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Beaumarchais in Kehl:

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 95-98)

II. Öffentlichkeit in Baden: Zwischen Zensur und Pressefreiheit

4. Beaumarchais in Kehl:

Anfang der 1780er Jahre avancierte Kehl mit der Ansiedlung der beaumarchaischen Druckerei im Zusammenhang der Herausgabe der Werke Voltaires zu einem Zentrum der badischen Publizistik. 233 Nach längeren Verhandlungen wurde badischerseits eine Spezialzensurkommission eingerichtet, die den Verlegern eine fast unbeschränkte Druckfreiheit für die Werke Voltaires garantierte. Bezeichnenderweise wurde selbst die Bedingung des Markgrafen, die Pucelle d’Orleans und den Candide nicht in Kehl zu drucken,

231 Gutachten Brauers vom 21.10.1797, GLA 236/149.

232 So übermittelte etwa Johann Jakob Reinhard im Laufe der Jahre die einzelnen Bände seiner Vermischten Schriften dem Markgrafen, GLA 46/6861.

233 Kehl bot sich wegen seiner Grenzlage zu Frankreich als idealer Druckort an. Tatsächlich war es kein Problem, die französischen Behörden zu bestechen oder auf andere Weise zu erreichen, dass der Bücherexport nach Frankreich nicht unterbunden wurde. Anton Bettelheim. Beaumarchais. Eine Biographie. Frankfurt/Main:

1886, 356.

ohne irgendwelche Konsequenzen für die Verleger, nicht eingehalten.234 Bei der Diskussion des Projekts wurden denn auch vor allem formaljuristische Gründe vorgebracht, die eine Zensur ratsam erscheinen ließen, und nicht etwa eine Vorliebe für die Beschränkung der Pressefreiheit. Man befürchtete etwa, dass der Ort der Druckerey, auch wenn er nicht auf den Titel gesetzt erscheine, nicht lange verborgen bleiben könne und deshalb die Rücksicht auf die auswärtigen Höfe eine Druckerey ohne alle Censur und Aufsicht nicht zulasse.235

In Hinsicht auf die Religion nahmen die Geheimräte eine als bemerkenswert einzustufende liberale bzw. aufgeklärte Haltung ein: In Sachen, so die Religion angehen, sollten sie, Le Tellier und Consorten nicht geniert werden. Hiergegen könne zwar der Zweifel erregt werden, ob man eine solche unbeschränkte Censurfreiheit in Religionssachen mit gutem Gewissen zu ertheilen vermöge; man halte es aber für gut, dass dem Druck dergleichen, die Religion angreifenden Bücher um deßwillen kein Einhalt geschehe, weil dadurch Gelegenheit zu gründlicher Widerlegung und Beantwortung dergleichen Schriften erscheine, von denen die Religion ohnehin nichts zu fürchten habe, da im Gegentheil, wenn dergleichen Einwände bloß mündlich verbreitet werden, solche bey Ermangelung gründlicher Widerlegung um so schädlicheren Eindruck machen.236 Auf Vorstellungen LeTelliers hin, das Unternehmen gleich von der Zensur zu befreien, blieb man indes der Form nach hart: La situation de ce pays rend cette prévoyance absolument nécessaire.237 Die Zensurpraxis indes

Zum Druckereiwesen in Kehl siehe auch Erwin Dittler. Kehl als Druckort in den Meßkatalogen 1782-1786.

In: Die Ortenau 53 (1973), 178-189.

234 Bettelheim, Beaumarchais, 340f. Da im Generallandesarchiv Karlsruhe die einschlägigen Aktenfaszikel bei meiner Anwesenheit im Archiv nicht ausfindig zu machen waren, muss sich die folgende Darstellung vor allem auf die Monographien Bettelheims und Diehls stützen.

235 Bettelheim, Beaumarchais, 338. Man stimmte aber dann doch zu, bei Werken, die ohne Ortsangabe in Kehl gedruckt wurden, von der Zensur zu dispensieren, sofern sichergestellt war, dass nichts äußerst blasphemes oder Sachen, welche Smum mit der Nachbarschaft in Verdrießlichkeiten setzten darin enthalten war.

R. Diehl. Beaumarchais als Nachfolger Baskervilles. Entstehungsgeschichte der Kehler Voltaire-Ausgabe in Baskerville-Typen. Frankfurt/Main: 1925, 31.

236 Diehl, Beaumarchais, 32.

237 Diehl, Beaumarchais, 35. Meist waren die größten Feinde von geplanten Publikationsunternehmen nicht die Regierungskollegien, sondern Verlagskonkurrenten. Der über die badischen Grenzen hinaus wegen seiner Raub- und Nachdrucke berüchtigte Schmieder etwa protestierte am 2. März 1780 gegen das geplante Unternehmen eines ihm unbekannten Parisers, weil er dadurch sein kaiserliches Privileg auf den Nachdruck der besten deutschen prosaischen und französischen Schriftsteller verletzt sah. Im Geheimrat sah man nun aber die eigene Großzügigkeit, mit der man bisher den Nachdruck Schmieders geduldet hatte, ausgenutzt und erteilte ihm wegen seiner offensichtlichen Unverschämtheit einen Verweis. Dem Oberamt wurde aufgegeben, dem Schmieder zu bedeuten, dass in dem Fall wo er sich befinde, diese Bitte unziemlich seye. Das OA C.ruhe hat dem Buchführer Schmieder, der sich nicht geschämt hat, gegen ein zwar noch nicht zu Stande gekommenes Druck Etablissement zu Kehl unter Anführung seines selbstigen Nachdruckes eine Vorstellung einzureichen, diese leztere loco Resolutionis alles Ernstes zu verweisen, GR-Nr. 1877 vom 11.5.1780, GLA 206/702.

Schmieders Gewerbetätigkeit wurde von der Regierung weitestgehend unterstützt. Als ihm etwa die Berliner Verlagsanstalt den Nachdruck ihrer Produkte untersagen ließ, unterstützte der badische Geheimrat den Vorschlag Karl Friedrich Gerstlachers, zur Vermeidung größeren Schadens ein gerade bei Schmieder gedruckt werdendes Buch Mendelssohns ohne Jahreszahl zu drucken. GR-Nr. 4662 vom 16.11.1780, GLA 206/702. Die Geschäfte Schmieders liefen dabei vorzüglich. Ein Durchreisender berichtete 1787 von seinem Wohlstand und

lief auf eine faktische Zensurfreiheit für das am 18.12.1780 privilegierte Unternehmen hinaus.

238

Dass Beaumarchais von der badischen Zensur nichts zu befürchten hatte, wurde schon bald daran deutlich, dass die drei Mitglieder der Spezialzensurkommission einmütig die Drohung des Kardinals von Rohan zurückwiesen, bei Etablierung des Beaumarchaischen Unternehmens in Kehl Klage beim Kaiser erheben zu wollen. 239 Am deutlichsten äußerte sich hierbei der ehemalige Prinzenerzieher Friedrich Dominikus Ring. Er schickte seinen Ausführungen voraus, dass sowohl die französischen Kleriker als auch die Pariser Buchhändler sich aus Eigeninteresse gegen Voltaire verbündet hätten. Die vermeintliche Sorge Rohans um das Seelenheil seiner Schäfchen sei schon deswegen nicht schlüssig, weil sie sich Irreligion und Sittenlosigkeit wohlfeiler als für die 15-25 Louis d'or, die die Gesamtausgabe kosten sollte, kaufen könnten. Zudem habe man kaiserlicherseits nichts zu befürchten. Einerseits sei mit der Kommission eine ordentliche Zensurbehörde etabliert, zum anderen könne man um so weniger daran denken, die Preßfreiheit zu beschneiden, da man wisse, dass selbst Ihre Kaiserliche Majestät dies als einen Eingriff in die Rechte der

erstaunlichen Warenlager. Heinrich Funck. Aufzeichnungen eines sächsischen Geistlichen über seinen Aufenthalt in Karlsruhe im Jahre 1787, Sonderabdruck aus der Pyramide vom 16. und 23.6.1918. Eine Verordnung gegen den Nachdruck wurde durch Brauer erst nach dem Ende des Reichs 1806 vorgelegt und am 8.9.1806 erlassen, weil es vorher als untunlich angesehen worden sei, GLA 233/157. Abgedruckt bei Th.

Schletter. Handbuch der deutschen Preß-Gesetzgebung. Sammlung der gesetzlichen Bestimmungen über das literarische Eigenthum und die Presse in allen deutschen Bundesstaaten nebst geschichtlicher Einleitung.

Leipzig: 1846, 60ff.

Zu Schmieder siehe Bernd Breitenbruch. Der Karlsruher Buchhändler Christian Gottlieb Schmieder und der Nachdruck in Südwestdeutschland im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens Band 9 (1967/69), 643-731. Offenbar griff die Regierung Schmieder unter die Arme, als es ihm finanziell nicht mehr so gut ging: man gab ihm eine Kanzlistenstelle, ebd., 645.

238 Diehl, Beaumarchais, 43ff. Zu den Verhandlungen um die Einräumung von Teilen der Festung Kehl und zu den sich bald ergebenden Konflikten mit der dortigen Einwohnerschaft vgl. Bettelheim, Beaumarchais, 341ff. Der Verleger LeTellier machte sich die Kehler Bürgerschaft schon bald verhasst, weil er Franzosen zu seinem Unternehmen bevorzugt einstellte und eigenmächtig Wege bzw. Zäune anlegen ließ. Der Kehler Amtmann Strobel wunderte sich in diesem Zusammenhang über die Zurückhaltung der Regierung gegenüber LeTellier: Überhaupt habe ich von dem Nutzen und politischen Vorteil, den man sich von dem unruhigen Le Tellier verspricht, keine Information noch Begriff, Diehl, Beaumarchais, 66. Der menschlich wesentlich angenehmere Nachfolger LeTelliers, LaHogue, machte es der Zensurkommission aber ebenso schwer wie jener.

So beklagte diese, dass das wenigste von denen in Kehl gedruckten Werken des Voltaire zur Zensur komme, und auch die Zensur scheine nur pro forma zu sein, weil der Abdruck schon geschehen, wenn ein Bogen davon zur Zensur gesandt werde. Das mag nun bei den alten Sachen hingehen: anders stehe aber die Sache, wenn, wie augenblicklich, die Korrespondenz mit Friedrich dem Goßen gedruckt werde. Karl Friedrich stimmte in diesem Fall zu und LaHogue beugte sich. Wilhelm von Edelsheim empfahl in diesem Zusammenhang insbesondere einzelne Ausfälle Friedrichs gegen Zar Peter zu tilgen. Bettelheim, Beaumarchais, 355f.

239 Die drei Zensoren waren Friedrich Camill de Montpernis, Simon Volz, und Friedrich Dominikus Ring.

Zum Kammerherrn Friedrich Camill Marquis von Montpernis vgl. GLA 76/5409 und unten Fn. 619. Nachdem Karl Friedrich sich Hoffnungen gemacht hatte, dass Montpernis die Physiokratie in Baden verbreiten könne, bewährte dieser sich offenbar nicht in der Kammer. Im Laufe seiner Karriere übte Montpernis hohe Funktionen im Marschallamt bis hin zum Oberhofmarschall aus. Zum ehemaligen Subdelegierten bei der Reichskammergerichtsvisitation, Simon Volz, vgl. GLA 76/8140ff. Aufgrund eines Gesuchs von Volz vom Februar 1781, ihn von der übertragenen Spezialzensur zu befreien, wurde der ehemalige Prinzenerzieher

Menschheit verabscheuten und es als ein Hindernis der Aufklärung der Nationen betrachteten, wenn man alles so genau nehmen und nichts gelten lassen wolle, was etwa dem oder jenem aus Neid oder Privatabsichten ärgerlich und anstößig erscheinen und folglich als nicht zu erlauben vorkommen möchte.240

In wirtschaftlicher Hinsicht hatte das Kehler Unternehmen von Beaumarchais aber wohl keine positiven Auswirkungen auf Baden - zumindest nicht für den Staatssäckel. Wie schon angedeutet, versuchte die typographische Gesellschaft selbst bei einfachen Arbeiten möglichst französische Handwerker zu beschäftigen. Die 3.000fl. Pachtzins für den Standort, die innerhalb 10 Jahren einliefen, waren für den badischen Finanzhaushalt vernachlässigenswert, zumal Karl Friedrich später der Gesellschaft das Doppelte für die dort vorgenommenen „Meliorationen“ auszahlte.241

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 95-98)

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