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Österreichische Rechtsentwicklung

Im Dokument Gewalt gegenüber Frauen (Seite 73-76)

5. Ausgewählte Problembereiche

5.3. Sohnpräferenz

5.5.3. Österreichische Rechtsentwicklung

Durch seine zentrale Lage am europäischen Kontinent ist Österreich Drehscheibe und bevorzugtes Zielland für Menschenhandel. Schätzungen zufolge blüht in Österreich insbesondere der Handel mit der „Ware Frau“. Die Motive für Frauenhandel sind auch in unseren Breitengraden vielschichtig, dennoch geschieht dieser hauptsächlich zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung.150

Da die Probleme rund um den Frauenhandel äußerst komplex sind und daher sehr viele unterschiedliche nationale Rechtsmaterien betreffen, kann in der nachstehenden rechtshistorischen Übersicht lediglich auf die wesentlichen Normen eingegangen werden. So ist es beispielsweise in diesem Rahmen nicht möglich, sich näher mit den verschiedenen Prostitutionsgesetzen der einzelnen Bundesländer auseinanderzusetzen. Aus strafrechtlicher Sicht sei jedoch erwähnt, dass die freiwillige Ausübung von Prostitution in Österreich grundsätzlich straffrei ist. Vorab muss ebenso darauf hingewiesen werden, dass Frauenhandel primär ein internationales Phänomen darstellt und somit die Beseitigungsmaßnahmen in erster Linie auf globaler Ebene zu setzen sind. Das hat auch Österreich schon früh erkannt und infolgedessen unzählige staatenübergreifende Aktivitäten unterstützt bzw fast jedes relevante einschlägige internationale Abkommen ratifiziert. Österreich ist etwa Vertragsstaat der

149 Klein, Geschlechterverhältnisse und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 182 f; Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von

Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren, ABl L 2004/261, 19 ff; EU-Plan über bewährte Vorgehensweisen, Normen und Verfahren zur Bekämpfung und Verhütung des Menschenhandels, ABl C 2005/311, 1 ff;

Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates, ABl L 2011/101, 1 ff; Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Die Strategie der EU zur Beseitigung des Menschenhandels 2012-2016, KOM (2012) 286 endg.

150 Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Kampf gegen Menschenhandel,

<bmeia.gv.at/aussenministerium/aussenpolitik/menschenrechte/schwerpunktthemen/kampf-gegen-menschenhandel.html> (06.10.2012).

CEDAW aus dem Jahr 1979, des UN-Zusatzprotokolls zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Kinderhandels aus 2000 sowie der Konvention des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels aus 2005.

Dazu kommen zahlreiche bilaterale Übereinkommen über polizeiliche Kooperationen mit den Nachbarstaaten oder entsprechende Maßnahmen der Europäischen Union wie die jüngste Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer von 2011.151

Bis zu Beginn der 1990er-Jahre war Frauenhandel in Österreich praktisch kein Thema. Erst mit dem plötzlichen Anstieg des Handels mit Frauen durch die Öffnung Osteuropas wuchs auch langsam das Problembewusstsein und führte im Jahr 1995 zur Errichtung der interministeriellen Arbeitsgruppe „Frauenhandel“. Ihre Aufgabe war es, sinnvolle Strategien zur Bekämpfung des Frauenhandels auszuarbeiten. Bis zur Auflösung der Arbeitsgruppe 1998 wurden einige Vorschläge zur Situationsverbesserung der Betroffenen, insbesondere bezüglich des damalig mangelhaften Fremden- und Sozialrechts, entwickelt. In der Zwischenzeit initiierte die Europäische Union 1996 eine Konferenz über Frauenhandel in Wien und rückte damit die Thematik in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten verstärkt in den Vordergrund. Schließlich nahm im Jahr 1998 die erste anerkannte österreichische Opferschutzeinrichtung LEFÖ-IBF (Lateinamerikanische Emigrierte Frauen in Österreich - Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel) ihre Tätigkeiten auf und leistet seither vielschichtige bundesweite Öffentlichkeits- und Betreuungsarbeit um Betroffene des Frauenhandels zu unterstützen.152

Im Zusammenhang mit Frauenhandel können aufgrund der damit einhergehenden Gewalthandlungen, Entziehungen der Bewegungsfreiheit oder Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung sehr viele allgemeine Strafdelikte des StGB verwirklicht werden. In

151 Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels, 129 f; Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Kampf gegen Menschenhandel,

<bmeia.gv.at/aussenministerium/aussenpolitik/menschenrechte/schwerpunktthemen/kampf-gegen-menschenhandel.html> (06.10.2012); Bundeskanzleramt Österreich - Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, Prostitution in Österreich,

<frauen.bka.gv.at/site/6375/default.aspx> (06.10.2012); Bundeskanzleramt Österreich - Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, Maßnahmen gegen Frauenhandel,

<frauen.bka.gv.at/site/5529/default.aspx> (06.10.2012).

152 Boidi, Frauenhandel – Das neue Gesicht der Migration, in Arbeitsgruppe Migrantinnen und Gewalt (Hrsg), Migration von Frauen und strukturelle Gewalt (2003) 62 ff; Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels, 97 und 121 f und 124 f.

Umsetzung internationaler vertraglicher Verpflichtungen wurde im Zuge des Strafrechtsänderungsgesetzes 2004 mit § 104a StGB ein neuer Tatbestand für

„Menschenhandel“ in das Strafgesetzbuch eingefügt. Seitdem stellt § 104a StGB die zentrale Bestimmung in Sachen Frauenhandel dar. Das Delikt pönalisiert im Grundtatbestand jeden, der „eine minderjährige Person oder eine volljährige Person unter Einsatz unlauterer Mittel gegen die Person mit dem Vorsatz, dass sie sexuell, durch Organentnahme oder in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werde, anwirbt, beherbergt oder sonst aufnimmt, befördert oder einem anderen anbietet oder weitergibt“153, mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. § 104a StGB sieht auch eine höhere Strafdrohung vor, wenn eine der qualifizierten Begehungsweisen erfüllt wird. Vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004 war das Menschenhandelsdelikt in § 217 StGB geregelt, welcher aber ebenfalls mit der Reform aus 2004 in das nicht minder relevante Delikt „Grenzüberschreitender Prostitutionshandel“ umgewandelt wurde.154

2004 setzte man im Außenministerium durch einen Beschluss des Ministerrats die sogenannte

„Task Force Menschenhandel“ zur laufenden und koordinierten Weiterentwicklung der Maßnahmen gegen Menschenhandel ein. Zu den primären Aufgaben der Task Force zählt die Erarbeitung „Nationaler Aktionspläne zur Bekämpfung des Menschenhandels“. Sie ist ebenso für die Überwachung der Umsetzung dieser Aktionspläne, von denen mittlerweile der dritte für den Zeitraum 2012 bis 2014 erlassen wurde, verantwortlich. Hierfür erstellt sie auch regelmäßig einen umfassenden Bericht.155

Abschließend sei noch kurz auf die fremdenrechtliche Situation in Österreich eingegangen.

Im Mittelpunkt steht dabei das im Rahmen des Fremdenrechtspakets 2005 geschaffene Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Diesem Gesetz wurde im Jahr 2009 der § 69a NAG, eine besondere Schutznorm unter anderem für Opfer des Frauenhandels, beigefügt.

Gemäß § 69a NAG ist es Drittstaatsangehörigen nunmehr möglich, eine

153 Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch - StGB), BGBl 60/1974 idF I 15/2004.

154 Kartusch / Knaus / Reiter, Bekämpfung des Frauenhandels, 169 f; Footprint, Frauenhandel aus rechtlicher Sicht, <footprint.or.at/index.php/de/thematik/frauenhandel-aus-rechtlicher-sicht> (06.10.2012); Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch - StGB), BGBl 60/1974 idF I 15/2004.

155 Bundeskanzleramt Österreich - Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, Maßnahmen gegen Frauenhandel, <frauen.bka.gv.at/site/5529/default.aspx> (06.10.2012);

Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Kampf gegen Menschenhandel,

<bmeia.gv.at/aussenministerium/aussenpolitik/menschenrechte/schwerpunktthemen/kampf-gegen-menschenhandel.html> (06.10.2012).

Aufenthaltsbewilligung für besonderen Schutz zu erhalten, obwohl eigentlich die Voraussetzung dafür nicht gegeben sind bzw entsprechende Erteilungshindernisse vorliegen.

§ 69a Abs 1 Z 2 NAG gestattet die Erteilung einer derartigen Aufenthaltsbewilligung „zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel“156. Die Bewilligung ist für zumindest sechs Monate zu gewähren.157

Im Dokument Gewalt gegenüber Frauen (Seite 73-76)