Raum – empirisch untersucht werden, ob Kreativität und Gesundheit durch dieselben Arbeitsplatzmerkmale begünstigt bzw. beeinträchtigt werden, oder ob es auch divergierende Konstellationen gibt.

Die Ergebnisse der Fragebogenstudien zu aufgaben-, team- und führungsbezogenen Merkmalen der Arbeit einerseits und Indikatoren der Kreativität und Gesundheit der Mitarbeiter andererseits zeigen überwiegend konsistent positive Zusammenhänge von Anforderungsvielfalt und Autonomie in der Arbeit sowie erlebter kreativer Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter mit Kreativität und Gesundheit. Alle weiteren aus der Literatur bekannten Aspekte, die hier miterfasst wurden, stehen nur mit Kreativi-tät oder Gesundheit oder aber auch mit keiner der beiden Zielgrößen in Verbindung.

Divergierende Zusammenhänge, also Merkmale, die linear positiv mit Kreativität und negativ mit Gesundheit korrelieren oder umgekehrt, zeigten sich in einzelnen Fällen.

So zeigen die Ergebnisse der Fallstudien bei Museumsausstellern und vor allem bei Ingenieuren in der Baubranche, dass Autonomie ebenso wie Kreativitätsanforderun-gen auch negativ mit Indikatoren der psychophysischen Gesundheit einhergehen können. Derartige Zusammenhänge deuten darauf hin, dass „zuviel des Guten“, d. h.

ein Übermaß an Kreativanforderungen und Freiräumen, auch durchaus unvorteilhaft für Wohlbefinden und Gesundheit der Mitarbeiter sein können. Dies dürfte vor allem dann der Fall sein, wenn weitestgehend unstrukturierte Aufgabenanforderungen und Arbeitsprozesse angesichts der dadurch implizierten Handlungsunsicherheiten zur individuell erlebten Überforderung führen.

Ähnlich ambivalent verhält es sich mit dem Zeitdruck. In den Studien des Kompendi-ums wie auch in eigenen Fallstudien zeigen sich zum Teil positive, zum Teil aber auch negative Zusammenhänge zwischen Zeitdruck und Kreativität bzw. Gesundheit.

Nur in wenigen Studien wurde bislang genauer untersucht, ob sich dieser Zusam-menhang mehr kurvilinear als linear darstellt. Die empirischen Ergebnisse einer sol-chen genaueren Betrachtung (Ohly et al., 2006) spresol-chen für eine umgekehrte U-Kurve, wonach ein zu geringer wie auch ein zu hoher Zeitdruck der Kreativität von Mitarbeitern abträglich ist.

Unseres Erachtens sollte jedoch die naheliegende Vermutung, ein mittlerer Zeitdruck sei stets optimal für Kreativität, nicht zu pauschal betrachtet werden. Zum einen kommt es sehr darauf an, bei welchen Aufgaben Zeitdruck besteht. So kann ein ge-wisser Zeitdruck bei der Umsetzung bereits gewonnener Ideen ebenso wie bei der Erledigung routinisierbarer Arbeitsaufgaben durchaus hilfreich und herausfordernd sein, wohingegen Zeitdruck bei Aufgabenstellungen des divergenten Denkens und Problemlösens, insbesondere in kritischen Phasen der Entwicklung neuer Produkte und Prozesse, eher abträglich sein dürfte – und dies womöglich auch schon in

mittle-rem Maß (vgl. Verlaufsdarstellung größerer Museumsausstellungsprojekte im Rah-men der Expertentagung in Kapitel 6). DeRah-mentsprechend müsste auch stärker zwi-schen punktuellem und chronischem Zeitdruck in der Arbeit differenziert werden. Es bedarf jedenfalls weiterführender Studien, in denen Zeitdruck im Idealfall experimen-tell bei unterschiedlichen Aufgabensexperimen-tellungen und Rahmenbedingungen systema-tisch und präzise bzw. objektiv variiert wird. Darüber hinaus müssten potenziell mo-derierende Faktoren, wie z. B. individuelle Unterschiede im Erleben von und Umgang mit Zeitdruck, besser kontrolliert werden. Da experimentelle Studien im Labor und besonders in valideren Felduntersuchungen an Grenzen, nicht zuletzt ethischer Art stoßen, ist die Aufklärung komplexer Wirkzusammenhänge alles andere als eine tri-viale Aufgabe für die zukünftige Forschung.

Im Vergleich zwischen qualitativen und quantitativen Befunden des Projekts ist ins-besondere interessant, dass Mitarbeiter in Interviews stark die sozialen Aspekte der Arbeit (u. a. Teamklima, Kommunikation, Führung) betonen und sich auch in den

„Good Practice“-Beispielen, neben organisational unterstützenden Programmen, vor allem solche Maßnahmen finden, die auf die Förderung sozialer Aspekte abzielen.

Hingegen zeigen die Forschungsbefunde aus Fragebogenstudien – wenn überhaupt – nur moderate bis geringe Zusammenhänge zwischen sozialen Aspekten der Arbeit und Kreativität bzw. Gesundheit. Weiterhin verweisen Befunde aus quantitativen Studien immer wieder auf die zentrale Rolle der Autonomie in der Arbeit, wohingegen sich eine Förderung der Autonomie (besonders von Entscheidungsspielräumen) – abgesehen von organisatorisch ermöglichter raum-zeitlich flexibler Arbeit – so gut wie gar nicht in Programmen und Maßnahmen der Unternehmen widerspiegeln. Dies könnte darin begründet sein, dass es Unternehmen – pointiert ausgedrückt – leichter fällt, Mitarbeiter durch sozioklimatische Maßnahmen „bei Laune“ zu halten, als sie durch Verzicht auf Macht- und Entscheidungsmonopole in grundlegende Entschei-dungen einzubinden.

Methodische Limitierungen und weiterer Forschungsbedarf

Die in den Fallstudien gewonnenen Ergebnisse, insbesondere auch aus den Frage-bogenstudien, erheben keinen Anspruch auf Generalisierung, zumal auch methodi-sche Limitierungen wie etwa eine potenzielle gemeinsame Methodenvarianz und un-zulässige Kausalschlüsse im Rahmen der Querschnittsuntersuchungen zu bedenken sind. Hingegen geben die Ergebnisse durchaus Anlass, sich mit vergleichbaren Er-hebungsmethoden größeren Stichproben in weiteren Branchen zuzuwenden. Neben einem systematischen Vergleich verschiedener Branchen und Arbeitstätigkeiten mit unterschiedlichen kreativen Anforderungen, könnten komparative Studien mit Teams, die in ungünstigeren oder ambivalenteren Bedingungskonstellationen arbeiten als die hier dargestellten Stichproben, weitere wichtige Hinweise auf das Zusammenwirken der verschiedenen Faktoren und Ebenen im Hinblick auf Kreativität und Gesundheit liefern. Insbesondere ließen sich bei größeren Stichproben auch nicht lineare oder moderierende Zusammenhänge mittels komplexerer statistischer Verfahren genauer untersuchen.

Aufgrund der begrenzten Laufzeit des Forschungsvorhabens konnten hier Zusam-menhänge nur im Querschnitt betrachtet werden. Wünschenswert wäre für die weite-re Forschung eine exemplarische Längsschnittstudie, in der etwa bei zwei vergleich-baren Unternehmen zu jeweils mindestens zwei Zeitpunkten Vergleiche im Quer- und Längsschnitt angestellt werden könnten. Idealerweise wäre eine solche Studie

mit einem quasi-experimentellen Design angelegt, d. h. in einem der Unternehmen würden auf Grundlage der bisherigen Erkenntnisse des Forschungsvorhabens ge-zielte und branchenspezifische Arbeitsgestaltungsmaßnahmen zur Förderung von Kreativität und Gesundheit durchgeführt, und diese Maßnahmen würden abschlie-ßend systematisch evaluiert, um die Wirksamkeit der Intervention zu belegen.

Erste Empfehlungen für die Praxis

Ungeachtet solcher wünschenswerten, weiterführenden Aktivitäten können auf Basis der vorliegenden Ergebnisse erste Empfehlungen für eine integrierte kreativitäts- und gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung abgeleitet werden. Neben den Erkenntnis-sen aus Kompendium und empirischen Fallstudien liefern auch die im Rahmen des Projekts aufbereiteten „Good Practice“-Beispiele sowie der Austausch zwischen The-orie und Praxis im Rahmen einer vom Projekt ausgerichteten Expertentagung wichti-ge Anhaltspunkte. Im Folwichti-genden sollen die Implikationen für die Praxis diskutiert wer-den.

Betrachtet man zunächst die empirischen Forschungsergebnisse, so lassen sich vier Bereiche identifizieren, durch deren bewusste Gestaltung sowohl Kreativität wie Ge-sundheit gefördert werden können: Autonomie, Anforderungsvielfalt, kreative Selbst-wirksamkeit und ein „gemischter“ Komplex mit Teamklima, Kooperation und Kommu-nikation. Den stärksten positiven Einfluss scheint die Autonomie in der Arbeit auf Kreativität und Gesundheit zu haben. Um die Autonomie zu erhöhen, sollten den Mitarbeitern weitgehende Tätigkeitsspielräume bei der Arbeit eingeräumt werden.

Dazu gehören nach Ulich (1994) der Handlungsspielraum, der den Mitarbeitern er-laubt, Verfahren und Mittel sowie die zeitliche Organisation einer Aufgabe eigenstän-dig auszuwählen; der Gestaltungsspielraum, der Möglichkeiten zur selbstäneigenstän-digen Gestaltung von Vorgehensweisen gibt; und als wesentlichster Aspekt der Entschei-dungsspielraum, der Mitarbeitern Entscheidungskompetenzen in ihrer Tätigkeit ein-räumt. Insbesondere letzterer, der sicherlich auch die größten arbeitsgestalterischen Maßnahmen erfordert, kann Autonomieerleben und Selbstbestimmung wesentlich erhöhen. So wäre hier eine (möglichst) eigenverantwortliche Bestimmung von Ort, Zeit und Inhalt bzw. Art der Leistungserbringung durch den Mitarbeiter zu empfehlen.

Konkrete Maßnahmen in diese Richtung finden sich beispielsweise in dem Konzept der Vertrauensarbeitszeit (z. B. Böhm, Hermann & Trinczek, 2004) oder der mitarbei-terorientierten Flexibilisierung (etwa der Möglichkeit zur Telearbeit, Glaser & Hor-nung, 2004).

Auch die Anforderungsvielfalt hat laut Interviews und Fragebogenstudien eindeutig positive Effekte auf Gesundheit und Kreativität. Neben der Notwendigkeit, Mitarbei-tern abwechslungsreiche Aufgaben zu bieten, wie sie bereits mit dem Konzept des Job Enrichments beschrieben und evaluiert ist (z. B. Ondrack & Evans, 1986), kann Anforderungsvielfalt auch indirekt erhöht werden, in dem beispielsweise Bereichs-/Abteilungsgrenzen „weich“ sind, d. h. Kooperation und Unterstützung zwischen Be-reichen gefördert oder die Auseinandersetzung der Mitarbeiter mit Problemstellungen anderer Tätigkeitsbereiche positiv gewertet wird („informell“ durch das Führungsver-halten oder auch „formell“ etwa durch ein Vorschlagswesen, z. B. Nickel & Krems, 1998).

Da die kreative Selbstwirksamkeit ebenfalls eng mit Kreativität und Gesundheit zu-sammenhängt, wäre zu überlegen, welche geeigneten Interventionen dieses Erleben

kreativer Selbstwirksamkeit stärken können. Auf der Fortbildungsseite ist hier natür-lich an die unterschiednatür-lichsten Kreativitätstrainings zu denken, die es Mitarbeitern erlauben, ihre eigene Kreativität zu erleben und die Überzeugung zu erwerben, dass sie kreativ sein können. Methoden zur Förderung von Kreativität wie etwa Metaplan-Techniken, Brainwriting-Methoden, Stepladder-Technik, Spiele u. v. m. sind in gängi-gen Ratgebern wie auch in wissenschaftlichen Studien beschrieben und als förder-lich belegt (z. B. de Bono, 1996; Mullen, Johnson & Salas, 1991; Paulus & Yang, 2000; Rogelberg, Barnes-Farrell & Lowe, 1992). Aber auch im Betrieb kann kreative Selbstwirksamkeit unterstützt werden. So wird Selbstwirksamkeit allgemein dadurch aufgebaut, dass Menschen Dinge ausprobieren können und dass sie veridikale Rückmeldungen über ihre Handlungen erhalten (Bandura, 1997; Försterling, 1994).

Hinweise für eine praktische Umsetzung dieser Voraussetzungen zum Erwerb kreati-ver Selbstwirksamkeit geben die Interviewdaten – die in Tabelle 4.5 aufgeführten As-pekte Fehlertoleranz und Feedback durch Führungskräfte. Insbesondere eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit im Unternehmen (z. B. Reason, 2000; Schein, 2003) erlaubt den Mitarbeitern ein angstfreies Erproben und Spielen mit Ideen, was einerseits di-rekt kreative Lösungen hervorbringen kann und andererseits ihre kreative Selbst-wirksamkeit stärkt.

Ein vierter Bereich, dessen Gestaltung sowohl Kreativität wie Gesundheit stärken kann, ist der Bereich der vor allem in den Interviews stark betonten Teamklima-, Kooperations- und Kommunikationsaspekte. Auch wenn unsere Fragebogenstudien hier keine direkten Zusammenhänge gezeigt haben, scheint eine vermitteln-de/verstärkende Rolle dieser Faktoren auch aufgrund der Aussagen in den Inter-views sehr wahrscheinlich. Viele Möglichkeiten zur Stärkung eines positiven Team-klimas und einer guten Kooperation sind hier denkbar – von gemeinsamen Freizeit-aktivitäten der Mitarbeiter über flache Hierarchien bis hin zu kommunikations- und kooperationsfreundlicher Gestaltung der Unternehmensräume. Ein Beispiel be-schreiben Büssing und Herbig (2003) mit dem Bürokonzept der Swiss Reinsurance Company: Das Konzept soll ein kommunikationsförderndes Umfeld bieten und so-wohl Team- wie auch konzentrierte Einzelarbeit ermöglichen. So wurden für jedes Arbeitsteam eine Reihe unterschiedlicher Räume zur Verfügung gestellt, wie z. B.

Konzentrationszellen, Teamräume, Projekträume und sogenannte Technikinseln (mit Fax, Drucker, Kopierer etc.). Diese architektonischen Strukturen sind so gebaut, dass sie innerhalb von 24 Stunden komplett reorganisiert und wechselnden Team- und Aufgabenstrukturen angepasst werden können. Indem Archive und Datenbanken in

Konzentrationszellen, Teamräume, Projekträume und sogenannte Technikinseln (mit Fax, Drucker, Kopierer etc.). Diese architektonischen Strukturen sind so gebaut, dass sie innerhalb von 24 Stunden komplett reorganisiert und wechselnden Team- und Aufgabenstrukturen angepasst werden können. Indem Archive und Datenbanken in