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5.1 Ursachen der reaktiven Hepatopathie

5.1.7 Endokrine Ursachen

Eine endokrine Erkrankung war bei 12,9 % der Studiengruppe nachweisbar. Der Fund einer reaktiven Leberschädigung bei einem Diabetes mellitus (DILLON 1985, DÄMMRICH u.

LOPPNOW 1990, HÄUSSINGER 1995a, CENTER 1996b, HERMANNS 1999, BUNCH 2000, MEYER u. TWEDT 2000, DANCYGIER 2003, SCHERK u. CENTER 2005, BUNCH 2006), einem Morbus Cushing (CENTER 1996b, HERMANNS 1999, BUNCH 2000, MEYER u. TWEDT 2000, SCHERK u. CENTER 2005, BUNCH 2006) sowie einer Hypothyreose (CENTER 1996b, BUNCH 2000, MEYER u. TWEDT 2000, SCHERK u.

CENTER 2005, WEBSTER 2005) wird durch die Literatur ausreichend bestätigt. So werden vakuoläre Degenerationen beim Hund bei einer schweren Hypothyreose (CENTER 1996b, MEYER u. TWEDT 2001, WEBSTER 2005), unter Glukokortikoideinfluss (BADYLAK u.

VAN FLEET 1981) und beim Diabetes mellitus (DAHME u. SCHRÖDER 1990, DÄMMRICH u. LOPPNOW 1990) beschrieben. Dabei führt eine Hyperlipidämie, entstanden durch einen Diabetes mellitus oder Hyperadrenokortizismus, zu einer Fettakkumulation in der

Leber (ZAWIE u. GILBERTSON 1985, JONES et al. 1997). Auch bei der Hypothyreose ist beim Hund eine Hyperlipidämie bekannt (BAUER 2000), und es kommt bei einer Hypothyreose durch einen verminderten Stoffwechsel und Hypercholesterinämie zu einer Steatose (NOVACEK 2004). Beim Diabetes mellitus liegt der Verfettung pathogenetisch eine gesteigerte periphere Lipolyse und eine erhöhte Fettsäuresynthese mit gleichzeitig verminderter Sekretion durch herabgesetzte Lipoproteinsynthese zugrunde (BOLCK u.

MACHNIK 1986, DÄMMRICH u. LOPPNOW 1990, BÜTTNER u. THOMAS 2003). Auch eine Glykogenablagerung beim Diabetes mellitus durch eine Hyperglykämie ist beim Tier möglich (JONES et al. 1997), erreicht jedoch nicht die Ausmaße wie beim Menschen (DAHME u. SCHRÖDER 1990). Beim Morbus Cushing kommt es durch den Glukokortikoideinfluss zu einer verstärkten Bildung und Ablagerung von Glykogen, da Glukokortikoide als periphere Insulinantagonisten die Glukoneogenese und das Enzym Glykogen-Synthase stimulieren (DAHME u. SCHRÖDER 1990, HERMANNS 1999).

Bei drei Hunden dieser Studiengruppe konnte eine Eu- oder Hypothyreose nach bereits erfolgter L-Thyroxin-Substitution nicht mehr ausdiagnostiziert werden. In Anbetracht der Tatsache, dass in der Studiengruppe ein großer Anteil der Hunde (44,4 %) mit einer reaktiven Hepatopathie unter einer Euthyreose litt, ist jedoch eine Euthyrose bei diesen drei Hunden als wahrscheinlich anzunehmen.

5.1.8 Toxische Ursachen

Als medikamentöse Ursache der reaktiven Leberschädigung kommen fünf Fälle der Studiengruppe (7,1 %) in Betracht. Eine antikonvulsive Therapie betraf zwei Hunde: Hund Nr. 22 wurde dauerhaft mit Phenobarbital (Luminal®) und Kaliumbromid (Dibro-BE®) und Hund Nr. 44 dauerhaft mit Primidon behandelt. Phenobarbital gehört zu den fakultativ

„idiosynkratisch“ schädigenden Lebertoxinen (HERMANNS 1999, SUTER 2001c, SCHERK u. CENTER 2005) und ist gemäß LÖSCHER (2003) nicht leberschädigend. Nach CORNELIUS und BJORLING (1992) verursacht Phenobarbital einen Anstieg der Leberenzymaktivität im Serum, aber klinische sowie histologische Symptome einer Leberschädigung bleiben rar. Fakultativ „idiosynkratisch“ wirkende Lebertoxine vermögen jedoch bei einzelnen Individuen eine leberschädigende Wirkung auszuüben (HERMANNS 1999, DANCYGIER 2003), wie bei Hund Nr. 22 anzunehmen ist. Dagegen zeigen mehrere

Autoren eine hepatotoxische Wirkung von Primidon an (JENNINGS et al. 1974, CORNELIUS u. BJORLING 1992, CENTER 1996a, LÖSCHER 2003, SCHERK u.

CENTER 2005), wodurch die Leberschädigung durch Primidon als gesichert angenommen werden kann. Der Patient Nr. 22 wurde positiv auf eine erhöhte Aktivität des hitzestabilen Isoenzyms der AP getestet, eine weitergehende Untersuchung mit einem LDDS konnte nicht mehr durchgeführt werden. Eine medikamenteninduzierte Erhöhung der AP ist jedoch anzunehmen, da keine klinischen Hinweise auf einem Morbus Cushing vorlagen. Bei dem Patienten Nr. 44 kommen neben der medikamenten-induzierten Schädigung der Leber eine chronisch interstitielle Nephritis und eine chronische Dermatitis als ursächlich in Betracht (Kap. 5.1.9).

Ein Hund bekam wegen schmerzlicher Prozesse am Bewegungsapparat dauerhaft Carprofen (Rimadyl®, Pfizer) verabreicht. Da MACPHAIL et al. (1998) bei 21 Hunden, die Carprofen (Rimadyl®, Pfizer) erhielten, vakuoläre Degenerationen, Einzelzellnekrosen und eine milde Entzündungszellinfiltration in der Leber nachwiesen, kann davon ausgegangen werden, dass die nachgewiesene Leberdegeneration möglicherweise auch toxisch bedingt war. Zusätzlich zeigte der Hund ein großflächiges Leiomyom des Genitaltraktes und ist bei diesen Erkrankungen bereits aufgeführt worden.

Eine Cortison-Applikation muss bei Hund Nr. 10 beachtet werden: aufgrund einer Cauda equina-Symptomatik bekam er 1 mg/kg Prednisolon über 9 Tage, eine möglicherweise höhere Dosis ist von Haustierärzten verabreicht worden. Kortikosteroide induzierten eine vakuoläre Degeneration durch Hyperlipidämie mit Fettakkumulation und Glykogendepletion in der Leber (ZAWIE u. GILBERTSON 1985, DAHME u. SCHRÖDER 1990, JONES et al. 1997, HERMANNS 1999). BADYLAK und VAN FLEET (1981) sehen nach bereits fünf-tägiger Verabreichung von Prednisolon (4,4 mg/kg/Tag) zunächst diffuse vakuoläre Leberzellveränderung und später zentrilobuläre Degenerationen beim Hund. Die größte Ausdehnung und Glykogenakkumulation kann um den 15. Tag der Studie beobachtet werden.

So ist bei diesem Hund histopathologisch eine hgr. multifokale hydropische Degeneration und Fettspeicherung mit ggr. multifokaler Entzündungszellinfiltration aufgefallen. Eine Verifizierung des Anteils des steroid-induzierten Isoenzyms der alkalischen Phosphatase konnte bei diesem Hund nicht durchgeführt werden. Mit einer Cortison-induzierten degenerativen Schädigung muss also zusätzlich zum Lungenbefund gerechnet werden.

Eine Chemotherapie könnte bei Hund Nr. 55 die Leberveränderungen hervorgerufen haben:

Asparginase vermag eine Steatose zu erzeugen, Vincristin akute Leberschädigungen und Cyclophosphamid wird als zytotoxisch eingestuft (PESSAYRE et al. 1999).

Interessanterweise ist diesem Hund die Leber durch Ultraschallinhomogenitäten und erhöhte Leberenzymaktivitäten am Tage seiner Erstvorstellung bereits aufgefallen, bevor mit der Chemotherapie begonnen wurde, weshalb eine reaktive Leberschädigung trotz Chemotherapie durch die Grunderkrankung möglich wäre.

5.1.9 Weitere Befunde

Bei dem Hund Nr. 35 wurde neben der diagnostizierten Prostatitis ein mgr.

Zahnsteinvorkommen befunden. Eine Stomatitis/Gingivitis hat nach CENTER (1996b) und TWEDT (1985b) das Potential, eine reaktive Leberschädigung auszulösen. Neben der klinisch schweren Prostatitis tritt jedoch eine Leberschädigung durch mögliche entzündliche Produkte durch eine Gingivitis in den Hintergrund.

Bei zwei Hunden wurde eine Dermatitis neben weiteren Primärerkrankungen diagnostiziert.

Eine schwere Dermatitis ist als Ursache für eine reaktive Hepatopathie beschrieben worden (TABOADA u. MEYER 1989). Bei dem Hund Nr. 49 (Kap 5.1.2) wurde neben dem Leydigschen Zwischenzelltumor eine chronisch-entzündliche Hautstelle im Zwischenzehbereich entfernt. Aufgrund des geringen Ausmaßes ist bei diesem Hund die Hautentzündung nur als Nebenbefund einzustufen. Ein klinisch schweres Bild einer Dermatitis zeigte dagegegen der Hund Nr. 44, der wegen dauerhafter Primidon-Medikation (Kap. 5.1.8) und einer chronisch-interstitiellen Nephritis (Kap. 5.1.2) bereits aufgezeigt wurde. Eine kombinierte Schädigung durch die Medikamente und die chronische Entzündung kann bei diesem Hund postuliert werden. Andererseits kann die Dermatitis bei dem Hund Nr.

44 auch eine Folge der Lebererkrankung sein. Das Hepatokutane Syndrom ist ein seltenes Symptom chronischer Hepatopathien (BIGLER 2001). Dabei sind Erosionen, Ulzera, Erytheme und Hyperkeratosen an distalen Gliedmaßen, Genitalbereich und Gesicht zu beobachten. Die Pathogenese ist noch nicht geklärt, jedoch scheinen ein hepatogener Diabetes mellitus, Insulintoleranz und Hyperglukonämie eine Rolle zu spielen (BIGLER 2000). Ein Hinweis auf einen Diabetes mellitus oder einen gestörten Zuckerstoffwechsel war bei diesem Hund nach blutchemischer Kontrolle nicht nachweisbar.

Ein Karzinosarkom der Mamma wurde bei dem Hund Nr. 43 neben der chron. interstitiellen Nephritis diagnostiziert (Kap. 5.1.2). Nach CENTER (1996b) lösen Mammatumoren potentiell eine sekundäre Amyloidose aus. Eine chronische Immunstimulation durch Interleukin-Einfluss ist als Ursache der Leberbeeinträchtigung anzunehmen (CENTER 1996b).

5.2 Anamnese

Wie in der Literatur angegeben, stellten sich die klinischen Symptome der Hunde mit Lebererkrankungen sehr vielfältig und unspezifisch dar (ROTHUIZEN 1992, EIKMEIER 1997, SUTER 2001a, HESS u. BUNCH 2003, WEBSTER 2005, BUNCH 2006). Nur wenige Patientenbesitzer sahen das Allgemeinbefinden ihres Hundes ungetrübt, eine Apathie zeigte sich bei 26 % der Hunde. Eine Polyurie/Polydipsie zeigten 34 % der Hunde. Auch gastrointestinale Symptome wie Vomitus (43 %) Diarrhoe (27 %) und Anorexie (23 %) waren bei den Hunden in der Studiengruppe zu beobachten. ROTHUIZEN u. MEYER (2000) bestätigen, dass eine Apathie, Polydipsie und gelegentliches Erbrechen als ein frühes Anzeichen einer Lebererkrankung gewertet werden kann. Für die häufigen gastrointestinalen Symptome werden Entzündungen und Ulzerationen im Gastrointestinaltrakt verantwortlich gemacht (TWEDT 1985b, HESS u. BUNCH 2003). Erklärend ist möglicherweise eine verminderte Barrierefunktion der Magen-Darmschleimhaut durch die sinkende Proteinbiosyntheseleistung der erkrankten Leber und die damit abnehmende Regeneration der Schleimhaut (TWEDT 1985b). Des Weiteren wird bei chronischen Lebererkrankungen die Magenschleimhaut weniger durchblutet (TWEDT 1985b, HESS u. BUNCH 2003). Eine Hypergastrinämie als Ursache (TWEDT 1985b) wird kontrovers diskutiert (HESS u. BUNCH 2003). Eine Stimulation des Brechzentrums durch Endotoxine, die durch die Leber nicht eliminiert werden, und vagale Stimulation durch Dislokation des oberen Gastrointestinaltraktes bei Hepatomegalie ist ebenfalls denkbar (ROTHUIZEN u. MEYER 2000). Die PU/PD wird bei hepatozellulären Dysfunktionen mit einem veränderten Stoffwechsel von Harnstoff (GRAUER u. NICHOLS 1985, ROTHUIZEN u. MEYER 2000, WEBSTER 2005, BUNCH 2006), Aldosteron (BUNCH 2006), Kalium (GRAUER u.

NICHOLS 1985, BUNCH 2006) und Kortisol (WEBSTER 2005, BUNCH 2006) in Verbindung gebracht. ROTHUIZEN und MEYER (2000) geben für Hunde mit reaktiver

Hepatitis eine Apathie in 10 % und eine Polydipsie in 9 % der Fälle sowie teils höhere Prozentzahlen der gastrointestinalen Symptome (Erbrechen 48 %, Diarrhoe 77 %) an als bei dieser Studie. Der Unterschied mag darin begründet sein, dass ROTHUIZEN und MEYER (2000) die reaktive Hepatitis maßgeblich durch gastrointestinale Erkrankungen verursacht sehen, in dieser Studie dagegen die Endometritis die häufigste Erkrankung war und ebenfalls eine PU/PD und gastrointestinale Symptome ausgelöst haben kann (JOHNSON 2006).

Höhere Anteile der Apathie und der PU/PD mögen des Weiteren durch die recht häufigen extrahepatischen Neoplasien in dieser Studie begründet sein. So werden bei sekundären Lebererkrankungen die Symptome häufig durch die Primärerkrankung verdeckt, wie auch die Lebererkrankung die Primärerkrankung maskiert (ROTHUIZEN u. MEYER 2000). Auch in dieser Studiengruppe standen bei einigen Hunden die Symptome der Primärerkrankung im Vordergrund, und andere Primärerkrankungen blieben durch eine Lebersymptomatik zunächst verborgen. Spezifische Symptome wie der Ikterus (4 %) und Aszites (6 %) manifestierten sich bei wenigen Patienten und reflektieren eine bereits erschöpfte Leberfunktion. Sie treten durch die enorme Reservekapazität der Leber erst spät in Erscheinung (ROTHUIZEN u. MEYER 2000, WEBSTER 2005), gilt doch die reaktive Hepatitis/Hepatopathie als eine reversible Erkrankung, die mit Behandlung der Grunderkrankung generiert.

5.3 Signalement

Innerhalb des Patientenkollektivs machten Terrier (22,9 %) (West Highland White, Fox, Jack Russel und Airedale Terrier) und Mischlinge (21,3 %) den größten Anteil aus. Da die Terrier 13,4 % der während des Beobachtungszeitraumes gesamthaft vorgestellten Hundepopulation ausmachten, könnte eine höhere Betroffenheit der Terrier hinsichtlich einer Hepatopathie postuliert werden. Nach der Literatur sind Rassedispositionen für einen gestörten Kupfer- Stoffwechsel beim Hund bekannt, was zu einer chronischen Hepatitis führem kann. Diese Erkrankungen sind für West Highland White Terrier (ROLFE u. TWEDT 1995, ANDERSSON u. SEVELIUS 1991), Cocker Spaniel, Labrador Retriever (ANDERSSON u.

SEVELIUS 1991), Airedale Terrier, Golden Retriever, Deutscher Schäferhund, Collie und Dackel (ROLFE u. TWEDT 1995) beschrieben. Nach aktuellem WSAVA–Standard wird eine familäre Neigung jedoch nur den West Highland White Terriern, Skye Terriern, Dalmatinern und Labrador Retrievern zugesprochen (VAN DEN INGH et al. 2006). Insgesamt scheint

jedoch eine Diskussion über eine Rassedisposition nicht hinreichend belegbar zu sein, da es sich bei der reaktiven Hepatitis/Hepatopathie des Hundes um keine Primärerkrankung der Leber handelt, sondern diese durch die jeweils extrahepatischen Primärerkrankungen bestimmt wird. Nach Rassedispositionen der jeweiligen Grunderkrankung zu fragen, scheint sinnvoller. Allerdings kann im umgekehrten Fall eine erhöhte Kupferspeicherung als Ursache einer reaktiven Hepatitis/Hepatopathie bei den Hunden dieser Studie nicht ausgeschlossen werden. Beim West Highland White Terrier ist zwar eine direkte Leberschädigung durch erhöhte Kupferspeicherung selten auszumachen, sondern meist multifaktoriell bedingt (THORNBURG et al. 1996), allerdings sollte in folgenden Studien eine Messung der Kupferkonzentrationen in der Leber durchgeführt werden.

Hinsichtlich der Geschlechtsverteilung im Zusammenhang mit einer reaktiven Hepatopathie ist in der Literatur nichts bekannt. Innerhalb der Studiengruppe konnte keine spezifisch weibliche (47,1 %) oder männliche Verteilung (52,9 %) ausgemacht werden.

Gemeinhin wird die Tatsache vertreten, dass Riesenrassen wesentlich früher „alt“ werden und eine deutlich verringerte Lebenszeit haben, als Hunde mittlerer und kleiner Rassen (KRAFT 2003). So sind in dieser Studie zwar die großen Rassen (20-40 kg) bei den Hunden im Alter von 8-11 Jahren dominierend, nehmen jedoch in der Altersgruppe ≥11 Jahre stark ab, während hier die Hunde der kleinen Rassen dominieren. So erkranken an der reaktiven Hepatopathie maßgeblich alte Hunde (> 75 %). Dies ist nicht verwunderlich, steigt die Multimorbidität (Krankheiten/Lebensalter/Hund) beim Hund kontinuierlich mit dem Lebensalter, besonders nach dem 6. und erneut nach dem 9. Lebensjahr, an (KRAFT 2003), und damit nimmt die Wahrscheinlichkeit für eine reaktive Hepatopathie zu.