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Dynastische Problematik:

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 35-39)

Die eigenartige Verquickung von Dynastie und Staat und der daraus resultierende potentielle Interessenkonflikt zwischen der Rolle des Herrschers als Inhaber der öffentlichen Gewalt mit derjenigen als Chef des eigenen Hauses, bereitet dem modernen Betrachter einige Schwierigkeiten. Zu sehr scheint hier das abstrakte Staatsinteresse bzw. das Allgemeinwohl mit den persönlichen Interessen einer Familie verwoben zu sein. Der Missbrauch von staatlicher Macht zu persönlicher Bereicherung und familiäre Vetternwirtschaft scheinen dabei auf den ersten Blick ein generelles, nicht zu remedierendes Strukturproblem der monarchischen Regierungsform zu sein.

Grundsätzlich wurde von Karl Friedrich der Doppelcharakter des Fürsten als Landesherr und Familienchef anerkannt, aber nicht als Widerspruch per se betrachtet. Im Gegenteil ging er davon aus, dass beide Aufgaben untrennbar miteinander harmonierten, wobei er den bestehenden „republikanischen“ Gemeinwesen die Existenzberechtigung nicht absprach.68 Während Friedrich II. es sich zur persönlichen Richtschnur machte, das Herrscheramt so auszufüllen, als ob er jeden Augenblick darüber Rechenschaft ablegen müsse, reichte Karl Friedrich von der Intention her darüber hinaus. Die Qualität seiner Herrschaftsausübung sollte nach der physiokratischen Steuerlehre ihren konkreten und überprüfbaren Ausdruck darin finden, dass die Revenuen proportional an die Entwicklung der Einkünfte der Untertanen gekoppelt waren und dementsprechend fluktuieren sollten.69 Ziel

66 FA-P-5-46, Heft 17, Stück 1. Nicht datierte Notiz Karl Friedrichs, wohl in die 1770er Jahre fallend und mit Bezug auf eine nicht beiliegende Eingabe des Kammerrats Enderlin wegen Besteuerung seiner Güter.

67 Vgl. etwa eine undatierte Denkschrift Karl Friedrichs, wohl aus den 1770er oder 1780er Jahren: Wie es denn gewiss [ist] dass, da die Bildung zukünftiger Generationen durch Erziehung und Unterricht eine Hauptpflicht des Regenten ist, so kann der, der davon sein Hauptstudium gemacht hat, nicht von seinem Rat entfernet sein. Obser, Papiere, 469.

68 Zur relativistischen Sichtweise des Markgrafen vgl. oben Fußnote 15.

69 Vgl. hierzu etwa ein Schreiben Karl Friedrichs an Dupont vom 22.11.1777, in dem er ihn über das Vorgehen in Hinsicht auf die weiterhin intendierte Einführung des physiokratischen Steuersystems unterrichtete und seinem Bestreben Ausdruck gab, den Untertanen nur die Abgaben abzuverlangen, die ihm als Landesherrn

war es dabei, durch eine gute Landesverwaltung und Wirtschaftspolitik eine anhaltende Steigerung des Bruttosozialprodukts und damit der Steuereinkünfte zu erzielen.

In Hinsicht auf den Hof und die eigene Familie wurde von Karl Friedrich nach einer gewissen Achtlosigkeit in den frühen Regierungsjahren eine fast als „bürgerlich“ zu bezeichnende Ökonomie eingehalten.70 Seine zweite Frau nahm er aus Ersparnisgründen nicht aus einem fürstlichen Hause, sondern wählte die Reichsfreiin und spätere Reichsgräfin von Hochberg, Luise Karoline Geyer von Geyersberg. Dieses wohlgemeinte und auf die Vermeidung von Kosten zielende Verhalten,71 löste bekanntlich leidige Verwicklungen in der eigenen Familie sowie mit Bayern und Österreich wegen der angefochtenen Erbfolgeberechtigung des Hochberger Zweiges des badischen Hauses nach 1815 aus. Bis heute hält sich dabei in der Literatur teilweise die Ansicht, dass die zweite Ehe Karl Friedrichs unebenbürtig gewesen sei.72 Karl Friedrich kam es aber nicht nur darauf an, eine

zustünden: Je Vous avoue cependent que je ne suis point content de ces operations, puisque de changer un impot indirecte ein impot territorial sans avoir la connoissance du produit net est toujours une operation incertaine, et il est impossible de juger du produit net par des ancien cadastres imparfait, qui ont été fait sans savoir les vrais principes, et il etoit difficile ou peut-être impossible que Mr. de Butré [physiokratischer Güter- und Steuerschätzungsexperte in badischen Diensten] put faire des relevés de culture avant que de savoir un peu la langue, et avant que d’avoir formé des sujets capables de l‘aider [...] avec la rapidité avec laquelle il travaille nous aurons dans quelques années avec l’aide de Dieu, l’état de la culture de tout le paii, pendent ce tems la chambre des finances fera faire des états de tout les impots indirectes, et alors on sera au clair, pour ce qui restera a faire, a savoir la somme des revenues que je dois avoir en justice, par consequent l’état de mes finances tant en resette qu’en dépense. Pendent qu’on sera occupé de ces differents objects on touchera de trouver les moyens les plus surs pour se dafaire de ce qui gene le commerce et l’industrie, ce qui ne sera pas la Besogne la plus aisée, pris que, quand même chaqu’un conviendrait du principe en general, aucun ne s’y prete volontiers quand il est question de l’apliquer a ce qui le regarde en particulier, lui et ses semblables. Voici le plan que je crois faisable et selon lequel on va travailler, touttes les operations morcelés ne peuvent conduire dans ce paii-ci, qu’a continuer l’inegalité entre les differents Balliages, et à causer de la confusion et du derangement dans les finances, ce qui a ce que je crois est ausi peu avantageux au Prince qu’au peuple, HFK-HS-468, Blätter A28ff.

70 Vgl. hierzu etwa die Beobachtungen des Fürsten Hardenbergs während seines Karlsruher Aufenthaltes 1772. Karl Obser. Aufzeichnungen des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg über seinen Aufenthalt am Oberrhein im Jahre 1772. In: ZGO 61 (1907), 158. Karl Friedrich meinte zum Unterhalt der fürstlichen Familie:

Die Unterhaltung, sowie die Versorgung müssen standesmässig, ohne Überfluss, und mit denen Einkünften des Landes verhältnismässig nach den Regeln einer wohlverstandenen Ordnung des Aufwandes abgemessen sein.

Obser, Papiere, 464. Ähnlich äußerte er sich in einem Testament aus dem Jahre 1802. So stellte er der nach seinem Tod unter Umständen für den noch minderjährigen Nachfolger einzusetzenden Vormundschaft anheim, dass sie auch den Aufwand bey der so weit nur immer möglich einzustellenden Hofhaltung auf dasjenige einschränken werden, was die Anständigkeit unumgänglich erfordert, FA-P-5-57.

71 Vgl. Arthur Kleinschmidt. Karl Friedrich von Baden. Heidelberg: 1878, 96f.

72 So etwa Bernd Wunder, der die Hochberger als unebenbürtige Nebenlinie bezeichnet, die den Legitimitätsansprüchen der Restauration nicht entsprochen habe. Bernd Wunder. Die badische Beamtenschaft zwischen Rheinbund und Reichsgründung (1806-1871). Dienstrecht, Pension, Ausbildung, Karriere, soziales Profil und politische Haltung. Stuttgart: 1998, 7.

Vgl. hierzu die Ausführungen des badischen Beamten und zeitgenössischen Biographen Karl Friedrichs, C.W.F. von Drais, dessen Ausführungen auf den schriftlich niedergelegten badischen Erbfolgebestimmungen für das Haus Hochberg beruhen. So wurde Luise Karoline Geyer von Geyersberg Karl Friedrich aus Respekt vor der verstorbenen und geliebten Markgräfin zwar zur linken Hand angetraut, die Heirat sei aber von Anfang an standesgemäß gewesen. Carl Wihelm von Drais. Über den badischen Besitz der Rheinpfalz und des Breisgaus so wie über die Integrität des Großherzogthums und das Erbfolgerecht von Carl Friedrichs jüngerer Linie.

Karlsruhe: ²1818, 2ff.

standesgemäße legitime Gefährtin für seinen Lebensabend zu gewinnen,73 sondern auch die Fortexistenz des badischen Hauses im Mannesstamm sicherzustellen. 74 Das 18. Jahrhundert bot zu viele Beispiele von Erb- und Thronfolgekriegen, als dass er hier leichtfertig eine unstandesgemäße Heirat eingegangen wäre. Inwieweit die Erbprinzessin Amalie ihre Hand bei der Verheiratung ihrer Hofdame im Spiel hatte, wird sich kaum eruieren lassen, indes bleibt zu konstatieren, dass Karl Friedrich seiner Schwiegertochter stets kühl und ablehnend gegenüber eingestellt war.

Eine ähnlich pragmatische Haltung treffen wir bei dem Markgrafen in der Frage der Erwerbung des Königstitels für das badische Haus nach 1803 an. Der federführende badische Außenpolitiker Sigismund von Reitzenstein verhinderte diese Standeserhöhung bei den Unterhandlungen zur Rheinbundakte 1806. Seiner Argumentation, dass Baden sich die mit dem Königstitel notwendigen Ausgaben schlichtweg nicht leisten könne, verschloss sich Karl Friedrich letzten Endes nicht. Als sich die territoriale Arrondierung zur deutschsprachigen Schweiz hin nicht realisieren ließ, verschwand schließlich auch der Gedanke an eine Königserhebung des badischen Hauses.75

Der Wille zur Einschränkung der persönlichen Ausgaben sowie der Verzicht auf die dynastische Rangerhebung aus Kostengründen können als konkrete Unterordnung der Dynastie unter die Idee des abstrakten Staats- und Gemeinwohls verstanden werden. Dass dynastisches Denken nie ganz ausgeblendet blieb, solange es nicht im Gegensatz zu den landesherrlichen Aufgaben stand, versteht sich für die Zeit von selbst. Kurzfristige Pläne aus den 1770er Jahren, dem badischen Hause eine Sekundogenitur in Kurland zu verschaffen,

73 Für die den Charakter Karl Friedrichs bezeichnende Skrupelhaftigkeit siehe Lauts, Karoline Luise, 409:

Ich haße nichts mehr als Heucheley; auch vor den Menschen will ich nicht für das gelten, waß ich nicht bin! Ich spüre Triebe nach dem weiblichen Geschlecht, und denen mögte ich auf eine erlaubte, mir, meinem Hauß und dem Lande unschädliche Art genüge thun. Eine Fürstinn kann ich nicht ins Hauß bringen. Maitreßen sind mir, dem Hauß, und Lande schädlich, mir eine Person zur linken Hand trauen laßen ist der Einzige Weg, den ich vor mir sehe!

74Karl Friedrich kommentiert am 25.2.1796 die am 20.2.1796 getroffene Erbfolgeregelung wie folgt: Unter den Pflichten eines Regenten ist die Fürsorge für seine Familie, und deren Fortpflanzung und Aufrechterhaltung, keine der geringsten. Als Privatmann ist er sie sich selbst und den seinigen schuldig, als Fürst ist er sie dem Staat schuldig. Ein Land welches seit mehreren Jahrhunderten Fürsten aus dem nehmlichen Hauße zu Regenten hatte, einmahl an eine gewisse Verfassung (welche sich auch unter Regenten von verschiedenen Caracteren, niemahlen vollkommen verändert) gewohnt ist, leidet einen starcken Stoß, wenn durch den Ausgang dieses Haußes in seinem Mannsstam, das Land in verschiedene Stücke vertheilt wird, oder wenn es unvertheilt, einem fremden Regenten bekommt, der die Unterthanen als angefallene Stiefkinder betrachtet, und sie einer andern Verfassung unterwirft. Von diesem Grundsatz überzeugt, und aus wahrer Liebe für die mir von Gott anvertrauten Unterthanen, habe ich die Erhaltung des Mannestams in meinem Hauß meinen Augenmerck sein lassen, FA-G-7.

75 Zum Schweizer Projekt vgl. Gustav Steiner. Rheinbund und ‚Königreich Helvetien’. 1805-1807. In:

Basler Zeitschrift für Altertumskunde 18 (1919), 1-157. Vgl. unten Fußnote 2198f. insbesondere zu den Anstrengungen, die Karl Friedrich in diese Richtung unternahm.

gehen in diese Richtung, widersprechen aber nicht den von Karl Friedrich als vorrangig eingestuften ökonomischen Interessen des badischen Gemeinwesens.76

Die Verbindung von Staat und Dynastie war zur Regierungszeit Karl Friedrichs wegen seiner hohen, von der Aufklärung getragenen Herrschaftsauffassung in einer zufrieden stellenden Weise gegen Missbräuche gesichert. Der innerfamiliäre Konflikt zwischen den beiden Zweigen des Hauses Baden nach dem tödlichen Unfall des Erbprinzen Karl Ludwig 1801 in Schweden - der sich bezeichnenderweise auf einer Rundreise zur Absicherung bzw.

Vermehrung der anvisierten badischen Territorialentschädigung befand - zeigte aber deutlich, wie schnell die Situation umschlagen konnte, und dass es anderer Instrumentarien bedurfte, um den Staat gegen die Dynastie abzugrenzen und in seiner Existenz zu erhalten. Es waren weniger Napoleons gelegentliche Eingriffe in die badischen Verhältnisse, die die letzten Lebensjahre des Markgrafen verbitterten, zumal er als mindermächtiger Reichsstand ähnliche Übergriffe schon zur Genüge erfahren hatte.77 Die nicht unbegründete Sorge hingegen, sein Lebenswerk durch Intrigen, Ränke und blinden Dünkel in der eigenen Familie gefährdet zu sehen,78 machte ihm den Lebensabend sauer. Nicht zuletzt das Schuldenwesen der Hochbergerin scheint ihm - dem sparsamen Ökonomen - große Sorgen bereitet zu haben, auch wenn er letztendlich seine zweite Gattin deckte, solange es nur irgend möglich war. 79 Die

76 Vgl. unten S. 845.

77 Vgl. hier das von Karl Friedrich schon seit den 1750er Jahren anvisierte Ziel, Baden politisch wie militärisch größeren Raum zu verschaffen: Es wird auf Zeit und Umstände, am meisten aber auf unser eigenes Betragen ankommen, ob ein jeweiliger Markgraf von Baden immerhin princeps inermis bleiben wird, mit dem ein jeder nach Gefallen umgehen kann, auch zuweilen ein kleiner, aber ungerechter und unruhiger Nachbar, oder ob das Haus Baden jemalen ein solches Ansehen zu erwerben imstand sein wird, durch welche es mit andern der Geburt nach seinesgleichen in die Reihe mittlerer Reichsstände versetzt werden könnte. Obser, Papiere, 473. Zur badischen Vergrößerungspolitik vgl. Exkurs 2.

78 Einige interessante Stücke zum Widerstand des Erbprinzen Karl und seines Onkels Friedrich insbesondere gegen die Erhebung der Hochberger Grafen in den Fürstenstand, befinden sich in FA-G-11A. Die ganze Angelegenheit stellte sich so heikel dar, dass selbst Napoleon es vorzog, sich in der badischen Nachfolgefrage nicht öffentlich festzulegen, um den russischen Zaren, der mit einer Enkelin Karl Friedrichs aus dem Darmstädter Zweig vermählt war, nicht unnötig vor den Kopf zu stoßen. Vgl. Erinnerungen Dalbergs an seine Warschauer Mission 1807 zu Napoleon, HFK-HS-520 sowie FA-G-11A mit einem Bericht Dalbergs vom Januar 1807 wegen seiner Bemühungen in der badischen Sukzessionsfrage.

Zu den Hofintrigen und Gruppierungen in der Beamtenschaft siehe Beinert, Geheimer Rat, 87ff.

79 Karl Friedrich scheint nicht willens gewesen zu sein, dem Schuldenmachen seiner Gattin einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Da sich immer wieder Gläubiger fanden, die ihr mit beträchtlichen Summen aushalfen, hätte hier praktisch nur eine öffentliche Entmündigung der Hochbergerin, wie sie dann später auch eintrat, Abhilfe schaffen können. Die genauen Summen der von ihr angehäuften Schulden werden sich kaum mehr eruieren lassen. Zum zögerlichen Verhalten Karl Friedrichs, der wohl nicht zuletzt wegen der komplexen Erbfolgefrage seiner Gattin mit erheblichen Mitteln aushalf, sollen hier nur zwei Stücke angeführt werden. Im Zusammenhang mit der Schenkung der Güter Bauschlott und Katharinenthal an seine Gattin sowie der angemessenen Apanagierung der Kinder aus dieser Ehe, findet sich in FA-G-77A ein Gutachten Emanuel Meiers vom 4.12.1800. Darin forderte dieser unter anderem, dass die aufgelaufenen Schulden der Hochbergerin gebührend bei der Schenkung aufgerechnet werden müssten. Da diese schon wieder eine bedeutende Summe erreicht hatten, wollte Meier für die Zukunft Vorkehrungen dagegen getroffen wissen - offensichtlich ohne Erfolg. In einer undatierten Notiz Karl Friedrichs aus dem Jahre 1806, die wohl an seinen Sohn Ludwig

Schuldenpragmatiken von 1806 bzw. 1808 und nicht zuletzt die damit in enger Verbindung stehende, 1808 kurzzeitig ins Auge gefasste Konstitution, sollten Dämme dagegen errichten, dass die Dynastie sich selbst und das neuformierte badische Gemeinwesen in den Abgrund riss.80

6. Die Physiokratie als theoretischer Unterbau der aufgeklärten

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 35-39)

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