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Die badischen Zensurverordnungen:

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 89-95)

II. Öffentlichkeit in Baden: Zwischen Zensur und Pressefreiheit

3. Die badischen Zensurverordnungen:

In den Karlsruher Aktenbeständen findet sich kein Hinweis darauf, dass beim Regierungsantritt Karl Friedrichs eine funktionierende Zensur bestanden hätte. Angesichts des Fehlens eines politischen Blatts im Land bzw. der Zurückhaltung der damaligen Räte, selbst publizistisch tätig zu werden, wird man darauf schließen können, dass tatsächlich niemand mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraut war. Die älteste, sehr vage formulierte badische Zensurordnung datiert aus dem Jahre 1629 und übertrug dem Kirchenrat die

210 GR-Prot. Nr. 778f., GLA 48/3927.

211 Dekret des Neckarkreises auf Veranlassung des Großherzogs vom 6.1.1813. Ungeachtet man hätte erwarten sollen, dass die schon bey frühern Veranlässen gegebene Warnung, sich aller Gespräche und Urtheile über politische Gegenstände und Kriegsereignisse zu enthalten, bey dem Publikum noch im Andenken stehen und wirksam seyn werde, so zeigt doch die Erfahrung vom Gegentheil, indem man mißfälligst vernehmen muss, dass Menschen, welchen es entweder an Einsicht und Ueberlegung fehlt oder die ihr Vergnügen darin finden, die Leichtgläubigkeit des weniger unterrichteten Theils des Publikums zu täuschen, sich geschäftig damit abgeben, theils durch eigene Erdichtung falscher Thatsachen, theils durch Verbreitung und Uebertreibung unächter Nachrichten, den Stoff zu ungeeigneten Unterhaltungen und eben so grundlosen als unbedachtsamen Raisonnements zu liefern. Zu dem einsichtsvolleren Theil des Publikums kann man vertrauen, dass er das Getriebe solcher Menschen zu würdigen, und sein Benehmen unter den gegenwärtigen Zeitverhältnissen besser zu bemessen wissen werde; um aber auch im Übrigen der verächtlichen Sucht, durch Erfindung und Ausstreuung grundloser Neuigkeiten sich thätig zu zeigen, gemessene Schranken zu setzen, wird hiemit unter Bedrohung schärfster Ahndung gebothen, sich nicht nur der Verbreitung aller nicht offiziellen politischen Nachrichten, sondern auch aller Gespräche und Urtheile über derartige Gegenstände in Wirths- und Kaffee-Häusern, so wie überhaupt an allen öffentlichen Versammlungsorten, streng zu enthalten, wobey die Inhaber solcher Versammlungsplätze für die genaue Befolgung dieser Vorschrift noch besonders verantwortlich erklärt werden, GLA 313/2882.

212 Vgl. MdI Nr. 3258 vom 4.4.1814: Nach erfolgter Entschliesung grosherzogl. RegierungsCommission vom 2. d. M. auf wiederholte Veranlaßung von seiten des kaiserl. russischen Herrn General der Cavalerie Graven von Wittgenstein, wird zufolge beschlossen sämtlichen Kreis Directorien aufzugeben, die Verbreitung aller falschen Gerüchte von Siegen der Franzosen über die Armeen der Alliirten, welche eben so sehr für die Truppen, als für den friedlichen Bürger nachtheilig und beunruhigend werden, nachdrücklich untersagen, sofort denjenigen Personen, welche dergleichen falsche Nachrichten schriftlich oder mündlich in Umlauf zu bringen wagen sollten, die ernstliche Bedrohung anfügen zu lassen, dass die Polizei Behörde ein wachsames Auge auf dergleichen Verbreitung haben, jeden Verdächtigen zur Verantwortung ziehen, und den Schuldigen ohnnachsichtlich vor ein Militärgericht zur Bestrafung stellen werde, wie denn auch den Censoren der politischen Local Blätter, desfalls die möglichste Vorsicht anzuempfehlen ist. Die Regierung des Neckarkeises trat dabei erneut mit folgender, ungewöhnlich plumpen Verordnung zwei Tage später im Intelligenzblatt von Mannheim und Heidelberg an die Öffentlichkeit: Böse Buben und Schwachköpfe machen sich ein eigenes Geschäft daraus, die Gemüther ihrer Mitbürger durch Aussprengung falscher Gerüchte von Siegen der Franzosen über die alliirten Armeen zu beunruhigen. Dem friedlichen Bürger ist solches nachtheilig an seiner Gesundheit wegen der ängstlichen Erwartungen, in welchen er dadurch erhalten wird. Es ist ihm nachtheilig in seinem Nahrungsstand welcher in manchen Rücksichten dadurch gestört wird, und den aliirten Armeen ist solches nachtheilig aus Gründen, die jeder finden wird, der darüber nachzudencken imstand ist. Der Erfinder und der Verbreiter solcher falschen Gerüchte ist also ein schwerer Verbrecher gegen den Staat und gegen die einzelne Mitbürger; als solcher soll er und wird er auch bestraft werden, GLA 313/2882.

Aufgabe, hauptsächlich theologische Traktate und Streitschriften zu zensieren.213 In einem protestantischen Territorium wie Baden war natürlich der Landesherr derjenige, der unter den Kirchenräten strittige Zensurfragen als letzte Instanz entschied. Konkrete Zensurfälle ließen sich in den Quellen indes nicht nachweisen, sie dürfte sehr bald in Vergessenheit geraten sein, wenn sie denn überhaupt je Anwendung fand. Erst 1733 wurde die Verordnung wieder in Zusammenhang von antikatholischen Schriften des protestantischen Klerus in Erinnerung gerufen, ein Hinweis darauf, dass zu dieser Zeit noch das theologische Schrifttum bzw.

konfessionelle Streitschriften einen Hauptteil der politisch relevanten Traktate ausmachten.214 Ähnlich wurde 1741 unter anderem den Priestern eingeschärft, dass sie vor dem Abdruck ihrer Predigten die Erlaubnis der Zensur einholen müssten, ohne indes einen dafür zuständigen Rat zu benennen. 215 Offensichtlich fühlte sich damals keiner der Kirchenräte für die Zensur zuständig. Brauer bestätigte diese Entwicklung in seinem Gutachten vom Oktober 1797 indirekt, indem er unter anderem rückblickend argumentierte, dass der Kirchenrat als

213 Nachdem besonders durch die Drukerey wo solche nicht der Gebühr nach angestellt wird, gar leichtlich in die Kirche Gottes falsche unreine Lehr und Uebel angerichthet und ausgebreitet werden mag: als sollen unsere Kirchenräth angelegenen Fleisses ohnfehlbare Anordnung thun, dass nichts, wie klein und gering es seyn möchte, ohn ihr Vorwissen und Bewilligung gedrukt, sondern alle Schriften sie seyn gleich theologisch, philosophisch, politisch, oder wie sie Namen haben mögen von ihnen samtlich zuvor besichtiget und ob sie der hailigen göttlichen Schrift, dem der wahren unverfälschten augsb. Confession, Formulae Concordia, und unserm christlichen Glaubensbekenntniß gemäs, ob sie auch nüzlich, nothwendig, zu Erbauung der Kirchen, Schul und Polizey dienstlich, oder aber ohnnötig, schädlich, ärgerlich, und an Fortpflanzung unserer heilsamen Lehr oder Erhaltung christlicher Zucht und Ehrbarkeit verhinderlich seyen reiflich erwegen, damit gedachter Kirchen Gottes nicht mit solchen unreinen unnüzen und unnothwendigen Schriften beschwert, dagegen die heil.

Bibel auch andere nüzliche nothwendige erbauliche gute Schriften und Bücher beyseits gelegt werden [...]

Damit auch in unserm Lande nicht etwa von Buchbindern und andern inn- und ausländischen böse ärgerliche Bücher offent- oder heimlich feil gethan, und unter die Leute gestecket gleichfalls ihr besondere Aufsicht zu geben, und solche Einschleichung den Buchdruckern, Buchführern, und Buchbindern alles Ernstes zu verbieten.

Gutachten Brauers vom 21.10.1797 zu der bisher in Baden statthabenden Zensur und ihrer Organisation. Brauer stützte sich bei seinem Gutachten auf diejenigen Akten, die sich noch heute im GLA vorfinden. Sollten relevante Zensurakten verloren gegangen sein, so muss dies schon vor diesem Zeitpunkt geschehen sein, GLA 149/236, vgl. GLA 74/1186.

Zu korrigieren Margot Lindemann, die festellt, dass es in Baden bis 1803 kein Zensurgesetz gegeben habe.

Margot Lindemann. Deutsche Presse bis 1815. Geschichte der deutschen Presse Teil 1. Berlin: 1969, 123.

214 Vgl. Memorial an das Kirchenratskollegium vom 21.12.1733: Nachdem man zu vernehmen hat, was maßen von Zeit zu Zeit Schriften zum Druck befördert werden, worinnen des Pabsts und der catholischen Religion mit vieller Anzüglichkeit gedacht wird, dieses aber eine in dem Religions- und Westphälischen Frieden auch in andere heilsame Reichs-Satzungen verbotten- und verpoente Sache ist; so hat man einem fürstl. Kirchen Raths Collegio die freundl. Erinnerung hier anfügen wollen, die Vorkehrung zu thun, damit dergleichen Anzüglichkeiten, wider die in dem Heil. Röms. Reich hergebrachte zwey ander Religionen in der Censur künftighin nicht übergangen sondern gestrichen und aus gelassen auch denen Verfassern, wann die Concepte in gar zu aegerlichen Terminis verfasst seyen, solche als impertinent zurück gegeben werden mögen; da andernfalls der Verfasser sowohl, als der Censor sich ohnfehlbaren Verdrüsslichkeiten zuziehen, und man gemüßiget seyn würde die Ahndung in Conformitaet derer Reichsgesetzen und hochfürstl.en General-Rescripte nach Befinden vorzunehmen, GLA 74/1186.

215 GLA 74/1186.

die eigentliche Zensurstelle anzusehen, dem Hofrat indes diese Kompetenz ohne eindeutigen fürstlichen Befehl nach und nach zugefallen sei.216

Zu dieser Zeit zeichnete aber wohl nicht ein einziges Kollegium für Zensursachen verantwortlich, sondern einzelne Räte, denen diese Aufgabe eher zufällig als Nebenbeschäftigung zugewiesen wurde. Die Einrichtung des Karlsruher Intelligenzblatts Ende 1756 bzw. ein knappes Jahr später einer politischen Zeitung durch Michael Macklot,217 schien es notwendig zu machen, hierfür einen Zensor zu bestellen, wobei die Instruktion äußerst knapp ausfiel und wohl weniger auf die tatsächliche Kontrolle des Blatts hinauslief, denn zur juristischen Absicherung der Regierung im Sinne der reichsständischen Obliegenheiten diente. Die Wahl fiel damals wohl mehr aus praktischen Gründen auf den Geheimen Sekretär und Hofrat Cellarius.218 Dieser versah die Zensur offensichtlich im gutem Einverständnis mit dem Verleger Michael Macklot, denn nach dem Tod von Cellarius beantragte dieser selbst die Neubesetzung der Stelle, um sich gegenüber der Regierung abzusichern: Da ich nun selbige jetzt auch selbst verfassen mithin doppelte Gefahr laufen könnte so will Euer hochfürstl. Durchlaucht andurch unterthänigst bitten gnädigst zu geruhen mir wieder einen Zeitungs Censoren zu sezen.219 Auch den Akten nach kam es während der Zensorenzeit von Cellarius zu keinerlei ernsthaften Konfrontation zwischen ihm und dem Verleger Macklot. Lediglich im April 1764 musste dieser eine Gegendarstellung im Zusammenhang einer Streitsache zwischen einem Württemberger Hauptmann namens Welser und seinem davongelaufenen Diener, die sich gegenseitig des Diebstahls bzw. der

216 In einem einem Memorial vom 24.1.1757 wurde dem Hofrat aber tatsächlich beiläufig der Auftrag erteilt, die anderen [das heißt außer der Karlsruher Zeitung] dahier gedruckt werdenden Sachen sollten turnusmäßig von Hofratsmitgliedern zensiert werden. Diesbezüglich erging 5 Tage später an den Drucker und Verleger Michael Macklot vom Hofrat die Weisung, bei ihm gedruckt werdende Sachen vorher der Zensur vorzulegen, GLA 74/1194. Im Juni 1757 wurde darüber hinaus Macklot und dem Buchdrucker Held offensichtlich der Eid abverlangt, nichts ohne vorherige Zensur des Hofrats drucken zu lassen. Im September 1760 wurde dem Faktor Lotter eine ähnliche Versicherung abgenommen. Nähere Bestimmungen über Art und Weise der Zensur existierten jedoch nicht. Gutachten Brauers über das bisherige Zensurwesen in Baden vom September 1797, GLA 236/149. Brauer, der damals unter anderem Kirchenratsdirektor war, versuchte die Zensur als Obliegenheit seines Dikasteriums darzustellen. Tatsächlich hatte er mit dieser Argumentation zunächst Erfolg, erst 1803 wurde bei der Neuregelung der Zensur die Direktion der Zensur endgültig dem Hofrat übertragen.

217 Zu Macklot vgl. Badisch-pfälzischer Buchhändler-Verband. Hg. Festgabe zum 50jährigen Bestehen des Badisch-pfälzischen Buchhändler Verbandes. Heidelberg: 1925, 47ff.

218 Zu Karl Friedrich Ernst Cellarius vgl. 76/1334: Cellarius hatte unter anderem Jura in Tübingen und Jena studiert, war aber laut einer Eingabe nicht in den Vermögensumständen, um sein Studium abzuschließen, weswegen er um Anstellung in badischen Dienste einkam, wo er unter anderem als Registrator und Sekretär im Geheimrat tätig war. Am 24.10.1757 wurde Cellarius per GR-Nr. 1515 aufgegeben, die Zensur der genehmigten Karlsruher Zeitung zu übernehmen, wobei insbesondere der hohen Staaten schuldige Respekt dabei nie außer Augen gesetzt werden sollte. Inhaltlich sollte er darauf achten, dass die aus anderen öffentlichen Blättern bzw.

zuverlässiger Korrespondenz schöpfenden Nachrichten unparteiisch vorgetragen würden, GLA 206/698.

219 Gesuch Macklots vom 10.7.1766, GLA 74/1186.

Vorenthaltung des Lohns geziehen hatten, nach der Intervention Welsers bzw. des württembergischen Geheimrats, ins Wochenblatt einrücken.220

Man sah in Baden während der ersten Regierungsperiode Karl Friedrichs die Zensur nicht als staatstragende Angelegenheit an, vielmehr wurde etwa dem Sekretär Molter die Zensur der belles lettres quasi als Ehrenamt und auf dessen eigenes Ersuchen übertragen.

Molter glaubte wohl in dieser Funktion schneller in den Genuss einer regulären Besoldung zu kommen, denn bisher wurde ihm lediglich aus der Handkasse Karl Friedrichs eine geringe Summe für seine Dienste als Bibliothekar der fürstlichen Privatbibliothek ausgeworfen.221 Außer der sehr vagen Instruktion für die Zensoren, Sorge dafür zu tragen, dass nichts die Zensur passiere was in respectu tam morali quam politico anstößig sei, legte man nur sehr grob gewisse fachliche Zensurzuständigkeiten fest. Der Kirchenrat Bürklin222 war etwa der vom Konsistorium bestellte Zensor fürs geistliche bzw. theologische Fach, Molter war für die schönen Wissenschaften zuständig und Hofrat Preuschen, ein Jurist, für alle übrigen Sachen.

Die Mitglieder des Geheimrats waren keiner Zensur unterworfen, aufgrund ihrer Position und der persönlichen Nähe zum Markgrafen, schien diese Maßnahme nicht notwendig zu sein.223

Dass der Hofrat trotz der seit 1757 neu zugeordneten Zuständigkeit für das Zensurwesen in keinerlei Weise tätig wurde, zeigt die Reaktion auf eine Anfrage der hessen-darmstädtischen Regierung vom April 1763. Offensichtlich wollte man dort wegen eines gewissen Vorfalls die eigene Zensur neu einrichten, weswegen man sich Auskunft darüber erbat, wie das durlachische Druckwesen zensiert werde, welche Instruktion man den Zensoren gebe und wie viel sie für ihre Arbeit erhielten. Der Hofrat sah sich außer Stande, eine Antwort

220 Anlässlich dieses Falles manifestierte sich unter anderem der informelle Charakter der badischen Zensur. Der Diener Welsers, Karl Georg Rupprecht, der eine Gegenanzeige zu einem Stuttgarter Artikel Welsers in das Karlsruher Blatt einrücken wollte, wandte sich dabei an den Hofrat Volz, der die Sache nicht verbot. Der eigentliche Zensor Cellarius approbierte daraufhin den Artikel. Nach der Beschwerde aus Stuttgart ordnete der Hofrat an, dass Macklot unter ausdrücklichem Bezug auf die obrigkeitliche Anordnung einen Widerruf des Artikels Rupprechts abzudrucken hatte. Der verhängten Strafe einer 24-stündigen Eintürmung entzog sich Rupprecht dadurch, dass er zwischenzeitlich ins badische Militär eintrat. Der Hofrat zog es wegen der Geringfügigkeit der Sache anscheinend vor, deswegen nicht mit den Militärbehörden in Kontakt zu treten, GLA 74/1194.

221 Friedrich Molter, offensichtlich ein gescheiterter Jurastudent, kam schon seit Mai 1754 verschiedentlich um Anstellung bzw. eine geringfügige Geldzuwendung ein. Im September 1756 wurde er Sekretär bei der Geheimen Ratskanzlei. Nach kurzer Zeit übertrug ihm Karl Friedrich außerdem die Sorge für seine Handbibliothek. Im September 1760 wurde sein wiederholtes Gesuch um Zutritt zum Geh.Sekretariat abgelehnt, was indes das 2do petitum anlanget, könne ihm die Censur und Aufsicht über die alhir gedruckt werdenden Schriften welche in die sogenannte schöne Wissenschaften einschlagen, überlassen werden, wobey ihm in Erinnerung zu thun seye, Sorge zu tragen, dass in respectu tam morali quam politico, nichts anstössiges noch anzügliches in dergl. Schriften heraus komme, GLA 76/5389.

222 Nach dem Tod Bürklins wurde der Kirchenrat Dr. Stein am 13.3.1761 zum Zensor aller in den hiesigen Buchdrukereyen zu druckender Kirchen- und Schul-Bücher auch übrigens Sachen welche in die Theologie und christliche Moral einschlagen ernannt, GLA 236/149.

223 GLA 236/149.

zu geben, und leitete die Anfrage an den Kirchenrat weiter. Es liegt dabei der Schluss nahe, dass der Hofrat als Kollegium bis zu diesem Zeitpunkt kaum zensierend tätig geworden war.

Die Rückantwort des Kirchenrats vom 29.7.1763 unterstreicht, dass von einer organisierten durlachischen Bücher- oder Pressezensur zu dieser Zeit noch nicht wirklich die Rede sein konnte. Das Spezialat [Karlsruhe?], so das Konsistorium, versehe die geistliche, Preuschen die juristische Zensur und Molter kümmere sich um die belles lettres. Dem darmstädtischen Ministerium sollte demnach mitgeteilt werden, dass sowohl die geistliche als juristische und andere Bücher von gewissen zu jeder Wissenschaft besonders ernannten Personen ohnentgeldlich censirt würden solche auch keine andere Instruction hätten, als genau darauf zu sehen, dass nichts contra principia religio, contra statum publicum und in generi contra bonos mores zum Druck befördert werde, wobey zugleich den Buchdruckern bey Strafe untersagt sey, nichts unter die Presse zu nehmen, wo nicht das imprimatur des Censors darauf befindlich sey.224

Obwohl nun eigentlich offenbar geworden war, dass man in Durlach nur über ein rudimentär eingerichtetes Zensurwesen verfügte, sollte dessen Neuorganisation noch drei weitere Jahre auf sich warten lassen. Typischerweise lag diesem Schritt kein Befehl der Regierung oder gar des Markgrafen zugrunde, sondern der eigentliche Anstoß hierzu war der Tod Hofrats Cellarius, der bisher für die Zensur der Karlsruher Zeitung zuständig war. Der Kirchenrat brachte in diesem Zusammenhang Vorschläge zu einigen bisher nur unzureichend geregelten Zensurobliegenheiten vor, damit bei der Zensur allhier in Druck kommender Schriften der Ordnung mehr als bishero nachgelebet werden möge. In die Theologie bzw. in die christliche Moral einschlagende Schriften wollte der Kirchenrat wie bisher dem Konsistorialrat Stein zugeordnet wissen, analog sollten Molter und Preuschen für die schönen Wissenschaften bzw. juridische und historische Schriften zuständig bleiben. Die fürstlichen Jura betreffende Druckwerke sollten wegen ihrer Brisanz dem Hofrat als Ganzem obliegen.

Philosophische, philologische und kritische Schriften aber welche quoad principia materialia zu weilen viel Falsches in sich enthalten können, hätte der Kirchenrat gerne dem geistlichen Zensor übertragen.225

Letzteres approbierte Karl Friedrich nicht, offensichtlich wollte er nicht, dass dem

„Pfaffenregiment“ in Durlach irgendein Einfluss auf die ihn interessierenden aufgeklärten Schriften zukam.226 Diese Art von Schriften übertrug er den erst kürzlich auf Veranlassung

224 GLA 74/1186 bzw. 236/149.

225 KR-Prot. Nr. 603 vom 4.7.1766, GLA 61/1531.

226 Kurz vorher war ein Versuch der geistlichen Konsistorialräte fehlgeschlagen, mehr Einfluss gegenüber den weltlichen Hofräten im Konsistorium zu erlangen. Sie brachten dabei vor, dass sie selbst in kirchlichen

Johann August Schlettweins in badische Dienste getretenen Gymnasialprofessoren Gottlob August Tittel und Johann Lorenz Böckmann. Zudem wurde nun Molter noch Zensor der Karlsruher Zeitung, die Zensur des Wochenblatts 227 wurde dem Hofrat Groos übertragen.228 Die Geheimräte sowie dazu speziell vom Markgrafen privilegierte Personen waren der Zensur nicht unterworfen, des Weiteren erhielten die Zensoren nun die Anweisung, Werke nicht redaktionell zu verändern, sondern die anstößigen Stellen separat mit ihren Monita zu versehen und gehörigen Orts anzuzeigen.229 Neben den Zensoren wurden lediglich die Karlsruher Drucker und Verleger vom Inhalt des Dekrets informiert,230 da sie die entscheidende Schnittstelle zwischen Autoren und Obrigkeit darstellten. Waren sie vertrauenswürdig, so konnte man einigermaßen sichergehen, dass nichts im Lande ohne Kenntnis der Regierung in Druck ging. Im Grunde lief diese Anstalt mehr auf eine Selbstkontrolle der Drucker hinaus, denn selbst wenn es mit gewissen Risiken verbunden war, illegal Werke zu drucken oder zu verlegen, so war dieses Risiko angesichts einer schwachen Exekutivgewalt durchaus kalkulierbar. Außer besagtem Verbot der Korrektur der vorgelegten Werke, welches den Autoren die unbeschädigte Rückgabe ihrer eingereichten Manuskripte garantieren sollte, machte diese „Zensurordnung“ keinerlei weitere Vorgaben an die Zensoren.

Im Grunde war das Zensurreskript nichts anderes als eine Art Respiziatseinteilung, die formaljuristisch die reichsständischen Obliegenheiten des Landesherren in Hinsicht auf das Druckwesen absicherte. Die Zensurpraxis stellte sich dabei als informeller Prozess dar, bei

Angelegenheiten wie der Besetzung von Schul- und Pfarrstellen sich gegen die politici nicht durchsetzen könnten und sich als stumme Männer fühlten. Karl Friedrich gab die Eingabe der geistlichen Räte an ihn direkt ans Konsistorium weiter. Am 30.5.1766 wurde die Sache dort behandelt (KR-Nr. 470), wobei zwei der drei geistlichen Kirchenräte unentschuldigt fehlten. Die Beschwerde wurde von den weltlichen Kirchenratsmitgliedern als ungerechtfertigt zurückgewiesen. Dem Konklusum fügte der anwesende Kirchenrat Stein noch folgendes kurzes Separatvotum bei: Ich protestire hiemit wieder alles den geistl. Kirchenräthen an ihrem Ansehen und als Mitgliedern des frstl. Consistoriums nachtheilige Verfahren auf das nachdrücklichste;

sonderlich aber, dass ihnen kein Factions Sinn angedichtet werden soll, wie oben in diesem Aufsaz den geistl.

Kirchenräthen eine ungutliche Zulage beygelegt wird, eben dieselbe für eine ungutliche Zulage erklären, als die an einen solche itio in partes oder Factions Geßinnung nie gedacht haben. Die geistlichen Kirchenräte

Kirchenräthen eine ungutliche Zulage beygelegt wird, eben dieselbe für eine ungutliche Zulage erklären, als die an einen solche itio in partes oder Factions Geßinnung nie gedacht haben. Die geistlichen Kirchenräte

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 89-95)

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