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Elektronische Eigenschaften

2.1 Theorie der Kohlenstoffnanoröhren

2.1.2 Elektronische Eigenschaften

Eine erste Näherung für die elektronische Struktur von Kohlenstoffnanoröhren kann erhalten werden, indem die elektronische Struktur einer atomaren Lage Graphit zu-grunde gelegt wird [Jorio11]. Es werden daher kurz die wesentlichen elektronischen Eigenschaften von Graphen dargestellt, um anschließend davon ausgehend Folgerun-gen für die elektronische Struktur von Kohlenstoffnanoröhren ableiten zu können.

Elektronische Eigenschaften von Graphen

In Graphen hat jedes Kohlenstoffatom drei nächste Nachbarn. Dieser Stuktur ent-sprechend werden die Bindungsverhältnisse in Graphen wiedergegeben durch die sp2-Konfiguration, bei der drei kovalente Bindungen ausgebildet werden, die plan in der Graphen-Ebene liegen. Daher wird die sp2-Konfiguration als „trigonal-planar“

KAPITEL 2. THEORETISCHER HINTERGRUND

bezeichnet [Mortimer03].

Bei der Hybridisierung überlagern sich die Valenzelektron-Wellenfunktionen. Durch die Überlappung dreier Hybridorbitale kommen die σ-Orbitale aus Überlagerung der 2s-, 2px- und 2py-Orbitale zustande. Da jedes Kohlenstoffatom drei Nachbar-Kohlenstoffatome in der Graphen-Wabenstruktur hat, ist es umgeben von drei in der Ebene liegenden σ-Orbitalen.

Abbildung 2.2: π- und σ-Orbitale der Kohlenstoffatome in einer Graphenschicht. Die σ-Bindungen liegen in der Ebene, während dieπ-Orbitale senkrecht zu der durch die Gra-phenebene definierten Bezugsebene stehen. Entnommen aus [Jorio11].

Da diepz-Wellenfunktionen senkrecht zur Graphenebene stehen, während dies-, px- undpy-Wellenfunktionen in der Graphenebene liegen, ist der Überlapp zwischen den pz-Wellenfunktionen und den anderen Wellenfunktionen null. Daher kann man die pz-Elektronen als unabhängig von den anderen Elektronen betrachten. Die pz -Orbitale der Atome ergeben ein bindendes Molekülorbital π und ein antibindendes Molekülorbital π [Reich04]. Diese π-Orbitale sind antisymmetrisch und haben eine Knotenebene, die durch die Atomkerne verläuft und daher mit der Graphenebe-ne zusammen fällt [Mortimer03]. Die Ladungsdichten der π- und π-Orbitale sind in zwei Bereichen ober- und unterhalb der Knotenebene lokalisiert. Das π-Orbital bewirkt einen Zusammenhalt der Atome und ist energetisch tiefer liegend als das einer Bindung entgegenwirkende π-Orbital. Für die Brillouin-Zone ergibt sich, das

„tight binding“-Modell zugrunde legend, eine elektronische Bandstruktur, wie sie in Abbildung 2.3 zu sehen ist.

Das weiter oben verlaufende antibindende π-Band ist zunächst leer, da das bindende π-Band unterhalb durch die beidenπ-Elektronen der Einheitszelle mit un-terschiedlichem Spin besetzt wird. Am K-Punkt, durch den das Fermi-Niveau läuft, sind das untereπ- und das obereπ-Band entartet (vgl. Abbildung 2.3). Dasπ-Band stellt das Valenzband dar, während ins π-Band angeregte Elektronen zur Leitung beitragen. Die planaren σ-Orbitale sind zu weit vom Fermi-Niveau entfernt, um einen starken Einfluss auf die elektronischen Eigenschaften des Graphens zu haben.

Diese Energieband-Struktur für ein Kohlenstoffhexagon aus der Graphen-Wabenstruktur zeigt Abbildung 2.4.

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2.1. THEORIE DER KOHLENSTOFFNANORÖHREN

Abbildung 2.3: Bandstruktur von Graphen. Entnommen aus [Reich04].

Abbildung 2.4: Dreidimensionale Darstellung der Bandstruktur einer reziproken Graphen-Einheitszelle. Entnommen aus [Goss11].

Übertragung der Grapheneigenschaften auf Kohlenstoffnanoröhren Ein oft verwendeter Ansatz zur Übertragung der elektronischen Eigenschaften von Graphen auf Kohlenstoffnanoröhren ist die Zonenfaltungsnäherung (englisch zone folding approximation). Mit dieser Näherung wird die Bandstruktur von Kohlen-stoffnanoröhren hergeleitet, indem die elektronischen Zustände des Graphens entlang der Achse der Kohlenstoffnanoröhre geschnitten werden [Reich04]. Diese Näherung beschreibt die elektronischen Eigenschaften von Kohlenstoffnanoröhren mit einem Durchmesser von ≥ 1.5nm sehr gut. Kohlenstoffnanoröhren mit kleinerem Durch-messer werden nicht mehr gut durch die Zonenfaltungsnäherung beschrieben, da dort die von der Zonenfaltungsnäherung vernachlässigten Krümmungseffekte

domi-KAPITEL 2. THEORETISCHER HINTERGRUND

nieren [Reich04].

Betrachtet man das Aufrollen der einatomlagigen Graphenschicht zu einer Kohlen-stoffnanoröhre, so unterliegt der Wellenvektor in Richtung des Umfangsvektors C~h

periodischen Randbedingungen, die durch den Umfangsvektor vorgegeben werden.

Daher ist der Wellenvektor in Richtung des Umfangsvektors quantisiert. Der Wel-lenvektor, der mit dem TranslationsvektorT~ entlang der Achse der Kohlenstoffnano-röhre assoziiert wird, bleibt, eine unendlich lange KohlenstoffnanoKohlenstoffnano-röhre vorrausge-setzt, kontinuierlich [Reich04].

Werden die erlaubten Wellenvektoren einer Kohlenstoffnanoröhre in die Brillou-inzone des Graphen eingezeichnet, entsteht eine Serie von parallelen Linien (siehe Abbildung 2.7). Die Anzahl und die Orientierung dieser Linien hängt von den chi-ralen Indizes (n, m)ab [Jorio11].

Durch Faltung der Energiedispersionsrelationen von zweidimensionalem Graphen ergeben sich n Paare von Energiedispersionsrelationen. Die n Paare von Energie-dispersionsrelationskurven korrespondieren zu den Querschnitten der zweidimen-sionalen Energiedispersionsrelationsoberfläche, wobei die Schnitte auf den Linien (vgl. Abbildung 2.5) gemacht wurden [Jorio11]. Wenn für eine Kohlenstoffnanoröhre mit bestimmtem (n, m) eine Schnittlinie durch den K-Punkt der zweidimensiona-len Brillouinzone führt, wo die π- und π- Engergiebänder des zweidimensionalen Graphens aus Symmetriegründen entartet sind, dann haben die eindimensionalen Energiebänder der Kohlenstoffnanoröhre keine Bandlücke: die Kohlenstoffnanoröhre verhält sich metallisch [Odom00]. Falls der Schnitt nicht durch den K-Punkt der Kohlenstoffnanoröhre erfolgen sollte, zeigt die entsprechende Kohlenstoffnanoröhre halbleitendes Verhalten und eine endliche Bandlücke zwischen Valenz- und Leitungs-band.

Abbildung 2.5 zeigt die zweidimensionale Dispersionsrelation um den K-Punkt (Dirac-Kegel) des Graphen. Die den Doppelkegel schneidenden Linien sind die Di-spersionsrelationen für eine Kohlenstoffnanoröhre. Jede Linie, die den Dirac-Kegel schneidet, verursacht ein weiteres eindimensionales Sub-Band in der Bandstruktur der Kohlenstoffnanoröhre. Am globalen Extremum jeder Kurve mit den für Koh-lenstoffnanoröhren erlaubten EnergieeigenwertenEi zum Wellenvektorki treten van Hove-Singularitäten auf [Samsonidze03]. Dies sind Punkte mit besonders hohen Zu-standsdichten (siehe Abbildung 2.5). Die van Hove-Singularitäten werden durch die Gleichung

2.1. THEORIE DER KOHLENSTOFFNANORÖHREN

Abbildung 2.5: Zustandekommen der Van Hove Singularitäten. Der Abstand zwischen den Schnittlinien hängt vom Durchmesser der Kohlenstoffnanoröhren ab; es ergibt sich eine

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d-Abhängigkeit für die Abstände zwischen den van Hove-Singularitäten. Entnommen aus [Jorio11].

Obwohl sämtliche Krümmungseffekte und Effekte der Zylindergeometrie auf die Bandstruktur vernachlässigt werden, kann man mit dem Modell der Zonenfaltungs-näherung die Existenz von metallischen und halbleitenden Kohlenstoffnanoröhren erklären. Zuerst gelang durch [Hamada92] und [Saito92] die Herleitung der folgen-den Bedingungen für die Chiralität von metallischen und halbleitenfolgen-den Kohlenstoff-nanoröhren:

ν =





−1, halbleitend Typ 1 0, (halb)metallisch 1, halbleitend Typ 2

mit ν = (n−m)mod3 (2.4)

Der Unterschied zwischen halbleitenden Kohlenstoffnanoröhren des Typs 1 und des Typs 2 besteht darin, auf welcher Seite des K-Punktes die erlaubte Schnittlinie durch die Brillouin-Zone geht und somit ob die van Hove-Singularität über- oder unterhalb des Fermi-Niveaus liegt [Jorio11]. Da die unterschiedlichen Chiralitäten mit gleicher Wahrscheinlichkeit vorkommen, sollten sich in einer großen Menge Kohlenstoffnano-röhren 1/3 metallische und 2/3 halbleitende KohlenstoffnanoKohlenstoffnano-röhren befinden.

Die Abstände der van Hove-Singularitäten sind proportional zu 1/d. Daher müssen auch die Energien für optische Übergänge von den van Hove-Singularitäten im Va-lenzband zu denen im Leitungsband - und umgekehrt - durchmesserabhängig sein.

Aus diesem Grund sind optische Experimente geeignet zur Strukturaufklärung von Kohlenstoffnanoröhren.

Berechnungen für die optischen Übergangsenergien Eii bei metallischen und beiden Arten von halbleitenden Kohlenstoffnanoröhren ergeben unterschiedliche Werte, ab-hängig von der Chiralität (n, m) der jeweiligen Kohlenstoffnanoröhre.

Diese Berechnungen für Übergangsenergien werden durch sogenannte Kataura-Dia-gramme dargestellt (Abbildung 2.7) [Loiseau06]. Kataura-DiaKataura-Dia-gramme sind hilfreiche

KAPITEL 2. THEORETISCHER HINTERGRUND

Anhaltspunkte für die Interpretation von Messdaten aus optischen Experimenten an Kohlenstoffnanoröhren.

Abbildung 2.6: Kataura-Diagramm. Die nach dem „tight binding“-Modell berechneten optischen Übergänge sind charakteristisch für eine Kohlenstoffnanoröhre mit gegebenem (n, m). Entnommen aus [Dresselhaus04].

Eine Kohlenstoffnanoröhre verhält sich in der Praxis wie ein Molekül mit klar definierten Energiebändern an jeder van Hove-Singularität [Jorio11]. Die optischen Absorptions- und Emissionsraten sind hauptsächlich an die van Hove Singularitäten gebunden [Dresselhaus04], wodurch die Analyse optischer Experimente an Kohlen-stoffnanoröhren erheblich vereinfacht wird, denn die den van Hove-Singularitäten zugeordneten Übergänge schränken die Anzahl der zu beachtenden Übergänge ein.

Die Zonenfaltungsnäherung sagt die elektronischen Eigenschaften für Energien in der Nähe der Fermi-Kante bei Kohlenstoffnanoröhren mit einem Durchmesser von mindestens d = 1,5nm zuverlässig voraus. Sie kann die Existenz metallischer und halbleitender CNTs erklären. Sämtliche Krümmungseffekte und die Effekte der Zy-lindergeometrie auf die Bandstruktur werden jedoch vernachlässigt. Wegen der Ver-nachlässigung der Krümmungseffekte funktioniert der Ansatz nur für Kohlenstoff-nanoröhren mit relativ großem Durchmesser, denn bei KohlenstoffKohlenstoff-nanoröhren mit sehr kleinem Durchmesser werden Krümmungseffekte sehr wichtig. Bei Kohlenstoff-nanoröhren mit Durchmessern zwischen0,5nm und1,5nm werden die Energien des Leitungsbandes überschätzt. Nur bei sehr kleinen Kohlenstoffnanoröhren mit Durch-messern kleiner als d= 0,5nm versagt der „zone-folding“-Ansatz völlig [Reich04].

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