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Wir leben in Österreich in einer pluralistischen Gesellschaft. Die Mehrheit der Bevölkerung ist in ihrem Alltag mit einer immer größer werdenden Zahl von Menschen unterschiedlicher Herkunft und religiösem Glauben konfrontiert. Eine dieser Gruppierungen sind Moslems und daher setze ich mich in meiner Arbeit mit dem Islam in Österreich auseinander. Galten bis vor wenigen Jahrzehnten Muslime in unseren Breiten noch als „fremdartig“ oder „exotisch“, so hat sich dieses Bild stark gewandelt. In ganz Europa sind Menschen mit islamischen Glauben zur Alltäglichkeit geworden. Sei es am Arbeitsplatz, an der Universität, in der Schule, in der Nachbarschaft, beim Einkaufen, beim Flanieren auf der Straße oder im Kaffeehaus – überall werden Moslems angetroffen. Die ganz Kleinen gehen zusammen in den Kindergarten und es entstehen Liebschaften über kulturelle Grenzen hinweg. Es sind Lebenssituationen entstanden, welche für den Einzelnen vielleicht neu und schwer zu begreifen sind. Ich werde in meiner Masterarbeit die Wahrnehmung des Islam in Österreich aus Sicht von Moslems und Nichtmoslems beleuchten.

1.1 Fragestellung

Menschen aus anderen Kulturkreisen und anderer Religion prägen vermehrt das Gesellschaftsbild unserer Zeit. Sei es aufgrund von Flucht, auf der Suche nach einem Arbeitsplatz, um sich weiterzubilden (Studenten), Familienzusammenführungen, Konvertierung oder wenn man hier geboren wird (Kinder von Einwanderern) – es gibt die verschiedensten Gründe für die wachsende Zahl an Muslime in Österreich. Mittlerweile sind es rund 574.000, was in etwa einem Bevölkerungsanteil von sieben Prozent entspricht.1 Dadurch ergeben sich ganz neue Situationen im Zusammenleben. Wenn zwei verschiedene Kulturen und Religionen aufeinander treffen, kann dies aufgrund der teilweise unterschiedlichen Werteansichten, Glaubensvorstellungen, Sitten und Normen zu Konfliktpotenzial führen.

1Vgl. Institut für islamische Studien der Uni Wien 2014, Muslimische Alltagspraxis in Österreich

6 Wie sieht man in Österreich den Islam und Muslime? Gibt es eventuell Vorurteile und Stereotype beiderseits dem „Anderen“ gegenüber? Wie ergeht es Moslems in Österreich?

Kommt es im Alltag zu Konflikten zwischen den Parteien? Wie funktioniert das Zusammenleben aus beiderseitiger Sicht? Gibt es eine differenzierte Wahrnehmung bei Stadt- und Landbevölkerung? Kann gegenseitiger Kontakt - in den vielfältigsten Arten, Formen und Ausprägungen – dabei helfen, das Gegenüber besser zu verstehen, und so mögliche Vorurteile abzubauen? Diese und weitere Fragen des Miteinanders möchte ich im Zuge meiner Masterarbeit mit Hilfe von qualitativen Interviews versuchen zu beantworten.

1.2 Motivation und Forschungshypothese

Als ich im Jahre 2007 im Alter von 20 Jahren nach Graz zog, wusste ich so gut wie nichts über den Islam. Mein Bild von Moslems war damals aber negativ besetzt, was zum größten Teil an meiner Erziehung lag. Aufgewachsen in Frohnleiten, einer Stadt mit rund 5.900 Einwohnern (Stand Jan.2014) im Norden des Bezirks Graz-Umgebung, hatte ich nie persönlich Kontakt zu Menschen anderer Glaubensrichtungen. Das einzige das ich mitbekommen habe, waren die Aussagen meiner Eltern. Diese waren gespickt von Urteilen gegenüber Ausländern im Allgemeinen und Muslimen im Speziellen. “Die sind faul! Die wollen nichts arbeiten! Die nutzen nur unser Sozialsystem aus! Warum gehen die nicht zurück in ihre Heimatländer?“ – solche und ähnliche Sätze bekam ich in meiner ganzen Jugend zu hören und diese Einstellung färbte auch auf mich ab. Während meiner Schul- und Zivildienstzeit hatte ich nie Kontakt zu Moslems und so hielt sich dieses Weltbild für lange Zeit. Im Zuge meines Studiums zog ich nach Graz und um mir meine Ausbildung zu finanzieren nahm ich einen Job bei einer Marketingfirma an. Meine Aufgabe bestand darin, die ordnungsgemäße Verteilung von Werbemittel in den Bezirken Lend und Geidorf zu kontrollieren. Mir waren zehn Personen zugeteilt, deren Vorgesetzter ich war. Alle diese zehn Menschen hatten Migrationshintergrund, und neun von ihnen ein Religionsbekenntnis zum Islam. Dies hat mit dazu beigetragen mir die Augen zu öffnen. Durch diese neue Situation, und den Kontakt zum

„Fremden“, wurde ich viel toleranter Anderen gegenüber. Ich lernte nette, symphytische und interessante Leute kennen und mir wurde bewusst, dass die Stereotype von Muslimen und Ausländern, welche mir in meiner Jugend eingeimpft wurden, nicht wahr sind.

7 Ein paar Jahre später unterhielt ich mich mit Freunden über dieses Thema und stellte fest, dass es nicht nur mir mit solchen Erfahrungen gegangen ist. Ein Kollege erzählte mir zum Beispiel, dass bei ihm die Bundesheerzeit und das dortige zusammen sein mit jungen Moslems dazu geführt haben, seine Sicht und Urteile über den Islam zu ändern. Auch er kannte davor keine Muslime und hatte dadurch ein negativ besetztes Bild vom Islam. Nun steht er anderen Kulturen und Religionen aufgeschlossener gegenüber. Ein anderer Freund machte ähnliche Erfahrungen bei seinem Umzug von Graz-Umgebung nach Graz-Gries, ein Stadtteil mit besonders hohem Migrantenanteil. Durch den Kontakt in der Nachbarschaft erkannte er, dass Moslems auch positive Eigenschaften besitzen und zum Beispiel hilfsbereit sein können. Etwas das er vorher anzweifelte.

Da ich diese Gespräche sehr interessant fand und ich mich im Laufe meines „Global Studies“-Studiums intensiver mit dem Islam beschäftigte, wuchs in mir die Idee, meine und die ähnlichen Erfahrungen meiner Kolleggen, im Zuge meiner Masterarbeit zu untersuchen.

Die zu untersuchende Forschungshypothese lautet daher:

Der Kontakt mit dem jeweils Anderen trägt dazu bei, Vorurteile und Stereotype abzubauen!

Ich werde in meinen Ausführungen Formulierungen wie: „des Anderen“ oder „das Gegenüber“ benutzen. Dabei meine ich die jeweils andere Religionszugehörigkeit (Islamisch – Nichtislamisch).

Weiters muss definiert werden, was ich unter Kontakt verstehe. Kontakt kann vielseitig sein.

Es gibt den persönlichen Kontakt, bei dem man mit dem Anderen spricht und ihn vielleicht sogar berührt, und den unpersönlichen, bei dem man das Gegenüber nur durch dessen Präsenz wahrnimmt (zum Beispiel wenn man in einen Stadtteil mit hohem Migrantenanteil zieht). Er reicht von kurzen Momenten des Zusammentreffens in der Nachbarschaft (Grüßen), über Gespräche während eines Einkaufs, vom Sehen und Gesehen werden in der Disco bis hin zu einer Liebschaft. Kontakt können Konflikte und Anfeindungen in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Plätzen oder in Lokalen sein. Es gibt Lebenssituationen durch die Menschen verschiedener Kulturen und Religionen aufeinander treffen: Arbeitsplatz, Schule,

8 Bundesheer, um nur einige Beispiele zu nennen. Kontakt besteht, wenn Nichtmuslime öfter in türkische Lokale gehen um zu speisen. Dies sind alles Situationen in den die Möglichkeit besteht den Anderen kennen zu lernen, und sei es nur durch dessen Verhaltensweisen.

Hier setzt meine Hypothese an. Durch Kontakt, die verschiedensten Arten davon, lernt man den Anderen besser kennen. Seine Verhaltensweisen, Charaktereigenschaften, Einstellungen, Ansichten, Motivationen, etc. All dies führt zum Abbau von Stereotypen, die man sich aufgebaut hat. Ich werde die Situation aus Sicht von beiden Seiten beleuchten.

Denn Vorurteile gibt es wahrscheinlich nicht nur auf Seiten von Nicht-Muslimen gegenüber Moslems, sondern auch in die entgegengesetzte Richtung.

1.3 Methodik

Da ich meine Masterarbeit in zwei Teile untergliedern möchte, werde ich auch verschiedene Methoden anwenden. Der theoretische Teil wird die Geschichte des Islam, die Demografie und die gesetzlich-geregelte Situation von Muslimen in Österreich behandeln. Hierfür wähle ich die Methode der Literaturrecherche. Dazu gibt es Bücher an der Grazer Universitätsbibliothek, aber auch gute Literatur im Internet.

Der zweite und gleichzeitig auch Hauptteil meiner Arbeit wird aus der Durchführung von qualitativen Interviews bestehen. Um meine Hypothese belegen zu können, werde ich Gespräche mit Personen „beider Seiten“ führen. Sprich, ich will Menschen ohne und Menschen mit islamischem Hintergrund in Österreich zu diesem Thema befragen. Dies ist notwendig, da ich gerne die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten und beschreiben möchte. Anfangs war es mein Plan, eine quantitative Umfrage mittels Fragebogen durchzuführen. Doch diese Idee habe ich gleich wieder verworfen, da ich es viel spannender finde mit den Menschen persönlich zu reden, und so auch etwas über meine Interviewpartner zu erfahren. Dadurch erhoffe ich mir neben der wissenschaftlichen Erkenntnis und Überprüfung meiner Hypothese, auch teilweise etwas über menschliche Schicksale (denn das Heimatland aus welchen Gründen auch immer zu verlassen ist ein

9 großer Schritt im Leben), sowie auch zur allgemeinen Lebenssituation und -welten von Moslems in Österreich zu erfahren.

Als Anzahl der zu führenden Interviews habe ich mit Prof. Neuhold abgesprochen, und wir haben uns auf 12 Befragungen geeinigt. Hierbei werde ich fünf Interviews mit Moslems und sieben (davon zwei Doppelinterviews) mit Nichtmoslems abhalten. Denn ich bin mir sicher, dass es anfangs Vorurteile auf beiden Seiten geben wird, und so ist es spannend zu erfahren, ob meine Hypothese aus Sicht beider Kulturkreise halten kann. Des Weiteren möchte ich auch den regionalen Unterschied zwischen Stadt und Land beleuchten, und werde hierzu Gespräche in Graz (Stadt) und in der restlichen Steiermark (Land), sowie mit Menschen die vom Land in die Stadt gezogen sind, führen. Dies ist notwendig, da es sicher leichter ist Kontakt im städtischen Umfeld herzustellen und somit Stereotype abzubauen. Wichtig ist mir auch für eine relative Ausgewogenheit unter den Geschlechtern zu sorgen.

Bei der Auswahl der muslimischen Interviewpartner ist zu berücksichtigen, dass alle von mir interviewten Personen über ein relativ hohes Bildungsniveau (Studium oder Ausbildung an einem Kolleg) verfügen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich meiner Meinung nach nur Menschen mit höherem Bildungsstand, und damit einer offeneren Weltansicht, dazu bereit erklären an einer entsprechenden Studie (in diesem Fall meiner Masterarbeit) teilzunehmen.

Die Kontakte zu den männlichen islamischen Gesprächspartnern wurden aus meinem Bekanntenkreis hergestellt, welche mir dann wiederrum einen weiteren Kontakt vermittelten. Die beiden interviewten muslimischen Damen wurden von mir an der Grazer KF-Universität angesprochen. Ich dachte mir, dass es schwierig werden könnte weibliche Gesprächspartnerinnen mit islamischen Hintergrund zu finden, und diese einzeln, ohne männliche Begleitperson (da dies meiner Ansicht nach das Resultat des Interviews verfälscht hätte), zu befragen. Daher ging ich in eine Lehrveranstaltung für „Türkisch-Dolmetsch“ an der KF-Uni Graz, da ich hoffte, dass Studentinnen eher bereit sein würden an meiner Studie teilzunehmen. Mein Vorhaben ging auf, und es erklärten sich netterweise zwei Damen mit islamischem Glaubenshintergrund bereit sich von mir interviewen zu lassen.

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