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Die Chloridsekretion wurde bei drei verschiedenen Tiergruppen in unterschiedlichen Stadien des Heranwachsens gemessen. Durch den Vergleich etwa vier Wochen alter Ferkel mit unge­

fähr vier Monate alten Mastschweinen sollte dabei der Einfluss des Alters untersucht werden.

Indem gleichzeitig saugende Ferkel und Ferkel, die seit zwei Tagen von der Mutter abgesetzt waren, einbezogen wurden, konnte auch auf kurzfristige Auswirkungen des Absetzens auf die Chloridsekretion geschlossen werden.

Am unstimulierten Epithel wurden weder im Jejunum noch im Colon signifikante Unterschie­

de in der Chloridsekretion zwischen den drei Tiergruppen beobachtet. Somit konnten weder ein Alterseffekt noch Veränderungen durch das Absetzen festgehalten werden. Allerdings konnte im Jejunum eine Tendenz zu einer höheren Chloridsekretion bei den Ferkeln gegen­

über den Mastschweinen notiert werden.

Im Colon führte weder eine muscarinerg vermittelte noch eine cAMP-abhängige Stimulation zu signifikant zwischen den Tiergruppen verschieden ausgeprägter Chloridsekretion. Folglich konnte für den elektrogenen Chloridtransport ins Colon weder ein Einfluss des Alters der Tie­

re noch ein Effekt des Absetzens bestätigt werden.

Dagegen ließ sich die Chloridsekretion im Jejunum sowohl über muscarinerge Rezeptoren als auch durch Erhöhen des cAMP-Spiegels bei den beiden Ferkelgruppen signifikant stärker sti­

mulieren als bei den Mastschweinen. Auch etwa 50 min nach Beginn der cAMP-Stimulation lag die Chloridsekretion der Ferkel noch signifikant höher. Der initial erreichte Gipfel der Chloridsekretion nach cAMP-Erhöhung lag zudem bei den abgesetzten Ferkeln signifikant höher als bei den Saugferkeln; dieser Unterschied verschwand jedoch zu einem früheren Zeit­

punkt nach Beginn der Stimulation als der zu den Mastschweinen. Die muscarinerg vermittel­

te Chloridsekretion fiel bei den Saugferkeln lediglich in der Tendenz geringer aus als bei den Absetzern. Als Fazit wurden somit ein Absinken der stimulierbaren Chloridsekretion im Jeju­

num, unabhängig vom Stimulationsweg, mit zunehmendem Alter der Schweine sowie ein An­

stieg zumindest der cAMP-vermittelten Chloridsekretion zwei Tage nach dem Absetzen kon­

statiert.

Auch die Gewebeleitfähigkeiten ließen im Colon keinen Einfluss von Tieralter oder Absetzen erkennen. Im Jejunum wiesen die Ferkel tendenziell während des gesamten Versuchs höhere Leitfähigkeiten auf, was auch in der Varianzanalyse als 23%iger Anteil der Tiergruppe an der Gesamtvarianz zu erkennen war. Eine Einteilung dieses Unterschiedes in parazelluläre und transzelluläre Komponenten der Leitfähigkeit war mit den Daten dieser Arbeit nicht möglich.

Ausgeschlossen werden konnte jedoch eine Beeinflussung der elektrogenen Chloridsekretion durch eine eventuell erhöhte parazelluläre Leitfähigkeit bei den Ferkeln. Die über die Kurz­

schlussströme erfasste Chloridsekretion umfasst ausschließlich den aktiven elektrogenen Transport. Parazelluläre Ionenbewegungen folgen dagegen stets einem elektrischen, osmoti­

schen oder einem Konzentrationsgradienten als Triebkraft, sind also passiv und werden unter den Short-Circuit-Bedingungen der Ussingkammer nicht als Isc erfasst.

Im Bezug auf die Altersabhängigkeit der Chloridsekretion stimmen die hier zusammengefass­

ten Ergebnisse gut mit denen von GRØNDAHL et al. (1996) und ERLWANGER et al. (1999) für das Jejunum überein. In diesen Studien lagen die basalen Kurzschlussströme bei Abset­

zern in der Tendenz niedriger als bei knapp vier Monate alten Mastschweinen, während die Gewebewiderstände bei den älteren Tieren signifikant erhöht waren. Auch die Chloridsekreti­

on nach muscarinerg vermittelter und cAMP-vermittelter Stimulation war in beiden Arbeiten bei den Absetzern stärker ausgeprägt als bei den Mastschweinen. Im Widerspruch dazu stehen die Beobachtungen von McEWAN et al. (1990), nach denen im Jejunum kein Unterschied in den basalen Kurzschlussströmen oder Gewebeleitfähigkeiten und in der cAMP-stimulierten Chloridsekretion zwischen 14 Tage alten Ferkeln und 14 Wochen alten Schweinen besteht.

Zum Effekt des Absetzens auf die intestinale Chloridsekretion liegen recht widersprüchliche Literaturdaten vor, für deren Interpretation die genaue Versuchsanordnung und insbesondere die Zeitspanne zwischen Absetzen und Durchführung der Messungen von großer Bedeutung zu sein scheint. Zwei Arbeitsgruppen (BOUDRY et al. 2004, CARLSON et al. 2004) haben

Untersuchungen über mehrere Tage nach dem Absetzen vorgenommen. Dabei fanden BOUDRY et al. (2004) zwei Tage nach dem Absetzen eine Erhöhung der basalen Kurz­

schlussströme im Jejunum und Colon und damit korrespondierend im Jejunum ein Absinken des Gewebewiderstands. Fünf Tage nach dem Absetzen waren diese Veränderungen wieder verschwunden, und es konnten bis zum 15. Tag nach dem Absetzen keine weiteren Verände­

rungen der basalen elektrophysiologischen Parameter gefunden werden. Die muscarinerg so­

wie cAMP-stimulierte Chloridsekretion wurde lediglich bei nicht abgesetzten und seit 15 Ta­

gen abgesetzten Tieren verglichen und lag im Jejunum bei den Saugferkeln signifikant höher.

Im Colon konnte kein Unterschied beobachtet werden. CARLSON et al. (2004) konnten da­

gegen im Jejunum keinen Anstieg der basalen Kurzschlussströme, sondern im Gegenteil ten­

denziell ein Absinken ein bis zwei Tage nach dem Absetzen feststellen, das sich bis 14 Tage nach dem Absetzen fortsetzte, ohne jedoch zu signifikant niedrigeren Werten zu führen. Auch die Gt waren in dieser Studie ein bis zwei Tage nach dem Absetzen nicht signifikant niedriger als vor dem Absetzen, erreichten dafür aber fünf bis sechs Tage nach dem Absetzen ein signi­

fikant niedrigeres Niveau. Ein bis zwei Tage nach dem Absetzen erwies sich eine muscarinerg vermittelte Stimulation der Chloridsekretion in der Tendenz, eine cAMP-abhängige hingegen als signifikant effektiver als vor dem Absetzen. Diese Steigerung der Sekretion war fünf bis sechs Tage nach dem Absetzen verschwunden.

Ein wichtiger experimenteller Unterschied zwischen den beiden Studien liegt in der Behand­

lung der Tiere beim Absetzen. Während CARLSON et al. (2004) die Ferkel ohne weitere Maßnahmen absetzten, unterzogen BOUDRY et al. (2004) sie einer 48-stündigen Nahrungs­

karenz. Dies könnte die unterschiedlichen Ergebnisse der Arbeiten erklären, da bekannt ist, dass Nahrungskarenz die Gewebeleitfähigkeit und den Ionentransport am Darmepithel erhöht (CAREY et al. 1994). Auch in den Untersuchungen der vorliegenden Arbeit stand den Fer­

keln nach dem Absetzen ständig Futter zur Verfügung. Die Messungen in der Ussingkammer fanden zwei Tage nach dem Absetzen statt, die Ergebnisse stimmen mit denen von CARLSON et al. (2004) für ein bis zwei Tage abgesetzte Ferkel weitgehend überein.

Die Ergebnisse von BOUDRY et al. (2004) und CARLSON et al. (2004) erklären auch, dass MILLER und SKADHAUGE (1997) keine Unterschiede in der basalen und stimulierten Chloridsekretion im Ileum zwischen nicht abgesetzten und seit sieben Tagen abgesetzten Fer­

keln fanden. Der Abstand zwischen Absetzen und Messung der Chloridsekretion von einer

Woche war vermutlich zu lang, um die offenbar nur kurzfristig wirksame Beeinflussung des Chloridtransports durch das Absetzen zu beobachten.

Die zwei Faktoren, die am häufigsten mit Veränderungen der intestinalen Sekretionsbereit­

schaft beim Absetzen in Verbindung gebracht werden, sind der damit verbundene Stress so­

wie die plötzliche Futterumstellung. BOUDRY et al. 2002 konnten die Umstellung von Milch- auf Getreidefütterung durch ein Absetzen zunächst auf Milchfütterung isoliert von den stressbelasteten sozialen Umstellungen untersuchen. Als Ergebnis erhielten sie unveränderte basale elektrophysiologische Parameter vier Tage nach der Futterumstellung und eine ver­

stärkte Reaktion der Chloridsekretion auf die Stimulation mit den Neurotransmittern Seroto­

nin und VIP, nicht jedoch auf eine Stimulation mit Carbachol oder Theophyllin. Da Serotonin und Carbachol beide eine calciumvermittelte Chloridsekretion induzieren, während VIP und Theophyllin die cAMP-Konzentration erhöhen, kann der hier beschriebene Effekt nicht auf unmittelbar zellulärer Ebene seine Ursache haben, sondern steht vermutlich mit dem enteri­

schen Nervensystem in Verbindung. Die in der vorliegenden Arbeit eingesetzten Stimulantien der Chloridsekretion wirken allerdings direkt auf die Epithelzellen ein.

Stress als zweiter bedeutender Faktor des Absetzens steht im Mittelpunkt der Arbeit von MOESER et al. (2007b). Die Autoren konnten niedrigere basale Gewebewiderstände und hö­

here Kurzschlussströme im Jejunum und Colon von Ferkeln 24 Stunden nach dem Absetzen mit erhöhten Plasma- und Gewebespiegeln an Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) und verstärkter Expression von CRH-Rezeptoren korrelieren. Die Veränderungen waren am zwei­

ten Tag nach dem Absetzen rückläufig und am siebten Tag nach dem Absetzen verschwun­

den. Aus Versuchen mit Ratten ist bekannt, dass CRH am Colon über eine lokale Wirkung an CRH-Rezeptoren zu erhöhten Kurzschlussströmen und Gewebeleitfähigkeiten führt (SAUNDERS et al. 2002) und so als Mediator von Stresseffekten am Darm wirken kann. Of­

fensichtlich spielt CRH auch beim Schwein eine wichtige Rolle als Mediator einer stressbe­

dingten Erhöhung der intestinalen Ionensekretion. Interessanterweise konnten MOESER et al.

(2007b) diese bei 19 Tage alten Ferkeln erzielten Ergebnisse bei 28 Tage alten Tieren nicht reproduzieren. Dies könnte der Grund sein, dass bei CARLSON et al. (2004) und auch in der vorliegenden Arbeit keine Veränderungen der basalen Isc und Gt ausgemacht werden konnten, da in beiden Fällen die Ferkel etwa vier Wochen alt waren.

Über weitere Mechanismen, über die die geschilderten alters- oder absetzbedingten Verände­

rungen der intestinalen Chloridsekretion vermittelt werden könnten, kann bisher nur speku­

liert werden. Infrage kommen Unterschiede in der Anzahl der Chloridkanäle ebenso wie in ih­

rer Ansprechbarkeit durch die Stimuli; möglicherweise sind aber auch die intrazellulären Si­

gnaltransmitter oder die Rezeptoren an der Zellmembran verantwortlich für diese Effekte. Um diese Fragen zu klären, bedarf es weiterer Untersuchungen.

Zusammengefasst stützen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit die Hypothese, dass die Se­

kretionsbereitschaft des Dünndarms beim Schwein mit zunehmendem Alter abnimmt und durch das Absetzen vorübergehend erhöht wird. Eine Infektion mit Erregern einer sekretori­

schen Diarrhöe trifft somit bei sehr jungen Ferkeln ebenso wie bei kürzlich abgesetzten Tieren auf eine leicht stimulierbare Mucosa und kann mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer kli­

nisch manifesten Erkrankung führen als bei anderen Schweinen.