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Einordnung der berechneten Lohneinbußen in das dynamische

Im Dokument Peter Lang (Seite 197-200)

Da von den beiden vorgestellten theoretischen Ansätzen nur das Ott-Modell Humankapitaleffekte von Zeitverwendungsentscheidungen modelliert, können sich die folgenden Ausführungen auch nur auf dieses Modell beziehen. Die Aus-sage des Modells lautet: Einseitige, antizipierte Spezialisierungsrisiken auf Haushalt und Kinder erhöhen das weibliche Erwerbsarbeitsangebot und senken zugleich die Geburtenbereitschaft. Damit erklärt das Modell – oberflächlich be-trachtet – die bekannten Folgewirkungen der in Abschnitt 4 berechneten Lohnver-luste: Eine hohe Müttererwerbstätigkeit und eine rückläufige Geburtenneigung.

Bei genauerem Hinsehen sind jedoch einige zusätzliche Annahmen erforderlich,

283 Streng genommen wird lediglich die Entscheidung gegen ein Kind gefällt. Das Geburtsereignis selbst ergibt sich erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren außerhalb der persönlichen Kontrollsphäre.

um die in Abschnitt 4 gefundenen Ergebnisse in den Modellzusammenhang einpassen zu können.

Die wichtigste vorzunehmende Modifikation betrifft das Zustandekommen des Spezialisierungsrisikos. Das Spezialisierungsrisiko wird als Nutzenverlust der Frau zwischen den Perioden 1 und 2 gefasst. Dieser Nutzenverlust entsteht im Ott-Modell dadurch, dass ein geschrumpfter Kapitalstock geringere Erträge (Lohneinkommen) abwirft, denn annahmegemäß ist der Single-Nutzen eine Funktion von Preisen und Single-Einkommen. Der Nutzenverlust basiert demnach auf einem ausschließlich intrapersonellen Einkommensvergleich zu verschiedenen Zeitpunkten. Dies würde bedeuten, dass sich im Fall eines zügigen Einkommens-aufholprozesses nach erfolgtem Wiedereinstieg der Spezialisierungsnachteil auf den relativ kurzen Zeitraum der Unterbrechung selbst zuzüglich weniger Jahre beschränkte. Akademikerinnen hätten diesen Verlust – gemäß der Ergebnisse aus Abschnitt 4 – schneller ausgeglichen als niedriger gebildete Gruppen (da sie unter den vergleichsweise niedrigsten Entwertungsraten von Humankapital zu leiden haben) und dieser Logik folgend die höchste Spezialisierungs- und Geburtenbereit-schaft. Dies widerspricht den empirischen Befunden. Darüber hinaus ist gegen die Ottsche Konzeption des Single-Nutzens der theoretische Einwand zu erheben, dass eine auf den Entwertungseffekt beschränkte Verlustkonzeption die Opportuni-tätskosten von Kindern nur unzureichend erfasst: Die Verzichtskosten aus kind-bedingter Erwerbsunterbrechung bestehen nicht nur intrapersonell, sondern zu-sätzlich interpersonell – sie umfassen den gesamten, mit der Entscheidung für die Alternative „Geburt“ verbundenen Einkommensverlust. Es erscheint also angebracht, das in Abbildung 24 mit dem vertikalen Abstand zwischen und

veranschaulichte Spezialisierungsrisiko als Nutzenverlust aus jenem Einkom-mensverlust zu verstehen, wie er in Abschnitt 4 dieser Untersuchung konzipiert wurde.284 Dies würde es auch ermöglichen, einen Nutzenverlust trotz individuell gestiegenen Einkommens modellimmanent abzubilden.285

Die verminderte Konfliktauszahlung in der Folgeperiode beeinträchtigt – wie weiter oben beschrieben – nicht nur das außerhalb der Ehe erzielbare Individual-nutzenniveau, sondern bereits in der laufenden Periode die Verhandlungsposition der Frau innerhalb der Ehe. Demgegenüber bleibt im Ott-Modell die männliche Konfliktauszahlung unverändert, sodass sich eine asymmetrische Verteilung der Einkommenspotenziale innerhalb der Ehe ergibt, die die höhere Verhandlungs-macht des männlichen Partners bei der Güterverteilung begründet. Dem ist

284 Noch einmal soll betont werden, dass diese Verlustkonzeption voraussetzt, dass das Einkommen der Referenzfrau für die Mutter auch tatsächlich erreichbar wäre, d. h. diese sich nicht in wesentli-chen lohnrelevanten Merkmalen von der Referenzfrau unterscheidet.

285 Formal gesehen, wäre in die Single-Nutzenfunktion ein Argument aufzunehmen, das die Ein-kommensdifferenz der Unterbrechungs- zur Referenzfrau umfasst.

gegen zu halten, dass der Mann – so er sich auf Erwerbsarbeit spezialisiert – von einer stetigen Erweiterung seines Einkommenserzielungs-Potenzials profitiert, sodass er über seine gesamte Erwerbsspanne einen Humankapital- und Einkom-mensvorsprung gegenüber seiner auf Hausarbeit spezialisierten Partnerin erfährt, selbst wenn diese ihr Ausstiegseinkommen vor der Geburt in späteren Jahren wieder erreicht bzw. sogar überschreitet.286 Die asymmetrische Verteilung der Einkommenspotenziale und deren Ausfluss – die relativ höhere Verhandlungs-macht des Mannes – bleibt also vom Grundsatz her auch unter der modifizierten Fassung des weiblichen Spezialisierungsrisikos bestehen.287

Das Ott-Modell hat einen Zeithorizont von zwei Perioden: Einer Phase 1 mit hohen Effizienzgewinnen der Haushaltsproduktion (kleinen Kindern) und eine Phase mit niedrigen Effizienzgewinnen im Haushaltsbereich, aber hohen Erträ-gen aus vormals getätigten (männlichen) Humankapitalinvestitionen am Markt.

In Phase 1 tritt die Frau mittels Spezialisierung auf Hausarbeit in Vorleistung und erhofft die Rückzahlung des Mannes in Phase 2. Demnach ist Phase 2 als derjenige Zeitraum zu interpretieren, in dem die Stabilitätsrisiken des Vertrages virulent werden. Streng genommen ist dies dann der Fall, wenn die Frau zur erneuten Erbringung einer Vorschussleistung nicht mehr in der Lage ist, weil sie das zeitliche Gebärfenster bereits verlassen hat. Dies ist in der Regel mit 45

286 Um etwaige Veränderungen der Asymmetrie abzubilden, schlägt Ott einen Symmetrie-Indikator vor; vgl. Ott (1995), S. 93-94.

287 Allerdings wird der Einfluss des Einkommenspotenzials auf die innereheliche Verhandlungs-macht ohnehin in vielen Studien bezweifelt. Denn bei einem Anstieg der beruflichen Eingebun-denheit der Frau nimmt – der Modell-Logik folgend – deren Verhandlungsmacht in der Ehe zu und müsste eine Neuallokation der Zeitverwendungen der Partner herbeiführen. Im Wider-spruch dazu steht die durch Zeitbudgetstudien untermauerte Beobachtung, dass auch in Partner-schaften, in denen Frauen über ein hohes marktnahes Humankapital verfügen und hohe Er-werbseinkommen erzielen, Frauen den überwiegenden Teil der Hausarbeit verrichten. So kann Beblo (1999) mit Daten des Sozio-ökonomischen Panels 1985-1994 anhand eines Samples ver-heirateter Paare (beide Partner berufstätig) zeigen, dass der Anteil des Mannes an der täglich zu verrichtenden Hausarbeit mit stets etwa 20 Prozent (und an der täglich zu verrichtenden Kinder-betreuung mit stets etwa 30 Prozent) unabhängig von der beruflichen Eingebundenheit der Ehe-frau ist: Weitet die Frau ihre Erwerbsarbeit aus, geht dies allein zu Lasten ihrer Freizeit (vgl.

Beblo (1999), S. 473-489). Auch Lauk und Meyer, die die empirische Relevanz verschiedener Zeitallokationsmodelle untersuchen, finden, dass die von den Partnern geleistete Hausarbeitszeit relativ unabhängig von der aktuellen individuellen Lebenssituation wie beispielsweise dem Er-werbsstatus ist (vgl. Lauk/Meyer (2004). Akerlof und Kranton tragen diesem Umstand Rechnung, indem sie die Nutzenfunktion des Bargaining-Modells um die Variable „Identität“ ergänzen: Die die (Rollen-) Identität von Ehemann und Ehefrau bedrohende Frauenerwerbstätigkeit und damit verbundene Nutzeneinbußen werden durch zusätzliches rollenkonformes Engagement der Ehe-frau im Haushalt kompensiert (vgl. Akerlof/Kranton (2000).

Jahren der Fall. Zugleich sind die im 46. Lebensjahr noch nicht aufgeholten Lohneinbußen als in großen Teilen irreversibel anzusehen.

Dies spricht dafür, die im 46. Lebensjahr verbleibenden Bruttostundenlohn-verluste als Spezialisierungsrisiko im engeren Sinne zu instrumentalisieren. Et-was umfassender betrachtet, könnte auch die gesamte nachgeburtliche Erwerbs-phase, zumindest aber die Zeit nach Rückkehr zur Vollzeittätigkeit, als „speziali-sierungskritisch“ verstanden werden, wenn man bedenkt, dass die Mutter mit ihrer erneuten Erwerbsaufnahme ein Signal für die Substituierbarkeit ihrer Betreuungsleistung setzt. Während die (Brutto-) Lohneinbußen der Frau in der Auszeitphase (und ggf. auch in der Teilzeitphase) von staatlichen Einkommens-ersatzleistungen wie dem Elterngeld und darüber hinaus vom Einkommen des Haushaltspartners aufgefangen werden, da die Kinder zu diesem Zeitpunkt noch klein und der ökonomische Anreiz zur Aufrechterhaltung des Ehevertrages mithin groß ist, markiert das Erreichen des Kindergarten-, spätestens aber des Grundschul-alters des Kindes eine „Risikowende“: Nun kann die Familiengründungs- und da-mit Vorleistungsphase der Frau als abgeschlossen gelten; etwaige Einkommens-ausfälle gehen nun mit höherer Wahrscheinlichkeit zu ihren persönlichen Lasten.

Es beginnt die weiter oben angesprochene Rückzahlungsphase des Mannes, denn die Frau hat sich nun auf dem Arbeitsmarkt mit den nachteiligen Konsequenzen ihrer vormaligen Spezialisierungsentscheidung auseinanderzusetzen. Da sie wie-der Vollzeit arbeitet, ist ihr persönlicher Einfluss auf die Höhe dieser Verluste ausgereizt: Die in Abschnitt 4 berechneten Folgekosten können daher als Spezia-lisierungsrisiko im weiteren Sinne verstanden werden.288

5.3 Implikationen des Bargaining-Modells hinsichtlich des

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