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Eingriffe Frankreichs ins badische Presse- und Zensurwesen:

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 193-200)

II. Öffentlichkeit in Baden: Zwischen Zensur und Pressefreiheit

20. Eingriffe Frankreichs ins badische Presse- und Zensurwesen:

Die sich häufenden Eingriffe der französischen Regierung467 in das badische Pressewesen, die man in Karlsruhe für ungerechtfertigt hielt,468 riefen dort angesichts

464 Polizeideputation Karlsruhe Nr. 309 vom 30.3.1808 bzw. GR/Polizeidepartement Nr. 2014 vom 7.4.1808, GLA 236/149.

465 Die Anstoß erregenden Schriften wurden nicht näher spezifiziert, bei den Akten befindet sich indes eine Flugschrift von 1811, die wohl damit gemeint war und eine harmlos zu nennende Schauergeschichte bzw.

Prophezeihung enthielt: In diesem Blatt findet der geneigte Leser ein ausserordentliches Phänomenon und erschröckliches Wunderzeichen. oder: neue Prophezeihung, so sich zu Libach in Liefland, in diesem jetztlaufenden Jahr, und zwar ganz neuerdings, zu jedermanns größten Entsetzen zugetragen: welches in einer Nacht entstanden, und worinnen sehr viele Wunderwerke zu sehen gewesen, so aber mit Anbruch des Tages die Stadt wieder verschwunden und zu einem lautern Nichts geworden. Aus den portugisischen und moskauischen Zeitungen ins Deutsche übersetzt. Eine Prophezeiung, die den Weltuntergang vorhersagte, falls die Menschen nicht Buße taten und den Geboten Gottes gehorchten, GLA 236/150.

466 Beschluss Innenministerium/Landeshoheitsdepartement Nr. 2233 vom 3.4.1813 mit Bezug auf eine Generalverordnung vom 16.11.1811. Das evangelische Kirchendepartement berichtete daraufhin am 23.4., dass man von selbst schon seit längerem entsprechende Vorbereitungen getroffen habe, GLA 236/150.

467 Die französische Regierung ging dabei durchaus systematisch vor, um die Presse der alliierten Rheinbundstaaten gleichzuschalten oder doch zumindest einzuschüchtern. In diesem Zusammenhang wäre etwa an den berüchtigten Fall des Buchhändlers Palm zu erinnern. Auf Betreiben Frankreichs musste das Urteil gegen Palm zur Abschreckung in den Zeitungsblättern eingerückt werden, GLA 233/152.

gewisser Defizite in der Handhabung der Zensur Besorgnis hervor.469 Eine von Seiten des Kabinetts veranlasste Überprüfung der Zensur politischer Blätter im Lande hatte keinerlei

468 Vgl. Ministerium des Auswärtigen Nr. 134 vom 26.1.1809 an den Niederrheinkreis: Auf das ausdrückliche Verlangen des kaiserl. französischen Gouvernement, welches über die Redaction des bisher in Mannheim erschienenen Journal politique, aus verschiedenen, jedoch nicht näher angegebenen Anläßen in welchen sich der böse Willen der Herausgeber gegen Frankreich geäußert haben soll, eine neue Unzufriedenheit gefaßt hat, ertheilen wir unserer Regierung des Niederrheins hiermit den Auftrag, sogleich nach Empfang dieses, der Herausgeberin und Verlegerin dieser Zeitung der Wittwe Salomé zu bedeuten, dass ihre Zeitung vom Augenblick dieser Verkündung an, supprimirt sein solle, und folglich nicht mehr gedruckt und ausgegeben werden könne, GLA 213/334.

469 Vgl. hierzu etwa die Einrichtung der Rheinischen Bundeszeitung durch Prof. Seeger aus Heidelberg. In seinem Antrag vom 1.9.1806 legte Seeger dar, dass das Blatt zweisprachig erscheinen solle, um so die Teutschen und Franzosen nicht nur mit dem politischen Gange der Dinge, sondern diese beide Nationen auch mit ihrer Sprache und ihren beiderseitigen Fortschritten in den Wissenschaften, näher bekannt zu machen. Reitzenstein, der am Wiederaufbau der Heidelberger Universität regen Anteil nahm, meinte zwar am 27.9., dass Seeger wegen des Parallelunternehmens Winkopps in Aschaffenburg wenig Debit finden würde, dies aber kein Grund sei, Seegers Gesuch abzuschlagen [Peter Adolph Winkopp war der Gründer und Herausgeber der Zeitschrift Der Rheinische Bund, vgl. Konrad Färber. Kaiser und Erzkanzler. Carl von Dalberg und Napoleon am Ende des Alten Reiches. Regensburg: 1988, 1002]. Man solle ihm lediglich zur Bedingung machen, dass er sich aller derjenigen Artikel und Ausdrücke, die ihn und allenfalls selbst das Gouvernement, compromittiren, und in Unannehmlichkeiten setzen dürften, zu enthalten, den sorgsamsten Bedacht zu nehmen. Der badische Außenminister Georg Ludwig von Edelsheim war indes alles andere als begeistert von dem Projekt. In einer Notiz an Reitzenstein meinte er: So sehr ich bey jeder Gelegenheit Er. Exell. erleuchtete Ansichten verehre und mich Ihrer Meinung gern anschließe, so muss ich doch aufrichtig bekennen dass das Vorhaben des Herrn Professors Seeger eine politich-literarische Zeitschrift unter dem Titel des Rheinischen Bundesblattes, herauszugeben gedenket, mir gar nicht behagen will. Ich bin zum voraus überzeugt, dass dieses leidige Product das allem dermaligen Anschein nach, ohnhin noch lange sehr mager ausfallen dürfte, uns mannigfaltige Verlegenheiten u. Unannehmlichkeiten zuziehen wird. Karl Friedrich stimmte offensichtlich schon im September dem Unternehmen zu, erst auf Drängen Seegers wurde diesem aber im Dezember die positive Entscheidung mitgeteilt. Wie vorhergesehen, hatte das Blatt gewisse Anlaufschwierigkeiten, ein Gesuch Seegers um Einrückung staatlicher Anzeigen in sein Blatt wurde nach einem abschlägigen Gutachten Brauers abgelehnt.

Überdies drohte man ihm an, das Privileg zu entziehen, da er entgegen dessen Wortlaut bisher nur auf Deutsch publiziere und zudem Verkaufsanzeigen in sein Blatt aufnehme, was die Einkünfte der Wochenblätter schmälere. Auch die Einrichtung eines getrennten Bundesanzeigenblatts wurde ihm wegen entgegen laufender Privilegien anderer Blätter verwehrt (GR-Nr. 178 vom 15.6.1807; GR-Nr. 630 vom 4. bzw. 21.7.1807).

Anlässlich einer zwischen Heidelberger Professoren über die Presse nach roher Studentensitte (Klüber als Kurator der Universität den 26.1.1808 an den Geheimrat) geführte Polemik über die Güte des Schwarzschen Lehrerbildungsinstituts wurde man auf die Rheinische Bundeszeitung wieder aufmerksam. Brauer erstellte erneut das Gutachten, das wenig schmeichelhaft ausfiel. Von Anfang an habe das Bundesblatt gegen das erteilte Privilegium verstoßen. Es sei nie zweisprachig erschienen und sei auch nicht in die angekündigt statistisch-literarische Richtung eingeschlagen, sondern habe stattdessen von Anfang an gemeine politische ZeitungsNachrichten und eine zeitlang sogar Anzeigen abgedruckt. Seit dem Beginn des Jahres habe Seeger das Blatt eigenmächtig in eine täglich erscheinende politische Zeitung umgewandelt, wobei Brauer darauf hinwies, dass dies mit der gewährten Zensurfreiheit nicht vereinbar war (Seeger unterlag als - übrigens nach eigenen Angaben nicht besoldeter - Professor nicht der Zensur). Neben dem Vorfall wegen des Schwarzischen Erziehungsinstitut nannte Brauer seltsamerweise unter anderem als weiteren Verstoß die Einrückung eines Rezepts gegen die Darmgicht bei Pferden (Nr. 30 des Blatts), da es der klaren Disposition zuwiderlief, dass in Volksschriften dergleichen nicht ohne Erlaubnis der Sanitätskommission eingerückt werden sollte. Brauer schlug deswegen vor, dass Seeger binnen 14 Tagen um ein neues Privileg für ein Blatt einkommen solle, welches nur noch nach der Zensur durch ein Mitglied der juristischen Fakultät erscheinen dürfe (GR/Polizeidepartement 655 vom 2.2.1808). In der Folge stellte sich heraus, dass Professor Seeger sein Privileg schon längst an die Mannheimer Buchhändler Kaufmann und Friedrich abgetreten hatte und der Redakteur der Zeitung ein Professor der Staatswirtschaft, D.H. Eschenmaier war, der selbst angab, aus finanziellen Gründen dazu gezwungen zu sein. Eschenmmaier rechtfertigte sich auch hinreichend in Hinsicht auf die ihm zur Last gelegten ärgerlichen Artikel und wegen der Einrückung von Anzeigen und wies auf den staatswirtschaftlichen Nutzen des Unternehmens hin. Hinsichtlich der Zensur meinte er, dass die Censur-Grenzen nicht so eingeschränkt werden dürfen, dass die Zeitung nicht im Stande ist, sich zu heben, und den Zwek der Unternehmer zu bewirken. Es verstehet sich hier von selbst, dass nichts gegen Religion und Staat, nichts gegen

negativen Folgen für das badische Pressewesen.470 Die zufrieden stellenden Berichte aus den einzelnen Regierungsbezirken ließen weitere Maßnahmen in diese Richtung nicht notwendig erscheinen.471 Weniger zufrieden war die französische Regierung. Insbesondere die

die Bundesfürsten und ihrem Protector gesagt, und überhaupt die gegenwärtige Politik immer im Auge behalten werde. Deswegen lehnte er ausdrücklich die von Brauer vorgesehene Zensur des Blatts durch einen Kollegen ab:

Da es unumgänglich nöthig ist, dass der Censor ein liberaler Mann und kein Krittler sey, dem öfters ein Wort nicht recht gesezt seyn kann, der hinter jedem an sich unschuldigen Ausdruke etwas Bedeutendes sucht, und kein Freund von dem Redacteur ist; da es nothwendig ist, dass Censor und Redacteur harmonisch und Freunde seyen, so würde diese Harmonie zwischen verschiedenen Facultäten und zwischen Collegen, davon der eine der Censur des andern unterworfen wäre, nicht die erwünschte Folge und Dauer haben. Er schlug stattdessen seinen Freund, den Oberamtsrat Nestler vor, der die Zensur unentgeltlich übernehmen würde, wozu der Geheimrat tatsächlich provisorisch seine Zustimmung gab (GR-Nr. 981 vom 18.2.1808). Kaufmann und Friedrich wurde aufgegeben, bis Ende März um ein Privileg für das Blatt in seiner jetzigen Form einzukommen, da es andernfalls verboten werden würde. Sie seien zudem darüber zu vernehmen, wie sie dazu gekommen seien, gegen den klaren Wortlaut des Zensurgesetzes ihr Blatt der Zensur vorzuenthalten. Tatsächlich wurde den genannten Buchhändlern dann das Privileg Seegers vom 18.12.1806 übertragen und die Frage der einzurückenden Anzeigen und Verordnungen gemäß den bestehenden Privilegien anderer Blätter definiert. Das Blatt sollte nun doch wieder zweisprachig erscheinen und ein politisch-literarisches Blatt, das 3-4mal wöchentlich herauskam, abgeben. Der Buchhandlung wurde, wie schon Seeger knapp zwei Jahre zuvor, aufgegeben, sich in diesem öffentlichen Blatt aller derjenigen Artikel und Ausdrüke die ihr, oder allenfalls selbst uns und unserer Regierung zum Vorwurf gereichen und Unannehmlichkeiten veranlassen dürften, sorgfältigst zu enthalten. (GR/Polizeidepartement Nr. 3055 vom 2.6.1808 mit Bezug auf Mannheimer HR-Nr. 5343f vom 24.5), GLA 236/158.

470 Da die gegenwärtigen Verhältnisse die genaueste Vorsicht in Ansehung der sämmtlichen in den hiesigen Landen erscheinenden politischen Zeitungsblätter vorzüglich anrathen, so wird andurch dem Ministerium des Innern aufgetragen, nicht nur unverweilt die nöthigen Berichte einzuziehen, ob für alle diese Blätter die vorgeschriebene Zensur bestehe, und von den geeigneten Personen versehen werde, sondern auch sämmtlichen Zensoren die gewissenhafteste Circumspektion aufs neue anzuempfehlen, und die Anordnung zu treffen, dass zum Behuf der obersten staatspolizeilichen Aufsicht von nun an für die Zukunft von jedem solchem Blatt ein Exemplar gratis an das großherzogliche Kabinettsministerium eingesendet werde.

Kabinettsministerium Nr. 772 vom 2.5.1809, GLA 236/149.

471 Macklots Zeitung in Karlsruhe stand unter der Aufsicht der dortigen Regierung, das Pforzheimer Wochenblatt wurde durch das Oberamt zensiert. In Mannheim waren der Mannheimer Zeitung (Besitzer:

Lamey), der Rheinischen Correspondenz (Kaufmann, Friedrich) den Nouvelles littéraires et politiques (Witwe Salomé) und dem Mannheimer Intelligenzblatt (kath. Bürgerspital) jeweils eigene Zensoren zugeteilt. Das Freiburger Provinzialblatt stand als halbamtliches Blatt unter der Aufsicht Rottecks, ebenso übernahm er Korrektur und Zensur des lokalen Zeitungsblatts (Besitzer: Magistratsrat Schentzler). Das fürstlich-fürstenbergische Bezirksblatt Kleiner Neuigkeitsbote unterstand der standesherrlichen Justizkanzlei zu Donaueschingen. Das Konstanzer Wochenblatt Der Volksfreund wurde durch Obervogt von Chrismar zensiert.

Die Allgemeinen Justiz- und Polizeiblätter sowie der Allgemeine Anzeiger wurden von Prof. Hartleben in Freiburg herausgegeben, der als Hochschullehrer die Zensurfreiheit für sich beanspruchte. Von Wechmar schlug in seinem Fall vor, seine Blätter in Zukunft ebenfalls der Zensur zu unterwerfen. Das Kabinett entschied darauf, dass Hartleben weiterhin von der Zensur befreit sei, wenn er seine Blätter außerhalb des Landes drucken lasse (Kabinett-Nr. 1012 vom 16.6.1809), GLA 236/149.

Hartleben, der anstelle Prof. Lugos in die Freiburger Zensurkommission eintrat, wurde 1814ff. wegen der von ihm und vier anderen Personen herausgegebenen Wiener Kongresschronik fast seiner Dienste enthoben.

Hartleben rechtfertigte sich damit, dass seine Aufsätze im Ausland gedruckt würden und deswegen nicht der Zensur unterworfen seien. Insbesondere das Innenministerium fühlte sich von seinem Vorwurf herausgefordert, es begehe Rechtsbruch und maße sich eine Autorität an, die nur dem Souverän zustehe (Rechtfertigung Hartlebens vom 28.11.1814). Die verschiedenen Behörden in Mannheim lehnten es ab, ihren Kollegen Hartleben zu zensieren, da, wie der kurzzeitig eingeschaltete Oberhofricher Drais meinte, sich niemand den vorhersehbaren Differenzen mit ihm aussetzen wollte. Drais selbst war gegen die Verschärfung der Zensur über die Zensurordnung hinaus, da dies nur viel Geschrei hervorrufen würde und dennoch leicht umgangen werden könne (Bericht von Drais vom 28.11). Nach den Angaben von Drais befürchtete man von Regierungsseite wegen der Aufsätze in der Kongresschronik erhebliche Verwicklungen nicht nur mit anderen Staaten, sondern insbesondere in Hinsicht auf unzufriedene Gruppen in Baden selbst, beispielsweise wegen der im Raum stehenden Gefahr der Annexion der Pfalz durch Bayern. Das Innenministerium selbst sah drei Möglichkeiten:

Mannheimer französische Zeitung der Witwe Salomé gab immer wieder zu Beanstandungen des französischen Residenten in Karlsruhe Anlass - der Inhalt der deutschen Zeitungen war ihm offensichtlich aus sprachlichen Gründen nicht zugänglich und entging somit seinem kritischen Auge. Das badische Außenministerium versuchte, so gut es ging, trotz des wachsenden französischen Drucks dieses Blatt zu schützen, indem es beispielsweise der Besitzerin eine Titeländerung vorschlug, 472 um dergestalt einen Befehl aus Paris, der auf

Man könnte die Sache auf sich beruhen lassen, riskiere damit aber, den Ungehorsam, der sich schon anlässlich der Zwangsanleihen zeigte, noch anzufachen. Als zweite Möglichkeit habe man die Option, das Blatt ähnlich dem Rheinischen Merkur in Baden zu verbieten. Die dritte und favorisierte Option war aber den Kreisrath Hartleben, welcher ohnehin actenmäßig ein ungesitteter mit Schulden überladener und im Dienst mehr als nachläßiger Mann ist aus dem Dienst zu entlassen, wenn er sein Blatt nicht der Zensur unterwerfen wolle (Innenministerium 9665 vom 28.11.). In einer weiteren Rechtfertigung scheint Hartleben scharf gegen das Verfahren protestiert zu haben, das Stück ist leider nicht mehr bei den Akten, weil es ihm wegen seiner Unziemlichkeit zurückgegeben wurde. Das Innenministerium forderte daraufhin die Entfernung Hartlebens aus dem Staatsdienst, zumal er an allen Stellen, die er in diesseitigen Landen begleitet hat, durchaus nicht diejenige Dienste geleistet hat, die man für die von ihm bezogenene Besoldung [...] hat verlangen können (Innenministerium Nr. 179 vom 9.1.1815). Die eingesetzte Regierungskommission schloss sich dem nicht an, verbot aber Hartleben, irgendetwas im Ausland drucken zu lassen und im Inland nur nach vorhergehender Zensur. Bei Weigerung oder Verstoß war er ohne Weiteres aus dem Dienst zu entlassen (Beschluss der Regierungskommission vom 4.2.1815). Am 20.2.1815 stellte das Kreisdirektorium Hartleben hinsichtlich seiner Dienstverrichtung ein positives Zeugnis aus. Dabei wurde etwa der frühere Chef Hartlebens, Kreisdirektor von Hinkeldey, als der Hauptschuldige der im Kollegium entstandenen Misshelligkeiten dargestellt, da er den Kollegen wenig Achtung und Schonung bezeigte (Direktorium des Neckarkreises vom 20.2.1815 Nr. 3621).

Hartleben protestierte gegen die ihn betreffende Entscheidung der Regierung und beschwerte sich sowohl über die inquisitorische Art des Verfahrens als darüber, nichts mehr drucken zu dürfen. Seit 1790 habe er 26 literarische Werke publiziert und selbst unter dem Höchsten Preßzwang der letzteren Zeit sei keines dieser Werke je verboten worden. Hartleben führte dabei auch die von ihm in salzburgischen, bayrischen und sächsisch-coburgischen Diensten genossene Zensurfreiheit sowie seine bisherigen überall gelobten, meist juridischen Abhandlungen an. Die ihm angelastete Dienstnachlässigkeit wies er weit von sich und verwies etwa auf seine Tätigkeiten in Freiburg, Offenburg und Durlach. Erst im Jahr 1812 habe ihn der Kreisdirektor von Wechmar (Pfinz- und Enzkreis) aus unbändigem Stolze [...] auf die rachsüchtigste Art verfolgt und diskreditiert.

Hinsichtlich der Kongresschronik beteuerte er, dass er seit November Herausgabe und Mitarbeit eingestellt habe. Die negativen Berichte von Wechmars über Hartleben - ob gerechtfertigt oder nicht lässt sich angesichts des Aktenmaterials nur schwer eruieren - scheinen demnach der Hauptgrund zu sein, warum man im Innenministerium so heftig und unangemessen reagierte, GLA 236/175. Vgl. auch Dienerakten 76/3239f, in denen ein Teil der Auseinandersetzung Hartlebens mit seinem Dienstherrn niedergelegt ist und Besoldungsfragen einen nicht unerheblichen Teil ausmachen.

472 Dieses Mittel wurde auch hinsichtlich der Rheinischen Bundeszeitung angewandt. Vgl.

Außenministerium Nr. 240ff vom 17.2.1809: Wir haben in Erwägung der den Verlegern und Theilhabern der zuerst in Heidelberg und dann in Mannheim herausgekommenen ‚Rheinischen Bundeszeitung’ durch die Unterbrechung dieser Herausgabe verursachten grossen Nachtheile, und da wir nicht wollen, dass ihnen die verdiente Rüge zum Untergang gereiche, beschlossen, die am 7. d. verfügte Suppression dieser Zeitung andurch wieder aufzuheben, und zu gestatten, dass solche fernerhin jedoch unter einem andern schicklichen Titel, und ohne dass dieses nun neu erscheinende Blatt als die Fortsetzung der rheinischen Bundeszeitung öffentlich angekündigt werde, - wieder erscheinen. [...] Vorläufig ist jedoch dem Redacteur, den Verlegern, und dem Censor alle mögliche Vorsicht in der Redaction auf das ernstlichste anzuempfehlen, damit sie nicht auf das Neue in unausbleibliche Ahndung verfallen, auch der Staat selbst durch sie keiner weiteren Unanehmlichkeit ausgesezt werde. Diese Entscheidung ging direkt auf eine Kabinettsresolution zurück. Das Blatt erhielt den neuen Namen Rheinische Correspondenz und den Herausgebern wurde eingeschärft, es nicht öffentlich als Nachfolgeunternehmen des alten Blatts anzukündigen, GLA 236/158.

Siehe hierzu auch Karl Obser. Zur Geschichte der badischen Presse in der Rheinbundzeit. In: ZGO NF 14 (1899), 111-136.

Verbot des Blatts lautete, geschickt umgehen zu können.473 Allen in diese Richtung gehenden Bemühungen der badischen Regierung wurde indes ein Ende gesetzt, als Paris im Oktober 1810 dieselbe ultimativ aufforderte, alle politischen Zeitungen aufzuheben und nur mehr ein einziges offizielles Blatt zuzulassen.

Kurzzeitig wurde nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft von der Beamtenschaft die Wiedereinführung der Pressepluralität in Baden gutgeheißen, vom Großherzog Karl aber wegen der schwierigen innen- und außenpolitischen Situation abgeblockt.474 Nach dem Regierungsantritt Ludwigs 1818 versuchten das Innen- und Außenministerium erneut im Sinne der Liberalisierung der badischen Presselandschaft zu wirken, wobei neben politischen Erwägungen ebenso das leidige Thema der Entschädigung der, wie man offen zugab, zu Unrecht auf französischen Druck hin enteigneten Zeitungsherausgeber eine Rolle spielte. Das Außenministerium verwies dabei unter anderem darauf, dass bei der geänderten politischen Lage die Ruhe und Ordnung im Inneren durch mehrere Blätter nicht gefährdet werden würde.

Zudem gab man zu bedenken, dass man sich bei Fortsetzung des publizistischen

473 Vgl. Ministerium des Auswärtigen Nr. 247 vom 18.2.1809 an den Niederrheinkreis: Nach Tätigwerden der Pariser Gesandtschaft könne das Journal politique, welches am 26.1. verboten worden war, wieder erscheinen. Der Witwe Salomé sei zu bedeuten, in Zukunft alle Vorsicht bei der Auswahl der aufzunehmenden Artikel walten zu lassen. Bezüglich Frankreichs bzw. die es interessierenden Angelegenheiten, sollten nur Artikel aus franzöischen Zeitungen, insbesondere dem Sprachrohr des dortigen Regimes, dem Moniteur, unter Angabe der Quelle aufgenommen werden, da andernfalls das badische Gouvernement Verlegenheiten und die Herausgeberin selbst einen unersetzlichen Verlust zu gewärtigen habe. Kurz darauf musste das Journal politique ganz verboten werden. Auf Bericht der Pariser Gesandtschaft vom 27.2. sah man sich wieder veranlasst, die Wiederzulassung des Journal politique erneut aufzuheben. Aus dem Bericht Collinis ging hervor, dass der Kaiser auf Supprimierung des Journals beharre. Alle Gegenvorstellungen bei Außenminister Champagny, dass es sich bei der Besitzerin etwa um eine arme Witwe handelte und der besagte Artikel schon vorher in einem anderen Mannheimer Journal erschienen sei, fruchteten nichts. Zeitweise erwog man deswegen, die Erbprinzessin Stéphanie zu ersuchen, beim Kaiser vorstellig zu werden. Um das Verbot zu umgehen, schlug das Außenministerium dann Witwe Salomé einstweilen eine Titeländerung und redaktionelle Tricksereien vor, die den politischen Charakter des Blatts verschleiern sollten: Bey dem erklärten Willen seiner kayserlichen Mayestät von Frankreich gegen die fernere Erscheinung des Journal politique von Mannheim behält es bey der am 6ten d. M. verordneten Suppression deßelben sein Verbleiben. Jedoch wollen wir der Verlegerin zu einiger Entschädigung die Herausgabe eines andern Blatts unter dem Titel: Nouvelles littéraires et politiques und unter der Bedingung verstatten, dass sie in jedes einzelne Blatt auch literarische Artikel aufnehme, und mit diesen jedesmal den Anfang mache. Unserer Regierung des Niederrheins hat ihr dahero dieses zu eröfnen, und sie hiernach anzuweisen, auch derselben die sorgfältigste Behutsamkeit und Vorsicht in der Wahl der politischen Artikel aufs neue dringend anzuempfehlen, und den Censor hierauf besonders aufmercksam zu machen.

Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Nr. 345 bzw. 366 vom 6. und 8.3.1809, GLA 213/233f.

474 Vgl. Außenministerium Nr. 4 vom 3.1.1814, als vom Außenministerium (von Edelsheim) nach einer Eingabe Kaufmanns beim Innenministerium die Wiederherstellung der Pressevielfalt unterstützt wurde.

Rückblickend konstatierte man, dass man nothgedrungen am 18.10.1810 alle politischen Blätter bis auf eine

Rückblickend konstatierte man, dass man nothgedrungen am 18.10.1810 alle politischen Blätter bis auf eine

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 193-200)

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