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Grundsätzlich können im Bezug auf das (wirtschaftliche) Handeln von Organisationen drei allgemeine Marktsektoren unterschieden werden: „Marktsektor/Profitsektor (Privatwirtschaft), Öffentlicher Sektor/öffentliche Verwaltung (Staatlicher Bereich), Non-Profit-Sektor (Dritter Sektor).“ (Gruber 2014, S. 4). Institutionen, die bei der Erfüllung sozialgestellter Aufgaben darauf abzielen, das Wohlergehen Einzelner oder von Menschengruppen zu fördern, sind im deutschen Sprachraum innerhalb dieser drei Sektoren als sozialwirtschaftliche Institutionen zu betrachten. (vgl. Wendt 2008, S. 953) Es stellt sich die Frage, ob Selbsthilfevereine wie der dbKeV mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement zu Organisationen der Sozialwirtschaft zu zählen sind.

So engt Gruber (2014) den Begriff ein auf jene Institutionen, die soziale Dienstleistungen im relativ umfassenden Rückgriff auf ökonomische Prinzipien des Wirtschaftsbegriffs anbieten. Während aus ihrer Sicht aus Kostengründen bei Teilen der Dienstleistungspro-duktion ehrenamtliche Arbeit als im definitorischen Rahmen liegend betrachtet wird, ist diese Grenze mit der Irrelevanz des wirtschaftlichen Rationalitätsprinzips (Minimal- oder Maximalprinzip) erreicht. (vgl. Gruber 2014, S. 3)

Unterhalb dieser Grenze agiert der Verein dbKeV. Sowohl die Räumlichkeiten für die Beratungs- und Selbsthilfetätigkeiten im Fuldaer Krankenhaus und im Selbsthilfebüro Osthessen können kostenfrei genutzt werden. Mit den Beiträgen aus der Vereinsmitgliedschaft von mindestens zehn Euro im Jahr können anfallende Kosten für die ehrenamtlichen Angebote in einem gewissen Rahmen gedeckt werden. Im Hinblick

auf den Marktsektor ist der Verein in seiner gegenwärtigen Situation nach der s. g.

strukturell-operationalen Definition zum Non-Profit-Sektor zu zählen. (vgl. Simsa et al.

2004, S. 17)

Nach dieser Definition müssen dazu zählende Organisationen die folgenden fünf Kriterien erfüllen:

(1) sie müssen ein Minimum an formaler Struktur aufweisen, d. h. es müssen zumindest regelmäßig Treffen stattfinden (in Abgrenzung zu Ad-hoc Veranstaltungen und kurzfristigen Bürgerinitiativen, diese zählen zum informellen Sektor), die minimalen formalen Regelungen unterliegen. Der Status einer juristischen Person ist dabei keine Voraussetzung.

(2) In Abgrenzung zum öffentlichen Sektor müssen Organisationen im Non-Profit-Sektor privat sein, d. h. sie dürfen kein Teil des staatlichen Verwaltungsapparates sein und dürfen auch nicht unter dessen Einflussnahme stehen, wobei eine Finanzierung von Non-Profit-Organisationen (NPO) mit öffentlichen Mitteln möglich ist.

(3) NPO unterliegen nach der Definition einem Gewinnausschüttungsverbot, d. h. sie dürfen zwar Gewinne erwirtschaften, diese jedoch nicht an EigentümerInnen, GründerInnen, Mitglieder oder den Vorstand der Organisation ausschütten.

(4) NPO müssen selbstverwaltet, also organisatorisch und juristisch eigenständig, sowie autonom verwaltet sein (z. B. Möglichkeit, sich selbst aufzulösen).

(5) NPO müssen zu einem bestimmten Teil mit ehrenamtlichen Engagement betrieben werden, wozu auch „freiwillige Einkommen“ wie Spenden zählen. Das Kriterium der Freiwilligkeit besagt zudem, dass die Mitglieder keinem Zwang unterliegen dürfen, an der Organisation teilzunehmen – dies vor allem in Abgrenzung zu Zwangsverbänden. (vgl.

Simsa et al. 2004, 17f.)

Eine der zentralen Fragen für die Zuordnung zu einem der eingangs beschriebenen Marktsektoren ist die Frage nach der Verwendung der erwirtschafteten Gewinne. Wenn diese z. B. an die Vereinsmitglieder oder deren Vorstand ausgeschüttet werden würden, wäre ein Kriterium für die Zuordnung zum Sektor Markt- oder Profit-Sektor gegeben. Der dbKeV strebt jedoch das Wirtschaften als gemeinnütziger Verein an, bei dem erzielte Überschüsse zur Erreichung gemeinnützig bestimmter Zwecke zu reinvestieren sind.

Diese Vorgehensweise entspricht nach deutschem sowie nach österreichischem Recht

einer der wesentlichen Bedingung gemeinnützigen Wirtschaftens. Sie ist mit umfassenden Steuerbefreiungen und -vorteilen bei Körperschafts- und Umsatzsteuer verbunden. (vgl.

Heidenbauer 2014, 22f.)

Als gemeinnützige Zwecke gelten Tätigkeiten, die zum Ziel haben, auf materiellem, sittlichen oder geistigem Gebiet die Allgemeinheit selbstlos zu fördern. Um diese Kriterien zu erfüllen, darf der Personenkreis, der die Förderung erhält, nicht fest abgeschlossen sein, was z. B. bei Familienzugehörigkeit oder den MitarbeiterInnen eines Unternehmens der Fall wäre. Es darf keine Abgrenzung nach beruflichen oder räumlichen Merkmalen gegeben sein, die den Kreis der Geförderten dauernd auf eine kleine Anzahl beschränken würde. (vgl. Heidenbauer 2014, S. 26)

Sozialwirtschaftliche Einrichtungen des Non-Profit-Sektors, die als Altenwohn- und Pflegeheime, Mahlzeitendienste und Erholungsheime tätig sind, gelten nach der deutschen Gesetzgebung als s. g. Zweckbetriebe der Wohlfahrtspflege, wenn mindestens zwei Drittel ihrer Leistungen Personen dienen, die aufgrund ihres körperlichen, seelischen oder geistigen Zustands die Hilfe anderer benötigen. (vgl. Heidenbauer 2014, 34f.) Als ein solcher Zweckbetrieb wäre auch der dbKeV zu betrachten, wenn er durch seine Dienstleistungen den Hilfebedarf von Familien mit pflegebedürftigen Kindern zu erfüllen versucht.

Wie nach österreichischer Gesetzgebung („unentbehrlicher Hilfsbetrieb“) sind solche in der Gesamtrichtung wirtschaftlich ausgerichteten Geschäftsbetriebe von der Ertragssteuerpflicht befreit, wenn die satzungsgemäßen, gemeinnützigen Zwecke der Körperschaften damit verwirklicht werden, und nur durch diesen Geschäftsbetrieb erreicht werden können. Darüber hinaus darf durch die begünstigte Geschäftstätigkeit kein Wettbewerb in größerem Umfang im Vergleich zu nicht Begünstigten stattfinden, als es zur Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke notwendig ist. (vgl. Heidenbauer 2014, S. 34) Unter Anderem durch derartige Steuervergünstigungen und durch Subventionen wird seitens der Gesetzgeber das Interesse ausgedrückt, das Angebot an s. g. meritorischen Gütern (private Güter, die durch den Staat bereitgestellt werden) zu vergrößern, weil das Angebot unterhalb des gesellschaftlich gewünschten Versorgungsgrades liegt. In einem rein marktwirtschaftlichen System findet innerhalb staatlicher Rahmenbedingungen über das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage ein Ausgleich der Markt- und Einflusskräfte über die Preisbildung statt. Demnach kann über Veränderungen des

Angebotspreises – bei meritorischen Gütern über die Preissenkung (z. B. durch Förderungen) – auch steuernd ins Marktgeschehen eingegriffen und das Angebot und mithin die Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen beeinflusst werden. (vgl.

Helmig und Boenigk 2012, S. 47)

Bei den meritorischen Gütern hat die sozialstaatlich orientierte, öffentliche Hand ein Interesse daran, dass für alle BürgerInnen ein bestimmtes Mindestangebot vorliegt – unabhängig davon, wie die Kaufkraft der Nachfrager ausgeprägt ist. Es liegen also aus der Perspektive rein marktwirtschaftlicher Systeme in solchen Situationen Eigenschaften vor, die zu einem Versagen der Marktausgleichsmechanismen führen können. (vgl. Schellberg 2012, 54ff)

Um diesem Marktversagen entgegen zu wirken, tritt für die KonsumentInnen der Staat als marktpolitischer Nachfrager der Dienstleistungen ein, indem er deren Bezahlung ganz oder teilweise übernimmt, oder aber die Dienstleistung aus eigener Hand anbietet. Wenn in diesem Kontext von Wettbewerb oder Marktlösungen gesprochen wird, dann wird darunter ein Quasi-Markt verstanden, der im Rahmen politisch hergestellter Marktstrukturen weitestgehend aus öffentlicher Hand finanziert wird. (vgl. Gruber 2014, S. 7)

Der Verein dbKeV ist demnach im Hinblick auf seine Marktsituation als sozialwirtschaftliche Unternehmung im NPO-Bereich zu betrachten. Im Gegensatz zu Austauschverhältnissen auf dem freien Markt, auf dem für gewöhnlich zwei autonome Wirtschaftssubjekte handeln und somit eine direkte Bewertung des ausgetauschten Gutes stattfinden kann, gibt es auf Quasi-Märkten die Besonderheit, dass die Menge, Art und Beschaffenheit sowie die Bedingungen, zu denen das Gut ausgetauscht wird, in für die Kunden weitaus undurchsichtigeren und weniger beeinflussbaren Entscheidungsprozessen festgelegt werden. (vgl. Zembaty 2014, S. 6)

Diesem Problem des s. g. Kontraktversagens aufgrund von Informationsasymmetrien wird auf sozialpolitischer Ebene vor allem durch das bereits beschriebene Verbot der Gewinnausschüttung im gemeinnützigen NPO-Marktsektor begegnet. Durch die Regelungen soll gegenüber den gewinnorientierten Unternehmungen eine höhere Vertrauenswürdigkeit signalisiert und damit deren Nutzungswahrscheinlichkeit erhöht werden. (vgl. Helmig und Boenigk 2012, S. 49) Das Problem der Informationsasymmet-rien, das sich aus dem Dreiecksverhältnis von NPO als Akteuren zwischen dem Staat als

Nachfrager und den BürgerInnen als EmpfängerInnen der Dienstleistungen ergibt (s. g.

Prinzipal-Agent Problem; vgl. Helmig und Boenigk 2012, S. 48), hat für sozialwirtschaftliche Unternehmungen die Konsequenz, dass sie auf mehreren Ebenen Ansprüche für die Erbringung der Dienstleistung erfüllen müssen. Die Legitimation der Aktivität gegenüber den GeldgeberInnen geschieht einfach ausgedrückt durch genaue Nachweise, was man wie tut und was es kostet – dabei wird i. d. R auf betriebswirtschaft-liche Instrumente und Konzepte zurückgegriffen. (vgl. Gruber 2014, S. 1)

Mit der Orientierung am Konzept des New Public Managements, bei dem die Wirkung öffentlich finanzierter, sozialer Dienstleistungen im Vordergrund steht, gilt es für sozialwirtschaftliche Organisationen vor allem, die Effektivität und Effizienz der Tätigkeiten nachzuweisen. Mit der zunehmenden Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen über der letzten 20 Jahre hinweg wurden im sozialen Sektor mehr und mehr marktwirtschaftliche, wettbewerbliche Elemente eingeführt, wodurch sich Konkurrenz und Wettbewerb zwischen den sozialwirtschaftlichen Unternehmen etabliert hat. Über Benchmarks wurden die Organisationen in betriebswirtschaftlicher Logik für die GeldgeberInnen vergleichbar gemacht – die Qualität der Dienstleistungen steht dabei i. d.

R. weniger im Vordergrund. (vgl. Gruber 2014, S. 1)

Auf der Seite der Empfänger handelt sich um eine Situation, in der einer erbrachten Leistung unmittelbar keine Gegenleistung gegenübersteht, da, wie eben beschrieben, die öffentliche Hand oder z. B. auch Kranken- und Pflegekassen die Leistung übernehmen.

Durch die Immaterialität der Dienstleistungen werden an die sozialwirtschaftlichen Organisationen besondere Anforderungen an die Beschreibung und die Messbarkeit des

„sozialen Produkts“ gestellt. Die LeistungsnutzerInnen können ihre Präferenzen nicht – wie beim unmittelbaren Austausch von Leistung und Vergütung – durch die Höhe des Honorars zum Ausdruck bringen; es kann nur verbal auf empfundene Defizite aufmerksam gemacht werden. (vgl. Zembaty 2014, 5f.)

Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften erhalten so eine gesonderte Bedeutung.

Dennoch beinhalten Äußerungen darüber mitunter einen breiten Interpretationsspielraum und viele der (auch potentiellen) NutzerInnen scheinen nicht in der Lage zu sein, sich entsprechend zu artikulieren, wodurch die Gefahr besteht, dass die angebotenen Leistungen an den Bedürfnissen der Leistungsempfänger vorbeizielen. (vgl. Zembaty 2014, 5f.)

Ein Interessensabgleich kann z. B. durch Zufriedenheitsbefragungen und Marktforschungsaktivitäten erreicht werden. Es ist eine klassische Aufgabe des Marketings – seit den 70er Jahren insbesondere von Dienstleistungs- und Industriebetrieben – für den Aus- und Abgleich der Interessen zwischen Unternehmen und KundInnen zu sorgen, wobei „neben dem eigentlichen Kernprodukt die Interaktion ein wesentliches Leistungsmerkmal darstellt.“ (Bruhn 2012, S. 55)

Im Nonprofit-Bereich hat sich Marketing aufgrund dessen ausgeprägter Orientierung an der Perspektive der Anspruchsgruppen (neben Finanziers und NutzerInnen auch Zuweiser, Fachöffentlichkeit, Politik, und Medien) als herausragendes Instrument für Managementaufgaben etabliert:

„Aufgrund der hohen Bedeutung der Stakeholder für den Fortbestand und die Entwicklung einer sozialwirtschaftlichen Organisation besteht die zentrale Managementaufgabe darin, die unterschiedlichen Interessen der Stakeholder auszugleichen. Übergeordnetes Ziel aller sonstigen Organisationszielsetzungen ist es, bei allen (wesentlichen) Stakeholdern Akzeptanz für die Aktivitäten der sozialwirtschaftlichen Organisation aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten. Herausragendes Instrument hierfür stellt das Marketing dar. (Arnold et al. 2014, S. 321)

Die Leitidee, die Welt der diversen Anspruchsgruppen aus deren Perspektive zu sehen und verstehen zu können, hat als Grundlage jedes marketingorientierten Handelns das Erforschen der Wünsche, Sehnsüchte, Ängste, Erwartungen, Bedürfnisse, Motive und Bedarfe der entsprechenden Personengruppen zum Ziel. (vgl. Zembaty 2014, S. 4) Der strategische Planungsprozess zur Umsetzung von Sozialmarketing als Managementprozess umfasst die folgenden fünf Schritte:

1. Analyse der Marketingchancen (Marktforschung, Situationsanalyse der Organisation, Umweltanalyse)

2. Entwicklung der strategischen Marketingziele, Definition strategi-scher Geschäftsfelder, Marktsegmentierung, Marketingstrategien (für Geschäftsfelder, Marktteilnehmer, Instrumente)

3. Planung der Marketingprogramme, Beschreibung der Marketingin-strumente, Qualitätsmanagement; Marketingplan;

4. Umsetzung und Steuerung der Marketingprogramme 5. Evaluation (vgl. Zembaty 2014, S. 7)

Die Bedürfnisanalyse der vorliegenden Arbeit versteht sich als Teil des ersten Schrittes eines solchen Marketingplans für die Anspruchsgruppe NutzerInnen der Dienstleistung.

Für den Verein dbKeV und stellvertretend für weitere Vereine mit den selben oder ähnlich definierten Zielen sollen die Marketingchancen (im Sinne einer möglichst zielführenden Bedürfniserfüllung) bezogen auf deren Angebotsgestaltung herausgearbeitet werden.

Dabei kann zurückgegriffen werden auf die theoretischen Grundlagen der klassischen, erwerbswirtschaftlichen Marktforschung, da diese sich nur wenig von adaptierten Konzepten für Nonprofit-Marketing unterscheiden. (vgl. Helmig und Boenigk 2012, S.

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