7. IN VITRO ‐E XPERIMENTE MIT DNA
7.2 Experimente zur Orientierung des Polyamids im Komplex mit DNA
Zur Überprüfung der Orientierung des Hairpin‐Polyamids in der minor groove sollte eine Fluoreszenz‐Titration durchgeführt werden, wobei ausgenutzt wird, dass DABCYL mit Fluorescein ein Quench‐Paar bildet. Dazu wurde das DABCYL‐markierte Molekül 141 hergestellt, und ein DNA‐Duplex am 5´‐Ende mit Fcn markiert.
Die beiden DNA‐Stränge wurden so gewählt, dass sie jeweils eine Länge von 25 Basen haben und dabei keinerlei Selbstkomplementarität besitzen[VII]:
Tabelle 7‐1: Physikalische Eigenschaften und Sequenzen der verwendeten DNA‐Stränge
Sequenz Gegenion MW [g/mol] Tm [°C]
DNA 1 5´‐Fcn‐TTGGC‐CGCAG‐TGTTA‐TCGCT‐CATGG‐3´ Na+ 8217 61
DNA 2 5´‐Cy5‐CCATG‐AGCGA‐TAACA‐CTGCG‐GCCAA‐3´ Na+ 8179 61
Der zweite Strang ist mit Cy5 markiert, um in späteren Experimenten zur DNA‐Spaltung die entstehenden Fragmente auch sequenzieren zu können.
Die beiden einzelnen Stränge werden kurz vor dem Einsatz in den entsprechenden Experimenten hybridisiert und ergeben dabei folgenden Duplex:
5´‐Fcn‐TTGGC‐CGCAG‐TGTTA‐TCGCT‐CATGG‐3´
3´‐AACCG‐GCGTC‐ACAAT‐AGCGA‐GTACC‐Cy5‐5´
146
Abbildung 7‐9: Der für die Bindungs‐ und Spaltexperimente verwendete DNA‐Duplex. Die Bindesequenz des Polyamides ist rot markiert. angefärbte Gel in Abbildung 7‐10 zeigt das Ergebnis dieser Untersuchung, wobei kein signifikanter Lauf‐Unterschied zwischen dem DNA‐Duplex in Lane 3 und DNA‐Duplex plus 141 in Lane 4 zu sehen ist.
Die Bindung ist somit durch Gelelektrophorese nicht eindeutig nachzuweisen.
VII geprüft in silico mit RNAstructure; http://rna.chem.rochester.edu/
100 7. IN VITRO‐EXPERIMENTE MIT DNA
Lanes
1 2 3 4
DNA 1 DNA 2 146 146 + 141
Abbildung 7‐10: Gel‐Elektrophorese von DNA 146 und 141 unter nativen Bedingungen, um eine Bindung des Polyamids an die DNA per Band‐Shift nachzuweisen. Es ist jedoch kein signifikanter Shift zu erkennen, und daher ist durch dieses Experiment eine Bindung nicht eindeutig nachweisbar. Die Banden wurden durch Silber‐
Färbung sichtbar gemacht.
Um doch noch einen Hinweis auf die bindenden Eigenschaften von 141 zu erhalten, sollte eine Mischung aus der Duplex‐DNA und dem Polyamid 141 massenspektrometrisch per LILBID untersucht werden.
Dabei wurde die DNA 146 jeweils mit 0.25, 0.5, 0.75, 1 oder 2 eq. 141 gemischt und anschließend untersucht. Die Abbildung 7‐11 zeigt ab einer Menge von 0.75 eq. 141 die stetige Zunahme eines Peaks bei m/z ~ 17500, welcher für den Komplexes aus dem Duplex 146 und einem Molekül 141 steht (in der Abbildung markiert durch einen roten Balken). Im selben Maße wird der Peak für den freien Duplex 146 bei m/z ~ 16000 (symbolisiert durch einen grünen Balken) immer kleiner. Die beiden Balken (rot und grün) zwischen m/z 7500 und 10000 stehen dabei für die doppelt geladenen Moleküle.
Der Nachweis des Komplexes von 146 und 141 ist die notwendige Voraussetzung für das folgende Experiment zur Bestimmung der Orientierung von 141 in der minor groove.
Abbildung 7‐11: LILBID‐MS‐Analyse einer Mischung des DNA‐Duplexes 146 und 141. Die Menge der DNA ist in allen 5 Experimenten gleich; die rote Zahl rechts gibt jeweils die Äquivalente von 141 an. Man kann hier einen das Entstehen eines Peaks bei etwa 17.5k (roter Balken, DNA‐Duplex plus 141) und die Abnahme des Peaks bei etwa 16k (grüner Balken, DNA‐Duplex) beobachten.
Um zunächst auszuschließen, dass frei diffundierendes 141 einen Quench‐Effekt ausübt, wurde die erste Titration ohne DNA und nur gegen Fcn durchgeführt.
Wie man nun aus der Grafik in Abbildung 7‐12 entnehmen kann, übt freies 141 keinen Quench‐Effekt aus, denn die Fluoreszenz bleibt über die gesamte Titration konstant.
102 7. IN VITRO‐EXPERIMENTE MIT DNA
Abbildung 7‐12: Kontroll‐Titration von 141 gegen Fluorescein (20 nM) zum Ausschluss eines Quench‐Effektes von nicht an DNA‐komplexiertem Polyamid.
Die Abbildung 7‐13 zeigt 2 Titrationen, in deren Verlauf die Fluoreszenz mit zunehmender Konzentration von 141 immer weiter abnimmt. Es ließ sich hier also ein Quench‐Effekt nachweisen. Die Kurven sinken allerdings bis unter einen Wert als 0.5 ab, was für un‐
spezifische Bindungen an die DNA ab einer bestimmten Konzentration von 141 spricht.
Aus diesen Daten kann gefolgert werden, dass das Polyamid 141 in N→C‐Richtung an die Sequenz 5´‐TGTTA‐3´ bindet.
Abbildung 7‐13: Fluoreszenz‐Titration von 141 und dem Fluorescein‐markierten DNA‐Duplex (100 nM). Die y‐
Achse wurde zur einfacheren Darstellung auf 1 normiert.
0 5000 10000 15000 20000
Fluoreszenz
0 5000 10000 15000 20000
Fluoreszenz
c(Polyamid) [nM]
7.3 Experimente zur DNA‐Spaltung
Ein geeignetes Modell‐System für den Nachweis der DNA‐Spaltung und zur Bestimmung der Reaktivität ist die Umwandlung von supercoiled Plasmid‐DNA (Form I) in die nicked‐ bzw.
open‐circle‐Form (Form II), oder sogar in die linearisierte DNA (Form III).
Diese „superspiralisierten“ Plasmide weisen durch ihre – verglichen mit normaler, offen‐
kettiger B‐Form‐DNA – unübliche DNA‐Konformation eine höhere Reaktivität bezüglich der Phosphodiester auf, als normale B‐Form DNA sie besitzt. Durch Spaltung von einem der beiden DNA‐Stränge kann sich die DNA entwinden und so die zuvor vorhandene Spannung vermindern. Diese Entspannung führt zu einem anderen DNA‐Konformer (hier Form II), das eindeutig durch Agarose‐Gel‐Elektrophorese von der Form I unterschieden werden kann.
Für ein typisches Experiment wird eine Mischung aus dem pUC19‐Plasmid (einem high‐copy‐
number Plasmid) und dem jeweiligen Spaltreagenz bei vorher definierten Parametern wie pH, Puffer, Temperatur und Zeit inkubiert, und die Reaktion anschließend gelelektro‐
phoretisch analysiert. Die Gele lassen sich danach photographisch mit einer geeigneten Software auswerten, und die Spalteffizienz quantifizieren (es soll hier erwähnt werden, dass Form II und Form III stets addiert wurden, um die Gesamt‐Spaltung zu bestimmen).
Dieses System ist literaturbekannt und kam auch in Vorgängerarbeiten schon zum Einsatz. Es soll aus den genannten Gründen beibehalten werden.
Eine Erweiterung der Spalt‐Experimente stellt die Verwendung von normaler, linearer Duplex‐DNA dar, die statt Plasmid‐DNA mit den Spalt‐Reagenzien inkubiert wird. In den Vorgängerarbeiten konnte solch ein Doppelstrang bislang noch nicht gespalten werden, bzw.
wurde noch nicht als Substrat eingesetzt.
Es soll an dieser Stelle darauf hingewiesen sein, dass die Ergebnisse aus den hier vorgestellten Experimenten letztlich zu einer Schlussfolgerung bezüglich der Reaktivität der Verbindungen führen, und ob oder wie die eine oder andere Verbindung in Zukunft weiterentwickelt werden soll. Um darüber eine Aussage treffen zu können, muss man die vorhandenen Daten sehr kritisch, sorgfältig und vorsichtig betrachten, da diese Versuchsreihen wesentlich fehleranfälliger und schwieriger in der Reproduktion (verglichen z.B. mit NMR) sind. Um dem Leser ein Maximum an Transparenz zu bieten, wie die jeweiligen Schlussfolgerungen entstanden sind, wurde für die nächsten Seiten eine ungewöhnliche Darstellung der Daten gewählt, bei der sowohl alle Gel‐Bilder und verschiedene graphische Darstellungen zu sehen sind, die die Ergebnisse nicht auf einen einzigen Zahlenwert reduzieren.