• Keine Ergebnisse gefunden

8 Naturrisikomanagement-System

8.2 Etablierungswege

8.1 Design

werden können, ist das Netzwerk stabil.

8.2 Etablierungswege

zurückliegender Ereignisse, damit ein gesellschaftliches Interesse am Management von Naturisiken entsteht.

Die Herausforderung eines Naturrisikomanagements von Hangrutschungen besteht darin, Lernprozesse in den Bereich der Vorsorge zu verlagern, um so mittel- bis langfristig Schäden vermeiden zu können.

„Denn das, was in einer Krise gelernt wird, ist in aller Regel zu eng auf Krisenbewältigung ausgerichtet und vernachlässigt die Frage nach den tiefersitzenden und längerfristigen Ursachen der Krise.“ (Willke 1995a:

307)

Im Bezug auf Hangrutschungsrisiken bleibt der erste Etablierungsweg zweifel-haft, da gravitative Massenbewegungen in Deutschland massenmedial nicht so anschlussfähig sind wie das Elbehochwasser. Dies ist sicherlich durch das lokal begrenzte Auftreten und die vergleichsweise geringen Schäden zu erklären.

Hangrutschungen bleiben damit ein massenmediales Nischenprodukt, welches nicht ohne Weiteres so stark an Fahrt gewinnen wird (außer vielleicht im lokalen Kontext), dass sich daraus ein NRMS etablieren könnte.

Doch wie ist es dann möglich, dass sich ein schwierig in der Öffentlichkeit wahrnehmbares Thema institutionell etabliert? Als Beispiel soll hier der Bodenschutz dienen, der mit ähnlich schlechten Ausgangsbedingungen be-züglich seiner Anschlussfähigkeit in den Medien ausgestattet ist und trotzdem einen bedeutenden Institutionalisierungsgrad erreicht hat. Wie kam es dazu?

Wie wurde Bodenschutz ein so wichtiger Aspekt in der räumlichen Planung?

Das Thema Bodenschutz nimmt seinen Ursprung in der internationalen Diskussion um Altlasten, die seit den 70er Jahren präsent ist und zunehmend auch nach Deutschland übergriff. Im Sinne einer allgemeinen Gefahrenabwehr mündete die Thematik in dem Erlass der Bodenschutzgesetze der Länder.

Nachdem die Bundesländer jedoch uneinheitliche Standards und Richtwerte für den Bodenschutz etablierten hatten, wurde seitens des damaligen Forschungsministers einige Forschungsvorhaben angestoßen, die zum Ziel

8.2 Etablierungswege

hatten, die Gesetzgebung der Länder zu vereinheitlichen und gleichzeitig Aspekte des vorsorgenden Bodenschutzes zu integrieren.124 Das Ergebnis war das Bundesbodenschutzgesetz vom 17. März 1998.125 Was ursprünglich als Reaktion auf das drängende Problem der Altlasten seinen Anfang nahm, fand sein Ende in der Integration eines vorsorgenden Bodenschutzes. Der vor-sorgende Bodenschutz ist sozusagen „huckepack“ auf der Altlastenthematik mitgelaufen.

Bezugnehmend auf die ursprüngliche Fragestellung, wie es zur Berück-sichtigung eines gesamtgesellschaftlich schwer wahrnehmbaren Themas in Form von umfassenden Gesetzen kommt, überrascht das Ergebnis: Es handelt sich um einen Sonderfall, da nicht der vorbeugende Bodenschutz, sondern die Altlastenthematik im Vordergrund stand. Damit ist die Bodenschutzthematik dem ersten und zweiten Etablierungsweg zuzuordnen. Dem ersten, weil mit den Altlasten ein massenmedial gut darstellbares Thema vorhanden ist, bei dem es um direkt nachvollziehbare Gefahrenabwehr geht. Damit gehört der Komplex Altlasten/Bodenschutz eben nicht mehr zu der Kategorie der gesellschaftlich schlecht wahrnehmbaren Themen. Vielmehr war es offen-sichtlich und auch öffentlich kommunizierbar, dass es einen großen Handlundsbedarf gab. Altlasten/Bodenschutz kann auch dem zweiten Etablierungsweg zugeordnet werden, da sich das Bundesministerium für Forschung dafür eingesetzt hat, dass dieses Thema weiter vorangetrieben wird.

Ob es in unserer Gesellschaft jemals einen Konsens über die Notwendigkeit der Verringerung von Hangrutschungsrisiken geben wird, bleibt fraglich, denn Hangrutschungen sind kein typisches „Da muss man was tun!“-Thema. Damit muss der erste Etablierungsweg – mit Ausnahme von Großereignissen – zusammenfassend als für Hangrutschungsrisiken irrelevant bewertet werden.

Was ist daraus lernbar? Ein massenmedial kaum anschlussfähiges Thema kann

124 Diese Ziele werden durch die Föderalismusreform teilweise konterkariert.

125 Die Informationen entstammen einem Telefonat mit einem Mitarbeiter des Umweltbundesamtes (UBA).

8.2 Etablierungswege

sich im „Windschatten“ eines gut zu kommunizierenden Themas mitentwickeln. Ob ein Thema mit geringem Nachrichtenwert so aufgewertet werden kann, dass es auch alleine auf die Bühne der Öffentlichkeit treten kann und Irritationen auslöst, bleibt fraglich.

Der zweite Etablierungsweg126 ist in Form von Lobbyismus bei vielen Themen gesellschaftliche Normalität geworden (vgl. Leif & Speth 2006). Da es bei Hangrutschungsrisiken jedoch keine Lobby gibt und dies auch in Zukunft nicht zu erwarten ist, bleibt diese Form der Steuerung für Naturrisiko-management wertlos. Es gibt aber bereits eine andere Form der planvollen Umsetzung systemübergreifender Interessen: die Raumplanung bzw. genauer:

die Regionalplanung. Auch sie steht, ähnlich wie das hier konzipierte NRMS, quer zu den üblichen politischen Entscheidungsprozessen. Auch die Raumplanung wählte diese Struktur, um sektorübergreifende Ansätze über-haupt erfolgreich gestalten zu können.

Regionalplanung kann im Rahmen eines Naturrisikomanagement-Systems die Aufgabe eines Anstoßgebers, eines initialen „agenda-setters“ (Rudolph 2003:

80) haben, der im weiteren Verlauf vor allem eine moderierende Funktion einnimmt. Es kann nicht darum gehen, dass die Regionalplanung eine im Detail vorher ausgearbeitete paradigmatische Steuerung zu etablieren ver-sucht. Vielmehr kann die Regionalplanung diejenige Institution sein, die die relevanten Akteure erstmals zu diesem Thema zusammenbringt und dann langfristig im Prozess begleitet. Auch ist die Regionalplanung nicht gleich-zeitig das NRMS, sie ist lediglich ein Teil davon, wenn auch ein wichtiger. Da ein NRMS nicht per Resolution oder Verwaltungsakt gegründet werden kann, besteht die Aufgabe der Regionalplanung vor allem darin, „[...] Rahmen-bedingungen für das Entstehen und das effiziente Arbeiten von Netz-werken[...]“ (Rudolph 2003: 83) zu schaffen. Rudolph schlägt dazu vor

„[...] für das Netzwerk relevante spezifische »Aktivposten« und ihre

126 Der Managementprozess wird von einer Organisation forciert und moderiert

8.2 Etablierungswege

Interessen zu analysieren. So ließen sich besonders geeignete Teil-gruppen auswählen und gezielt ansprechen.“ (ebd.: 83)

Mit dieser Vorgehensweise wird ein Bogen geschlagen zwischen dem Managementprozess auf der einen Seite und der Notwendigkeit einer differenzierten Systemanalyse (Kapitel 7) auf der anderen Seite. Die System-theorie ist gut geeignet, um Interessen von Akteuren und ihre Systemlogiken heraus zu präparieren.

Der dritte Etablierungsweg127 ist im Rahmen dieser Arbeit nicht empirisch erfasst worden, was nicht heißen soll, dass er nicht existieren kann.

Letztendlich scheint der Unterschied zwischen dem zweiten und dritten Eta-blierungsweg vor allem im Umfang der Vorreiterrolle einer einzelnen Organi-sation zu liegen. Während beim dritten Etablierungsweg idealtypisch von einer zeitgleich induzierten und gleichwertigen Aktivität verschiedener Akteure auszugehen ist, geht beim zweiten Fall eine Organisation sowohl zeitlich als auch inhaltlich in eine Vorreiterrolle. Um es in einem Bild noch einmal zu sagen: Im zweiten Fall gibt es ein Zugpferd, welches die anderen mitzieht, im dritten Fall ziehen alle gleichzeitig, während sie an einem Runden Tisch sitzen.

Letztendlich braucht es für jeden der drei Etablierungswege vorab ein Ereignis, das eine gesellschaftliche Irritation erzeugt, die groß genug ist, um einen Handlungsbedarf, eine Resonanz in den jeweiligen Systemen zu er-zeugen. Wenn es sich dabei um ein natürliches Großereignis handelte, würde der erste Etablierungsweg greifen. Kleinere, massenmedial weniger anschluss-fähige natürlich Ereignisse bedürfen sozialer Kommunikationsereignisse, um Irritationen in anderen Systemen auszulösen.

127 Der Managementprozess entwickelt sich zwischen den Organisationen ohne ein vergangenes Großereignis und ohne treibende Organisationen