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II. EMPIRISCHER TEIL

8 Daten und Methode

8.3 Auswertung und statistische Verfahren

In diesem Abschnitt wird kurz dargelegt, auf Basis welcher statistischer Ver-fahren die Analysen in den Kapiteln 9 und 10 erfolgen. Auf VerVer-fahren, die

nur für einzelne Analysen und Fragestellungen erfolgen, wird in den entspre-chenden Abschnitten eingegangen.

Die Analysen erfolgen teils auf Individual- und teils auf Dyadenebene.

So ist bei den Analysen zum Ausmaß sozialer Integration und den Bedingun-gen sozialer Unterstützung die Analyseeinheit der einzelne Bewohner (Kap.

9.1, 10.2 und 10.3). Demgegenüber bewegen sich die Analysen zu den Be-dingungen der Freundschaftswahl (Kap. 9.2) und zu Charakteristika von Unterstützungsbeziehungen (Kap. 10.1) auf Dyadenebene. Letzteren liegt eine deutlich erhöhte Fallzahl zugrunde. Für gerichtete Relationen42 errechnet sich in einer Gruppe mit n Personen die Anzahl möglicher Beziehungen zwi-schen ihnen als n*(n-1).

Die Netzwerkanalysen, besonders jene auf Dyadenebene, wurden mit der Software Ucinet 6 for Windows43 (Version 6.446, Stand 19.11.2012) durch-geführt. Bei dieser handelt es sich um eine Spezialsoftware für die Analyse von Gesamtnetzwerken, die fortlaufend aktualisiert wird. Standardstatistik-software ist demgegenüber nicht in der Lage, Analysen auf der Ebene von Beziehungsmatrizen auszuführen. Informationen zu einzelnen Analysen wurden primär den Handbüchern von Hanneman und Riddle (2005) sowie Borgatti et al. (2002) entnommen. Für die Analyse von Gesamtnetzwerken wird vielfach das QAP-Verfahren (quadratic assignment procedure) verwen-det, was auf Permutationen basiert. Diese besondere Prozedur, die auf wie-derholten Zufallsauswahlen beruht, ist notwendig, da bei Netzwerkdaten auf Dyadenebene keine Unabhängigkeit der Fälle besteht (Dekker et al. 2007;

Hanneman/Riddle 2005: 227ff.; Hubert/Schultz 1976; Krackhardt 1988;

Martin 1999; Prell 2012: 202f.). Das QAP-Verfahren liegt nahezu allen Ana-lysen auf Dyadenebene zugrunde (Kap. 9.2 und 10.1).

Im Folgenden wird eine Maßzahl bestimmt, die das Ausmaß der sozialen Integration der Bewohner adäquat abbildet. Hierzu bietet sich der Degree bzw. die Degree-Zentralität an. Diese ist in der sozialen Netzwerkanalyse eine der wichtigsten Zentralitätsmaße, welche die Anzahl direkter Beziehun-gen angibt (Jansen 2006: 127ff.; Prell 2012: 97ff.; Trappmann et al. 2005:

25ff.). Demgegenüber geben andere Maße wie Closeness- und Betweenness-Zentralität keine Auskunft über direkte, sondern über indirekte Beziehungen.

Sie sind daher Indikatoren für strategisch günstige Positionen des Akteurs in seinem Gruppennetzwerk und bei Fragestellungen etwa zu Machtpositionen oder der Diffusion von Informationen relevant.

42 Bei gerichteten Beziehungen wird unterschieden „von wem eine Beziehung ‚ausgeht‘ und an wen sie ‚gerichtet‘ ist“ (Diaz-Bone 1997: 40f.). Die Entscheidung, ob eine Relation gerichtet oder ungerichtet ist, ist stets eine theoretisch zu beantwortende Frage. Freundschafts- und Unterstützungsbeziehungen sind beide gerichtet.

43 Borgatti, S.P., Everett, M.G. and Freeman, L.C. 2002. Ucinet for Windows: Software for Social Network Analysis. Harvard, MA: Analytic Technologies.

Neben dem Degree als absolute Maßzahl gibt es in der Netzwerkanalyse ein Zentralitätsmaß, welches die Gruppengröße berücksichtigen soll: der Normalized Degree (Prell 2012: 99f.). Dieses von Freeman (1979: 221) ent-wickelte Maß errechnet sich durch das Teilen des Degrees durch die Anzahl der Gruppenmitglieder und stellt somit eine Art Dichtemaß dar. Dem Norma-lized Degree liegt die Annahme zugrunde, dass die Wahrscheinlichkeit einer realisierten Beziehung proportional mit der Anzahl von Gruppenmitgliedern steigt. Dies ist jedoch eine problematische Annahme. So gibt Prell (2012:

170) zu bedenken, dass größere Netzwerke häufig eine geringere Dichte ha-ben als kleinere Netzwerke: „[B]ecause larger networks have a greater poten-tial for more ties, this very fact makes it difficult for large networks to have high density values; it is much easier for smaller networks to reach their full potential density score“. Daher wird dem absoluten Degree als Maß für sozia-le Integration der Vorzug gegeben. Die exakte Operationalisierung der zwei Maße für soziale Integration wird in den entsprechenden Abschnitten ausge-führt (Kap. 9.1.1 und 10.2.1).

Wie bereits in der Einführung dargelegt, konzentriert sich diese Arbeit auf individuelle Merkmale der Bewohner. Um dies zu erreichen, wurden auf Individualebene möglichst umfassende Daten erhoben (Gesamtnetzwerke), weshalb die Stichprobe auf Gruppenebene nicht zu groß ausfallen konnte.

Daher konnte für die multivariaten Analysen nicht auf Mehrebenenanalysen zurückgegriffen werden, in denen Individual- wie Gruppeneffekte hätten gleichzeitig modelliert werden können. Hierfür sollten mindestens 10, im besten Fall 30 Fälle auf Gruppenebene vorliegen (Maas/Hox 2005; Snijders/

Boskers 1999: 44f.). Als Alternative werden Regressionsmodelle für die Gesamtstichprobe44 der fünf Mehrgenerationenprojekte geschätzt (lineare und binär logistische), in denen neben den individuellen Merkmalen Dummy-Variablen für die Zugehörigkeit der Bewohner zu den einzelnen Wohnpro-jekten einbezogen werden. Dieses Vorgehen kann keine Mehrebenenanalysen ersetzen und gibt nur eingeschränkt Auskunft über den Einfluss von Grup-penmerkmalen auf die soziale Integration des Einzelnen. So wird ein Wohn-projekt als Referenz bestimmt, d.h. untersucht werden jeweils die Differen-zen zwischen den übrigen Projekten und diesem Referenzprojekt. Die Wahl fiel auf das größte der fünf Mehrgenerationenwohnprojekte45 (WP 1). Wenn sich hier signifikante Differenzen zeigen, ist dies ein erster Hinweis auf mög-liche Gruppeneffekte. Zugleich wurden Tests auf signifikante Unterschiede

44 Als Beispiel für eine andere Untersuchung, in der mehrere Gesamtnetzwerke (Schulklassen) für eine Analyse individueller Merkmale in einem Gesamtdatensatz analysiert wurden, sei auf Dunkake (2012) verwiesen.

45 Testanalysen, in denen das Referenzprojekt ausgetauscht wurde, kamen zu vergleichbaren Ergebnissen.

bei den jeweiligen abhängigen und unabhängigen Variablen durchgeführt (Cramer’s V, F-Test und K-W-Test). Dennoch bleibt der Fokus des For-schungsinteresses klar auf dem Einfluss der individuellen Merkmale der Be-wohner auf das Ausmaß ihrer sozialen Integration in die Wohngruppe.

Nochmals wird zusammenfassend auf die komplexe Frage nach der Re-präsentativität der vorliegenden Daten eingegangen. Ob mit empirischen Da-ten repräsentative Aussagen über die Grundgesamtheit möglich sind, hängt von vielen Faktoren ab, insbesondere der Stichprobenziehung und den Aus-fällen. Grundgesamtheit dieser Arbeit sind realisierte Mehrgenerationen-wohnprojekte in Nordrhein-Westfalen. Die zu befragenden Projekte wurden als geschichtete Zufallsstichprobe nach der Anzahl der Haushalte gezogen (Kap. 7.2). Hinsichtlich dieses Kriteriums weist die realisierte Stichprobe keine Verzerrungen im Vergleich zur Grundgesamtheit auf. Leichte Verzer-rungen bestehen bei den Merkmalen Projektalter und Projektinitiatoren, die aber als wenig gravierend beurteilt werden: So wurden eher jüngere als ältere und nur selbstinitiierte und keine fremdinitiierten Projekte befragt (Kap.

8.1.1). Auf Ebene der Individuen hat sich gezeigt, dass Männer etwas unter-repräsentiert sind (Kap. 8.1.2). Dennoch stimmt die hier realisierte Stichpro-be tendenziell46 bei den Merkmalen Geschlecht und Bildung mit anderen empirischen Studien zu Wohnprojekten überein (Kap. 8.2.2). Bei diesen Studien handelt es sich mehrheitlich um Studien zu Wohnprojekten bzw.

Cohousing-Projekten aus dem Ausland (etwa Dänemark, Niederlande oder den USA) (u.a. Berggren 2013; Binner et al. 2011; Choi 2004; Glass 2012;

Tyvimaa 2011). In Bezug auf das Merkmal Alter ist ein Vergleich der zitier-ten Studien mit der Stichprobe dieser Arbeit schwieriger, da nicht immer Mehrgenerationenprojekte befragt wurden. Dennoch überwiegen auch in anderen Studien bei den höheren Altersgruppen die jungen und mittleren Alten. Da sich diese Arbeit auf die Einflüsse individueller Merkmale der Bewohner auf ihre soziale Integration fokussiert und die Stichprobe anschei-nend die Bewohnerschaft gemeinschaftlicher Mehrgenerationenwohnprojekte recht repräsentativ abbildet, wird in den nachfolgenden Analysen auf eine Gewichtung des Gesamtdatensatzes verzichtet.

Zu den Analysen zum Freundschafts-Netzwerk (Kap. 9) muss diesbezüg-lich beachtet werden, dass eines der fünf Jung-Alt-Projekte (WP 3) nicht in die Analysen einbezogen werden konnte aufgrund zu hoher Missingraten bei der abhängigen Variable. Hinsichtlich der in die Analysen zum Freund-schafts-Netzwerk einbezogenen Variablen zeigen sich zwischen Projekt 3 und den übrigen Jung-Alt-Projekten (WP 1, 2, 4 und 5) folgende auffällige Differenzen: In Projekt 3 leben etwas mehr Frauen. Zudem sind die Befrag-46 Da es keine offiziellen Zahlen hierzu gibt und die zum Vergleich herangezogenen Studien

selten repräsentativ sind, kann ein solcher Vergleich nur Tendenzen aufzeigen.

ten dieses Projekts etwas älter, seltener erwerbstätig und leben seltener mit Partner und/oder Kind(ern) zusammen im Vergleich zu den Befragten der anderen vier Projekte. Außerdem ist der Anteil derjenigen, die in frühen Projektphasen zur Gruppe kamen, in Projekt 3 höher als in den übrigen Pro-jekten. All diese berichteten Unterschiede werden aber nicht auf eine abwei-chende Sozialstruktur der Bewohnerschaft, sondern in erster Linie auf syste-matischen Unit-Nonresponse in Projekt 3 zurückgeführt, wie bereits in Ab-schnitt 8.2.2 erwähnt. Aufgrund dessen wird das Fehlen des Wohnprojekts in den Analysen zum Freundschafts-Netzwerk als wenig gravierend für die Repräsentativität der Ergebnisse eingestuft. Ebenfalls aufgrund zu hoher Missingraten können das Seniorenprojekt (WP6) und das Familienprojekt (WP7) nicht in die Netzwerkanalysen einbezogen werden; das Familienpro-jekt wird zumindest in den Analysen in Abschnitt 10.3 zu den Bedingungen sozialer Unterstützung berücksichtigt.

Bei den befragten Mehrgenerationenprojekten handelt es sich um unter-schiedlich große Gruppen, die Anzahl von Bewohnern schwankt zwischen 18 und 72 Personen. Vermutet wird, dass die Projektgröße einen Einfluss auf das verfügbare Beziehungspotential zum Aufbau von Freundschaften und dem Austausch sozialer Unterstützung hat, was Einfluss auf die Größe des Netzwerks des einzelnen Bewohners haben könnte. Dieser Aspekt wird bei der Operationalisierung der jeweiligen abhängigen Variable diskutiert und entsprechend berücksichtigt, bei der Analyse der Freundschaften durch eine Transformation, bei sozialer Unterstützung durch eine Dichotomisierung der abhängigen Variable.

In vielen bivariaten und den multivariaten Analysen wurden Signifi-kanztests durchgeführt. In den Sozialwissenschaften ist es meist üblich, eine Nullhypothese zu verwerfen, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit P „kleiner oder gleich 5% bzw. sogar kleiner oder gleich 1% ist“ (Bortz 1999: 114).

Bortz fügt hinzu, dass es bei „[i]nnovative[n] Forschungen in einem relativ jungen Untersuchungsgebiet“ (ebd.: 122) zu rechtfertigen ist, die Irrtums-wahrscheinlichkeit auf 10 Prozent zu erhöhen. Daher werden in dieser Arbeit vier Signifikanzniveaus unterschieden:

Tab. 5: Signifikanzniveaus

Quelle: eigene Darstellung.

Irrtumswahrscheinlichkeit Interpretation Symbolisierung

p ч 0,10 schwach signifikant

p ч 0,05 signifikant *

p ч 0,01 hoch / sehr signifikant **

p ч 0,001 höchst signifikant ***