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Etablierung eines Mastitis-Infektionsmodells

3 Geräte, Material und Methoden

5.3 Frühe Erreger-Wirts-Interaktionen nach experimenteller intramammärer

5.3.1 Etablierung eines Mastitis-Infektionsmodells

Zu zahlreichen Fragestellungen wurden innerhalb der letzten dreißig Jahre Euter-Infektionsmodelle beim Rind eingesetzt. Untersuchungen zur Expression und Regulation von Pathogen-Erkennungs-Rezeptoren blieben in diesem Zusammenhang bisher jedoch aus. Es wur-de hypothetisiert, dass einer dysregulierten Expression entscheiwur-denwur-der Toll-like Rezeptoren, schwerwiegend verlaufende Mastitiden folgen können. Differenzierte Kenntnisse über die Regu-lation der TLR-Expression im Verlauf einer Mastitis sind daher essentiell, um mittel- und lang-fristig Strategien zur Infektionsprävention entwickeln zu können.

Hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrem stark differierenden Krankheitsbild wurden E. coli und S. aureus als Mastitiserreger ausgewählt.

Ein besonderer Schwerpunkt sollten streng definierte Modellgrenzen hinsichtlich der Euter- so-wie der Allgemeingesundheit darstellen. Eine unterschiedliche lokale so-wie systemische Ausgangssi-tuation der Abwehrbereitschaft könnte zu mangelnder Vergleichbarkeit der Ergebnisse führen.

Auffallend waren in diesem Zusammenhang die stark divergierenden Modellbedingungen der bisher eingesetzten Mastitis-Infektionsmodelle. Im hier verwendeten Modell sollten nur allge-mein-, wie eutergesunde Tiere gleichen Alters und Laktationsstadiums eingesetzt werden. Beach-tung verdiente insbesondere die initiale Anzahl somatischer Zellen in der Milch, da gezeigt wer-den konnte, dass erhöhte SCC-Werte einen protektiven Einfluss auf die Schwere einer natürli-chen wie experimentellen Mastitis besitzen (Nickerson et al. 1990, Shuster et al. 1996).

Der SCC ist unter Praxisbedingungen ein wichtiger Indikator für die Eutergesundheit (Pyörälä 2003). Es ist davon auszugehen, dass bereits ab einem Wert von >100.000 Zellen/ml die normale zelluläre Abwehr in eine entzündliche Reaktion übergeht (Doggweiler und Hess 1983). Dies gab Anlass, in dieser Höhe bewusst die Maximalgrenze initial vorhandener Milchzellen zu wählen. Sie lag damit deutlich niedriger als in den meisten eingesetzten Mastitis-Infektionsmodellen. Eine viermalige Untersuchung der Viertelanfangsgemelke über einen Zeitraum von 3 Wochen vor, bis hin zum Versuchsbeginn sollten neben einem niedrigen SCC-Wert ebenso die Freiheit der Milch von jeglichen bakteriellen Kontaminationen garantieren.

Aufgrund beobachteter starker interindividueller Unterschiede im Differentialzellbild der Milch bereits bei einem SCC-Wert <100.000 Zellen/ml (siehe Tabelle 10 und 11) sollte zukünftig die Maximalgrenze auf 50.000 Zellen/ml herabgesetzt werden. Somit könnte eine größtmögliche Freiheit von entzündlichen Veränderungen garantiert werden, da Köß (2004) bereits feststellen konnte, dass sich das Differentialzellbild in der Milch bereits ab >50.000 Zellen/ml zugunsten der PMN verschiebt. Dies kann bereits als Hinweis auf eine entzündliche Veränderung gewertet werden. Darüber hinaus könnte es sich zur weiteren Standardisierung des Modells als sinnvoll erweisen, nur noch Tiere mit einer ähnlichen Zellzusammensetzung in der Milch innerhalb einer Versuchsgruppe experimentell zu infizieren. Den prozentualen Anteil neutrophiler Granulozyten als Indikator für entzündliche Veränderungen heranzuziehen wurde bereits vorgeschlagen (Ha-mann und Krömker 1997). Dies kann aufgrund der hier erhobenen Daten bestätigt werden, die zeigen, dass der Anteil von PMN während einer entzündungsbedingten Zunahme der Zellzahl stark mit dieser korreliert (siehe Abbildung 14).

Da bekanntermaßen der Verlauf einer Mastitis sehr starke Unterschiede in seiner Ausprägung aufweist, beeinflusst durch Wirts-, Erreger- und Umweltfaktoren, war es zunächst wichtig, den Verlauf klinischer Symptome zu erfassen. Es ist bekannt, dass ein Großteil subklinischer Mastiti-den aufgrund fehlender Anzeichen unerkannt bleibt und somit die betroffenen Tiere ein ständi-ges Reservoir für Mastitiserreger im Bestand bilden. Erst augenscheinlich auftretende Verände-rungen wie Flocken in der Milch, Euterschwellung oder Störung des Allgemeinbefindens führen

zum Aufdecken erkrankter Kühe. Somit diente die Erfassung klinischer Parameter hier als Kon-trolle hinsichtlich einer sich etablierenden Infektion. Weiterhin konnte der Schweregrad der Aus-prägung näher charakterisiert werden.

Veränderungen der absoluten und relativen Zahl zirkulierender Leukozyten im Blut wurden als Indikator für stattfindende entzündliche Prozesse herangezogen. Bei einer klinischen Mastitis lassen sich neben einer erhöhten Zellzahl im Viertelanfangsgemelk ebenfalls Mastitiserreger nachweisen (Hamann und Fehlings 2002). Auf die nähere Untersuchung von pathogenen Me-chanismen seitens des Erregers wurde im Rahmen dieser Arbeit verzichtet.

Tiere reagieren einheitlich nach experimenteller Infektion mit E. coli:

Die durch E. coli hervorgerufenen Mastitiden weisen meist einen akuten bis perakuten Verlauf mit deutlich ausgeprägten klinischen Symptomen auf (Burvenich et al. 2003). Wie bereits bei Bannermann et al. (2004) beobachtet reagierten alle hier experimentell mit E. coli infizierten Tiere nach 12 h mit Fieber. Eine beschriebene hgr. Störung des Allgemeinbefindens, wie sie bei durch E. coli hervorgerufenen Mastitiden auftreten können, blieb aus. Lediglich eine geringgradige Stö-rung des Allgemeinbefindens war zu bemerken. In diese Betrachtung muss mit hineinfließen, dass die klinische Ausprägung der E. coli-Mastitis mit fortgeschrittenem Laktationsstadium ab-nimmt und schwerwiegende Erkrankungen meist nur im postpartalen Zeitraum auftreten (Bur-venich et al. 2003). Die hier verwendeten Tiere befanden sich alle in der Mitte ihrer ersten Lakta-tion.

Das Einstellen der Milchproduktion konnte bei allen Tieren beobachtet werden. Dies deckt sich mit bereits bekannten Beobachtungen (Lohuis et al. 1990). Auch die nichtinfizierten Euterviertel zeigten bekanntermaßen eine deutliche Reduktion der Milchleistung (Shuster et al. 1996). Ver-antwortlich hierfür werden lokale Pathogen-abhängige Mechanismen gemacht, die zur Einstel-lung der Milchproduktion führen (Burvenich et al. 2003). Dies beruht u.a. darauf, dass im akuten entzündlichen Geschehen unterschiedlich Gene aktiviert und unterdrückt werden können, die die Milchleistung beeinflussen: So konnte gezeigt werden, dass bei den in dieser Arbeit experimentell mit E. coli infizierten Tieren Remethylierungsvorgänge die Synthese des αS1-Kaseins hemmen (Vanselow et al. 2005, in Vorbereitung). Auch eine lokale Gewebeschädigung führt zum Verlust syntheseaktiver Zellen (Heyneman et al. 1990). Weiterhin können im Falle klinisch schwerwie-gender Verläufe Störungen der Magen-Darm-Motilität als auch die Einstellung der Nahrungsauf-nahme durch einen Mangel verfügbarer Nährstoffe die Milchleistung kurzfristig beeinflussen (Lohuis et al. 1988).

Hinsichtlich zirkulierender Blutzellen konnte bereits 12 h post infectionem eine deutliche Neutrope-nie und LymphopeNeutrope-nie beobachtet werden. Hierbei handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen durch LPS-vermittelten Effekt: Durch eine intravenöse Verabreichung von 50 – 500 µg E. coli-Endotoxin (LPS) bei Rindern, konnte eine starke Neutropenie hervorgerufen werden, hö-here Dosen resultierten in einer zusätzlichen Lymphopenie und Fieber (Jain und Lasmanis 1978).

Eine initiale Neutropenie könnte dadurch erklärt werden, dass Entzündungszellen, allen voran die neutrophilen Granulozyten, die Blutbahn verlassen und in entzündetes Gebiet einwandern (Paape et al. 1974). Obwohl hier eine beschriebene zeitliche Korrelation zwischen dem Einstrom neutrophiler Granulozyten in die Milch und einem gleichzeitigen Verlust im Blut bestand (siehe auch Bannerman et al. 2004), so konnte die Gesamtzahl der in der Milch befindlichen PMN nur einen Bruchteil der aus dem Blut reduzierten Zahl repräsentieren. Anzunehmen ist, dass ein Großteil der PMN in entzündetes Milchdrüsengewebe einwandert und dort verbleibt. Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Neutrophilen im Gewebe, in der Milch und im Blut verstärkt in Apoptose übergehen und im Milchsekret und peripheren Blut nicht mehr detektiert werden. Yagi et al. (2002) konnten eine signifikante, wenn auch transiente Zunahme apoptotischer PMN in der Eutervene 4 h nach intramammärer LPS-Infusion feststellen. Dabei handelt es sich höchstwahr-scheinlich nicht um einen direkten LPS-vermittelten Effekt, da LPS nicht im Blut detektiert wer-den konnte. In diesem Zusammenhang wird TNF-α als proapoptotischem Mediator eine wichtige Rolle beigemessen. Eine LPS-vermittelte Sekretion von TNF-α induziert Apoptose in PMN

(Ta-keda et al. 1993). Auch bei der Apoptose von Lymphozyten spielt TNF-α eine zentrale Rolle (Norimatsu et al. 1995, Sanchez-Cordon et al. 2005), was die beobachtete Lymphopenie erklären könnte. Maximalwerte für TNF-α konnten nach experimenteller E. coli-Mastitis in der Milch 16 h post infectionem gemessen werden (Bannermann et al. 2004). Im Blut ist TNF-α nach 8-16 h post infectionem nachweisbar (Hoeben et al. 2000). Minimalwerte der zirkulierenden PMN im Blut konnten in dem hier verwendeten Modell 18 h post infectionem registriert werden.

Tiere reagieren unterschiedlich auf eine experimentelle Infektion mit S. aureus

Tiere, die mit S. aureus infiziert wurden, zeigten keine Erhöhung ihrer Körpertemperatur oder Störung des Allgemeinbefindens. Lediglich ein Abfall der Milchleistung war bei allen Tieren zu registrieren. Eine Infektion mit S. aureus führte bei 4 Tieren innerhalb von 24 h zunächst zu kei-ner signifikanten Zellzahlerhöhung in der Milch. Da aus Vorversuchen bekannt war (Daten nicht gezeigt), dass Tiere, deren Euter experimentell mit S. aureus über mehrere Tage infiziert wurde, möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt mit einer stärkeren Erhöhung der Zellzahl rea-gieren, wurden Euterviertel weiterer 6 Tiere über einen Zeitraum von 72 h infiziert: Diese Tiere zeigten im Gegensatz zu den mit E. coli infizierten Tieren ein uneinheitliches Bild in ihrer Zell-zahlentwicklung: Während manche Tiere innerhalb der ersten zwölf Stunden bereits mit einer starken Zellzahlerhöhung reagierten, zeigten andere wiederum eine kontinuierliche Zunahme über einen Zeitraum von 48 h und wiederum 2 Tiere reagierten nicht. Diese Heterogenität belegt indirekt, dass neben den in dieser Arbeit gewählten Standardisierungskriterien noch weitere, nicht untersuchte, Faktoren des Wirtes für den Infektionsverlauf ausschlaggebend sein können. Hier sei nur kurz auf die humoralen Faktoren in der Milch verwiesen (siehe 2.2.1), oder auf Unter-schiede in der funktionellen Kapazität bereits vorhandener Milchzellen.

Aufgrund der hier beobachteten, stark interindividuell abweichenden Reaktionen auf eine expe-rimentelle Mastitis mit S. aureus, sollte erwogen werden, einzelne Aspekte der Pathogenese zu beleuchten. Hierzu böte sich bspw. an, anhand intramammärer Infusionen mit hochreinen LTA-Präparationen die Bedeutung des TLR-2-Liganden im Rahmen der S. aureus-Mastitis zu untersu-chen.

Aus der Literatur ist bekannt, dass Tiere auf eine experimentelle Infektion von Eutervierteln mit S. aureus erst 24 h post infectionem mit einer SCC-Erhöhung reagieren (Bannermann et al. 2004) und damit deutlich später als Tiere, die mit E. coli infiziert wurden. In vielen angewendeten Euterin-fektionsmodellen für S. aureus handelte es sich jedoch um Verlaufsstudien über einen längeren Zeitraum. Hier wurden häufig die Probenintervalle auf einige Tage ausgedehnt, so dass Aussagen zur Zellzahlentwicklung unmittelbar nach experimenteller Infektion gänzlich fehlen (Schukken et al. 1994, Shoshani et al. 2000, Ebling et al. 2001).

Dass E. coli und S. aureus nach experimenteller Infektion von Eutervierteln eine unterschiedliche Immunantwort hervorrufen wurde in vivo gezeigt (Bannermann et al. 2004). Obwohl die Bildung von IL-1, IFN-γ, IL-12, sCD14 und LBP vergleichbar verlief, induzierte eine E. coli-Mastitis eine deutliche C5a-, TNF-α- und IL-8-Freisetzung in der Milch, wobei S. aureus nur niedrige Spiegel an C5a, TNF-α und IL-8 hervorrief (Bannerman et al. 2004). In vitro konnte kürzlich gezeigt wer-den, dass LPS und LTA beide eine Expressionssteigerung von IL-8, TNF-α, IL-1β und dem Chemokin CXCL6 (granulocyte chemotactic protein 2) in primären, bovinen Milchdrüsenepithel-zellen nach 2-4 h hervorrufen (Strandberg et al. 2005). Während die Werte für LPS-stimulierte Zellen erhöht blieben, sanken sie bei LTA-stimulierten bereits nach 8-16 h wieder auf Ausgangs-niveau. Diese begrenzte Ausschüttung pro-inflammatorischer Zytokine könnte erklären, warum eine Mastitis mit S. aureus eher als mit E. coli klinisch schwächer ausgeprägt ist und zu einer chro-nischen Verlaufsform neigt.

Während bei einer experimentellen Infektion mit E. coli alle infizierten Viertel zu jedem gemesse-nen Zeitpunkt eigemesse-nen bakteriologisch positiven Befund zeigten, konnte nicht in jedem der mit S.

aureus infizierten Viertel ein bakteriologisch positiver Befund erhoben werden (siehe Tabelle 9):

Tiere, bei denen zwei Viertel über 72 h infiziert wurden, zeigten bspw. nur in einem der beiden

Viertel einen bakteriologisch positiven Befund. Schukken et al. (1999) berichteten sogar, dass von 48 bakteriologisch negativen Eutervierteln nach einer experimentellen Infektion mit S. aureus 18 Viertel weiterhin bakteriologisch negativ blieben. Auch ein signifikanter SCC-Anstieg konnte für letztere Viertel nicht gezeigt werden. Im hier verwendeten Modell scheint sich ein anderer Zu-sammenhang zwischen der Kinetik des SCC in der Milch und den bakteriologischen Befunden einzelner infizierter Euterviertel zu ergeben: Während bspw. Tier 490 und Tier 8193 mit einer langsamen Zunahme der Milchzellen über 48 h auf eine Infektion reagierten, zeigten Tier 491 und 475 innerhalb von 12 h einen raschen Anstieg (siehe Abbildung 10). Interessanterweise zeig-ten die Tiere mit einem raschen Zell-Influx invariant einen bakteriologisch negativen Befund ihrer Viertelanfangsgemelke. Tier 490 (siehe Tabelle 9) und Tier 8193 (Daten nicht gezeigt) zeig-ten bei einer langsamen Zunahme des SCC durchgehend einen positiven Befund für S. aureus in der Milch. Somit erscheint es naheliegend, dass eine rasche Zunahme der Zellzahl zur Eliminie-rung von S. aureus in der Milch führen kann. Ein bakteriologisch negatives Ergebnis ist in Hin-sicht auf eine Euterinfektion mit S. aureus vorsichtig zu bewerten, da der Erreger erfahrungsge-mäß z.T. nur intermittierend nachgewiesen wird. Verantwortlich hierfür ist seine Eigenschaft, an Milchdrüsenepithelzellen zu haften (Almeida et al. 1996, Hensen et al. 2000), als auch intrazellulär in Makrophagen (Hébert et al. 2000) und Epithelzellen (Lammers et al. 1999) zu überleben.

Eine sequentielle Infektion beeinflusst die Reaktionsweise benachbarter Euterviertel

In diesem Mastitis-Modell sollte u.a. untersucht werden, inwiefern zu unterschiedlichen Zeit-punkten infizierte Euterviertel bei der Teilsektion verschiedene Stadien einer Infektion repräsen-tieren. Eine sequentielle Infektion des Euters wurde in dieser Form bisher nicht durchgeführt.

Dazu wurden die Euterviertel 24 h, 12 h und 6 h vor der Sektion der Tiere mit E. coli oder S.

aureus infiziert. Zusätzlich wurden Tiere 72 h und 12 h vor der Sektion mit S. aureus infiziert. Vor-aussetzung einer getrennten Betrachtung der Infektionsstadien einzelner Euterviertel wäre der Ausschluss einer gegenseitigen Beeinflussung durch systemische Faktoren. Es zeigte sich jedoch, dass ein initial infiziertes Viertel Einfluss auf die Dynamik der Zellzahl-Entwicklung nachfolgend infizierter Viertel nahm (siehe Abbildung 8 und 11). Diese Beobachtung legt nahe, dass sich die Euterviertel im Rahmen der Infektion gegenseitig durch Mediatoren beeinflussen. Eine starke Zunahme des SCC, wie initial bei durch E. coli-induzierter Mastitis beobachtet, hatte zur Folge, dass 12 h und 18 h später infizierte Viertel keinen signifikanten Anstieg des SCC zeigten. Auch im durchflusszytometrischen Bild zeigte eine Erstinfektion einen massiven relativen und absolu-ten Anstieg der PMN im Viertelanfangsgemelk. Dagegen blieb im gleichen Tier durch eine 12 h später erfolgende Infektion mit gleicher Infektionsdosis dieser Effekt aus. Eine mögliche Ursache könnte die bestehende Neutropenie (siehe oben) der Tiere darstellen. Dies erscheint jedoch eher unwahrscheinlich, da trotz reduzierter Anzahl der PMN im Blut, nach wie vor ca. 1,2 x 1010 PMN im Blut zirkulierten. In Anbetracht der erheblichen Auswirkungen einer Infektion auf die Zahl zirkulierender Leukozyten (siehe Abbildung 7) ist es wahrscheinlicher, dass die Infektion zu einer massiven Zytokin/Mediatorbildung geführt hat, welche die Reaktionsfähigkeit und Funktionalität von Zellen in den benachbarten Vierteln moduliert hat.

Auch bei einer intramammären Infektion mit S. aureus scheint eine vorangegangene Infektion Einfluss auf nachfolgende Infektionen zu nehmen: Hier resultierte eine primäre Infektion mit interindividuell heterogener Zellzahl-Entwicklung in der Milch. Eine weitere Infektion 60 h spä-ter in einem kontralaspä-teralen Viertel hatte eine rasche und sehr viel homogenere Reaktion inner-halb von 12 h zur Folge (siehe Abbildung 11). Dies erscheint gegensätzlich zu den Ergebnissen, die während einer experimentellen Infektion von Euterviertel mit E. coli erzielt wurden: Während dort eine initial starke Reaktion eine schwächere Reaktion bei nachfolgenden Infektionen beding-te, konnte eine erste Infektion mit S. aureus die Reaktionsbereitschaft der Tiere auf eine nachfol-gende Infektion erhöhen. Einschränkend muss angemerkt werden, dass das Intervall zwischen den Infektionen bei S. aureus länger gewählt wurde, was einen direkten Vergleich beider Phäno-mene erschwert.

Im Rahmen einer experimentellen Mastitis mit E. coli oder S. aureus änderte sich neben der abso-luten Anzahl von Zellen in der Milch auch deren relative Zusammensetzung. Ein rascher Influx neutrophiler Granulozyten in hoher Zahl ist entscheidend für den weiteren Verlauf der Erkran-kung (Paape et al. 2003). In den zuerst infizierten Vierteln nahm der Anteil neutrophiler Granu-lozyten stark zu und stellte nach 12 h die dominierende Zellpopulation dar (siehe Abbildung 12).

Im weiteren Verlauf blieben diese Werte erhöht. Die Kontrollviertel reagierten dagegen mit einer transienten Erhöhung neutrophiler Granulozyten. Dies spricht wiederum für die Beeinflussung benachbarter Euterviertel z.B. durch Mediatoren. Nach 24 h hatte die Zellzusammensetzung aber wiederum ihre Ausgangswerte erreicht (E. coli 24 h) oder hatte sich ihnen angenähert (S. aureus 72 h).

Die Kinetik der Rekrutierung kann sich je nach beteiligtem Keim (E. coli oder S. aureus) deutlich unterscheiden (Bannerman et al. 2004), allerdings gehen die Aussagen hierüber, je nach verwen-detem Modell, in der Literatur weit auseinander. Die in der Gesamtheit an der Chemotaxis betei-ligten Faktoren, deren relative Bedeutung und über die Kinetik ihrer Induktion ist wenig bekannt.

Dem Chemokin CXCL8 (Interleukin-8) wird eine tragende Rolle zugesprochen (Rambeaud und Pighetti 2005). Daneben ist belegt, dass die Konzentration des chemotaktisch wirksamen Kom-plementfaktors C5a im Rahmen einer E.-coli-induzierten Mastitis ansteigt (Rainard und Poutrel 2000, Bannermann et al. 2004). Für CXCL6 konnte in vitro eine Expressionssteigerung in Milchdrüsenepithelzellen gezeigt werden (Strandberg et al. 2005), was eine mögliche Bedeutung für die Anlockung Neutrophiler ins Euter nahe legt. Andere Mediatoren, bspw. Leukotrien B4 (LTB4), oder auch die chemotaktisch wirksamen Mastzell-Proteasen (Tryptase, Chymase) wurden bisher in ihrer Bedeutung für die Neutrophilen-Chemotaxis in die Milchdrüsen-Alveole nicht untersucht. Untersuchungen in vivo belegen, dass LTB4 ein potentes Chemotaktikum für bovine Neutrophile darstellt (Zerbe et al. 1996).

Morphologische Veränderungen der PMN im Infektionsverlauf

Morphologische Veränderungen der PMN (Verlust der Granularität, Größenzunahme) waren im Verlauf einer Infektion mit E. coli (siehe Abbildung 15) als auch mit S. aureus (Daten nicht ge-zeigt) zu beobachten. Es ist beschrieben, dass die pro-inflammatorischen Mediatoren Platelet-Activating Factor (PAF) und TNF-α eine Größenzunahme boviner PMN bewirken (McClenahan et al. 2000). Eine Stimulation mit PAMPs in vitro führte zu einer Verminderung der Granularität von PMN (Dahnke 2003, eigene Untersuchungen). Dieser Granularitätsverlust kann als Parame-ter einer Zellaktivierung inParame-terpretiert werden, die sich in der Verschmelzung der Granula mit der Zellmembran zur Abgabe der Inhalte in den Extrazellularraum äußert (Dahnke 2003). Neben einer Aktivierung kann auch die Induktion der Apoptose zu morphologischen Veränderungen neutrophiler Granulozyten führen. Ein apoptosebedingter Verlust der Granula und eine Verrin-gerung der Zellorganellen boviner PMN aus dem Eutergewebe in vitro ähneln morphologischen Alterationen in vivo (Sladek und Rysanek 2005). Die morphologischen Veränderungen lassen sich in Anfangs- und Endgemelken registrieren, was darauf schliessen lässt, dass alle im Eutersek-ret befindlichen PMN sich morphologisch ähneln und die Veränderungen nicht spezifisch für Zellen sind, die entweder intraalveolar oder intrazisternal lokalisiert sind.

5.3.2 Einfluss einer experimentellen Mastitis mit E. coli und S. aureus auf die