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6 Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

immer weiter sinkender Anzahl produzieren. Das Verzweigungsmuster müßte also neben eine relativ hohen Anzahl von Methylverzweigungen eine erheblich kleinere Anzahl von höheren Verzweigungen aufweisen, wobei deren Zahl mit zunehmender Länge gleichmäßig abnehmen müßte.

Dies ist nur zum Teil der Fall. Bei den höher verzweigten Produkten fällt auf, daß die gerad-zahligen Verzweigungen generell öfter auftreten als ihre ungeraden Analoga. Eine Ausnahme bilden die Methylverzweigungen. Dieser Befund wurde erstmalig durch genaue, quantitative Auswertung der C13-NMR-Spektren möglich. Tab. 6.1-1 enthält die Verzweigungsanalyse für hoch verzweigte Polyethene im Vergleich der zehn untersuchten Systeme:

System Me Et Pr Bu Am Hex+ DB 2

[(iPr2Ph)2-AND]

MAO

65,6 3,5 1,6 8,2 1,7 7,5 276

[(iPr2Ph)2-AND]

IBAO

63,6 2,7 2,1 8,5 1,8 10,6 280

[(iPr2Ph)2-AND]

DEAC

74,9 4,1 5,3 13,8 2,9 15,5 373

[(iPr2Ph)2-AND]

Borat

59,3 1,1 3,1 8,6 1,4 13,9 268

[(tBuPh)2-AND]

MAO

38,2 0,8 0,4 3,1 0 5,43 150

[(tBuPh)2-AND]

DEAC

56,3 1,6 3,1 6,1 2,0 10 218

[(Me2Ph)2-AND]

MAO

25,7 1,5 0,6 3,0 1,6 4,6 103

[(Me2Ph)2-AND]

DEAC

23,3 1,4 2,0 4,7 1,1 6 119

[(iPr2Ph)2-BUD]

MAO

76,3 3,0 2,4 6,9 3,6 8,4 272

[(iPr2Ph)2-BUD]

DEAC

96,7 2,7 5,1 7,2 2,0 11 332

Die im Vergleich zu den restlichen Verzweigungen sehr hohe Anzahl an Methylverzweigun-gen kann sicherlich mit dem in Abb. 6.1-1 beschriebenen Kettenisomerisierungsmechanismus Tab. 6.1-1: Verzweigungsmuster von hochverzweigten Polyethenen

Tpol = 60°C, c(Ethen) = 0,4 M, Werte in (SK+VP) / 1000 (HK + VP)

erklärt werden. Dieser erklärt jedoch keinesfalls das vermehrte Auftreten von geradzahligen Verzweigungen. Wäre Isomerisierung die einzige zu Verzweigungen führende Reaktion, müßte, wie gesagt, deren Anzahl der Wahrscheinlichkeitstheorie folgend mit steigender Ket-tenlänge kontinuierlich abnehmen.

Es ist jedoch auch ein weiterer Mechanismus denkbar, der vor allem die Ausbildung von ge-radzahligen Verzweigungen propagieren würde:

R Ni

R

R H

R Ni

R H

R

R Ni

R

CH3 R

β-agostische Stabilisierung

R R Ni

CH3 ++

R Ni

R H

R ++

R R

R Ni

CH3 ++

R

1 2 3 1 2 3

1 2

3

I

1 2 3

1 2 3

1 2 3

Dabei wird durch π-Koordination eines weiteren Moleküls Ethen die Ausbildung einer Nik-kel-Alkyl-Bindung unter Einbeziehung des durch die β-agostische Wechselwirkung ans Zen-tralmetall gebundenen Wasserstoffes ermöglicht. Die dafür notwendige fünffache Koordinati-on mit zwei π-gebundenen olefinischen Liganden wird auch in der Literatur als ein möglicher Weg zum Kettentransfer diskutiert.

Der skizzierte Mechanismus führt ausschließlich zur Ausbildung von geradzahligen Verzwei-gungen, könnte also die experimentell ermittelten Ergebnisse durchaus erklären.

Ein weiterer Hinweis könnte die Änderung des Verzweigungsmusters bei Erhöhung der Mo-nomerkonzentration sein. Bei der Kettenisomerisierung, die überwiegend zu Methylverzwei-gungen führt, spielt die Monomermenge keine Rolle, eine Erhöhung derselben wird also im direkten Vergleich die Geschwindigkeit der normalen Insertion erhöhen, die natürlich unter Einbeziehung des Monomeren abläuft. Die Zahl der Methylverzweigungen sollte also bei Konzentrationserhöhung sinken. Im Gegensatz dazu müßte aber auch die Geschwindigkeit der in Abb. 6.1-2 entworfenen Verzweigungsreaktion steigen, da dort ebenfalls die Konzen-tration des Ethens eine Rolle spielt. Es müßten also mehr geradzahlige Verzweigungen in das Abb. 6.1-2: Mechanismus zur Ausbildung von geradzahligen Verzweigungen

Polymer eingebaut werden, als bei niedrigerer Monomerkonzentration. Auf der anderen Seite wird natürlich auch die in Konkurrenz stehende Insertionsreaktion beschleunigt, die zum Aufbau linearer Strukturen führt.

Die experimentellen Befunde bestätigen diese Überlegungen. Bei Erhöhung der Monomer-konzentration verringert sich die Anzahl der Methylverzweigungen stark. Die Zahl der gerad-zahligen Verzweigungen nimmt dagegen nicht oder nur vergleichsweise leicht ab.

Sicherlich tragen beide angesprochenen Reaktionswege zum Gesamtbild der beobachteten Verzweigungsmuster bei. Viele Arbeiten beschäftigen sich auf dem theoretischen Sektor mit den mechanistischen Aspekten der Ethenpolymerisation mit Katalysatoren auf Basis später Übergangsmetalle. Dabei werden sowohl die Dichtefunktionalitätsthorie als auch molekular-dynamische Methoden angewandt42,46,48,51,52,54

.

Neben den Reaktionsbedingungen haben auch die Struktur von Katalysator und Aktivator einen großen Einfluß auf die Polymerisationscharakteristika und die Eigenschaften der syn-thetisierten Polymere. Durch Röntgenstrukturuntersuchungen ist belegt, daß die beiden Aryl-ringe der Liganden senkrecht zur quadratisch-planaren Komplexebene stehen. Die ortho-Substituenten der Phenylringe liegen dann ober- und unterhalb dieser Ebene. Mit steigendem sterischen Anspruch der Substituenten werden die axialen Koordinationsstellen immer effek-tiver verstellt. Dadurch werden Kettentransferreaktionen zurückgedrängt, das Molekularge-wicht der Produkte steigt an. Da Kettentransfer, bzw. –abbruch und die zum Einbau von Ver-zweigungen führenden Reaktionen von demselben Intermediat I ausgehen (vgl. Abb. 6.1-1), mithin also Konkurrenzreaktionen sind, steigt mit dem sterischen Anspruch der Substiuenten auch die Verzweigungszahl an.

Die Art des Aktivators hat einen unerwartet großen Einfluß auf die Eigenschaften der Pro-dukte. Üblicherweise hat der Cokatalysator in der Ziegler-Katalyse die Aufgabe, aus dem Katalysatorprecursor, meist ein Dihalogenid, durch Abstraktion der Halogene und Alkylie-rung des Zentralmetalls die eigentliche insertionsfähige kationische 14-Valenzelektronen-Spezies zu generieren (vgl. Abb. 5.1-1) und dieses Kation dann möglichst schwach koordinie-rend elektronisch zu stabilisieren. In der Art dieser Stabilisierung liegt vermutlich auch der Unterschied der vier untersuchten Coaktivatoren. Das Methylalumoxan MAO, aus der Me-tallocenkatalyse als der Cokatalysator mit den bei weitem besten stabilisierenden Eigen-schaften bekannt, unterstreicht auch hier seine Sonderstellung. Die aktiven Zentren werden am effektivsten stabilisiert und Kettenübertragungsreaktionen zurückgedrängt. Dies äußert sich in den höchsten Aktivitäten und Molmassen, die mit den untersuchten Systemen erreicht werden können.

Ganz anders verhalten sich die Katalysatoren, wenn als Aktivator das Diethylaluminiumchlo-rid DEAC eingesetzt wird. Hier werden diejenigen β-agostischen Wechselwirkungen bevor-zugt, die zur π-σ-Bindungsverschiebung und Ausbildung von Intermediat I führen. Dies hat

wiederum zur Folge, daß auf der einen Seite Kettentransfer stattfinden kann, was zu niedrige-ren Molmassen und Aktivitäten führt, aber auch die hierzu in Konkurniedrige-renz stehenden und ebenfalls von Intermediat I ausgehenden Mechanismen zur Ausbildung von Verzweigungen beschleunigt werden. Das Resultat sind erheblich höher verzweigte Produkte mit etwas nied-rigeren Molekulargewichten.

Das methylgruppenfreie isobutylsubstituierte Alumoxan IBAO hat nicht die starke stabilisie-rende Wirkung wie MAO. Dies liegt zum einen an der geringeren Acidität und der höheren Weichheit dieses Aktivators, die Halogenabstraktion und Alkylierung dürfte insgesamt lang-samer ablaufen. Dies äußert sich in einer insgesamt niedrigeren Aktivität. Die Produkteigen-schaften sind mit denen der unter Verwendung von MAO als Cokatalysator hergestellten Po-lyethene vergleichbar, die Art der Stabilisierung des Kations unterscheidet sich also nicht von der des Methylalumoxans.

Bei Aktivierung mit dem Zweikomponentensystem Triisobutylaluminium und Tetrakisperflu-orphenylborat wird eine niedrigere Gesamtaktivität beobachtet bei gleichzeitig im Vergleich zum MAO etwas erhöhten Verzweigungszahlen. Die Spitzenwerte der mit DEAC aktivierten Systeme werden jedoch nicht erreicht. Das TiBA alkyliert den Katalysatorprecursor vermut-lich etwas langsamer als dies beim MAO der Fall ist, das für die Stabilisierung des generier-ten Kations zuständige sehr sperrige perfluorierte Tetraphenylborat führt zum vermehrgenerier-ten Einbau von Verzweigungen, ähnlich wie bei Verwendung von DEAC beobachtet.

Zusammenfassend lassen sich die beobachteten Trends und Einflüsse schematisch folgender-maßen darstellen:

1. Katalysatorstruktur:

Aktivität: [(iPr2Ph)2-BUD] < [(Me2Ph)2-AND] ≈ [(tBuPh)2-AND] << [(iPr2Ph)2-AND]

Molmasse: [(Me2Ph)2-AND] << [(tBuPh)2-AND] < [(iPr2Ph)2-AND] << [(iPr2Ph)2-BUD]

Verzweig. [(Me2Ph)2-AND] << [(tBuPh)2-AND] < [(iPr2Ph)2-AND] << [(iPr2Ph)2-BUD]

2. Cokatalysator:

Aktivität: Borat < DEAC < IBAO << MAO Molmasse: DEAC < Borat ≈ IBAO << MAO Verzweig. MAO ≈ IBAO < Borat << DEAC

Der Einfluß der Reaktionsbedingungen wurde bereits in Kap.5.1.5 ausführlich diskutiert. Die zehn untersuchten Systeme verhalten sich ähnlich: Generell steigt bei Temperaturerhöhung

die Anzahl der Verzweigungen an, das Molekulargewicht geht zurück, die Aktivitäten kön-nen, je nach kinetischen Parametern der Systeme steigen oder fallen. Eine Erhöhung der Mo-nomerkonzentration führt, wie oben bereits diskutiert, zu einer insgesamt niedrigeren Ver-zweigungszahl, wobei hier das Muster der Verzweigungen im Kontext der verschiedenen Me-chanismen mit betrachtet werden muß. Die Molmassen sind nicht abhängig von der Mono-merkonzentration.

Durch die statistische Versuchsplanung ist es möglich, die genaue Größe des jeweiligen Ein-flußfaktors auf alle gewünschten Zielgrößen zu quantifizieren. Dadurch werden auch Vorher-sagen mit großer Genauigkeit im gesamten untersuchten Variablenraum möglich. Bei Kennt-nis der Koeffizienten der Wirkungsflächenfunktion können darüberhinaus gezielt Reaktions-parameter berechnet werden, um eine bestimmte Produkteigenschaft exakt maßzuschneidern.

Diese Tatsache wurde anhand mehrerer durchgeführter Beispiele und Tests bestätigt.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß mit der Klasse der Polymerisationskatalysatoren auf Basis von Nickel- und Palladium-Diiminen ein ausgesprochen interessantes Feld der Kataly-sator- und Polymerforschung entdeckt worden ist. Die Produkteigenschaften der ausschließ-lich aus dem billigen Monomer Ethen herstellbaren Polymere sind so vielfältig, daß hier si-cherlich noch erheblicher Forschungsbedarf auch in der Aufklärung der einzelnen Mechanis-men besteht. Die statistische Versuchsplanung hat sich einmal mehr als außerordentlich nütz-liches mathematisches Werkzeug bei der Herstellung von Struktur-Wirkungs-Zusammenhängen ohne detaillierte Kenntnis der Mechanismen erwiesen.