• Keine Ergebnisse gefunden

Das klinische Bild der Hepatopathie beim Menschen

2.4 Das klinische Bild der Hepatopathie

2.4.1 Das klinische Bild der Hepatopathie beim Menschen

Beim Menschen kann die Symptomatik einer Lebererkrankung sehr unterschiedlich sein: Das Spektrum reicht von der Beschwerdefreiheit trotz bestehender Krankheit bis zu massiven Beschwerden mit schwersten Schmerzen (GEROK u. BLUM 1995). Die Beschwerdefreiheit ist der Grund für die häufig zufällige Entdeckung einer Hepatopathie im Rahmen einer Blutuntersuchung (DANCYGIER 2003). Die unspezifischen Anzeichen des Initialstadiums einer Hepatopathie wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Antriebsarmut sind häufige Symptome beim Menschen. Dazu kommen Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen (GEROK u. BLUM 1995, DANCYGIER 2003). Geruchs- und Geschmacksempfindungen können sich verändern (DANCYGIER 2003). Schmerzen im Oberbauch sind die Folge von Kapselspannungen und manifestieren sich als „dumpfes Organgefühl“ (GEROK u. BLUM 1995, DANCYGIER 2003). Stärkere Schmerzen deuten eher auf Gallenblasenerkrankungen, Leberabszesse und venöse Abflussstörungen hin (DANCYGIER 2003). Zu Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Leistungsminderung, Appetitlosigkeit und gastrointestinalen Störungen, wie

Übelkeit und Obstipation, treten „leberferne“ Beschwerden wie grippale Symptome, Pruritus, Potenzstörungen, Amenorrhö und auch rheumatische Gelenkschmerzen, hinzu (GEROK u.

BLUM 1995).

Der Pruritus tritt prinzipiell bei allen Hepatopathien auf, besonders aber bei Lebererkrankungen mit ausgeprägter Cholestase (GEROK u. BLUM 1995, DANCYGIER 2003). Der Pruritus geht dem Ikterus voraus und kann Jahre vor diesem an den Handinnenflächen, Fußsohlen und restlichen Extremitäten beobachtet werden (GEROK u.

BLUM 1995). Seine Ursache ist nach GEROK u. BLUM (1995) unklar, es wird aber ein Zusammenhang mit retinierten Gallensäuren postuliert, in jüngerer Zeit wird eher eine zentrale Genese vermutet (DANCYGIER 2003). Bei akuten fremdstoffbedingten Lebererkrankungen sind Ikterus und Pruritus die klinisch auffälligsten Symptome (REICHEL u. SAUERBRUCH 2004). Vaskuläre Veränderungen der Haut manifestieren sich als Teleangiektasien und Palmarerytheme. Die Teleangiektasien sind typischerweise sternförmig an Gesicht und lichtexponierten Stellen zu finden und werden auch „vascular“- oder „arterial-spider“ genannt (GEROK u. BLUM 1995). Ursächlich werden vasoaktive Substanzen vermutet, die aufgrund der beeinträchtigten Leberfunktion unzureichend abgebaut werden (GEROK u. BLUM 1995). Seltener sind Hyper- oder Hypopigmentationen der Haut. Erstere sind die Folge einer Melaninablagerung bei der Hämochromatose oder Porphyrien, zweitere als schmetterlingsförmiges Areal auf dem Rücken bei ikterischen Patienten zu finden (DANCYGIER 2003). Weitere Hautveränderungen treten vor allem bei chronischen Lebererkrankungen, wie der Leberzirrhose, auf. Zu nennen sind Nagelveränderungen, trophische Hautveränderungen als „Geldscheinhaut“ und Haarverluste am Abdomen (GEROK u. BLUM 1995, DANCYGIER 2003). Es ist bei Lebererkrankungen auch auf Anzeichen einer hämorrhagischen Diathese zu achten: flohstichartige Blutungen, Hämatome, Hämatemesis, Meläna, Epistaxis und Zahnfleischbluten (GEROK u. BLUM 1995, DANCYGIER 2003). Die Ursache liegt in einer verminderten Synthese der Gerinnungsfaktoren in der beeinträchtigten Leber (DANCYGIER 2003), da die Leber alle Gerinnungsfaktoren außer Faktor VIII synthetisiert (WEBSTER 2005, BUNCH 2006).

Weiterhin wird eine Thrombozytopenie, welche die Folge einer verstärkten Speicherung in der Milz und eines verstärkten Abbaus ist, häufig bei chronischen Lebererkrankungen diagnostiziert (VONNAHME u. SCHMIDT 2000). Eine erhöhte Kapillarfragilität spielt bei

der vermehrten Blutungsneigung auch eine Rolle (GEROK u. BLUM 1995, DANCYGIER 2003). Sie wird durch eine längerfristige Einnahme von Kortikosteroiden noch verstärkt (DANCYGIER 2003).

Neben diesen recht unspezifischen Symptomen dienen der Diagnostik die folgenden Leitsymptome der Lebererkrankung. Sie sind nicht pathognomonisch, ihr Fehlen schließt die Hepatopathie keineswegs aus (SUTER 2001a).

2.4.1.1 Ikterus und Cholestase

Die Leber ist am Bilirubinstoffwechsel beteiligt, indem sie unkonjugiertes Bilirubin (I), aufnimmt, dieses mit Glucuronsäure konjugiert und das nunmehr konjugierte Bilirubin (II) über die Galle in den Darm sezerniert. Durch Funktionsbeeinträchtigung der Leberzellen kommt es zum Bilirubinanstieg im Blut. Die Ablagerung von Bilirubin im Gewebe, und damit die gelbliche Verfärbung dessen und der Körperflüssigkeiten, führt zum Ikterus (HERMANNS 1999, GEROK et al. 2000).

Die physiologische Serumkonzentration des Bilirubin liegt beim Menschen bei 0,3-1,0 mg/dl (5-17 µmol/l) (SILBERNAGL u. DESPOPOULOS 1991, GEROK u. BLUM 1995, GEROK et al. 2000). Eine gelbliche Verfärbung der Skleren ist bei geringer Zunahme der Serumbilirubinkonzentration zwischen 2,0-2,5 mg/dl (34-43 µmol/l) bemerkbar (SILBERNAGL u. DESPOPOULOS 1991, GEROK u. BLUM 1995). Ab einer Konzentration von 3,0-4,0 mg/dl (51-68 µmol/l) ist die Verfärbung der Haut erkennbar (GEROK u. BLUM 1995). Nach GREENBERGER (2003) liegt die Serumbilirubinkonzentration, ab der ein skleraler Ikterus wahrnehmbar wird, über 3,0 mg/dl.

Die Cholestase, definiert als verlangsamter Gallefluss mit folgender Retention gallepflichtiger Substanzen (DANCYGIER 2003), ist als Symptom hepatobiliärer Funktionsstörungen zu werten und nicht als Diagnose (ZAWIE u. GILBERTSON 1985, LEUSCHNER 2003). Sie kann intra- oder extrahepatische Ursachen haben (CENTER 1999, LEUSCHNER 2003). Ist sie von langer Dauer, kann sie ihrerseits die Leber schädigen (DANCYGIER 2003). Die intrahepatischen Cholestasen finden ihre Ursache in Parenchymschäden der Leber und damit in Funktionsbeeinträchtigungen der Biosynthese und Exkretion von Gallensäuren (LEUSCHNER 2003). Diese durch Hepatosen verursachten Cholestasen bezeichnen BOLCK u. MACHNIK (1986) auch als „intralobuläre Cholestase“. Durch die Cholestase

akkumulieren die gallepflichtigen Substanzen, und die Gallensäuren wirken als Zellgift, besonders die Lithocholsäure, die membrantoxisch wirkt (CENTER 1999). Die Gallensäuren selber, besonders die Lithocholsäure, wirken wiederum cholestastisch, indem sie den Gallensäurestoffwechsel im Sinne eines Circulus Vitiosus weiter stören (DANCYGIER 2003, LEUSCHNER 2003). Der Pathomechanismus ist komplex und nicht nur die Gallensäuren, sondern auch akkumulierendes Kupfer wirken schädigend, indem sie die Funktion des Zytoskelettes beeinträchtigen (DANCYGIER 2003). Ferner verursacht ein Gallerückstau einen Ikterus (DANCYGIER 2003), da durch die Cholestase der transzelluläre Transport des Bilirubins beeinträchtigt wird (BOLCK u. MACHNIK 1986).

Weitere Schäden, die sich durch die Cholestase ergeben, sind auf die Tatsache zurückzuführen, dass ein Mangel an Gallensäuren im Darm zur Malabsorption führt (BOLCK u. MACHNIK 1986, DANCYGIER 2003, FLEIG 2004). Die ungenügende Fettverdauung führt zum Fettstuhl, der Steatorrhö (BOLCK u. MACHNIK 1986, DÄMMRICH u.

LOPPNOW 1990, DANCYGIER 2003). Aber auch die Absorption der wichtigen fettlöslichen Vitamine A, D, E und K ist dadurch gestört (BOLCK u. MACHNIK 1986, DANCYGIER 2003, FLEIG 2004). Bei lang anhaltender Malabsorption entwickeln sich Vitaminmangelerscheinungen. Der Vitamin-K-Mangel dagegen entwickelt sich relativ rasch (DANCYGIER 2003). Vitamin K als wichtiger Faktor der Blutgerinnung begünstigt durch sein Fehlen die Blutungsneigung (BOLCK u. MACHNIK 1986, DANCYGIER 2003).

Wahrscheinlich wirken bei Cholestase die Gallensäuren kapillartoxisch, weshalb man diesen Zusammenhang als „cholämische Blutungen“ bezeichnet (BOLCK u. MACHNIK 1986).

Bei chronischer Cholestase mit Hypercholesterinämie entstehen beim Menschen Xanthelasmen oder Xanthome, bei denen es sich um Cholesterinablagerungen in der Haut handelt. Xanthelasmen sind leicht erhabene gelbliche Hautveränderungen mit bevorzugter Lokalisation an Augenlidern, Hals, Brust und Rücken. Xanthome sind knotige Ansammlungen und finden sich an den Streckseiten der Extremitäten (DANCYGIER 2003).

2.4.1.2 Portale Hypertension

Eine Gefäßwiderstandserhöhung durch einen Umbau der Leberarchitektur mit folgender portaler Hypertension findet sich meist bei chronischen Lebererkrankungen (DANCYGIER u. WEBER 2003, FLEIG 2004). In Westeuropa ist die häufigste Ursache (70 %) des

Pfortaderhochdruckes beim Menschen die alkoholtoxische Leberzirrhose (DANCYGIER u.

WEBER 2003). Auch eine Vergrößerung der Hepatozyten infolge von Wasser- oder Fetteinlagerungen kann eine Kompression der Sinusoide von außen bewirken und so eine Gefäßwiderstandserhöhung in der Leber nach sich ziehen (GEROK et al. 2000). Neben Faktoren, die den Gefäßwiderstand durch Umbau der Leberarchitektur erhöhen, sind Vasodilatatoren, die den portalen Blutfluss erhöhen, pathogenetisch von Interesse (DANCYGIER u. WEBER 2003, FLEIG 2004). Die Engstellung der Sinusoide kann ebenso durch vasoaktive Substanzen, wie Endotheline, erfolgen (DANCYGIER u. WEBER 2003).

Folgen der portalen Hypertension sind die Ausbildung venöser Umgehungskreisläufe, Aszites, Splenomegalie, Gastropathien und hepatische Enzephalopathie (GEROK et al. 2000, DANCYGIER u. WEBER 2003, FLEIG 2004). Gastropathien entstehen durch eine portal-hypertensiv bedingte Störung der vaskulären Mikroarchitektur mit einer gesteigerten Blutungsneigung (DANCYGIER u. NAGELL 2003).

2.4.1.3 Aszites

Nach DANCYGIER (2003) ist der Aszites beim Menschen in 78 % der Fälle durch eine Leberparenchymerkrankung bedingt, es folgen mit 12 % die malignen und mit 5 % die kardiovaskulären Erkrankungen. Selten sind sie infektiös oder renal bedingt. Von den 78 % fallen 77 % ursächlich in den Bereich der Leberzirrhose, weshalb der Aszites erst im fortgeschrittenen Stadium einer Hepatopathie auftritt (DANCYGIER 2003). Die Entstehung des Aszites ist multifaktoriell und es gibt verschiedene Theorien zur Entstehung der Imbalanz der Starling-Kräfte. Einerseits sinkt bei der Leberinsuffizienz der onkotische Druck durch eine Hypalbuminämie aufgrund einer verminderten Proteinsyntheseleistung der Leber.

Andererseits erhöht sich der hydrostatische Druck im Bereich der splanchnischen Kapillaren aufgrund eines Rückstaus im Rahmen der portalen Hypertonie (GEROK et al. 2000, SUTER 2001a, FLEIG 2004). Eine erhöhte Kapillarpermeabilität spielt nach FLEIG (2004) und SUTER (2001a) für die Pathogenese eine Rolle, sowie eine gesteigerte Lymphproduktion (GEROK et al. 2000, FLEIG 2004). Neben diesen lokalen Faktoren ist eine systemische Störung des Natrium- und Flüssigkeitshaushaltes im Rahmen der Lebererkrankung essentiell für die Entstehung des Aszites (GEROK et al. 2000, SUTER 2001a, FLEIG 2004). So kommt es nach einer Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems zu einer erhöhten Natriumretention, dadurch zur Wasserretention und folgend zur Aszitesbildung (GEROK et

al. 2000). Ob bei der Pathogenese der Natriumretention eine verminderte Füllung des splanchnischen Gefäßsystems initial auf eine arterielle Vasodilatation durch Vasodilatatoren oder auf eine Verringerung des Flüssigkeitsvolumens durch die Abnahme des hydrostatischen Druckes zurückzuführen ist, wird kontrovers diskutiert (GEROK et al. 2000, DANCYGIER 2003, FLEIG 2004).

2.4.1.4 Hepatische Enzephalopathie

Die hepatische Enzephalopathie (HE) entwickelt sich beim Menschen infolge einer schweren akuten oder chronischen Leberinsuffizienz (DANCYGIER 2003). Es kommt zu mentalen Veränderungen, die sich in Störungen der Konzentrationsfähigkeit, Änderung des Wach-Schlaf-Rhythmuses, neuromuskulären Alterationen, Stimmungsschwankungen mit Depressionen und Desorientierung bis hin zum Koma äußern (DANCYGIER 2003). Die verminderte Leberleistung oder portosystemische Kollateralkreisläufe führen zu einer unzureichenden Entgiftung des anfallenden Ammoniaks im Harnstoffzyklus oder der Glutaminsynthese mit der Folge einer Erhöhung der Blutammoniakwerte (WEIßENDORN 2000) und einer verminderten Entgiftung der aus dem Darm anfallenden Endotoxine (SUTER 2001a). Ammoniak durchtritt die Blut-Hirn-Schranke und tritt in die Astrozyten ein, was zu einer komplexen Funktionsbeeinträchtigung mit Änderungen der Neurotransmitter-konzentrationen führt (DANCYGIER 2003). Der zerebrale Stoffwechsel wird im Sinne eines Circulus Vitiosus weiter beeinträchtigt und schließlich die Erregungsleitung gestört (DANCYGIER 2003).