• Keine Ergebnisse gefunden

Die embryologische Entwicklung sowie die daraus resultierenden anatomischen Verhältnisse bestimmen Verteilungsvorgänge von Medikamenten im Auge. Daher sollen die folgenden Ausführungen zunächst einen Überblick über die embryologische Entstehung des Auges mit ihrer Auswirkung auf spätere anatomische und funktionelle Besonderheiten geben.

Die Entwicklung des Sehapparates beginnt beim Hund etwa am 13. Tag der Trächtigkeit. Zu diesem Zeitpunkt sind die Augengruben als paarige Einsenkungen des Neuroektoderms im Bereich des Vorderhirns zu erkennen.

Abb. 2.1 Augenblase eines 4,5 mm langen Embryo beim Säuger in 40facher Vergrößerung (SCHNORR 1989)

Der Fortschritt von den Augengruben zur Augenblase erfolgt zeitlich analog mit dem Schluß des Neuralrohres (Tag 15). Die Augenblasen erfahren ein Größenwachstum und wachsen dabei gegen das Oberflächenektoderm vor. Sie spielen bei der Induktion und Determination der Entwicklung von Lidspalten sowie orbitaler und periokulärer Strukturen eine entscheidende Rolle (JONES et al. 1980). Infolge des Längenwachstums setzt sich die Augenblase vom Diencephalon ab und bildet dabei den Augenblasenstiel aus.

Nach dem Kontakt mit dem Augenbecher verdickt sich das Oberflächenektoderm und formt die Linsenplakode, welche sich dann ebenso wie das ihr unterliegende Neuroektoderm einschnürt (HUNT 1961). Das Gebiet des Ektoderm muß dabei zunächst eine „Kompetenz zur Linsenbildung“ erlangen. Dies wird durch induktive Signale aus vorderen Arealen der Neuralplatte erreicht (GRAINGER et al. 1988 u. 1992). Die Ablösung des Linsenbläschens aus dem Ektoderm stellt den ersten Schritt der Ausdifferenzierung der Kompartimente der vorderen Augenkammer dar (Abb. 2.2). Die primitive Linse stellt den embryonalen Linsenkern dar. Zum Zeitpunkt der Geburt besteht die Linse nahezu vollständig aus dem Nukleus mit lediglich minimalen Kortexanteilen (COULOMBRE 1969). Das Linsenkortex wird von den kuboiden Zellen des vorderen Linsenepithels gebildet, welche ihre Mitoseaktivität zeitlebens beibehalten.

Aus der Augenblase formt sich somit der doppelwandige Augenbecher. Der Einschnürungsprozeß schreitet von unten nach oben fort, so daß sich die Seiten des Augenbechers und des Augenbecherstiels am unteren Rand treffen und hier Becherspalte und Stielrinne entstehen lassen. Beide zusammen bilden die fetale Augenspalte (STRONG 1962).

Abb. 2.2 Schematische Darstellung der Entwicklung des Auges beim Säuger (SCHNORR 1989)

Vom Tag 25 an beginnt sich die A. hyaloidea aus mesenchymalem Gewebe, welches den Augenbecher umgibt und in ihn hineinwächst, innerhalb der fetalen Augenspalte auszuformen. Diese Arterie verläuft vom Augenbecherstiel bis zur fetalen Linse. Später bleibt sie lediglich im proximalen Teil als A. centralis retinae erhalten. Für die Entwicklung der Gefäßversorgung stellt die A. hyaloidea die primitive Leitschiene dar. Im Bereich des hinteren Linsenpols zweigt sich diese auf, umgibt das Linsenbläschen und anastomosiert im vorderen Kapselbereich mit dem Gefäßnetz der Pupillarmembran (SCHAEPDRIJVER et al.

1989). Die Pupillarmembran stellt eine dünne, aus Gefäßen und mesenchymalen Zellen bestehende Membran dar, welche den vorderen Teil der Linse überdeckt. Das aus A.

hyaloidea und Pupillarmembran entstehende Netzwerk wird als Tunica vasculosa lentis bezeichnet (MUTLU und LEIPOLD 1962). Es dient sowohl der Linse als auch den übrigen Strukturen der vorderen Augenkammer während des fetalen Wachstums zur Ernährung. Ein Netzwerk im Ursprungsbereich des Ziliarkörpers (Höhe des Linsenäquators) dient dem venösen Abfluß. Eine eigenständige Hyaloidvene existiert nicht (SCHAEPDRIJVER et al.

1989). Die Tunica vasculosa lentis und die Hyaloidarterie erreichen beim Hund am 45.

Trächtigkeitstag ihre maximale Ausprägung. Mit Beginn der Kammerwasserproduktion durch den Ziliarkörper geraten die vaskulären Versorgungseinrichtungen in Regression (JACK 1972). Pupillarmembran, Tunica vasculosa lentis und die A. hyaloidea sind, bis auf rudimentäre Reste (Mittendorfpunkt an hinterer Linsenkapsel, Bergmeisterpapille im Bereich des Sehnervs) für gewöhnlich 14 Tage nach der Geburt vollständig atrophiert (SMELSER und OZANICS 1971). Ein Abbau von Ästen der A. hyaloidea durch Makrophagen vor ihrer Atrophie konnte nachgewiesen werden (JACK 1972).

Der Schluß der fetalen Augenspalte verläuft von der Becherspalte ausgehend über die Stielrinne und läßt so ein doppelwandiges Rohr entstehen, welches den fetalen Vorläufer des Sehnervs darstellt. Fehlerhafte Verschlüsse führen zu in der Regel inferior lokalisierten Defekten (Kolobomen) der Iris, der Choroidea oder des Sehnervs (COOK 1995). Der Schluß der fetalen Augenspalte führt zum Verschluß des fetalen Augenbechers. Folglich kann zu diesem Zeitpunkt erstmals ein intraokulärer Druck aufgebaut werden.

Die Ausdifferenzierung von Kornea und vorderer Augenkammer geschehen gemeinsam.

Nach Anlegen des Augenbläschens an das Oberflächenektoderm am Tag 25 wächst mesenchymales Gewebe zwischen Ektoderm und Linsenanlage ein. Das vordere mit dem Ektoderm verbundene Mesenchym wird zur Substantia propria der Kornea, die hintere dünne Schicht bildet die Pupillarmembran aus. Das Oberflächenektoderm beginnt nun ein aus

Kollagenfibrillen und Glycosaminoglykanen bestehendes, azelluläres Material abzusondern (HAY 1980). Die Hyaluronsäure ist dabei für das Wasserbindungsvermögen der Grundsubstanz von entscheidender Bedeutung und schafft somit Platz für weiteres Zellwachstum (ANDERSON 1981). Das zunächst unorganisiert eingewachsene Gewebe stellt den Ursprung des Hornhautendothels sowie Stromas, der Ziliarmuskeln und weiterer Bestandteile des iridokornealen Winkels dar (ALLEN et al. 1955). Das anteriore Irisstroma entwickelt sich ebenfalls aus vorderen Anteilen des mesenchymalen Gewebes, das Irisepithel hingegen geht aus neuroektodermalen Bestandteilen des Augenbechers hervor (JOHNSTON et al. 1979; SMELSER und OZANICS 1955). Die zarten Sphinkter- und Dilatatormuskeln der Linse gehen ebenfalls aus Neuroektoderm hervor. Sie sind damit bei Säugetieren die einzige Muskulatur diesen Ursprungs (YAMASHITA und SOHAL 1986, 1987; NAKANO und NAKAMURA 1985).

Die embryonale Ausdifferenzierung des iridokornealen Winkels (Angulus iridocornealis) läßt sich in drei Phasen unterteilen (REME et al. 1983; URNER und AEBERHARD 1983):

1. Die oben beschriebene Aufteilung mesenchymalen Gewebes in korneosklerale und iridociliare Regionen geht mit der Auffaltung des Neuroektoderms in Ziliarfortsätze mit Ausdifferenzierung der Ziliarmuskeln einher.

2. Das einsetzende Längenwachstum kornealer Trabekel führt mit einer Regression des Hornhautepithels im Bereich des Kammerwinkels zur Bildung eines trabekulären Maschenwerkes.

3. Postnatal öffnen Zellapoptosen sowie die Phagozytose von Zellen die Spalten innerhalb des Netzwerkes und ermöglichen somit den Abfluß von Kammerwasser. Bei Hunde- und Katzenwelpen konnten vor Öffnung der Augen im Alter von 14 Tagen Umbauprozesse der Trabekel beobachtet werden. Eine zunehmende Verdünnung der Trabekel wurde bis zu 8 Wochen nach der Geburt beobachtet (MARTIN 1974;

SAMUELSON und GELATT 1984; WILLIAMS 1993).

Die Entwicklung des Glaskörpers vollzieht sich über Zwischenstufen. Zwischen Linsenanlage und innerer Lage des Augenbechers bildet sich der primäre Glaskörper aus (HILFER 1983).

Dieser beinhaltet neben dem primären Gefäßsystem der A. hyaloidea mesenchymale Zellen, Kollagenfibrillen sowie Makrophagen. In der Entwicklung des sekundären Glaskörpers produzieren die Zellen Kollagenfibrillen, die zu einer Volumenzunahme führen. Der tertiäre Glaskörper zeichnet sich durch eine massive Anhäufung kollagener Fasern zwischen dem

Linsenäquator und Augenbecher aus (COOK et al. 1993). Die Einlagerung des Humor corporis vitrei führt zur Formgebung des Augapfels. Die A. hyaloidea obliteriert bis zur Geburt.

Die Netzhaut entwickelt sich aus dem Neuroektoderm des Augenbechers. Die lichtempfindliche Pars optica retinae und die lichtunempfindliche Pars caeca retinae teilen sich in der fetalen Entwicklung in einem Größenverhältnis von 4:1 auf (BISTNER et al.

1973). Im Bereich der Pars caeca retinae bleiben beide Blätter des Augenbechers einschichtig und verwachsen miteinander. Sie bedecken als Pars ciliaris retinae den Ziliarkörper und als Pars iridica retinae die Rückseite der Iris (MARTIN 1890). Im Bereich der Pars optica retinae differenziert sich das äußere pigmentierte Blatt des Augenbechers zum Stratum pigmentosum, das innere Blatt wird zum Stratum nervosum. Zum Zeitpunkt der Linsenplakodeninduktion besteht die Netzhautanlage aus einer äußeren Zone (Kernzone) und einer inneren Zone.

Zellteilungen erfolgen in der Kernzone, eine Zellmigration erfolgt in Richtung der Randzonen (AGUIRRE 1972). Dieser Prozess formt eine innere und eine äußere Neuroblastenschicht. In der inneren Schicht entstehen Ganglienzellen, deren Axone auswachsen und den Sehnerv bilden (SPIRA und HOLLENBERG 1973). Eine Gliazellschicht, die sich ursprünglich um die A. hyaloidea formte, migriert in den Sehnerv, bildet zunächst den primären Discus nervi optici und formt später zusammen mit Zellen aus dem Epithel des Augenbecherstieles die Glia des Nervus opticus. Die Myelinisierung des Sehnervs hat ihren Ursprung im Chiasma opticum und schreitet von hier Richtung Auge fort (AGUIRRE et al. 1972).

Die Augenlider entwickeln sich aus dem Oberflächenektoderm welches als Vorläufer von Epidermis, Zilien, Drüsen sowie Konjunktivalepithel angesehen wird. Zwei halbringförmige Wülste überwachsen dabei die Kornea und verkleben in der Lidnaht miteinander (beim Hund ca. Tag 32), ihre Öffnung erfolgt beim Fleischfresser zwischen 8 und 14 Tagen nach der Geburt.