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Abschnitt 1: Entscheidung Erwartung

4. Teil 2: Reputation als Anreizmechanismus

4.1. Theorie der Reputation als Anreizmechanismus

4.1.2. Reputation im Einprodukt-Fall

4.1.2.2. Einflussfaktoren der qualitätssichernden Preisprämie

Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, dass Unternehmen eine Preisprämie verdie-nen müssen, damit sie eiverdie-nen Anreiz haben, auch im Fall asymmetrischer Information über ihre Handlung hohe Qualität anzubieten. Der Barwert der Preisprämien R garantiert, dass sie keinen Anreiz haben, sich opportunistisch zu verhalten und niedrige Qualität anzubie-ten. Wie hoch die qualitätssichernde Preisprämie sein muss, ist von verschiedenen Ein-flussfaktoren abhängig.257 In diesem Abschnitt werden die Faktoren identifiziert und ihr Einfluss auf die qualitätssichernde Preisprämie erläutert. Alternativ handelt es sich dabei um die Faktoren, von welchen es abhängt, ob bei einer gegeben Preisprämie ein Reputati-onsgleichgewicht existiert. Je höher die erforderliche Preisprämie ist, desto unwahrschein-licher ist die Existenz eines Reputationsgleichgewichts. Die Analyse bezieht sich auf den Einprodukt-Fall. Die meisten Argumente können aber auch auf den Mehrprodukt-Fall übertragen werden.

256 Das Ergebnis, dass mit Hilfe von Prämien das Problem von asymmetrischer Information und morali-schem Risiko überwunden werden kann, wurde auch in anderen Zusammenhängen gefunden. Die Idee wurde erstmals von Becker and Stigler (1974) formuliert. Die Anwendung einer Sicherheit wird seitdem in verschiedenen Bereichen wie zum Beispiel bei der optimalen Entlohnungsstrategie (Yellen (1984);

Stiglitz (1987); Lang and Kahn (1990); Lazear (1979); für einen Überblick siehe Carmichael (1990)), Be-kämpfung von Korruption im öffentlichen Dienst (Becker and Stigler (1974)), Kreditverträgen (Stiglitz and Weis (1983)) oder optimalen Franchiseverträgen (Klein (1980); Wimmer and Garen (1997)) und als Möglichkeit der Überwindung von Problemen des moralischen Risikos diskutiert. Für allgemeine Ansätze vgl. Telser (1980) und Williamson (1983).

257 Bei den erläuterten Faktoren handelt es sich gleichzeitig um die Faktoren, welche sich auf den Anreiz eines Unternehmens auswirken, seine Reputation zu melken. (Vgl. Shapiro (1983), S. 666.)

Kauffrequenz

Unter der Kauffrequenz wird verstanden, wie oft ein Produkt wiederholt von einem Nach-frager gekauft wird. Determiniert wird sie vor allem von der Art des betrachteten Gutes.

Während Verbrauchsgüter, häufig erworben werden, werden Gebrauchsgüter nur selten wiederholt erworben. Die Kauffrequenz hat einen wesentlichen Einfluss auf die notwendi-ge Höhe der Preisprämie.258 Je seltener ein Produkt nachgefragt wird, desto höher ist der Anreiz, sich kurzfristig opportunistisch zu verhalten und niedrige Qualität anzubieten, da erst nach relativ langer Zeit der Verlust aufgrund eines Boykottes spürbar wird. Damit ein Unternehmen in diesem Fall einen Anreiz hat, hohe Qualität anzubieten, muss es jede Pe-riode eine relativ hohe Preisprämie erzielen. In Formel (4) ist die Kauffrequenz stellvertre-tend durch den Zinssatz r abgebildet. Je länger der Zeitraum zwischen zwei Käufen ist, desto höher ist r. Dies wiederum hat eine höhere Preisprämie zur Folge.

Die Wirksamkeit von Reputation als Anreizmechanismus ist somit in solchen Märkten besonders hoch, in denen viele Wiederholungskäufe getätigt werden. In Märkten mit einer geringen Anzahl an Wiederholungskäufen sind hingegen sehr hohe Preisprämien notwen-dig, damit Reputation einen Anreiz zur Überwindung des moralischen Risikos darstellt.

Geschwindigkeit der Anpassung der Käufererwartungen

Ein weiterer Aspekt des Nachfragerverhaltens, der einen Einfluss auf die Höhe der quali-tätssichernde Preisprämie hat, ist die Geschwindigkeit, mit der die Erwartungen angepasst werden. Im oben dargestellten Modell wurde angenommen, dass die Nachfrager ihre Er-wartungen sofort vollkommen angepasst haben. Hat ein Unternehmen einmal niedrige Qualität angeboten, so wird dies von ihm auch in der Zukunft immer erwartet. Passen die Nachfrager ihre Erwartungen langsamer an, so steigt der kurzfristige Gewinn aufgrund des opportunistischen Verhaltens. Kann ein Unternehmen zum Beispiel T Perioden niedrige Qualität anbieten bevor die Nachfrager ihre Erwartungen anpassen, resultiert daraus ein Opportunitätsgewinn in Höhe von

1 (1 )

T

L t t

P c

= r

+

.

Damit Reputation weiterhin hohe Qualität garantiert, muss nun gelten:

258 Für eine theoretische Analyse des Nachfragerverhaltens siehe auch Shapiro (1983), S.671 – 673.

1 (1 )

Der Wert der Reputation muss den kurzfristigen Opportunitätsgewinn übersteigen. Daraus folgt für die Preisprämie, die das Unternehmen erzielen muss:

1

Abbildung 30: Preisprämie in Abhängigkeit der Zeitdauer, nach der die Nachfrager ihre Erwartungen anpassen.

In Abbildung 30 ist die minimale Preisprämie für cL =0, 1cH = und r=0,1 dargestellt.

Wie die Abbildung verdeutlicht, steigt die notwendige Preisprämie mit Zunahme der Zeit, nach welcher die Nachfrager ihre Erwartungen anpassen, an. Daraus folgt, dass je langsa-mer die Nachfrager ihre Erwartungen anpassen, um so höher muss die Preisprämie sein, damit ein Reputationsgleichgewicht existiert. Konsumenten profitieren somit davon, wenn sie möglichst schnell auf eine Qualitätsänderung reagieren, da dadurch die

qualitätssi-chernde Preisprämie, die sie zahlen müssen, abnimmt.259 Auch bedeutet dies, dass mit zu-nehmender Geschwindigkeit, mit der die Nachfrager ihre Erwartungen anpassen, die not-wendigen Investitionen in den Reputationsaufbau abnehmen. Oder alternativ: Reputation funktioniert um so besser als Anreizmechanismus, je schneller die Nachfrager reagieren.

Wie die Erwartungen an die tatsächlich produzierte Qualität angepasst werden, wurde in einigen empirischen Untersuchungen analysiert. Auf die Ergebnisse dieser Untersuchun-gen wird in Kapitel 4.2.1. eingeganUntersuchun-gen.

Informationsdiffusion

Ein dritter Aspekt des Nachfragerverhaltens ist die Geschwindigkeit der Informationsdiffu-sion unter den Nachfragern. Wie schnell sich Information über das Anbieterverhalten ver-breitet, ist unter anderem von der Art des Produktes abhängig. Handelt es sich um ein Pro-dukt, bei dem die Qualitätsmerkmale weitgehend objektiv sind und die Nachfrager sich bezüglich der Qualität einig sind, so wird die Geschwindigkeit der Informationsdiffusion hoch sein. Sind hingegen viele Qualitätsmerkmale subjektiver Natur, so ist die Informati-on, die jemand erhält, weniger relevant als die eigene Erfahrung. In diesem Fall verbreitet sich Information aufgrund ihrer subjektiven Natur eher langsam.260

Je langsamer Information sich verbreitet, desto länger kann ein Unternehmen niedrige Qualität anbieten, ohne dass ein Großteil der Nachfrager es merkt. Die Auswirkung auf die Preisprämie ist dieselbe wie im Fall, dass die Nachfrager ihre Erwartungen verzögert an-passen. Somit muss die Preisprämie mit abnehmender Geschwindigkeit der Informations-diffusion zunehmen, damit sie als Sicherheit für hohe Qualität dienen kann. Reputation kann um so eher Qualität garantieren, je schneller sich die Information über das Verhalten der Anbieter verbreitet. Institutionen wie das Internet, welche dazu beitragen, dass die Ge-schwindigkeit der Informationsdiffusion zunimmt, sind daher wohlfahrtserhöhend, weil durch sie die Funktion von Reputation als Qualitätssicherung verbessert wird.

Produktcharakteristika

Bei der Art des Produktes gibt es zwei Faktoren, die sich auf die notwendige Höhe der Preisprämie und somit die Wirksamkeit der Reputation auswirken. Zum einem spielt die Zeit eine Rolle, welche benötigt wird, um die Qualität zu beobachten. So ist die

259 Rogerson (1983), S. 513

260 Von Weizsäcker (1980), S. 84f..

schaft Haltbarkeit eines Autos erst nach relativ langer Zeit beobachtbar. Wird ein neues Modell auf den Markt gebracht, so herrscht bezüglich dieser Eigenschaft relativ lange Un-sicherheit. Diese Unsicherheit kann das Unternehmen ausnützen, indem es die Qualität senkt und bis zur Entdeckung der Qualität weiterhin das Produkt zu einem hohen Preis verkauft. Damit es einen Anreiz hat, dies nicht zu tun, muss der Wert der Reputation be-ziehungsweise die erzielbare Preisprämie relativ hoch sein.

Zum anderen spielt die Tatsache eine Rolle, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Nachfra-ger die tatsächliche Qualität beobachten können. Während im oben erläuterten Modell an-genommen wurde, dass die Qualität sofort nach dem Kauf beobachtbar ist, gibt es in der Realität viele Fälle, in denen auch nach dem Kauf Unsicherheit über die Qualität besteht.

Nicht immer kann die Qualität eines Produktes vollkommen beobachtet werden. Oft fehlt dem Nachfrager die Information, wie zum Beispiel im Fall von Medikamenten.261 Je schwieriger es ist, die Information zu entdecken, desto größer ist der Anreiz eines Unter-nehmens, sich opportunistisch zu verhalten und niedrige Qualität als hohe zu verkaufen.

Die Wahrscheinlichkeit, mit der dieses Verhalten durch einen Reputationsverlust bestraft wird, ist oft sehr gering. Die Nachfrager müssen dem Anbieter großes Vertrauen entgegen-bringen, was seine Qualitätsversprechen betreffen. Dementsprechend kann ein Unterneh-men seine Absichten nur mit einer Reputation von sehr hohem Wert beziehungsweise einer sehr hohen Preisprämie signalisieren.

Angebotene Qualitätsvarianz

Ein weiterer Einflussfaktor auf die Höhe der notwendigen Preisprämie ist die vorhandene Varianz der Qualität auf dem Markt. Je größer der Unterschied zwischen hoher und mini-maler Qualität ist, desto höher ist das Risiko eines Kaufs für den Nachfrager. Da mit zu-nehmender Qualitätsdifferenz der Unterschied der variablen Kosten zwischen hoher und niedriger Qualität zunimmt, steigt auch der Anreiz für das Unternehmen, kurzfristig die Qualität zu senken. Wie aus Formel (4) hervorgeht, muss demnach die Preisprämie mit zunehmenden Unterschied zwischen minimaler und hoher Qualität steigen. Alternativ be-deutet dies, dass eine Reputation mit dem Wert R nur bis zu einer bestimmten Höhe der vorhandenen Qualitätsvarianz auf dem Markt hohe Qualität garantieren kann. Ist die Quali-tätsvarianz und die damit verbundene Kostenvarianz zu hoch, so übersteigt der kurzfristige Gewinn aufgrund opportunistischen Verhaltens den Verlust der Reputationsrendite.

261 Im Fall von Medikamenten gibt es noch einen anderen qualitätssichernden Marktmechanismus. Die Un-ternehmen müssen sehr hohe Investitionen tätigen, die sehr produktspezifisch sind. So können bestimmte Produktionsanlagen nur für ein entsprechendes Produkt eingesetzt werden. Muss nun ein Produkt vom Markt genommen werden, so verliert das Unternehmen auch den Wert, der durch die Produktionsanlagen geschaffen werden konnte, da sie nicht alternativ einsetzbar sind.

Wie hoch die minimale Qualität ist, hängt zum einen davon ab, ab welchem Niveau die Qualität nicht weiter gesenkt werden kann, ohne dass die Nachfrager dies beobachten kön-nen und zum anderen, welche rechtlichen Regelungen über Mindeststandards auf dem Markt existieren. Allgemein profitieren alle Nachfrager, sowohl die minimaler als auch die hoher Qualität, von einer Erhöhung der minimalen Qualität, welche nicht mehr von hoher Qualität ex ante unterschieden werden kann.

Kosten der Qualitätsvariation

Ein weiterer Einfluss auf die notwendige Höhe der Preisprämie ist die Möglichkeit der Anbieter, die Qualität im Zeitablauf zu ändern. Bisher wurde die Möglichkeit der kostenlo-sen Qualitätsvariation angenommen. Wird jedoch unterstellt, dass die Kosten einer Quali-tätsänderung c q(∆ ) betragen, dann verringert sich die Preisprämie auf r c

[

H − − ∆cL c q( )

]

,

da der Gewinn, den das Unternehmen durch eine Senkung der Qualität erzielt, ebenfalls geringer ist.262 Im Extremfall sind die Kosten der Qualitätsänderung so hoch, dass ein Un-ternehmen keinen Anreiz mehr hat, die Qualität zu variieren. In diesem Fall benötigt es keine Preisprämie. Es handelt sich somit um ein Problem von asymmetrischer Informati-onsverteilung ohne moralischem Risiko. Daraus folgt, dass die Wirksamkeit von Reputati-on als Qualitätsgarantie um so höher ist, je höher die Kosten der QualitätsvariatiReputati-on für die Unternehmen sind.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Preisprämie beziehungsweise der Wert der Reputation, welche erforderlich ist, damit ein Reputationsgleichgewicht existiert, zu-nehmen muss mit

• abnehmender Häufigkeit, mit der das Produkt erworben wird,

• abnehmender Geschwindigkeit, mit der die Nachfrager ihre Erwartungen anpassen,

• abnehmender Geschwindigkeit der Informationsdiffusion,

• zunehmender Zeit, die benötigt wird, die Qualität zu beobachten,

• zunehmender Differenz zwischen hoher und minimaler Qualität,

• abnehmenden Kosten der Qualitätsvariation.

Da eine Erhöhung der qualitätssichernden Preisprämie gleichzeitig zu einer Abnahme der Gesamtwohlfahrt führt, weil ein Teil der Nachfrager vom Konsum ausgeschlossen wird,

262 Montgomery and Wernerfelt (1992), S. 37

sind Maßnahmen, welche sich positiv auf die betrachteten Einflussfaktoren auswirken, wohlfahrtserhöhend. In Märkten, in denen sich die erläuterten Faktoren sehr negativ auf die Wirksamkeit von Reputation als Anreizmechanismus auswirken, wird erwartet, dass andere qualitätssichernde Maßnahmen wie zum Beispiel Garantien oder Gütesiegel von den Unternehmen ergriffen werden, da diese im Vergleich zu sehr hohen Preisprämien billiger sind. Ob diese Erwartungen in der Realität erfüllt werden, wurde bisher jedoch noch nicht empirisch untersucht.