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II. EMPIRISCHER TEIL

9 Freundschaften in Wohnprojekten

9.1 Differenzen im Integrationsgrad

9.1.3 Ergebnisse

Erste Tendenzen zur Beantwortung der Hypothesen F1a bis F1c werden in den bivariaten Korrelationen sichtbar (Tab. 9). Alle vier unabhängigen Vari-ablen zur Gelegenheitsstruktur sind positiv mit der abhängigen VariVari-ablen korreliert, am stärksten dabei die Zugehörigkeit zu einer Freizeitgruppe. So haben diejenigen Bewohner, die in einer Freizeitgruppe aktiv sind, regelmä-ßig an geselligen Treffen und Planungstreffen der Gruppe teilnehmen und 50 Nicht weiter berücksichtigt wird die Variable sozio-ökonomischer Status bzw.

Berufspresti-ge. Die Verteilung zwischen den vier Projekten ist hier recht heterogen (C-V: 0,26*). Über-dies weist die Variable einen hohen Anteil fehlender Werte auf (n=20), was ebenfalls einen Einbezug in die Analysen erschweren würde.

bereits in der Planungsphase zur Gruppe gehörten, signifikant mehr Freunde als die Bewohner, die selten oder gar nicht an Treffen teilnehmen, keiner Freizeitgruppe angehören und erst später zur Gruppe hinzukamen.

Tab. 9: Bivariate und multivariate Zusammenhänge zur Erklärung der Anzahl von Freundschaften: Rang-Korrelationen und lineare Regression

abhängige Variable: Anzahl Freundschaften (transformiert) S.E.=Standardfehler

a erste Interessentengruppe/Planungsphase = 1; Bauphase/Fertigstellung=0 b meistens/immer=1; selten/nie=0; c ja=1; nein=0

Quelle: Eigene Erhebung und Berechnung.

Ein weniger einheitliches Bild ergeben die bivariaten Ergebnisse zur Homo-genitäts-Hypothese. Einzig das Geschlecht der Befragten hängt mit der An-zahl vorhandener Freundschaften zusammen. So haben Männer, wie erwartet, insgesamt signifikant weniger Freunde in ihrer Wohngruppe als Frauen. Kei-ne signifikanten Zusammenhänge ergeben sich zwischen der abhängigen Variablen und dem Erwerbsstatus sowie dem Bildungslevel der Befragten.

Bei der Schulbildung ist der Effekt zumindest tendenziell negativ, wenn auch nicht signifikant: Niedriger oder mittel gebildete Befragte haben mehr Freun-de als höher gebilFreun-dete Befragte. Dieser schwache Zusammenhang spricht

ƌƐ ȕ-Koef.

(stand.)

b-Koef.

(unstand.) S.E.

Eintritt in die Gruppea 0,29*** 0,18* 0,58 0,279

Teiln. an Planungstreffenb 0,21* 0,09 0,32 0,324

Teiln. an gesell. Treffenb 0,27** 0,17 0,54 0,285

Aktiv in Freizeitgruppec 0,33*** 0,20* 0,65 0,318

Geschlecht (m =1, w=0) -0,20* -0,16 -0,57 0,316

Schulbildung (hoch=1, niedrig/m ittel=0) -0,13 -0,05 -0,16 0,310

Erwerbstätigkeitc 0,07 0,23* 0,76 0,329

Alter 0,19* 0,24 0,03 0,013

Kind(er) im Haushaltc -0,07 0,10 0,37 0,384

Lebenspartnerc -0,18* -0,01 -0,02 0,330

Wohnprojekt 2 (Ref. WP 1) -0,20* -0,85 0,400

Wohnprojekt 4 (Ref. WP 1) -0,05 -0,22 0,415

Wohnprojekt 5 (Ref. WP 1) -0,24* -1,12 0,439

r2 r2 korrigiert

n 116-136

*** pч0,001; ** p”0,01; * p”0,05; Ώ p”0,10

122 Variablen

LinReg

0,32***

0,24***

gegen die Homogenitäts-Hypothese, nach der ein positiver Effekt erwartet wird.

Mit zunehmendem Alter der Bewohner steigt die Anzahl von Freunden.

Keinen signifikanten Effekt hat das Zusammenleben mit Kind(ern). Die Exis-tenz eines Lebenspartners im oder außerhalb des Haushalts hängt negativ mit der Anzahl von Freunden zusammen. So haben Bewohner ohne Lebenspart-ner mehr Freunde in ihrer Gruppe als BewohLebenspart-ner mit LebenspartLebenspart-ner.

Nun schließt sich die multivariate Regressionsanalyse zur Erklärung der Anzahl realisierter Freundschaften in den Wohnprojekten an (Tab. 9). Vor der Darstellung der Ergebnisse wird die Regressionsdiagnostik dargelegt, um zu klären, inwieweit die Voraussetzungen für die Anwendung der linearen Regression erfüllt sind. Die erfolgten Tests basieren vor allem auf den Aus-führungen von Fox (1991, 1997: 265ff.) und Diaz-Bone (2006b: 198ff.). Die Linearität der abhängigen mit den unabhängigen Variablen kann anhand partieller Regressionsdiagramme bestätigt werden. Eine eventuelle Multi-kollinearität der unabhängigen Variablen konnte über die Toleranzwerte aus-geschlossen werden. Inwieweit die standardisierten Residuen normalverteilt sind, wurde über Histogramme und P-P-Diagramme sowie Kolmogorov-Smirnov-Tests geprüft. Eine Normalverteilung kann bestätigt werden. Die Erfüllung dieser Voraussetzung ist für die vorliegende Analyse besonders wichtig, da sie mit der Stichprobengröße zusammenhängt und gerade bei kleineren Stichproben teils nicht erfüllt ist. Eine Autokorrelation der Residu-en, welche eher selten auftritt, wurde mittels des Durbin-Watson-Koeffi-zienten ausgeschlossen. Ein etwas größeres Problem war die Frage nach der Varianzhomogenität der Residuen (Homoskedastizität). Diese Annahme ließ sich für erste geschätzte Modelle nicht bestätigen. Geprüft wurde sie über Streudiagramme von Vorhersagewerten und Residuen sowie über einen Ver-gleich der Varianzen der Residuen über unterschiedliche Ausprägungen der Vorhersagewerte. Bei größeren Vorhersagewerten zeigten sich größere Va-rianzen der Vorhersagefehler, d.h. bei größeren Ausprägungen der abhängi-gen Variable ist die Vorhersageleistung des Modells weniger gut als bei klei-neren Ausprägungen. Daher wurde, wie in Abschnitt 9.1.1 dargelegt, die abhängige Variable transformiert, was einen positiven Effekt auf die Va-rianzhomogenität hatte. Tendenziell blieb der berichtete Trend bestehen, aber er ist nun deutlich geringer ausgeprägt als vor der Transformation und bleibt damit im Rahmen empfohlener Schwellenwerte.

Das Regressionsmodell erklärt 24 Prozent der Varianz in der Anzahl vorhandener Freunde. Der Zeitpunkt des Eintritts in die Wohngruppe zur Prüfung von Hypothese F1a (Gelegenheitsstruktur Zeit) hat einen signifikant positiven Effekt auf die abhängige Variable (ȕ=0,18*). So haben Bewohner, die zur ersten Interessentengruppe gehörten oder in der weiteren

Planungs-phase zur Gruppe hinzukamen, mehr Freunde als Bewohner, die in der Bau-phase oder kurz vor oder nach Fertigstellung des Projekts zur Gruppe hinzu-kamen. Somit bestätigt sich der bivariate positive Zusammenhang.

Von den drei Variablen zur Überprüfung von Hypothese F1b (Gelegen-heitsstruktur Aktivitäten) hat – wie auch in den bivariaten Analysen – die Zugehörigkeit zu einer Freizeitgruppe den stärksten Effekt (ȕ=0,20*). So haben Bewohner, die in einer oder mehreren Freizeitgruppen aktiv sind, mehr Freunde in ihrer Wohngruppe gefunden als Bewohner, die nicht in mindes-tens einer Freizeitgruppe aktiv sind. Eine regelmäßige Teilnahme an Pla-nungstreffen der Wohngruppe hat keinen Effekt auf die Anzahl realisierter Freundschaften, während die Teilnahme an geselligen Treffen einen schwach signifikanten Einfluss auf die abhängige Variable hat (ȕ=0,17). So haben Bewohner, die regelmäßig an diesen Treffen teilnehmen, mehr Freunde als Bewohner, die nicht regelmäßig teilnehmen.

Mittels der drei sozio-demografischen Merkmale Geschlecht, Schulbil-dung und Erwerbstätigkeit soll geprüft werden, inwieweit das Homophilie-prinzip nicht nur bestimmt, mit wem die Bewohner befreundet sind, sondern auch wie viele Freundschaften sie insgesamt aufweisen. Wie in Abschnitt 5.3 angeführt, lässt sich die Homophilie von Freundschaften auf diese Weise nur indirekt testen.51 Es zeigt sich, dass Frauen signifikant mehr Freunde haben als Männer (ȕ=-0,16), wie schon bivariat nachgewiesen. Nicht nur bivariat, sondern auch multivariat gibt es keinen signifikanten Zusammenhang zwi-schen dem Bildungslevel der Befragten und der Anzahl ihrer Freunde, d.h.

keinen Beleg für Bildungshomophilie der Freundschaften.

Die Erwerbstätigkeit hat einen signifikant positiven Einfluss auf die An-zahl vorhandener Freundschaften, d.h. Erwerbstätige haben mehr Freunde als Nichterwerbstätige (ȕ=0,23*). Dieser Effekt spricht für eine Bestätigung der Homogenitäts-Hypothese. So wurde ein positiver Effekt erwartet, da Er-werbstätige mit Anteilen zwischen 56 und 67 Prozent überwiegen.

Das Alter der Befragten als Kontrollvariable hat einen schwach signifi-kant positiven Effekt auf die Anzahl der Freundschaften (ȕ=0,24). So haben ältere Bewohner mehr Freunde in ihrer Wohngruppe als jüngere Bewohner, wie auch schon bivariat belegt. Das Zusammenleben mit Kind(ern) hat auch multivariat keinen signifikanten Effekt auf die Anzahl vorhandener Freunde.

Die Existenz eines Lebenspartners als weitere Kontrollvariable hat entgegen den bivariaten Befunden keinen Effekt mehr auf die Anzahl vorhandener Freunde im Wohnprojekt.52

51 Zur adäquateren Prüfung der Homogenitäts-Hypothese wird daher auf Kap. 9.2 verwiesen.

52 Der Einfluss weiterer Netzwerkpersonen außerhalb des Projekts wurde im vorliegenden Modell nicht untersucht. Partielle Korrelationen unter Kontrolle von Alter und Geschlecht zeigen, dass die Anzahl enger Familienangehöriger nicht die Anzahl von Freunden im

Pro-Als weitere Kontrollvariablen auf Gruppenebene wurden Dummy-Varia-blen für die Zugehörigkeit zu den Wohnprojekten einbezogen. Es zeigt sich, dass Bewohner aus den Projekten 2 und 5 signifikant weniger Freunde auf-weisen als Bewohner aus Projekt 1. Diese Befunde waren unter Betrachtung der unterschiedlichen Verteilung bei der abhängigen Variable erwartbar.

Diese Differenzen lassen sich nicht mit den einbezogenen unabhängigen Variablen erklären und müssen folglich auf Spezifika in den Gruppen zu-rückgeführt werden. Hierzu kann vor allem die unterschiedliche Projektgröße und das damit verbundene unterschiedliche Beziehungspotential als Erklä-rung angeführt werden. So stehen den Bewohnern in Projekt 1 erheblich mehr potentielle (auch homogene) Freunde zur Auswahl als in den übrigen deutlich kleineren Projekten. Trotzdem sich die Arbeit klar auf die Erklärung der sozialen Integration über Individualmerkmale beschränkt, wurde an die-ser Stelle ein gesondertes Regressionsmodell für Wohnprojekt 1 geschätzt, um möglicherweise erste Belege für diese Vermutung zu finden. Dieses Mo-dell hat mit einer Stichprobengröße von nur 63 Fällen eine weniger solide Basis als das Gesamtmodell und kann daher nur grobe Tendenzen aufzeigen.

Es offenbart sich, dass die regelmäßige Teilnahme an geselligen Treffen der Gruppe in Wohnprojekt 1 von allen unabhängigen Variablen den stärksten Effekt auf die abhängige Variable hat (ȕ=0,30*). Das Gewicht, das diesen regelmäßigen Geselligkeiten der gesamten Gruppe in Wohnprojekt 1 für die Freundschaftsformation zukommt, kann womöglich auf die Gruppengröße zurückgeführt werden. So könnten diese Treffen in einem solch großen Pro-jekt mit über 70 Bewohnern eine besonders herausragende Bedeutung für das Gemeinschaftsleben und auch den Aufbau enger Beziehungen haben, wäh-rend sie in kleineren Projekten etwas weniger bedeutsam scheinen.