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Europarechtliche Rechtsentwicklung

Im Dokument Gewalt gegenüber Frauen (Seite 65-73)

5. Ausgewählte Problembereiche

5.3. Sohnpräferenz

5.4.2. Europarechtliche Rechtsentwicklung

Die grausame Tradition der weiblichen Genitalverstümmelung findet auch im Raum der Europäischen Union statt. Von dieser geschlechtsspezifischen Form der Gewalt sind nach Schätzungen der EU bis zu einer halben Million Frauen in Europa betroffen.128

Erst langsam wächst das Bewusstsein der EU, dass die schändliche Praktik der Beschneidung weiblicher Genitalien auch vor den Toren der Union nicht haltmacht. In den zumeist allgemein gehaltenen Strategien der EU zur Bekämpfung von Gewalt gegenüber Frauen wird bereits verstärkt Genitalverstümmelung exemplarisch angeführt. Rechtsakte wie die Entschließung des Europäischen Parlaments zu Genitalverstümmelungen bei Frauen aus dem Jahr 2001, die sich explizit dem Problem der Genitalverstümmelung widmen, sind selten.

2009 wurde eine ausführliche Entschließung des Europäischen Parlaments zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung bei Frauen in der Europäischen Union erlassen. Das Parlament verurteilt darin „Genitalverstümmelung bei Frauen nachdrücklich als einen Verstoß gegen die fundamentalen Menschenrechte wie auch als eine brutale Verletzung der Unversehrtheit und Persönlichkeit von Frauen und Mädchen und betrachtet sie daher als ein ernstes gesellschaftliches Verbrechen“129 . Aus diesem Grund werden von der Europäischen Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten adäquate Strategien und Aktionspläne zur Verbannung dieser Praxis aus der Europäischen Union gefordert.130

127 Neuhold in Neuhold, Pirstner, Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 113; Bamako 2008, Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika: Beschneidung der Frau,

<bamako2008.org/weibliche-genitalverstummelung-in-afrika-beschneidung-der-frau>

(11.08.2012); Desert Flower Foundation, Waris Dirie, <desertflowerfoundation.org/de/waris-dirie> (11.08.2012).

128 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Strategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2010-2015, KOM (2010) 491 endg.

129 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. März 2009 zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung bei Frauen in der Europäischen Union, ABl C 2010/117 E, 52 ff.

130 Klein, Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 170; Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. März 2009 zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung bei Frauen in der Europäischen Union, ABl C 2010/117 E, 52 ff.

5.5. Frauenhandel

5.5.1. Völkerrechtliche Rechtsentwicklung

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) spricht von rund 2,4 Millionen Menschen weltweit, die jährlich Opfer von Menschenhandel werden, wobei mit großer Wahrscheinlichkeit eine hohe Dunkelziffer besteht. 32 Milliarden US-Dollar soll diese moderne Form der Sklaverei den Hintermännern pro Jahr einbringen. Der Hauptgrund für Menschenhandel ist laut Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) sexuelle Ausbeutung, an zweiter Stelle folgt Zwangsarbeit. Weitere Motive sind Leibeigenschaft und Zwangsheirat, Organentnahme und die Ausbeutung von Kindern durch Betteln sowie Kriegsführung. Es sind überwiegend Frauen und junge Mädchen, die in solch ausbeuterische Situationen, aus denen es scheinbar kein Entkommen gibt, geraten und wie eine Stück Ware behandelt werden. Nur wie kommt es dazu? Viele Frauen wollen auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage im eigenen Land, zumeist ein Entwicklungsland oder Schwellenland, in vermögendere Staaten auswandern um der eigenen Familie und sich selbst ein besseres Leben zu ermöglichen. Gelockt werden sie von Mittelsmännern, die ihnen gut bezahlte westliche Jobs versprechen sowie vorgeben, sich um alle Reiseformalitäten und Kosten zu kümmern. Im Zielland angekommen, nimmt man den Frauen die Reisepässe ab, hindert sie am Verlassen der Wohnung bzw des Arbeitsplatzes, schüchtert sie mit den verschiedensten Formen von Gewalt ein und zwingt sie unter menschenunwürdigen Verhältnissen zu unterbezahlter Arbeit wie Prostitution, um die angeblich hohen Kosten für die Einreise, die Unterkunft und die Verpflegung abzuleisten.

Alleine und fernab der Heimat haben die Frauen in den meisten Fällen große Angst, behördlichen Schutz in Anspruch zu nehmen, da sie einerseits massiv bedroht werden und andererseits eine Abschiebung oder eine Strafverfolgung wegen Verstöße gegen das nationale Prostitutionsgesetz befürchten müssen.131

131 Kartusch, Das Geschäft mit der Ware Frau – Maßnahmen gegen den Frauenhandel und zum Schutz der Opfer, in Gabriel (Hrsg), Frauenrechte – Einführung in den internationalen frauenspezifischen Menschenrechtsschutz (2001) 83 und 86 f; Neuhold in Neuhold, Pirstner, Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 125; ILO, Zwangsarbeit und Menschenhandel - die Kehrseite der Globalisierung,

<ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/aktuelles/2005/globalreport.htm> (15.08.2012);

UNODC, Global Report on Trafficking in Persons,

<unodc.org/documents/Global_Report_on_TIP.pdf> (15.08.2012).

Frauenhandel ist kein neuartiges Phänomen und wurde schon früh mit völkerrechtlichen Mitteln bekämpft. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erarbeitete die internationale Staatengemeinschaft vier Abkommen gegen Menschenhandel, im Speziellen gegen Frauen- und Kinderhandel.132 Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte schließlich im Jahre 1949 die Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer. Diese Menschenhandelskonvention wurde von sehr wenigen Staaten ratifiziert und gilt als äußerst umstritten, weil sie erstens keine klare Trennung zwischen Menschenhandel und Prostitution vornimmt sowie zweitens jede Form von Prostitution, unabhängig davon, ob diese erzwungen oder freiwillig ausgeübt wird, beseitigen möchte. Dass Prostitution aus freien Stücken heraus erlaubt sein soll und die Frauen nur vor gewaltsamen Übergriffen aller Art geschützt werden müssen, entspricht dem heutigen Zeitgeist. Besonders kritisiert wurde des Weiteren die fehlende Definition von Menschenhandel und dessen nicht unbeträchtliche frauenspezifische Komponente. Insgesamt war die Konvention nicht ausreichend, um den schon damals florierenden Frauenhandel eine rechtliche Schranke vorzuschieben.133

Die 1979 geschaffene CEDAW verlangt von ihren Vertragsparteien gemäß Artikel 6 die Abschaffung jeder Form von Frauenhandel und Ausbeutung der Frauen durch Prostitution.

Der Wortlaut „jede Form“ und die Erläuterungen der Allgemeinen Empfehlung Nr 19 von 1992 weisen darauf hin, dass nicht nur Frauenhandel in Verbindung mit Prostitution beseitigt werden soll. Laut Allgemeiner Empfehlung Nr 19 kam es durch die steigende Arbeitslosigkeit und Armut zu neuen Arten des Handels mit der Ware Frau wie zum Beispiel Sextourismus, die Rekrutierung von weiblichen Haushaltsarbeitskräften aus den Entwicklungsländern oder organisierte Vermählungen zwischen Frauen aus ärmeren und Männern aus reicheren Staaten.

Auch diese Praktiken des Frauenhandels bergen ein besonderes Gewaltrisiko für Frauen und sind zu verbieten.134

132 Zimmermann, Die Ware Frau. Normen gegen den Frauenhandel aus rechtshistorischen Perspektiven bis in die Gegenwart (2011) 30.

133 Kartusch in Gabriel, Frauenrechte, 84 und 88; Neuhold in Neuhold, Pirstner, Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 122 f; Informationsplattform humanrights.ch, Internationale Abkommen gegen Menschenhandel,

<www.humanrights.ch/de/Instrumente/UNO-Abkommen/Weitere/Menschenhandel/index.html> (16.08.2012); Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer 1949.

134 Kartusch in Gabriel, Frauenrechte, 88; Neuhold in Neuhold, Pirstner, Ulrich,

Menschenrechte – Frauenrechte, 123 f; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau 1979, A/RES/34/180; CEDAW-Ausschuss Allgemeine Empfehlung Nr 19 Gewalt gegen Frauen 1992, A/47/38.

In der DEVAW von 1993 werden Frauenhandel und Zwangsprostitution explizit als eine Form von Gewalt gegenüber Frauen eingestuft. Gleichermaßen nannte die in demselben Jahr veranstaltete Weltmenschenrechtskonferenz von Wien den internationalen Frauenhandel als geschlechtsspezifische Gewaltform und forderte dessen Beseitigung. Daneben beschäftigte sich die in der Folge geschaffene UN-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen in einigen Berichten und Empfehlungen mit der Thematik. Bei der Vierten Weltfrauenkonferenz der Vereinten Nationen von 1995 in Peking wurden einige strategische Ziele zur Beseitigung des Frauenhandels und zur Unterstützung jener Frauen, die auf Grund von Prostitution und Menschenhandel verschiedene Arten von Gewalt zum Opfer fielen, festgesetzt. Im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 wird der Handel mit Menschen, insbesondere mit Frauen und Kindern, ausdrücklich als Tathandlung des Verbrechens gegen die Menschlichkeit gemäß Art 7 Rom-Statut aufgezählt. Außerdem wandten sich im Laufe der Zeit immer mehr internationale Organisationen wie die ILO, die WHO oder UNODC verstärkt dem vorliegenden Problemfeld zu.135

Im Jahr 2000 wurde das Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität erlassen. Dieses Protokoll enthält erstmals eine für die Vertragsstaaten verbindliche Definition von Menschenhandel. Unter Menschenhandel versteht man demnach jede „Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von

135 Kartusch in Gabriel, Frauenrechte, 88 f; Neuhold in Neuhold, Pirstner, Ulrich,

Menschenrechte – Frauenrechte, 124 f; Erklärung zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen 1993, A/Res/48/104; Erklärung und Aktionsprogramm zur Weltkonferenz über

Menschenrechte von Wien 1993, A/CONF.157/23; Aktionsplattform der Vierten Weltfrauenkonferenz 1995, A/CONF.177/20; Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs 1998, A/CONF.183/9.

Organen“. 136 Neben diesen universellen Rechtsdokumenten wurden in der jüngeren Vergangenheit auch auf regionaler Ebene erste Schritte gesetzt, wie etwa mit der Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels aus 2005, um den internationalen Handel mit der Ware Frau in den Griff zu bekommen.137

5.5.2. Europarechtliche Rechtsentwicklung

Die Europäische Union schätzt die Anzahl der jungen Mädchen und Frauen, die jährlich in den EU-Staaten Opfer von Frauenhandel werden, auf 120.000. In ganz Europa soll es sogar 500.000 Betroffene geben. Da die EU ihre Tätigkeiten zur Bekämpfung des internationalen Menschenhandels, insbesondere des Frauenhandels, im Vergleich zu den frühen Bestrebungen der UNO, erst relativ spät aufnahm, ist es hier besonders wichtig, die Rechtsentwicklung auf EU-Ebene nicht losgelöst von jener auf völkerrechtlicher Ebene zu betrachten.138

In einer ersten Entschließung zur Ausbeutung von Prostituierten und zum Menschenhandel aus dem Jahre 1989 schlug das Europäische Parlament Maßnahmen zur Beseitigung des Frauenhandels in die Zwangsprostitution vor. Wie die frühe UN-Menschenhandelskonvention von 1949 war auch diese Entschließung von einem Abschaffungsvorhaben in Bezug auf Prostitution geprägt. Zudem vermengte man widersinniger Weise Frauenhandel mit Prostitution. Jedoch änderte das Parlament im Laufe der Zeit seine Sichtweise. Bereits 1996, bei einer neuerlichen Entschließung zum Thema Menschenhandel, wurde dieser schon allgemeiner definiert und nicht nur im Zusammenhang mit Zwangsprostitution. Des Weiteren war auch die generelle Abschaffung von Prostitution zu diesem Zeitpunkt kein Thema mehr.139

136 Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität 2000, A/Res/55/25.

137 Kartusch in Gabriel, Frauenrechte, 89 f; Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels, zum

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität 2000, A/Res/55/25; Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels 2005, SEV-Nr: 197.

138 Stadt Wien, Berichterstattung Gewalt an Frauen, 40; Klein, Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 180 f.

139 Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels nach internationalem und österreichischem Recht (2000) 81 ff; Entschließung des Europäischen Parlaments zur

Das 1995 geschaffene Europol-Übereinkommen, mit dem die EU-Mitgliedstaaten ein Europäisches Polizeiamt, kurz Europol, errichteten, nennt die Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels als eines der prioritären Ziele.140

1996 fand in Wien auf Initiative der Europäischen Kommission eine Konferenz über den Frauenhandel statt. Ein Resultat dieser Konferenz war die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Thema „Frauenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung“. Dieser folgte 1998 noch eine weitere Mitteilung, in der man zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels forderte.141

Auch von Seiten des Rates der Europäischen Union kamen mehrere Impulse in Form von Gemeinsamen Maßnahmen zur Eindämmung des Handels mit Frauen. Besonders hervorzuheben ist jene Gemeinsame Maßnahme aus 1996, mit der das sogenannte STOP-Programm installiert wurde. STOP war ein Förder- und Austauschprogramm gegen den Menschenhandel und der sexuellen Ausbeutung von Kindern. Es lief zunächst von 1996 bis 2000 und verfügte über einen finanziellen Rahmen von 6,5 Millionen ECU142. 2001 erfuhr es per Beschluss des Rates eine Verlängerung, STOP II genannt, und endete schließlich 2002.

Das STOP-Programm umfasste folgende Kategorien von Maßnahmen: Fortbildung, Programme für Austausch und Praktika, Veranstaltung disziplinübergreifender Begegnungen und Seminare, Studien und Forschungsarbeiten sowie die Verbreitung von Informationen. Für die Durchführung der einzelnen Maßnahmen war die Europäische Kommission zuständig.

Neben STOP beschäftigten sich auch andere EU-Programme wie zum Beispiel DAPHNE,

Ausbeutung von Prostituierten und zum Menschenhandel, ABl C 1989/120, 352;

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Menschenhandel, ABl C 1996/32, 88.

140 Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels, 88 ff; Klein,

Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 181;

Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamts (Europol-Übereinkommen), ABl C 1995/316, 2 ff.

141 Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels, 83 und 87; Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Thema „Frauenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung“, KOM (1996) 567 endg; Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des

Frauenhandels, KOM (1998) 726 endg.

142 European Currency Unit (Europäische Währungseinheit) – Am 1. Jänner 1999 wurde sie im Umrechnungsverhältnis 1:1 durch den Euro ersetzt.

PHARE 143 oder AGIS 144 mit der Problemstellung Frauenhandel. Eine weitere nicht unwichtige Gemeinsame Maßnahme war jene aus 1997, betreffend die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern.145

Die EU-Mitgliedsstaaten erarbeiteten ebenso im Jahr 1996 Grundprinzipien für einen Verhaltenskodex zur Vorbeugung und Bekämpfung des Frauenhandels. Auf diesen Verhaltenskodex baute 1997 die rechtlich unverbindliche Haager Ministererklärung zu europäischen Leitlinien für wirksame Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Frauenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung auf. Durch den Vertrag von Amsterdam, der 1999 in Kraft trat, wurde im neu geschaffenen Politikbereich für polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen ausdrücklich die Verpflichtung zur Bekämpfung des Menschenhandels aufgenommen.146

Basierend auf die zuvor genannte Gemeinsame Maßnahme von 1997 und im Geiste des bahnbrechenden UN-Zusatzprotokolls von 2000 hat der Rat der Europäischen Union im Jahr 2002 einen bedeutenden Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Menschenhandels erlassen.

Menschenhandel wird in diesem Rahmenbeschluss viel weiter verstanden als nur in Verbindung mit Prostitution. Der Beschluss fordert von den EU-Mitgliedstaaten, Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft oder zum Zwecke der sexuellen Ausbeutungunter Strafe zu stellen. Dabei sind auch die Anstiftung und die Beihilfe sowie der Versuch einer solchen Tat zu bestrafen. Außerdem haben die Mitgliedstaaten zu

143 PHARE ist ein Gemeinschaftshilfeprogramm für die Länder Mittel- und Osteuropas.

144 AGIS ist ein Rahmenprogramm für polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Laufzeit: 2003 bis 2007).

145 Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels, 83 f und 86 f; Klein, Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 184;

Gemeinsame Maßnahme 96/700/JI vom 29. November 1996 - vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen - zur Aufstellung eines Förder- und Austauschprogramms für Personen, die für Maßnahmen gegen den Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Kindern zuständig sind, ABl L 1996/322, 7 ff; Beschluss 2001/514/JI des Rates vom 28. Juni 2001 über die Durchführung der zweiten Phase des Programms für die Förderung, den Austausch, die Aus- und Fortbildung sowie die Zusammenarbeit von Personen, die für Maßnahmen gegen den Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Kindern zuständig sind (STOP II), ABl L 2001/186, 7 ff;

Gemeinsame Maßnahme 97/154/JI vom 24. Februar 1997 - vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen - betreffend die Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern, ABl L 1997/63, 2 ff.

146 Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels, 84 und 86 und 88; Klein, Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 181.

gewährleisten, dass juristische Personen, die Menschenhandel betreiben, mit rechtlichen Sanktionen belegt werden. Da sich vor dem Rahmenbeschluss die nationalen Strafrechtsbestimmungen bezüglich Menschenhandel in den einzelnen EU-Staaten teilweise doch relativ stark voneinander unterschieden haben, war eine derartige Rechtsangleichung dringend notwendig.147

2002 wurde darüber hinaus eine einschlägige Europäische Konferenz unter dem Motto

„Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels - Globale Herausforderung für das 21.

Jahrhundert“ abgehalten. Als Ergebnis der Konferenz gilt die Brüsseler Erklärung mit der zentralen Forderung nach einer Sachverständigengruppe zu Menschenhandel. Ein Jahr später setzte man dies mit dem Beschluss der Europäischen Kommission zur Einrichtung einer beratenden Gruppe mit der Bezeichnung „Sachverständigengruppe Menschenhandel“ auch um. Diese 20-köpfige Sachverständigengruppe berät die Kommission in allen Fragen über Menschenhandel.148

Insgesamt kamen von Seiten der Europäischen Union nach der Jahrtausendwende zahlreiche Rechtsakte, die sich mit der Eindämmung des Frauenhandels und der Unterstützung seiner Opfer auseinandersetzten. In Sachen Opferschutz erließ man zum Beispiel im Jahr 2004 eine Richtlinie über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren. Nicht unerwähnt bleiben sollte zudem ein 2005 aufgestellter Plan der EU über bewährte Vorgehensweisen, Normen und Verfahren zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels. Erst kürzlich, 2011, schuf man eine Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer, die den Rahmenbeschlusses aus 2002 teilweise änderte bzw ausweitete. Die neue Richtlinie erfasst vor allem zusätzliche Arten der Ausbeutung durch Menschenhandel und trägt damit den jüngsten Entwicklungen in diesem Milieu Rechnung. Aktuell läuft die per

147 Klein, Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 181 f; Pirstner in Neuhold, Pirstner, Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 197;

Rahmenbeschluss 2002/629/JI des Rates vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des Menschenhandels, ABl L 2002/203, 1 ff.

148 Klein, Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 182; Beschluss 2003/209/EG der Kommission vom 25. März 2003 zur Einrichtung einer Beratenden Gruppe mit der Bezeichnung „Sachverständigengruppe Menschenhandel“, ABl L 2003/79, 25 ff.

Mitteilung der Europäischen Kommission festgelegte EU-Strategie für 2012 bis 2014 zur Beseitigung des Menschenhandels.149

Im Dokument Gewalt gegenüber Frauen (Seite 65-73)