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Die Unterscheidung zwischen Druck- und Buchhandlungswesen:

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 130-133)

II. Öffentlichkeit in Baden: Zwischen Zensur und Pressefreiheit

9. Die Unterscheidung zwischen Druck- und Buchhandlungswesen:

Bei der Zulassung von Druckereien verhielt man sich von Seiten der Regierung vorsichtig, weil alleine ihre Überwachung bzw. vielmehr die Vertrauenswürdigkeit der Drucker die Aufrechterhaltung des Zensurwesens gewährleisten konnte. War eine Druckerei ökonomisch nicht überlebensfähig, war das kooperative Miteinander von Verlegern, Druckern und Zensoren in Frage gestellt. Deswegen versuchte man überall dort, wo ältere Privilegien nicht im Wege standen, das Verlags- bzw. Buchhandlungsprivileg vom Druckprivileg getrennt zu halten. Aufgrund dieser gestuften Privilegierungen wurde die Regierung aber immer wieder in den Privatstreit konkurrierender Unternehmen hineingezogen. In der Regel versuchten dabei etablierte Unternehmen unliebsame Konkurrenz vom Markt fernzuhalten, indem sie die Regierung anriefen, ihre Privilegien zu verteidigen. Die dargestellte Problematik lässt sich eingehend am Fall der Beschwerde der führenden Heidelberger Buchhandlungen gegen einen dortigen Buchdrucker nachvollziehen.

Am 17.2.1807 wiesen die Buchhandlungen Schwan und Götz bzw. Mohr und Zimmer die pfälzische Regierung in Mannheim darauf hin, dass der Buchdrucker Gutmann im Heidelberger Wochenblatt Schriften öffentlich zum Verkauf anbiete, insbesondere die bei den Studenten beliebten juristischen Kompendien. Sie sahen dadurch ihre Privilegien verletzt und die eigene Existenz gefährdet. Aus diesem Grund beantragten sie bei der Mannheimer Regierung, das Buchsortiment Gutmanns zu konfiszieren. Die Regierung beauftragte entsprechend das Stadtvogteiamt, Gutmanns Bücherbestand unter Siegel zu legen und ein

für die Zukunft verwarne. Diesem Anraten schloß sich der Geheimrat am 11.6.1801 an. Ob diese Haltung des Geheimrats auf den Versuch zurückging, die Sache wegen möglicher Schwierigkeiten mit Württemberg im Sand verlaufen zu lassen oder ob man gar die Berechtigung der Kritik an dem Württemberger Herzog im Grunde als gerechtfertigt ansah, ließ sich aus den Aktenbeständen nicht eruieren, GLA 74/6289.

304 Vgl. GR-Nr. 2023 vom 10.4.1804 bzw. Nr. 3048 vom 26.5.1804, GLA 171/213.

305 Der Kirchenrat argumentierte damit, dass bei der voraussehbaren fehlenden Auslastung seiner Druckpresse die Gefahr der Etablierung einer Winkeldruckerei drohe. Zudem sei Euchele kein gelernter Buchdrucker, die bestehende Druckerei des Katz sei nur wegen der gleichzeitigen Herausgabe des Wochenblatts einigermaßen rentabel. Der Kirchenrat befürchtete wohl des Weiteren, dass Katz der das Müllersche Gymnasialdruckprivileg übernommen hatte, seinen diesbezüglichen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnte. KR-Nr. 2169 vom 21.8.1805, GLA 171/214. Der Stadtrat von Pforzheim stand dem Anliegen Euchelns ebenfalls ablehnend gegenüber. Zwei Druckereien, so die Räte, könnten sich in Pforzheim nicht halten. Euchele sei es überdies möglich, aufgrund eines nicht weiter spezifizierten glücklichen Zufalls anderweitig Nahrung zu finden, zumal er kinderlos verheiratet sei und nur sich und seine Frau durchbringen müsse. Pforzheimer Stadtratsprotokoll Nr. 364 vom 19.8.1805, GLA 171/211.

Verzeichnis davon anzufertigen (Mannheimer HR-Nr. 1330 vom 20.2.1807).306 Dies rechtfertigte man damit, dass das im September 1804 Gutmann erteilte Privileg zum Buchdruck nicht den Buchhandel mit einschloss. Beim Stadtvogteiamt sah man sich indes außer Stande, dieses Verzeichnis zu liefern, da die Buchbestände bei Gutmann ungeordnet in zwei Räumen herumlagen. Dieser hatte seine Verkaufspraxis mit dem Herkommen in Deutschland gerechtfertigt, zumal er sonst der Willkür der Buchhändler völlig ausgesetzt sei und sein Einkommen verliere. Bisher habe sich niemand daran gestoßen, selbst die Buchhändler hätten mit ihm gehandelt. Aus geschäftlichen Gründen bat er darum, ein schnelle Entscheidung zu treffen und seine Bestände wieder zum Verkauf freizugeben (Stadtvogteiamt Heidelberg Prot.-Nr. 1524 vom 25.2.1807).

Die Mannheimer Regierung ordnete daraufhin die Entfernung der Siegel an, um sich aber abzusichern, richtete man gleichzeitig eine Anfrage an den Geheimrat, wie man sich in derartigen Fällen zu verhalten habe (HR-Nr. 1524 vom 27.2.1807). Dort war man aber der Ansicht, dass es bei dem Verbot des gleichzeitigen Buchhandels und Buchdrucks bleiben müsse. Gutmann war daher nur zu erlauben, Bücher, die er im eigenen Verlag druckte, zu verkaufen. Der Kommissionshandel bzw. Handel mit Nachdrucken sollte ihm explizit untersagt werden. Überdies kritisierte man die Anfrage der Mannheimer Regierung als zu unspezifiziert und befahl, sich näher darüber auszulassen, worauf man eigentlich aus sei (GR-Nr. 1328 vom 19.3.1807).

In einem langen Gutachten des Mannheimer Rats Gaum wurde daraufhin grundsätzlich zwischen dem Verlags-, Kommissions- und Sortimentsbuchhandel unterschieden und nur der erstere den Buchdruckern zugestanden. Insbesondere in Hinsicht auf die Zensur sah es Gaum als notwendig an, die bestehenden Grenzen zwischen Buchdruck und Buchhandel aufrecht zu erhalten: Buchhandlung und Buchdrukerey sind zwey abgesonderte ganz verschiedene Gewerbe - der Buchdruker ist Fabrikant des Verlegers, ersterer ist Handelsmann, im eigentlichen Sinn des Worts und nirgends ist von seiten des Staats Polizey-Aufsicht nothwendiger als gerade im Bücherwesen, besonders in unsern Zeiten. Wie lässt sich aber noch Polizey Aufsicht und Censur mit Würksamkeit denken, wenn die Handlung und Drukerey in einer Hand steht. Ich rede hir nicht von den Diebereyen des Nachdruks, dem nicht mehr gesteuert werden kann; von dem Buchhändler hängt es ab, durch die willkührliche Bestimmung eines Verlag und Drukorts, alle verbothenen gegen Religion, Sitten und den Staat laufende Schriften in die Welt zu fördern ohne die mindeste Gefahr entdekt zu werden, der Schein durch die Versendung von einem Lager zu dem andern begegenet ist. Sind beide

306 GLA 313/212.

Gewerbe getrennt, so hat man die Drukereyen in der Hand und kann bey diesen den polizeyl.

und Censur-Verordnungen Nachdruk geben, wie den auch die meiste Censur Ordnungen blos auf die Drukereyen berechnet sind.307 Gutmann sollte dementsprechend verpflichtet werden, seine Bestände binnen vier Wochen bei einer regulären Buchhandlung in Kommission zu geben. Dem sorgfältigen Votum Gaums schloss sich die Mannheimer Regierung am 13.5.1807 an (Mannheimer HR-Nr. 3474), selbst der Geheimrat war von dessen Ausführungen angetan und bezeichnete sie als instruktiv. Dem Antrag Gaums auf Erlass einer neuen Verordnung kam man daraufhin von Seiten des Geheimrats sofort nach (GR-Nr. 2648 vom 25.5.1807), in der Pfalz wurde das entsprechende Dekret einen Monat später in das Provinzblatt Nr. 25 vom 24.6.1807 eingerückt.308 Gutmann versuchte zwar noch durch allerlei Anträge - beispielsweise um die Erlaubnis zum antiquarischen Buchhandel - die erlassenen Bestimmungen zu unterlaufen, wurde aber abschlägig beschieden.309

Grundsätzlich war man von Regierungsseite dem Druckwesen gegenüber nicht negativ eingestellt und versuchte stets, die damit zusammenhängenden Aspekte der ökonomischen Erfordernisse, polizeilicher bzw. zensurpolitischer Vorgaben sowie die allgemeine Beförderung der Wissenschaften und der Aufklärung miteinander zu verbinden. Die Regierung reglementierte dabei keineswegs von sich aus präventiv das gesamte Publikationswesen, sondern wirkte mehr als Schlichter konkurrierender wirtschaftlicher Interessen unter Wahrung der allgemeinen staatlichen und gesellschaftlichen Erfordernisse.

Die eigene Verordnungstätigkeit erwuchs oft aus dem Versuch einzelner Unternehmen, sich über Beschwerden, Anträge und Privilegierungen einen möglichst großen Anteil am Marktgeschehen zu sichern bzw. potentielle Konkurrenten durch die Einschaltung der Regierung niederzuhalten. Diese Problematik wurde bei den Behörden durchaus gesehen, war aber angesichts des dargestellten Zusammenhangs von Druckwesen und Aufrechthaltung der Zensur prinzipiell nicht aufzulösen. Indes versuchte man bei den staatlichen Eingriffen derart

307 GLA 313/212.

308 Wir nehmen seit einiger Zeit wahr, dass diejenige, welche auf das Buchdrukergewerbe in unsern Staaten berechtigt sind, nach und nach unter dem Vorwand des Tauschhandels, in welchen sie durch ihren Verlag kommen, sich eines Buchhandels bemächtigen, auch manche andere Personen sich unter mancherlei Vorwand dazu eindringen, wodurch den berechtigten Buchhandlungen Eintrag geschieht, und am Ende dieses Gewerbe, das nur bei gehöriger Gründlichkeit, und Ausbreitung des Betriebes dasjenige leisten kann was mit Recht der Staat von ihm erwartet, durch Überhäufung der Theilnehmer zum Nachtheil der Schriftsteller, und Verleger in Verfall geräth, somit folgeweise die wissenschaftliche Bildung selbst in ihren Fortschritten gehemmt wird. Es wurden dann detailliert die Grenzen zwischen Buchhandel und Buchdruck festgelegt, die aber Rücksicht auf ökonomische Gegebenheiten nahmen. Wo etwa ohne Konzession diese Gewerbe vermengt worden seien, sollte den betreffenden Unternehmen von der Polizei eine angemessene Frist zur Entflechtung eingeräumt werden, GLA 313/212.

309 Zuletzt per GR/Polizeidepartement Nr. 285 vom 14.1.1808, GLA 313/212.

zu agieren, dass man einen billigen ökonomischen Interessenausgleich anstrebte, bei dem man sich selbst weder die Hände band noch permanent zum Eingreifen genötigt wurde.310

Die grundsätzlich positive Einstellung der Regierung gegenüber dem Druckwesen zeigte sich anlässlich der Neufundierung der Universität Heidelberg, als man die Mannheimer Buchhändler und Drucker darum anging, eine Druckerei in der Universitätsstadt einzurichten.311 Dieser Fall offenbart aber gleichermaßen, wie sehr die Behandlung durch die Behörden von den persönlichen Verhältnissen des einzelnen Unternehmers abhing. Während man Gutmann, wie dargestellt, prinzipiell nicht gestattete, den Buchhandel neben seiner Druckerei zu betreiben, berief sich die Mannheimer Regierung im Falle Kaufmanns auf die 1803 erfolgte Privilegierung für beide Gewerbszweige. Die Tatsache, dass mit Friedrich zugleich ein Staatsbeamter am Unternehmen Kaufmanns beteiligt war, ließ dasselbe in den Augen der Mannheimer Regierung wohl darüber hinaus vertrauenswürdiger erscheinen.

Andererseits hielt man sich in der Regel an gültige Verordnungen, wenn ältere Privilegien dem nicht im Weg standen. Dem Hofrat Ernst Andreas Lamey, der darum einkam, ihm den eigenen Druck der Mannheimer Zeitung einzuräumen, um sie kostengünstiger herstellen zu können, beschied man abschlägig. Dementsprechend fühlte sich Lamey nun gegenüber anderen Verlegern wie Kaufmann/Friedrich (Rheinisches Bundesblatt), dem Journal politique und der Mannheimer katholischen Spitalsdruckerei (Provinzial- und Wochenblatt) benachteiligt, drang aber damit bei den Behörden nicht durch, weil diese Unternehmungen eben das Glück der früheren Privilegierung hatten, die trotz anders lautender neuer Verordnungen weiterhin gültig blieben.312

Im Dokument „Moderate et prudenter“ (Seite 130-133)

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