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4. Ergebnisse und Diskussion

4.1. Selektive katalytische Oxidation lignocellulotischer Biomasse

4.1.3. Sensitivitätsanalyse des wässrigen POM-Ionosolv-Konzepts

4.1.3.1. Einfluss des Katalysators

Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse des POM-Ionosolv-Konzepts wurden zunächst verschiedene POM-Katalysatoren auf ihre Eignung zur selektiven in-situ Oxidation der gelösten Zuckerbestandteile untersucht. Dafür wurden sowohl unsubstituierte POM-Katalysatoren (H3PMo12O40, H4SiW12O40 und H3PW12O40) als auch vanadium-substituierte Polyoxometallate (H3+nPVnMo12-nO40 mit 1 ≤ n ≤ 6) ausgewählt. Die weiteren Reaktionsparameter der Screeningversuche sind in Tabelle 6 zusammengefasst.

In Abbildung 26 sind die Ausbeuten und Selektivitäten an Ameisensäure für die verschiedenen eingesetzten Katalysatoren aufgetragen.

Abbildung 26: Ameisensäureausbeuten und –selektivitäten der fraktionierten Umsetzung von Buchenholz im POM-Ionosolv-Konzept.

Reaktionsbedingungen: 10-fach Screening-Anlage, 1000 U min-1, 30 bar O2, 100 °C, 24 h, 10 g [𝑇𝐸𝐴][𝐻𝑆𝑂4] mit 40 Gew. % H2O als Flüssigphase, 0,1 mmol Katalysator, 5 Gew. % Buchenspäne (xBuch ≤ 630 μm).

Die unsubstituierten Katalysatoren (H3PMo12O40, H4SiW12O40 und H3PW12O40) zeigten nur eine sehr geringe Aktivität mit Ameisensäureausbeuten von unter 3 %. Im Vergleich dazu konnten mit allen Vanadium-substituierten POMs signifikant höhere Ausbeuten an Ameisensäure erzielt werden. Die höhere Aktivität der vanadiumhaltigen Strukturen ist auf die höhere Redoxaktivität von Vanadium im Vergleich zu Molybdän und Wolfram zurückzuführen. Die höchste Ameisensäureausbeute von 12 % wurde mit dem fünffach substituierten Katalysator H8PV5Mo7O40 (HPA-5) erzielt. Diese Ergebnisse sind in Einklang mit vorherigen Untersuchungen, bei denen keine ionische Flüssigkeit eingesetzt wurde.112 Bei diesen konnte gezeigt werden, dass vor allem die Stabilität sowie die Reoxidierbarkeit der Katalysatoren für die selektive Oxidation von gelösten Zuckermolekülen von großer Bedeutung sind. So ist einerseits eine gewisse Anzahl an Vanadiumsubstitutionen entscheidend für die katalytische Aktivität und die Reoxidierbarkeit des Katalysators, jedoch sinkt bei einem Substitutionsgrad von n > 5 die Stabilität der POMs in wässriger Lösung stark ab.165 Dies zeigt sich auch an der niedrigeren Ausbeute an Ameisensäure für HPA-6 im Vergleich zu HPA-5. Für die Oxidation von gelösten Zuckermolekülen agieren die vanadiumsubstituierten Polyoxometallate als reversible Sauerstofftransferkatalysatoren. Dabei entstehen in sauren Medien durch Dissoziation der HPA-n Struktur monomere Pervanadylspezies (VO2+). Diese Spezies haben ein höheres Redoxpotential (0,87 V vs. NHE) im Vergleich zu

0

der ursprünglichen HPA-n Struktur (0,68 - 0,71 V vs. NHE) und ermöglichen so die Oxidation des Substrats.36, 39 Anschließend kann die dabei reduzierte Spezies innerhalb der Käfigstruktur des Polyoxometallats wieder reoxidiert werden.6

Zusätzlich zu den verschiedenen vanadiumhaltigen Polyoxometallaten wurde auch Vanadylsulfat (VOSO4) als wasserlöslicher Referenzkatalysator eingesetzt. Die eingesetzte Menge an Vanadium in Vanadylsulfat entsprach der Stoffmenge an Vanadium im eingesetzten HPA-5 Katalysator. Mit Vanadylsulfat als Katalysator wurde eine Ameisensäureausbeute von 9 % mit einer Ameisensäureselektivität < 50 % erzielt.

Sowohl die Ausbeute als auch die Selektivität sind niedriger als die Ergebnisse, die mit HPA-5 als Katalysator erzielt werden konnten. Ein weiterer entscheidender Nachteil dieses homogenen Vanadiumoxids ist, dass es unter den eingesetzten Reaktionsbedingungen nicht reoxidiert werden kann.36 So ist sowohl im hier untersuchten POM-Ionosolv-Konzept, als auch im reinen wässrigen System die Käfigstruktur des Polyoxometallats nötig für die Stabilität und die Reoxidierbarkeit des Katalysators.

Auf Grund der katalytischen Aktivität, sowie der Stabilität im Reaktionsmedium wurde H8PV5Mo7O40 (HPA-5) als vielversprechendster Katalysator für die weiteren Untersuchungen ausgewählt.

Wie bereits in Abschnitt 2.1.2 beschrieben, sind wässrige HPA-n Lösungen komplexe Systeme, deren Komplexität mit steigendem Vanadiumgehalt weiter zunehmen. Durch Kombination dieser komplexen Strukturen mit wässrigen Lösungen ionischer Flüssigkeiten ergeben sich weitere Wechselwirkungen, die sich auch auf die Reoxidierbarkeit des Katalysators und somit allgemein auf dessen Eigenschaften auswirken.

Es ist literaturbekannt, dass Protonen von Polyoxometallaten durch organische oder anorganische Kationen substituiert werden können.166-167 Je nach Gegenkation können durch eine derartige Komplexierung die Eigenschaften, wie beispielsweise die elektrische Leitfähigkeit, die Löslichkeit in verschiedenen Lösungsmitteln, sowie die Temperaturstabilität der Polyoxometallatkomplexe angepasst werden.168-169

Auch die im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Polyoxometallate bildeten mit den Triethylammonium-Kationen der eingesetzten IL [TEA][HSO4] bei Raumtemperatur einen wasserunlöslichen Komplex aus. Dies war durch Bildung eines Niederschlags (weiß

bei unsubstituierten POMs, orange bei Vanadium-substituierten) bei Zugabe einer wässrigen POM-Lösung zu einer wässrigen IL-Lösung erkennbar. Exemplarisch entstand durch Zugabe einer wässrigen HPA-5-Lösung (H8PV5Mo7O40) zu [TEA][HSO4] ein Komplex der Struktur [TEA]xH8−x[PV5Mo7O40]. Dabei wurden x Protonen des POMs durch jeweils ein Triethyl-ammonium-Kation substituiert, wobei die anionische POM-Struktur erhalten blieb. Im Anhang A.3 (Abbildung A3) ist exemplarisch das FTIR Spektrum dieses Komplexes zur Bestätigung der Kegginstruktur dargestellt.

Der Komplex lag sowohl zu Beginn des Aufheizvorgangs bei Raumtemperatur, als auch nach Abkühlen des Reaktionsmediums auf Raumtemperatur vor und wurde demnach mit dem cellulosehaltigen Feststoff abgetrennt. Durch Waschen des Feststoffrückstands mit destilliertem Wasser konnten die Rückstände des Komplexes jedoch aus dem cellulosehaltigen Feststoff entfernt und der Katalysator erneut eingesetzt werden.

Für eine erste Einschätzung der Interaktion des Polyoxometallats und der Ionischen Flüssigkeit wurden zunächst optische Untersuchungen durchgeführt. Dafür wurden verschiedene Proben, bestehend aus HPA-5 und [TEA][HSO4] mit unterschiedlichem Wassergehalt bei Raumtemperatur hergestellt. Es zeigte sich eine deutliche Abhängigkeit der Ausbildung des Komplexes sowie der verschiedenen Spezies in der Reaktionsmatrix von dem Wassergehalt der IL und somit von der Zusammensetzung der Flüssigphase (siehe Anhang A.3 Abbildung A4 und Abbildung A5). Mit steigendem Wassergehalt konnte eine weniger stabile Komplexbildung in der Flüssigphase beobachtet werden. In reinem Wasser konnte der Katalysator hingegen vollständig gelöst werden (siehe Anhang A.3 Abbildung A4).

Zudem wurde zur Untersuchung der Temperaturabhängigkeit der Komplexbildung eine Reaktionslösung bestehend aus [TEA][HSO4] mit 40 Gew. % H2O und HPA-5 als Katalysator in einen Glaskolben gefüllt, unter Rühren schrittweise auf 130 °C aufgeheizt und anschließend abgekühlt. Auch hier bildete sich zunächst bei Raumtemperatur ein orangefarbener Niederschlags aus. Mit steigender Temperatur klarte die Suspension auf, was darauf schließen lässt, dass sich der Komplex mit steigender Temperatur teilweise löste. In der anschließenden Abkühlphase wurde die Reaktionssuspension mit sinkender Temperatur wieder trüber. Dies lässt darauf schließen, dass sich der zuvor gelöste Komplex mit sinkender Temperatur erneut bildete und als Niederschlag ausfiel.

Alternativ wäre es auch möglich, dass sich der entstehende Komplex in dem untersuchten Temperaturbereich nicht in der Flüssigphase löst, sondern schmilzt. Bei weiterführenden

Untersuchungen konnte jedoch mittels dynamischer Differenzkalometrie kein Schmelzpunkt des abgetrennten Komplexes in dem untersuchten Temperaturbereich nachgewiesen werden. Dabei stellte sich auch die Korrosivität der Ionischen Flüssigkeiten hinsichtlich der Materialbeständigkeit der einzelnen medienberührten Bauteile der Messgeräte als problematisch heraus.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit war es apparativ nicht möglich den Komplex selbst, beziehungsweise die Interaktion des Polyoxometallats und der Ionischen Flüssigkeit

unter Reaktionsbedingungen (T ≥ 100 °C, p = 30 bar) in-situ, beispielsweise spektroskopisch mittels NMR oder EPR, zu untersuchen. Jedoch wurden Untersuchungen zur Reoxidationfähigkeit des Katalysators beziehungsweise des Katalysatorkomplexes unter Reaktionsbedingungen durchgeführt. Dazu wurde Xylose als lösliches Modellsubstrat in einer wässrigen IL-Mischung mit HPA-5 als Katalysator mit einem Sauerstoffdruck von 30 bar umgesetzt und in definierten Abständen Flüssigproben genommen. Dabei zeigte sich zunächst eine Farbänderung des Katalysators sowie der Lösung von orange (oxidiert) zu Beginn zu dunkelblau (reduziert). Anschließend konnte durch einen erneuten Farbumschlag von dunkelblau (reduziert) zu orange (oxidiert) die Reoxidation des Katalysators bestätigt werden. Bei diesen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass der reduzierte Katalysator unter den gewählten Reaktionsbedingungen bei einem Sauerstoffdruck von 30 bar innerhalb von < 2 h wieder reoxidiert wird (siehe Anhang A.3 Abbildung A6). In wässrigen Medien dissoziiert, wie in Abschnitt 2.1.2 beschrieben, monomeres Pervanadyl als katalytisch aktive Spezies aus der POM-Struktur. Dieses kann jedoch nicht frei in Lösung vorliegend von molekularem Sauerstoff reoxidiert werden, sondern muss für diese Reoxidation innerhalb der POM-Struktur vorliegen.6 Es kann angenommen werden, dass die Reoxidation des Vanadium-substituierten POM-Katalysators in der hier vorliegenden wässrigen Ionischen Flüssigkeit ebenfalls nur erfolgen kann, wenn der POM-Katalysator bei Reaktionsbedingungen gelöst in der Reaktionsmatrix vorliegt. Daher lassen die Untersuchungen darauf schließen, dass sich der bei Raumtemperatur entstehende Komplex unter Reaktionsbedingungen in der Reaktionsmatrix löst und die gelösten Zuckermoleküle homogen umgesetzt werden. Im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit wird demnach von dem Katalysator und nicht von dem Katalysatorkomplex gesprochen.

Da das POM-Ionosolv-Konzept auf der Kombination der selektiven Fraktionierung und der katalytischen Oxidation der gelösten Bestandteile basiert, wurde im Rahmen der Kooperation mit dem Imperial College in London auch die Zusammensetzung des abgetrennten Feststoffs untersucht. Da diese Ergebnisse den Schwerpunkt einer wissenschaftlichen Arbeit am Imperial College darstellen, werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur exemplarisch Daten zur Vervollständigung aus den Untersuchungen der Feststoffrückstände dargestellt. In Abbildung 27 ist die Zusammensetzung des unbehandelten Substrats, sowie der Feststoffrückstand des HPA-5-POM-Ionosolv behandelten Substrats dargestellt.

Abbildung 27: Zusammensetzung des unbehandelten Substrats Buche und des Feststoffrückstands nach der Umsetzung von Buche im Rahmen des POM-Ionosolv-Konzepts mit HPA-5 als Katalysator.

Reaktionsbedingungen: 10-fach Screening-Anlage, 1000 U min-1, 30 bar O2, 100 °C, 24 h, 10 g [𝑇𝐸𝐴][𝐻𝑆𝑂4] mit 40 Gew. % H2O als Flüssigphase, 0,1 mmol HPA-5, 5 Gew. % Buchenspäne (xBuch ≤ 630 μm).

Das unbehandelte Substrat bestand zu 41 % aus Glucan, 24 % aus Hemicellulose und 28 % aus Lignin. Durch die POM-Ionosolv-Behandlung konnten 45 % der lignocellulotischen Struktur gelöst werden. Es ist deutlich zu erkennen, dass sowohl ein Großteil der im Substrat enthaltenen Hemicellulose als auch des enthaltenen Lignins während der Behandlung gelöst werden konnte. Zusätzlich wurde auch ein geringer Teil des enthaltenen Glucans (Monomer der Cellulose) gelöst. Ziel weiterer Untersuchungen war daher den Anteil an Lignin und Hemicellulose im Feststoffrückstand weiter zu senken und die enthaltene Cellulose möglichst nicht anzugreifen.

30,9

Glucan Hemicellulose Lignin Asche Sonstiges in Flüssigmatrix gelöst

Zudem wurde die Zugänglichkeit der Cellulose im Feststoffrückstand mittels enzymatischer Verzuckerung untersucht. Ziel dieser Untersuchung war zunächst keine Optimierung der enzymatischen Glucosefreisetzung, sondern die Überprüfung, ob die im Prozess nicht umgesetzte Cellulose prinzipiell für enzymatische Umsetzungen zugänglich ist. Dazu wurde sowohl das unbehandelte Substrat, als auch ein Substrat nach 24 h und ein Substrat nach 93 h POM-Ionosolv-Behandlung, wie in Abschnitt 3.4.11 beschrieben, enzymatisch verzuckert. Die erzielten Glucoseausbeuten aus der Verzuckerung wurden jeweils auf die maximal mögliche Glucoseausbeute basierend auf der Zusammensetzung der jeweiligen Probe normiert. In Abbildung 28 sind die Glucoseausbeuten des unbehandelten Buchenholzes sowie des Rückstands nach 24 Stunden bzw. 93 Stunden POM-Ionosolv-Behandlung dargestellt.

Abbildung 28: Glucoseausbeuten der enzymatischen Verzuckerung von unbehandeltem Buchenholz und nach der Behandlung von 24 h bzw. 93 h mit dem POM-Ionosolv-Konzept.

Reaktionsbedingungen: 10-fach Screening-Anlage, 1000 U min-1, 30 bar O2, 100 °C, 24 bzw. 93 h, 10 g [𝑇𝐸𝐴][𝐻𝑆𝑂4] mit 40 Gew. % H2O als Flüssigphase, 0,1 mmol HPA-5, 5 Gew. % Buchenspäne (xBuch ≤ 630 μm).

Aus dem unbehandelten Buchenholz konnten nur 4,6 % der theoretisch enthaltenen Glucose freigesetzt werden. Durch Behandlung des Substrats im Rahmen des POM-Ionosolv-Konzepts konnte die Glucoseausbeute auf 7,3 % nach 24 h Behandlung und auf 18,4 % nach 93 h Behandlung erhöht werden. Im Vergleich dazu konnten in Untersuchungen von Brandt et al.96 Glucoseausbeuten von über 70 % nach der reinen Ionosolv-Fraktionierung unter optimierten Bedingungen erzielt werden. Jedoch konnte mit diesen ersten Untersuchungen gezeigt werden, dass die Vorbehandlung der Biomasse

4,6

unbehandelte Buche 24 h POM-Ionosolv behandelt 93 h POM-Ionosolv behandelt

Glucoseausbeute/ theo. maximal/ %

mit dem POM-Ionosolv-Konzept keine negativen Auswirkungen auf die Enzyme selbst oder die enzymatische Verzuckerung hat. Zudem konnte die Zugänglichkeit für die enzymatische Verzuckerung im Vergleich zu der Zugänglichkeit im unbehandelten Substrat deutlich verbessert werden.