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5. F ORSCHUNGSDESIGN UND M ETHODIK

5.3. Ergebnisse des Peergroup-Workshops

5.3.1.Verlauf und Gestaltung des Workshops

Im Januar 2016 wurde mit den GründerInnen und Mitgliedern des dbKeV ein Workshop veranstaltet, bei dem es darum ging, die Bedürfnisse von Familien mit besonderen Kindern aus Sicht der Peers zu sammeln. An dem Workshop haben teilgenommen:

 Die Eltern eines „Intensivkindes“, also eine Ergo- und Reittherapeutin, Studentin Gesundheits- und Krankenhausmanagement; sowie ein Sozialarbeiter und Behindertenbetreuer, beide GründerInnen des Selbsthilfevereins „Das besondere Kind e. V.“

 Eine Altenpflegerin mit langjähriger Erfahrung als Pflegedienstleiterin, Erfahrung in der Versorgung von Intensivkindern, Übungsleiterin von inklusiven Kindergruppen in verschiedenen Sportarten.

 Eine Kinderkrankenschwester, Erfahrung in der Versorgung von Intensivkindern.

 Eine Kinderkrankenschwester eines Kinderpalliativteams.

Von der Gruppe wurde im Workshop zunächst ein Brainstorming durchgeführt. Die leitende Fragestellung war dabei, mit welchen Hilfsleistungen Familien mit besonderen Kindern lang- und kurzfristig unterstützt werden können. Die Ergebnisse wurde auf einem Flipchart festgehalten. (vgl. Anhang 4, S. 166)

Die ersten Punkte, die den TeilnehmerInnen einfielen, waren eine gute medizinische Versorgung, eine gute therapeutische Versorgung und eine passende Hilfsmittelversor-gung. Der Punkt Vernetzung wurde genannt, diese sollte zwischen Betroffenen, medizinischen Versorgern und Pflegediensten hergestellt werden. Es fielen weiterhin die Punkte rechtliche Beratung, soziale Integration, das Gefühl, nicht alleine da zu stehen, passende Urlaubsmöglichkeiten, Unterstützung beim Aufbau der medizinischen und pflegerischen Strukturen zu Hause, schnelle Klinikentlassung in ein gesichertes, häusliches Umfeld, Qualifikation und Kompetenz im Umgang und bei der Versorgung ihrer besonderen Kinder.

Auf einem weiteren Flipchart wurden mögliche Kernbereiche der Bedürfnisse unterschieden. Die Gruppe hat sich geeinigt auf die sechs Bereiche Beratung, Vernetzung, Qualifikation, Urlaub, medizinische Versorgung/außerklinisch, therapeutische Versorgung. Im nächsten Schritt wurden zu jedem Kernbereich die Themen gesammelt, die dazu von Interesse sind.

(1) Inhalte Beratung: Unterstützung bei Anträgen/Widersprüchen. Bereiche: Pflegegeld, Pflegestufen, Hilfsmittelversorgung, ambulante Versorgung durch Pflegedienst, Leistungen der Kranken- und Pflegekassen.

(2) Inhalte Vernetzung: Austausch betroffener Familien, Angehörige und Freunde, Vernetzung der involvierten medizinischen, pflegerischen, pädagogischen und

versorgenden Bereiche (Pflegehilfsmittelversorgung), Selbsthilfegruppen, soziale Einrichtungen

(3) Inhalte Qualifikation: Einarbeitung in die medizinische Versorgung des Kindes (Beatmung, Absaugen, parenterale Ernährung, Bebeuteln und Reanimation, Katheterisieren, etc.), Kurse und Weiterbildungen (Lagerung, Zubereitung von Sondennahrung, Möglichkeiten der Schmerzmittelversorgung, Nähen von Lagerungsmaterial und spezieller Kleidung, etc.), Einarbeitung in die pflegerische und therapeutische Versorgung der Töchter und Söhne.

(4) Inhalte Urlaub: Extra Räumlichkeiten für Pflegedienst, gängige Hilfsmittel vorhanden (Pflegebett, Badelifter, Infusionsständer, Sauerstoffkonzentrator, etc.) barrierefreie Appartements und Außenanlage, Unterstützung der Kontaktaufnahme von ÄrztInnen, Pflege- und Hilfsmittellieferanten, TherapeutInnen vor Ort, Organisation von barrierefreien Ausflügen, Streichelzoo, Reiten, Gemüsegarten für alle, speziell eingerichtete Appartements, Kombination Urlaub und Intensivtherapie.

(5) Inhalte medizinische Versorgung/außerklinisch: Unterstützung beim Aufbau der medizinischen und pflegerischen Versorgung zu Hause, schnelle Klinikentlassung in ein gesichertes häusliches Umfeld, Versorgung 24/7 durch hauseigenen Pflegedienst, räumliche Gegebenheiten für ein familiäres Zusammenleben der einzelnen Familien, enge Zusammenarbeit mit den ÄrztInnen und TherapeutInnen vor Ort.

(6) Therapeutische Versorgung: Enge Zusammenarbeit mit den TherapeutInnen vor Ort, Angebot Intensivtherapiewochen, Logopädie, Ergotherapie, tiergestützte Therapie, Reittherapie, Physiotherapie, Osteopathie, therapeutisches Gärtnern. Spezielle Behandlungsmethoden z. B. Cranio Sacraltherapie. Logistik, Durchführung, Kostenübernahme.

5.3.2.Praktische Umsetzung der Ideen: Übergangs- und Urlaubseinrichtung

Die Peers des dbKeV haben die Idee, dass sich die benötigten Hilfestellungen von betroffenen Eltern am besten durch die Kombination einer Übergangseinrichtung mit einem Urlaubort erbringen lassen. Auf diese Weise können sowohl die lang- als auch die kurzfristigen Bedürfnisse der Eltern gedeckt werden. Die Lage der Einrichtung könnte im Biosphärenreservat Rhön, wo die meisten der Peers ihre Wohnsitze haben, liegen. Dies

würde den Vorteil bringen, dass eine Umgebung für die Familien zur Verfügung stehen würde, die potenziell ein hohes Maß an Natürlichkeit, Ruhe und „Bodenständigkeit“ bietet.

Durch die Erhebung mittels des Fragebogens wird versucht herauszufinden, ob das Bedürfnis nach einer solchen Umgebung vorhanden ist. Das Angebot der Übergangseinrichtung ist vor allem für Familien mit besonderen Kindern gedacht, die das erste Mal mit dem Thema Pflegebedürftigkeit der Töchter und Söhne konfrontiert werden und die die Pflege zu Hause einrichten wollen. Die medizinische Versorgung darin soll so hohen Standards entsprechen, dass die Eltern keine Angst oder Sorge haben müssen, dass ihrem Kind im etwas passieren könnte.

Die Kinder müssten medizinisch zumindest bereits so stabil sein, dass eine Entlassung nach Hause nur wegen der dort fehlenden Pflegeeinrichtung und Hilfestellungen nicht möglich ist. In der Einrichtung hingegen kann die medizinische Sicherheit der Anschlussversorgung durch Fachpflegepersonal sowie Bereitschafsärzte gewährleistet werden. Anstatt teilweise nach Monaten, könnten betroffene Familien eventuell schon nach Wochen aus der Klinik in ein Umfeld, vergleichbar mit stationären Reha-Einrichtungen. Das Besondere an der Übergangseinrichtung ist, dass sie genau auf die Bedürfnisse von den betroffenen Familien zugeschnitten ist.

So sollen die Räumlichkeiten der Einrichtung den Bedürfnissen der Betroffenen und ihrer Familie entsprechen und so ein Umfeld bieten, in dem die akute Überforderung der Eltern mit der Situation abgefedert werden kann. Die Familien sollen sich gemeinsam auf die neue Lebenssituation vorbereiten können. Ihnen steht die gesammelte Kompetenz der Peers zur Verfügung. Sie erhalten einerseits Beratung in allgemeinen und speziellen Belangen und in der Form, wie sie sie gern hätten.

Sie können sich in dem Tempo, wie es ihnen lieb ist, in die pflegerische Versorgung ihrer Kinder einarbeiten. Das Pflegeteam aus Fachkräften berücksichtigt dabei ihre speziellen Bedürfnisse. Wenn sie wollen, können sie sich mit anderen betroffenen Familien vernetzen bzw. treffen und Erfahrungen teilen oder sich auch zurück ziehen und eventuell psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Sie würden neben der fachlichen Hilfe vor Ort auf ein bestehendes Netzwerk aus Anbietern therapeutischer, pädagogischer und versorgender Bereicher zugreifen können. Durch eine Kombination der Übergangs- mit

einer Urlaubseinrichtung können in der direkten Umgebung auch Angebote für Freunde der Familie oder weitere Angehörige (Geschwister) wahrgenommen werden.

Da im Forschungsstand durchgängig das Bedürfnis der Eltern nach Erholung herausgestellt wurde und die Peers des dbKeV die gleiche Erfahrung gemacht haben, sollen in der Form einer Urlaubseinrichtung auch Angebote zur langfristigen Deckung der Bedürfnisse geschaffen werden. Von den Peers wird vermutet, dass Urlaube oft scheitern, weil vor Ort Hilfsmitteln fehlen. Auch extra Räumlichkeiten für eigene Pflegedienste, die den Eltern und Kindern vertraut sind, stellen vermutlich oft ein Problem dar. Auch mangelnde Barrierefreiheit und nicht spezialisierte medizinische Versorgungsmöglichkei-ten hindern die Eltern erfahrungsgemäß an Urlauben.

Ein weiteres Problem, das die Peers des dbKeV mit den Einrichtungen lösen wollen, liegt in folgendem Sachverhalt. Es sind seitens der Kranken- und Pflegekassen nur jene Kinder zur Nutzung bestimmter entlastender Angebote der Versorgungslandschaft berechtigt, die eine lebensverkürzende Diagnose erhalten haben und deren Eltern sich gegen lebensverlängernde Maßnahmen entschieden haben.

Kinder ohne lebensverkürzende Diagnose bekommen z. B. Hospiz- und Palliativleistungen nicht finanziert, die jedoch teilweise jene Angebote zur Verfügung stellen, die den Familien Erholungsmöglichkeiten in ähnlich spezialisierter Form bieten, wie es der dbKeV plant. Auch diesen besonderen Kindern und ihren Eltern soll durch die Urlaubseinrichtung die Möglichkeit für Auszeiten gegeben werden.