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In der folgenden Diplomarbeit sollen drei Werke der deutschsprachigen Literatur nach 1945 - Schwarze Spiegel, Die Wand und Die Arbeit der Nacht - analysiert und verglichen werden.

Den Romanen liegt die Annahme zugrunde, das Ende der Welt sei gekommen und jegliches menschliches Leben, bis auf einen beziehungsweise eine Überlebende(n), sei vernichtet worden. Alle drei Werke verbinden somit die Themen „Apokalypse“ und „Einsamkeit“.

Das Thema „Apokalypse“ fasziniert die Menschheit seit jeher und ist seit Aufzeichnung der Bibel auch schriftlich oft thematisiert worden. Galt der Weltuntergang einst als gottgewollt und vorherbestimmt, so änderte sich diese Meinung mit den Empirikern und Aufklärern des 18. Jahrhunderts schlagartig. Mit dem Denken, und schließlich dem Entwickeln der Atombombe im 20. Jahrhundert, erhält das Thema jedoch eine Präsenz wie selten zuvor, da mit dieser Erfindung die vom Menschen gewollte und durchführbare Apokalypse tatsächlich möglich wird. Von diesem Zeitpunkt an imaginieren viele Autoren, vor allem angelsächsischer Länder, den Weltuntergang und eine (un)mögliche Welt danach. Neben englischen und amerikanischen Schriftstellern gibt es jedoch auch einige deutschsprachige Autoren, die sich dem Thema widmen, wie etwa Arno Schmidt (Schwarze Spiegel, 1951) oder Marlen Haushofer (Die Wand, 1963). Da die beiden Autoren über ein ähnliches Thema schreiben und mit nur zwölf Jahren Abstand publizieren, macht es Sinn, sie miteinander zu vergleichen. So soll veranschaulicht werden, wie eine Welt nach dem Tod aller Menschen in einem von Kriegs- und Nachkriegsstimmung geprägtem Österreich und Deutschland in den Augen zeitgenössischer Schriftsteller ausgesehen haben könnte. Mit dem Jahrtausendwechsel war ein neuer Grund zur Unruhe und Panik in den Menschen geboren und nach Meinung der abergläubischen Mehrheit konnte die Menschheit diesen Jahreswechsel gar nicht unbeschadet überstehen. 2012 gab es bereits die nächsten Gerüchte vom Ende der Welt, weil in diesem Jahr der Kalender der Maya endete. Zu diesem Anlass entstanden Lieder, Filme und erneut eine große Anzahl an Büchern, die sich dem vermeintlichen Weltende widmeten. Die Angst vor der Apokalypse wird heutzutage regelrecht vermarktet. Mittlerweile auch schon vor neun Jahren schrieb der Autor Thomas Glavinic seinen Roman Die Arbeit der Nacht und nimmt diese Thematiken und die Ängste der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts vor dem Ende der Welt und dem Verschwinden allen Lebens in sein Werk auf. Auch wenn Glavinic erst etwa fünfzig Jahre nach Haushofer und Schmidt sein Werk verfasst, hat es einen scheinbar sehr ähnlichen Plot. Alle drei Autoren legen ihre Werke nicht wirklich in der Zukunft, sondern zu ihren Lebzeiten an und schreiben damit über einen Weltuntergang, den sich die Menschen aktuell vorstellen können und der nicht mehr fern scheint. Sie imaginieren in ihren Werken

4 eine Welt, die, bis auf einen Protagonisten, ohne Menschen auskommt und bauen ihre literarischen Räume um die eine zentrale Figur herum. Überlegungen wie diese werden auch als Gedankenexperimente bezeichnet. Auf die Begriffe Apokalypse und Gedankenexperiment soll zu Beginn der Arbeit noch kurz eingegangen werden. Es ist sicher ergiebig und spannend drei Werke deutschsprachiger Autoren, die sich auf unterschiedliche Art und Weise dem Gedankenexperiment eines letzten Überlebenden widmen, zu vergleichen, um sichtbar zu machen, wie die Schriftsteller diese Experimente sprachlich und inhaltlich realisieren. Vor allem Glavinic wird häufig nachgesagt, dass er sich in eine literarische Tradition einreiht und den Inhalt seiner Erzählung von Vorgängern, wie Marlen Haushofer, Arno Schmidt oder Herbert Rosendorfer übernommen hat. Daniela Strigl schreibt dazu etwa: „Seine Spuren hat Haushofers Text auch dort hinterlassen, wo er als Vorbild verleugnet wird: In Thomas Glavinic‘ Roman Die Arbeit der Nacht.“1 Genauer wird sich meine Analyse auf die Art des Erzählens, auf das Erzählte sowie auf die historischen Hintergründe vor denen die Autoren geschrieben haben, beziehen. Im Hauptteil meiner Arbeit sollen die Besonderheiten der drei Romane in Form von Einzelanalysen ausführlich herausgearbeitet und abschließend miteinander verglichen werden.

1.1. Vorgehensweise

Besieht man den Forschungsstand zu den genannten Romanen näher, wird sichtbar, dass sich die Literatur hauptsächlich auf die Rezeptionsvarianten der drei Romane bezieht. Zu Hauf finden sich Erläuterungen, die das Robinsonmotiv der Werke herausarbeiten. Weitere Lektürearten, die sich in der einschlägigen Forschungsliteratur finden, sind utopische und dystopische Ansätze sowie Genderlektüren. Ich möchte mich in meiner Arbeit von diesen Zuschreibungen lösen und die Romane möglichst unvoreingenommen als das lesen, was sie sind – Zeitzeugnisse letzter Menschen. Was damit konkret gemeint ist, wird sich im Laufe der Arbeit zeigen. Methodisch werde ich die Werke, vom konkreten Text ausgehend, analysieren, wobei jeder Roman einzeln hinsichtlich seiner Handlung, der Situation des letzten Menschen, der Zeichnung dieser letzten Person, der narrativen Realisierung und dem historischen Kontext beschrieben wird. Der soziohistorische Kontext, in den die Werke eingeschrieben sind, wurde bisher eher selten in die zahlreichen Betrachtungen der Werke miteinbezogen.

Dabei geht es mir aber nicht um die privaten Verhältnisse des Autors, sondern um den

1 Strigl, Daniela: Diesseits der „Wand“ – Schreckensort oder Utopie? Die fabelhafte Welt der Marlen Haushofer. In:

Kastberger, Klaus und Neumann, Kurt (Hrsg.): Grundbücher der österreichischen Literatur seit 1945. Wien: Zsolnay 2013 (2.

Lfg.), S. 207

5 Schriftsteller als einen Repräsentanten seiner Zeit, also jemanden, der aus einer bestimmten gesellschaftspolitischen Stimmung heraus einen Roman produziert.

1.2. Zielsetzung

Ziel der Arbeit ist es, die drei Werke Schwarze Spiegel, Die Wand und Die Arbeit der Nacht zu vergleichen und festzustellen wie sehr sie einander ähneln oder sich voneinander unterscheiden. Die drei Romane haben dieselbe Ausgangslage, wobei jeweils die beiden Konzepte Einsamkeit und Apokalypse miteinander verbunden werden. Genau deshalb soll in dieser Arbeit gezeigt werden, wo sich in den Romanen Gemeinsamkeiten und Unterschiede finden und woher diese rühren.

Meine Hypothese dazu lautet: Drei Romane, die mit derselben Thematik und einer sehr ähnlichen Ausgangslage spielen, müssen einander in gewissem Maße ähneln. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Ausformung, wobei der historische Kontext vor allem für die Ausgestaltung der Situation des letzten Menschen eine entscheidende Rolle spielt.

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