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Um langreichweitige Informationen ¨uber die Konformation des prolinreichen Segments von TonB zu bekommen, wurden ESR-Abstandsmessungen durch-gef¨uhrt. In Abbildung 4.5 ist die gesamte Aminos¨aurensequenz des Proteins zu sehen [83]. Das f¨ur die ESR-Messungen verwendete 70 Residuen lange, pro-linreiche Fragment wurde in orange unterlegt. Durch ortsspezifische Cystein-Mutagenese (rot markierte Aminos¨auren in Abbildung 4.5) und Derivati-sierung mit dem Spinmarker MTSL (1-oxyl-2,2,5,5-tetra-methylpyrroline-3-methyl-methanethiosulfonate)(siehe Kapitel 6.5.2) sind sechs doppelt spin-markierte TonB-Mutanten hergestellt worden: TonB 59/69, TonB 59/76, TonB 69/76, TonB 69/84, TonB 88/106, und TonB 106/120. Die beiden angegebenen Zahlen entsprechen den Positionen der Residuen im nativen TonB, die durch Cysteine ersetzt wurden.

Die Bindung des Spinmarkers kann ¨uber cw-(continuous wave)-ESR-Messungen bei Raumtemperatur ¨uberpr¨uft werden, siehe dazu Kapitel 2.1. In Abbildung 4.6 ist das cw-Spektrum freien MTSLs in deuteriertem Wasser und die spek-trale Simulation zu sehen.

Einer der Simulationsparameter ist die Rotationskorrelationszeit τcorr. Sie gibt Aufschluss dar¨uber, wie schnell der Spinmarker rotiert. Die rotatorische Diffusion ist einerseits von der Viskosit¨at des Mediums, andererseits vom

4.3 ESR AN TONB-FRAGMENTEN 47

Abbildung 4.5: TonB Aminos¨aurensequenz. In orange unterlegt ist das 70 Aminos¨auren lange, prolinreiche Segment, das f¨ur die ESR-Messungen her-angezogen wurde. Rot markierte Residuen stellen die Angriffspunkte der Mu-tagenese dar.

3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0

B [ G ]

Abbildung 4.6: Cw-ESR-Messung an MTSL in D2O, Messparameter siehe Kapitel 6.6.4. Kreise stehen f¨ur die experimentellen Daten, die rote Linie f¨ur die spektrale Simulation mittels EasySpin [12] (Parameter: gx=2,00906, gy=2,00687, gz=2,003, Ax=18 MHz, Ay=18 MHz, Az=100 MHz, intrinsische Linienbreite bestimmt bei voller Breite auf halber H¨ohe = 1,3 G, τcorr = 4,55·10−11 ns, isotrope Rotation).

48 4. NITROXID-NITROXID-ABSTANDSMESSUNGEN hydrodynamischen Radius des Molek¨uls abh¨angig. Ob der Spinmarker am Protein gebunden ist, kann aus dem Vergleich der Rotationskorrelationszei-ten von freiem MTSL mit der Proteinprobe erhalRotationskorrelationszei-ten werden. Ist der Marker gar nicht oder nur ein Anteil gebunden, erh¨alt man die gleiche Rotations-korrelationszeit wie f¨ur freies MTSL, bzw. l¨asst sich das Spektrum nur mit mindestens zwei Komponenten unterschiedlicher Korrelationszeiten anpas-sen. Alle Spektren der sechs TonB-Mutanten in deuteriertem Wasser (siehe Abbildung 4.7) lassen sich gut mit einem Parametersatz beschreiben. Die darausfolgenden Rotationskorrelationszeiten sind um etwa eine Gr¨ oßenord-nung l¨anger als f¨ur freies MTSL, was auf eine Bindung des Markers an das Protein schließen l¨asst.

Uber cw-ESR-Messungen bei tiefen Temperaturen k¨¨ onnen Spinmarkerabst¨ an-de zwischen 0,5 nm und 1,5 nm gemessen weran-den [15]. Zu diesem Zweck zieht man einzelmarkierte Proben heran, und vergleicht das Spektrum mit einer doppeltmarkierten Variante bei gleichen Messbedingungen. Ist eine spektrale Verbreiterung des Doppelmutanten erkennbar, l¨asst sich dies auf Abst¨ande unter 1,5 nm zur¨uckf¨uhren (f¨ur Details siehe [15]). Dies kann bei Aggre-gation oder Kollaps des Proteins geschehen. TonB wurde an Position 59 (TonB 59) mit MTSL einfach spinmarkiert. In Abbildung 4.8 ist exempla-risch der Vergleich mit der Doppelmutante TonB 59/69 zu finden. Die Pro-ben werden in fl¨ussigem Stickstoff schockgefroren und bei einer Temperatur von 120 K gemessen. Da sich alle Proben in einem L¨osungsmittelgemisch aus D2O/Glycerin-d8 50/50 Volumenprozent befinden, f¨uhrt die Schockge-frierung zu einer Glasmatrix und damit zu einem Einfangen der statistischen Orientierungen der Molek¨ule. Eine spektrale Verbreiterung wurde bei keiner Probe beobachtet. So k¨onnen Abst¨ande unter 1,5 nm ausgeschlossen werden.

Die einfach spinmarkierte Probe TonB 59 eignet sich ebenfalls, um den Hin-tergrund der intermolekularen Wechselwirkung f¨ur die DEER-Messungen der Doppelmutanten experimentell zu bestimmen. Die verwendete Pulssequenz f¨ur die Vierpuls-DEER-Messung (siehe Kapitel 2.2.1) ist folgendermaßen auf-gebaut:π/2(νobs)−τ1−π(νobs)−t0−π(νpump)−(τ12−t0)−π(νobs)−τ2−Echo.

In Abbildung 4.9 ist das Ergebnis der Vierpuls-DEER-Messung zu sehen. Die einzelmarkierten Proteine weisen eine dreidimensional homogene Spinvertei-lung auf, wie durch die Anpassung mit dem entsprechenden Modell nach Gleichung 2.5 gezeigt ist.

4.3 ESR AN TONB-FRAGMENTEN 49

3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0

B [ G ]

(a) TonB 59/69, Linienbreite = 1,4 G, τcorr = 8,55·10−10 s.

3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0

B [ G ]

(b) TonB 69/84, Linienbreite = 1,7 G, τcorr= 7,94·10−10 s.

3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0

B [ G ]

(c) TonB 88/106, Linienbreite = 1,1 G, τcorr = 8,89·10−10 s.

3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0

B [ G ]

(d) TonB 106/120, Linienbreite = 1,7 G, τcorr= 6,43·10−10 s.

3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0

B [ G ]

(e) TonB 59/76, Linienbreite = 1,2 G,τcorr

= 7,69·10−10s.

3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0

B [ G ]

(f) TonB 69/76, Linienbreite = 1,2 G,τcorr

= 9,89·10−10s.

Abbildung 4.7: Cw-ESR-Messungen an sechs doppelt spinmarkierten TonB-Mutanten in D2O, Messparameter siehe Kapitel 6.6.4. Kreise stehen f¨ur die experimentellen Daten, rote Linien f¨ur die Simulation (Parameter: gx

= 2,00906, gy = 2,00687, gz = 2,003, Ax = 18 MHz, Ay = 18 MHz, Az

= 100 MHz, intrinsische Linienbreite bestimmt bei voller Breite auf halber H¨ohe).

50 4. NITROXID-NITROXID-ABSTANDSMESSUNGEN

3 2 6 0 3 2 8 0 3 3 0 0 3 3 2 0 3 3 4 0 3 3 6 0 3 3 8 0 3 4 0 0 3 4 2 0 3 4 4 0

B [ G ]

Abbildung 4.8: Cw-ESR-Messungen bei T = 120 K, Messparameter siehe Kapitel 6.6.4. Schwarze Linie: TonB 59/69. Rote Linie: TonB 59.

- 0 , 5 0 , 0 0 , 5 1 , 0 1 , 5 2 , 0 2 , 5 3 , 0 3 , 5 4 , 0

0 , 4 0 , 5 0 , 6 0 , 7 0 , 8 0 , 9 1 , 0

V(t)/V(0)

t ' [m s ]

Abbildung 4.9: Normierte DEER-Kurve der einfach an Position 59 spinmar-kierten TonB-Mutante (schwarze Linie), Messparameter siehe Kapitel 6.6.1.

Die rote Linie entspricht der Anpassung eines Hintergrundes f¨ur eine dreidi-mensional homogenene Spinverteilung.

4.3 ESR AN TONB-FRAGMENTEN 51 In Abbildung 4.10 sind sechs DEER-Kurven nach der Korrektur mit einem dreidimensional homogenen Hintergrund dargestellt, die jeweils zu den sechs TonB-Fragmenten geh¨oren. Die Unterschiede in der Modulationstiefe lassen sich auf verschiedene Spinmarkierungseffizienzen zur¨uckf¨uhren. Geht man im einfachsten Fall von dreidimensional gaussverteilten Markern aus, so erh¨alt man durch Anpassung einer Riceverteilung (dicke Linien in Abbildung 4.10) den Abstand zwischen den wahrscheinlichsten Spinmarkerpositionen (siehe Kapitel 3), und der Breite σ der Abstandsverteilung. Die Ergebnisse f¨ur die sechs Messungen sind der Tabelle 4.1 zu entnehmen.

0 , 0 0 , 5 1 , 0 1 , 5 2 , 0 2 , 5 3 , 0 3 , 5 Linien). Fit mit einer Riceverteilung (dicke Linien).

(b) Abstandsverteilungen der sechs Mu-tanten entsprechend der Anpassung mit ei-ner Riceverteilung in (a).

Abbildung 4.10: Ergebnisse der DEER-Messungen an sechs TonB-Doppelmutanten, Messparameter siehe Kapitel 6.6.1.

TonB-Fragment Abstand µR [nm] Breite der Verteilung σ [nm]

TonB 69/76 2,4 ±0,15 0,6 ±0,1

TonB 59/69 2,8 ±0,15 0,6 ±0,1

TonB 106/120 3,0 ±0,15 0,9 ±0,1

TonB 69/84 3,9 ±0,15 0,8 ±0,1

TonB 59/76 4,2 ±0,15 1,1 ±0,1

TonB 88/106 4,1 ±0,15 1,5 ±0,15

Tabelle 4.1: ¨Ubersicht der Parameter, die eine Riceverteilung zur Anpassung an die DEER-Messungen charakterisieren (siehe Abbildung 4.10).

52 4. NITROXID-NITROXID-ABSTANDSMESSUNGEN Die Breite der Abstandsverteilung spiegelt dabei nicht den Fehler der Mess-methode wider, sondern vielmehr die Flexibilit¨at des untersuchten Systems.

Sch¨atzt man die Linkerl¨ange des Spinmarkers MTSL auf ca. 0,5 nm, bedeu-tet dies, dass die Proteinkonformation relativ steif, aber nicht total rigide ist.

Um die Abweichung vom idealen Modell eines starren, geraden St¨abchens absch¨atzen zu k¨onnen, wurde eine Dreiecksvermessung mit Hilfe von drei Doppelmutanten TonB 59/69, TonB 69/76 und TonB 59/76 durchgef¨uhrt.

Addiert man die Einzelmessungen f¨ur die Segmente 59-69 und 69-76, kommt man auf eine Summe von 5,2 nm, was etwa 20 % l¨anger ist als der direkt gemessene Abstand zwischen 59-76 von 4,2 nm. Die Annahme einer, wenn auch geringen Flexibilit¨at, wird dadurch best¨arkt, dass die Breite der Ab-standsverteilung mit zunehmendem Abstand gr¨oßer wird (siehe Tabelle 4.1).

Addiert man die gewonnenen Abst¨ande, ergibt sich eine Summe von 13,7 nm (siehe Tabelle 4.1). Aus den einzelnen Messungen der Segmente l¨asst sich ein mittlerer Spinmarkerabstand von 0,24 nm pro Residuum berechnen.

Um den Abstand zwischen Spinmarkern, gebunden an eine helikale Struktur, auf die Helixachse projizieren zu k¨onnen, muss die Winkeldislokalisation der spinmarkierten Residuen ber¨ucksichtigt werden. Eine rigide PPII-Helix kann als Zylinder mit einem Durchmesser D von ca. 1 nm [84] modelliert werden.

Eine schematische Darstellung findet sich in Abbildung 4.11. Aufgrund der dreiz¨ahligen Punktsymmetrie einer PPII-Helix ist der maximale zus¨atzliche Abstandsbeitrag erreicht, wenn die Marker einen Winkel von 120° einschlie-ßen. Mit einer gen¨aherten Linkerl¨ange l von 0,5 nm kann der zus¨atzliche Abstandsbeitrag abgesch¨atzt werden. F¨ur alle Spinmarkerpositionen ergibt sich ein maximaler Wert von 0,2 nm und im Mittel von 0,1 nm, was im Gr¨oßenbereich des Fit-Fehlers liegt und deshalb vernachl¨assigt werden kann.

Die gr¨oßtm¨ogliche Abweichung durch Winkeldislokalisation wird bei einem Abstand von einem oder zwei Residuen erreicht, w¨urde aber zu einer Abwei-chung von nur 0,4 nm f¨uhren.

Diese Absch¨atzungen legen den Schluss nahe, dass der Abstandsunterschied der sich aus der Dreiecksvermessung ergibt, nicht durch die Markerpositio-nen an einer helikalen Struktur erkl¨art werden kann, sondern tats¨achlich ei-ne in geringem Maße variable Konformation des Proteinfragments darstellt.

Kristallisationsuntersuchungen ergeben f¨ur den C-Terminus eine L¨ange von 6,5 nm [85]. Ein Schema der resultierenden Situation ist Abbildung 4.12 zu entnehmen. In Summe erh¨alt man f¨ur den TonB-Part im Periplasma eine L¨ange von ¨uber 20 nm. Dies ist folglich ausreichend, um das Periplasma zu

¨uberbr¨ucken.

4.3 ESR AN TONB-FRAGMENTEN 53

Abbildung 4.11: Schema einer PPII-Helix mit angebundenden Spinmarkern, vereinfacht als Zylinder dargestellt. A Projektion auf den Helixquerschnitt. B Projektion auf die Helixachse. Linkerl¨ange l, Helixdurchmesser D, Abstands-projektion auf den Helixquerschnitt p, gemessener Abstand d, und axiale Translation a.

Abbildung 4.12: Veranschaulichung der TonB-Struktur zwischen innerer und

¨außerer Membran. Die aus den DEER-Messungen gewonnenen Abst¨ande sind eingetragen, um zu verdeutlichen, dass der prolinreiche Part des Proteins das Periplasma ¨uberspannen kann.

54 4. NITROXID-NITROXID-ABSTANDSMESSUNGEN

Ein naheliegender n¨achster Schritt ist, durch L¨osungsmittelaustausch eine Konformations¨anderung von PPII zu PPI zu induzieren, wie aus der Literatur bekannt [63] [86]. Dieser ¨Ubergang geht mit einer ca. 40 %tigen Verk¨urzung einher, die durch einen Wechsel von w¨assriger L¨osung zu einem organischen L¨osungsmittel, z.B. 1-Propanol eingestellt werden kann. K¨onnte man den Beweis daf¨ur erbringen, dass TonB einer Konformations¨anderung f¨ahig ist, w¨are das ein starkes Indiz f¨ur die Arbeitshypothese. Im Rahmen dieser Arbeit wurden CD- und ESR-Messungen an obengenanntem Modellpeptid und an spinmarkierten TonB-Mutanten durchgef¨uhrt. Leider f¨uhrt die Einf¨uhrung des Cysteins zu einer St¨orung des PPII-PPI- ¨Ubergangs. Das Potential dieser ESR-Methode ist damit ausgesch¨opft. In der Arbeitsgruppe Drescher wird ein Ansatz mit TIRM (Total Internal Reflection Microscopy) verfolgt, um mittels einer Laserpinzette ein Drehmoment auf die Helix auszu¨uben und die Verk¨urzung im Einzelmolek¨ulexperiment zu untersuchen.

4.4 Fazit

Aufgrund der bruchst¨uckhaften Informationen bez¨uglich des Transports von Siderophoren durch die ¨außere Membran gramnegativer Bakterien ist bis heu-te die Funktionsweise des Proheu-teins TonB unbekannt. Bekannt ist hingegen die Protein-Protein-Wechselwirkung von TonB mit den Außenmembranrezepto-ren; dass diese Rezeptoren energetisiert werden m¨ussen, um einen Transport großer Molek¨ule durch die Membran zu erm¨oglichen; die Kristallstrukturen des Rezeptors, des C-Terminus von TonB und dem Komplex aus beiden.

Eine Strukturaufl¨osung des gesamten TonB-Proteins ist bislang gescheitert.

Zwei in der Literatur diskutierte Hypothesen stellen sehr unterschiedliche Szenarien dar, das Shuttle- und das Propellermodell. Langreichweitige In-formationen ¨uber die Struktur von TonB sind n¨otig, um genauere Aussagen

¨uber dessen Funktion zu machen.

Der Spinmarker-ESR-Ansatz, der hier f¨ur die Untersuchung der Struktur verwendet wurde, zeigt zum ersten Mal, dass TonB lang genug ist, das Peri-plasma zu ¨uberbr¨ucken. Die L¨ange des prolinreichen Segments wurde mittels DEER-Abstandsmessungen zu 14 nm ermittelt (siehe Tabelle 4.1). Kristalli-sationsuntersuchungen ergaben eine L¨ange von 6,5 nm f¨ur den C-Terminus.

Zusammengefasst bedeutet dies: TonB kann die ca. 20 nm des Periplasmas

¨uberbr¨ucken (siehe Abbildung 4.12) [82].

Die ESR-Daten geben ebenfalls Aufschluss ¨uber die Rigidit¨at des TonB-Fragments und resultieren in einer leichten Abweichung von einer starren, geraden Konformation. Aufgrund dieser geringen Flexibilit¨at ist die Summe

4.4 FAZIT 55 aus den Fragmenten TonB 59/69 und TonB 69/76 um etwa 20 % l¨anger als das direkt gemessene Segment TonB 59/76. Der mittlere Spinmarkerabstand pro Residuum betr¨agt 0,24 nm. Ber¨ucksichtigt man die Konformationsflexibi-lit¨at erh¨alt man eine mittlere axiale L¨ange von 0,29 nm pro Aminos¨aure. Dies ist deutlich gr¨oßer als f¨ur eineα-Helix (0,15 nm/Resdiuum), passt aber recht gut mit dem PPII-Helix-Modell zusammen (0,31 nm/Residuum). Die Annah-me einer PPII-Konformation wurde auch durch CD-Messungen untermauert, welche ein Minimum der Elliptizit¨at bei einem charakteristischen Wert von etwa λ = 205 nm aufweisen [82]. Die geladenen Aminos¨auren Glutamin und Alanin, die in den untersuchten Fragmenten h¨aufig vorkommen, zeigen eine Neigung zur PPII-Struktur [62] [66].

Das Shuttlemodell wird durch die gewonnenen Erkenntnisse ¨uber die PPII-Konformation des TonB-Proteins und dessen ausreichender L¨ange, das Peri-plasma zu ¨uberspannen obsolet. Zum selben Schluss sind k¨urzlich die Mit-begr¨under des Shuttlemodells durch eigene Arbeiten gekommen [87]. Darin zeigen sie, dass der N-Terminus des TonB-Proteins in der zytoplasmatischen Membran verankert bleibt.

Mit dem Propellermodell hingegen stehen die Ergebnisse nicht im Konflikt, allerdings spricht gegen dieses Modell der 1:1-Komplex aus Rezeptor und TonB, der aus Kristallisationsexperimenten resultiert.

Die Eigenschaft einer PPII-Helix, unter bestimmten Bedingungen eine Mu-tarotation in eine PPI-Helix zu vollziehen [63], f¨uhrt zur Hypothese, dass TonB durch ein angelegtes Drehmoment eine Verk¨urzung in eine teilweise oder komplette PPI-Konformation durchlaufen kann. Somit k¨onnte die nach Innen gerichtete Kraft die Korkdom¨ane aus dem Rezeptor ziehen [78]. Die Untersuchung dieses Konformations¨ubergangs konnte weder mit CD- noch mit ESR-Spektroskopie nachgewiesen werden. Die AG Drescher geht dieser Frage nun mit optischen Einzelmolek¨ulexperimenten weiter nach.

TonB ist ein gutes Beispiel daf¨ur, dass die Wahl einer PolyprolinII-Helix als Modellsystem f¨ur die Methodenentwicklung (siehe Kapitel 5) einen engen Bezug zu biologischen Anwendungen bietet.

If you if you want to know want to know the real deal about the three well let me tell you we’re triple trouble.

Beastie Boys

Kapitel 5

Singulett-Triplett-Systeme als optisch adressierbare

Spinmarker

ESR-Abstandsmessungen zwischen Nitroxid-Spinmarkern mittels DEER konn-ten zur L¨osung zahlreicher biophysikalischer Fragestellungen beitragen. Das Interesse wendet sich jedoch komplexeren und gr¨oßeren Molek¨ulen zu, f¨ur de-ren Erforschung methodische Weitede-rentwicklung notwendig sein wird. DEER ist durch das gleichzeitige Beobachten und Pumpen auf dem Nitroxidspek-trum limitiert (siehe Kapitel 2.2). Ein Ansatz, diese Methode weiterzuent-wickeln, ist die Einf¨uhrung neuartiger Spinmarker. Dieses Kapitel bildet die Grundlage zur Einf¨uhrung einer neuen Methode in der ESR-Abstandmessung:

Singulett-Triplett Systeme als optisch schaltbare Spinmarker.

5.1 Auswahl des Triplettsystems

Eine Vielzahl optisch anregbarer Singulett-Triplett-Systeme ist bekannt. Als Spinmarker muss es einige Anforderungen erf¨ullen. Um Konformations- oder Funktionseigenschaften des zu untersuchenden Systems nicht zu st¨oren, sollte der Spinmarker klein sein. Gleichzeitig muss es eine starke Absorptivit¨at auf-weisen, gepaart mit einer hohen Intersystemcrossing (ISC)-Quantenausbeute und einer Triplettlebensdauer, die sowohl lange im Verh¨altnis zu typischen Nitroxid-T2-Zeiten als auch kurz gegen¨uberT1-Zeiten ist.

Aufgrund der perfekten ISC-Quantenausbeute von 100 % [88] wurde zun¨achst das Molek¨ul Benzophenon ausgew¨ahlt. Bestehend aus zwei Phenolringen ist es zudem ein kleines Molek¨ul. Aufgrund des kleinen Extinktionskoeffizien-ten von 150 M−1cm−1 und der kurzen Triplettlebenszeit (7 µs - 50 µs bei

59

60 5. OPTISCH ADRESSIERBARE SPINMARKER Raumtemperatur) konnte keine ausreichende Intensit¨at des ESR-Signals er-zielt werden.

Thioxanthon musste aus denselben Gr¨unden verworfen werden.

Mit C60konnten ESR-Experimente durchgef¨uhrt werden, fanden aber nur als Testsystem Anklang, da es als Spinmarker aufgrund der Gr¨oße ausschied.

Geeignete Voraussetzungen bringt das Molek¨ul Anthracen mit sich. Im Fol-genden finden sich die Ergebnisse einer detaillierten Untersuchung mittels UV- und ESR-Spektroskopie.

5.2 Charakterisierung des Triplettzustandes